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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide tu Wilsdruff. Nr. 277. Dienstag den 3V. November 1920. 79. Jahrgang Amtlicher Teil. Viehzählung. Auf Grund der Verordnung des Wirtschaftsministeriums vom 12 November 1920 findet am I, Dezember eine Viehzählung statt. Die Zählung erstreckt sich auf Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine, Ziegen, Uedervieh, zahme Kaninchen und auf die Arbeitsverwendung der Pferde. Die Aufnahme erfolgt inittelS Ortslisten nach dem Stande in der Nacht vom 3v November zum 1. Dezember 1S20. Die Beteiligten wollen den mit der Nachprüfung Beauftragen des StadtratS in zweckdienlicher Weise Auskunft erteilen. Wer wissentlich unrichtig- oder unvollständige Angaben macht, wird mit Gefängnis bis -u sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark bestraft, auch kann Vieh, dessen Vorhandensein verschwiegen worden ist, im Urteil für dem Staate verfallen erklärt werden. Wilsdruff, am 28. November 192». Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser, . * Wie verlautet, baben die Berliner Verhandlungen beS bayerischen Ministerpräsidenten v. Kahr ein günstiges Ergebnis Mr die bayerischen Einwohnerwehren gehabt. * Der langjährige Kommandierende General des 17. Armee» »orvs, General v. Lentz«, ist, 88 Jahre alt, in Wernigerode »estorbe». * Arthur Griffiths, genannt stellvertretender Präsident der Mchen Republik und Führer der Sinnfeinbewegung, wurde »«haftet. * Aus Newyork wird berichtet, daß Harding die Absicht Hube, sofort nach der Erklärung des Friedenszusiandes Ver» Handlungen über die Errichtung eines neuen Völkerbundes M eröffnen. Mit starker Hand! Von einem parlamentarischen Mitarbeiter wird unS sSschriebest: Für unsere nur allzu raschlebige Zeit sind die Tage des Berliner Elektrizitätssireiks schon nahezu vergessen und ver» geben: wir haben schon wieder mit anderen Sorgen zu Stümpfen. Aber es ist ganz gut, daß sie uns durch die Inter» pellation der deutschnationalen Bollspartei des Reichstages wieder in Erinnerung gebracht werden. Denn wer kann wissen, wie bald irgend jemand abermals auf den Knopf zu drücken für gut befindet, um ganz Berlin wieder einmal .springen" zu lassen? Schon Ler erste Tag der Jnterpellationsdebatte hat ge zeigt, da» über alle trennenden politischen Gegensätze hinweg im deutschen Bürgertum doch eine gewisse Ähnlichkeit des Denkens und Fühlens anzutreffen ist. Wenn der demo- kratische Reichsminister des Innern Dr. Koch erklärt, daß er mit allem, was der deutschnationale Vertreter der Jnter- Vellatlon, der frühere Berliner Staütrat Berndt, über die Anstifter des Berliner Eleltrizitätsarbeiterstreiks gesagt hatte, durchaus einverstanden sei, so wird er für diese Offenherzig keit sicher viel Anerkennung finden. Auch Herr Dr. Koch betonte den starken politischen Einschlag dieses wilden Streiks »nd stellte fest, daß er von Sabotageakten begleitet war, die die Fortführung des Betriebes verhinderten und verhindern sollten. So fehlte es den Krankenhäusern an Licht, und die Arzte konnten nicht arbeiten, so daß bestimmt behauptet wird, es seien auch Todesfälle eingetreten. Dis Baugruben der Untergrundbahn liefen voll Wasser und gefährdeten so die benachbarten Häuser und das Leben ihrer Bewohner. Der Stgnaldienst auf der Stadt- und Ringbahn wurde lahm« gelegt, was mehrere Betriebsunfälle zur Folge hatte. Die Selbstverwaltung und die Landesregierung vermochten nicht Lurchzugreifen. Da griff das Reich ein, was durch die be kannte Verordnung des Reichspräsidenten geschehen ist, deren Aufhebung jetzt von den linksstehenden Parteien gefordert wird. Herr Dr. Koch aber er klärte, daß daran nicht zu denken sei, daß die Verordnung vielmehr erst durch das in Vorbereitung befindliche tzchlichtungsgesetz abgelöst werden würde. Die Regie« «rng werde solchen künftigen Streiks, wie ihn Berlin er leben mußte, wirksam und frühzeitig begegnen, wenn es «icht anders sein kann, unter Hinzuziehung der technischen, Nothilfe, an deren weiterem Ausbau fleißig gearbeitet Werde. Auf sie könnte solange nicht verzichtet weiden, als reicht in allen Schichten das Verständnis dafür, wie sehr solche wilden Streiks das Wirtschaftsleben zu zerrütten ge eignet sind, sich durchgesetzt hat und solche durch den Willen Ler Arbeiterschaft selbst unterdrückt werden. Die Reichs- regierung sei fest entschlossen, allen Versuchen, einer Ver- vewaltigung des Volkes durch eine Gruppe politischer Un ruhestifter mit aller Kraft entgegenzutreten. Darüber hinaus stellte der Minister für den kurz zuvor in der Berliner Stadtverordnetenversammlung offen angedrohten Fall einer Wiederholung der .revolutionären' Aktion der Eleltrizitäts» Arbeiter mit Sabotagehandlungen die Sperrung der Be« triebe für die schuldigen Arbeiter in Aussicht. .Ich werde mich nicht dazu hergebcn, ihnen, die die Gurgel des Staates in der Hand haben, eine solche Gelegenheit wieder- zugeben.' Wir werden es, betonte Dr. Koch mit Ent schiedenheit, mit starker Hand verhindern, daß eine Hand voll Arbeitsunlustiger auf der äußersten Linken das deutsche Volk beunruhigt. Durch diese ungeschminkte Ankündigung ist natürlich zunächst einmal Lie äußerste Linke des Reichstages stark .beunruhigt' worden. Aber auch der Redner der Mehrheits« e»ri«ilLonwkraten, der nach dem Minister zunächst zum Wort kam, schlug in dessen Kerbe. Er hielt Leu Radikalen vor. wie sie den Oberbürgermeister Wermuth durch ihr Verhalten zum Rücktritt gezwungen hätten, denselben Oberbürgermeister, der während des Streiks der Elektrizitätsarbeiter eine nach Ansicht der bürgerlichen Kreise von den Demokraten bis zu den Deutschnationalen zu weit entgegenkommende Haltung gegenüber den Streikenden einnahm. Der sozialistische Redner fprach von Gewissenlosigkeit, von Versündigung an den Interessen der Arbeiter und gab seiner Überzeugung dahin Ausdruck, daß, wenn die äußerste Linke einmal ans Ruder kommen sollte, es mit der Freiheit des Arbeiters vorbei sein würde. Trotzdem fordert allerdings seine Fraktion von der Regierung die sofortige Aufhebung der Notverordnung des Reichspräsidenten. Selbst der Vertreter des rechten Flügels der Unabhängigen mußte zugeben, daß die Stadt gar nicht in der Lag« gewesen sei, die Forderungen der Arbeiter zu erfüllen, und daß Gewerkschaften wie Betriebsräte für eine friedliche Erledigung der Meinungsverschiedenheiten gewesen seien. Solche wilden Streiks gefährdeten nur die junge Freiheit: „darum fort mit den Schwätzern, die heute mit einem neuen Streik drohen!' sagte er. Und der Redner der demo kratischen Partei legte Protest dagegen ein, daß Leute wie der Streikführer Sylt und Genossen die deutsche Arbeiter bewegung verschimpfieren und auf den Hund bringen. Soweit also herrscht Übereinstimmung auf der ganzen Linie. Der Widerspruch der ausgesprochen kommunistischen Linken soll erst noch kommen. Aber .die starke Hand" des Ministers Koch kann sich, das scheint festzustehen, aus eine ausreichende Mehrheit der Volksvertretung stützen. Keine Gpmmug ver 'Zerrtrumspartei. Die mißverstandene Rede Stegerwalds. Bon unterrichteter Zentrumsseite wird erklärt: .Der preußische Minister Stegerwaid hat, wie berichtet, auf dem Kongreß der christlichen Gewerkschaften in Essen am 20. d. Atts, eine Rede gehalten, die in der zentrumsgegnerischen Presse eine Auslegung nach der Richtung erfährt, daß eine Spaltung der Zentrumspartei oder die Gründung einer neuen Partei beoorstehe. Wie wir zuverlässig aus parlamentarischen Kreisen erfahren, wird die Rede vielfach mißverständlich aul- gefaßt, weil sie nur in Auszügen und auch insoweit nicht immer in zutreffender Fassung wiedergegeben ist. In wenigen Tagen wird eine Broschüre mit einem zuverlässigen Texte Ler Rede erscheinen. Über die dieser Rede Stegerwalds zugrunde liegenden Gedanungänge ist bereits auf der letzten Tagung des Neichsausschusses der Zentrumspartei vom 31. Oktober s dieses Jahres verhandelt worden. Eine Loslösung vom Zentrum — etwa durch die Gründung einer neuen Partei — wird von keiner Seite beabsichtigt. Bei der Tagung des Landesausschusses der preußischen Zerrtrumspartei am 12. und 13. Dezember wird die Angelegenheit für Preußen erörtert werden. Gleichfalls ist darauf aufmerksam zu machen, daß vom ReichsauZschuß der Zentrumspartei eine Kommission zur erneuten Durchprüfung und Ausgestaltung des Zentrums programms eingesetzt wurde. Die Beratungen dieses Aus schusses werden voraussichtlich sich ebenfalls auf dtefe Frage erstrecken. Das Ergebnis der Berrtungen soll dem zweiten Reichsparteitag vorgelegt werden, der in einigen Monaten stattfinden dürfte.' Politische Rundschau. Deutsches AeiL. -I- «1« Zehnmilliarden - Nachtragsetat. Ein Zehn- milliardemNachtragsetat für das laufende Etatsjahr wird. Wie aus parlamentarischen Kienen vertäutet, dem Rei:! !ag demnächst zugehen. Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Bereitstellung von Mitteln zur Beschaffung von Lebens- und Düngemitteln aus dem Ausland, 4- Fürstbischof Bertram an de» oberschl-sifchen Klerus. Der Fürstbischof von Breslau erläßt eine oberhirtliche Ver ordnung, wonach er sich im Hinblick am zahlreich« Klagen und betrübende Vorkommnisse im oberschlesischen Ab stimmungsgebiete nach eingehender Verhandlung mit dem Heiligen Stuhle zum Schutze der Würde des geistlichen Standes sowie der bedeutsamen Interessen der Kirche, des Klerus und der Gemeinden genötigt sieht, bei Strafe der Suspension allen Priestern und Klerikern jedweder Nationalität und Sprache strengstens zu verbieten, an einer politischen Demonstration teilzunehmen oder irgend welche politische oder andere Reden zu halten ohne die ausdrück liche Erlaubnis des örtlichen zuständigen Pfarrers. Allen nickt in der Breslauer Diözese inkardinierien Priestern wird überdies im oberschlestfchen Abstimmungsgebiete aufs strengsle jedwede politische Agitation verböte», möge sie im Halten von Reden oder in der Teilnahme an Demonstrationen bestehen und mit oder ohne Zustimmung des Pfarrers ge schehen. 4- Der neue Nunzius für München. Als Nachfolger des zum diplomatischen Vertreter der Kurie beim Deutschen Reich ernannten bisherigen Nunzius in München, Monsignore Pacclli, der in kurzem nach Berlin übersiedeln wird, ist der Nunzius in Buenos Aires, Vasallo di Corregrossa, aus ersehen. Es bestätigt sich, daß der für den Münchner PosUn bisher genannte Machetti, dem gegenüber ein Teil der dare- rischen Presse eine wenig freundliche Haltung eingenommen hat, zum Nunzius in Wien ernannt werden wird. * Auflösung der Bremer Stadtwehr. Im bremischen Parlament lBürgerfchafr) wurde ein Anirag Starker (U. Soz.). der die Ablösung der Bremer Stadtwehr fordert, mit 49 gegen 47 Stimmen angenommen. Für denselben stimmten die Mehrheitssoziaiisten, üte Unabhängigen und die Kom munisten; gegen den Antrag sämtliche bürgerlichen Parteien. Dies kann zu einer Kabinettskrisis sühren, falls der Senat die Au lömng der Stadtwehr ablehnt. 4- Schutz der deutsche» Gräber in Frankreich. Die französische Regierung hat der Kammer einen Gesetzentwurf unterbreitet, um das Gesetz vom 29. Dezember 1918, be treffend die Gräber aller Soldaten des Landheeres und der Marine der französischen und alliierten Heere, Lie während des Krieges gestorben sind, auch auf die deutschen Gräber in Frankreich anzuwenden. Dieses Gesetz ist nach den Be stimmungen des Artikels 225 des Friedensvertrages aus- gearbeltet, der der französischen Regierung die Verpflichtung auferlegt, die deutschen Gräber zu respektieren und zu unter halten. Die bereits vordandenen deutschen Gräber sollen erhalten bleiben, die Einzelgräber sollen zusammengeiegt werden. Diese Friedhöfe werden vom Staate erworben und unter seinen Schutz gestellt. Frankreich. x Die Meuschenvcrtuste aller lriegfiihrcnde« Staaten. Der Abgeordnete Marrin hat der französischen Kammer einen Antrag unterbreitet, den Ausschuß für Heer und Marine zu ersuchen, den genauen Menschenoeriust aller kriegführenden Staaten festzustellen. Dem Entwurf ist eine Begründung deigegeben, in Ler ungefähr die Zahl der Ver luste aller am Kriege beteiligten Staaten angegeben wird. Die Zahl der Verluste Frankreichs bis zum Juli !91S wirü auf 1383 000 geschätzt, was 16,44 Hundertstel der Verluste aller mobilifierten Staaten ausmacht. Grstzvtttanmen. X Friedensangebot an Sinn - Fein. Der englische Ministerpräsident erklärte im Unterhaus, daß die englische Negierung bereit sei, mit Jriand in Verhandlungen ürer ein Friedensabkommen zu treten. Diese Unterhandlungen müxien stattfinden mit den Sinnfein - Mitgliedern des Parlaments. Dte Regierung tue ihr Bestes, den Zustand der Gesetzlosigkeit aufzuheben und suche nach einem Friedensiveg. Griechenland. X Au das griechische Volk hat die neue Negierung eine Proklamation gerichtet, in der es heißt: Durch üie Wahl vom 14. November hat das griechische Volk klar seinen Willen in der Dynastiefrage kundgegeben, welche von denen aufgeworfen ivurde, die das Volk durch seine Stimm zettel zurückgewiesen hat. Es hat durch dte Wahl aus der Regierung diejenigen ausgemerzt, die dem König Konstantin sein Recht auf den griechischen Thron bestritten. Die Um stände, unter denen der König das Land verlassen mußte, machen es notwendig, auch über die Rückkehr des Königs durch Volksentscheid zu bestimmen. Für Sonntag, den 6. Dezember, wird das Volk zu den Wahlurnen gerufen, um Lurch geheime Abstimmung der Regierung den Auftrag zu erteilen, dem König die Bitte zu unterbreiten, in sein Land zurückzukehren und dort sein hohes Amt auszuüben. Deutscher Reichstag. (37. Sitzung.) . OS. Berlin, 27. November. Die heutige Sitzung brachte die Fortsetzung und den Schluß der Verhandlungen über die Interpellation wegen des Streiks der Berliner Elektrizitätsarbeiter. Zuerst sprach heute der Abg. Albrecht (Deutsche Dv.). Unter anderem betonte er, der Berliner Magistrat bat sich der Aufgabe nicht gewachsen gezeigt, die ihm die Verwaltung einer Millionenstadt msserleat. Auch der vreußischen Regie-