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Dresdner Journal : 10.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190303103
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19030310
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19030310
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-03
- Tag 1903-03-10
-
Monat
1903-03
-
Jahr
1903
- Titel
- Dresdner Journal : 10.03.1903
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Dresdner Journal Herausgegeben von der Königl. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Erscheine«: Werftag« nachm. ü Uhr. — Originalberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe uachgedruckt werden 1803 ^57 Dienstag, den 1V. März nachmittags veiugSPret«: Beim Bezüge durch di« KelchtstsSeur iuuerialv Ariden» 2.L0 M leinschl Zutragung), durch die Hkost im Tcmjchea Reiche » M. (au-fchlietzlich Bestellgeld) vierteljährlich. Einzelne Nummer» 10 Pf. Wird Zuracksenduna der für die Schriftleitung bestimmten, aber von diefer nicht ein- gesordrrten Beiträge bean sprucht, fo ist da- Postgeld beizusüge«. Bnkündtgu«,-gebühren: Dir Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Anlündi- gungS-«eite oder deren Raum so Pf. Bei Tabellen- und Zissernjay 5 Pf Aufschlag für die Zeile. Unten» Re- daktionsstrich (Eingesandt) die Textzcile mittler Schrift oder deren Raum SO Pf. Gebühren - Ermäßigung bei öfterer Wiederholung Annahme der Anzeigen bi- mittagS 12 Uhr für die nach mittags erscheinende Nummer. Amtlicher Teil. Se Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Landrichter bei dem Landgerichte Leipzig vr Albert Theodor Georg Lessing den Titel und Rang eines Landgerichtsrates zu verleihen Ernennungen, Versetzungen re. im öffent lichen Dienste. Am »eschLflsvereiche de» Ministerium- de« Kuttu- u. Sfsentl. Unterrichts. Zu besetzen: Die 2 ständige Lehrerstellt in HeinrichSort. Der Inhaber hat den Kirchschullehrer nötigenfalls zu vertreten. Koll.: Die oberste Schulbehörde 1200 M Gehalt, 100 M perf Zulage, 110 M für Fortbildungsschule, bk M für Sommerturnen und fr. Wohnung. Gesuche mit sämtl. Zeugnissen bis in die neueste Zeit, bez einem Militärdienstausweise bis 22. März bei BezirkSschulmspektor Schulrat Lötzsch, Glauchau, einzu- reichen. (Behördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile) Nichtamtlicher Teil. Lußtag. Unser Volk ist unlustig zur Buße. Wer ihm ins Herz zu sehen vermöchte, würde schwerlich jenem großen Zug begegnen, daß eS sich auch weiß nieder zuwerfen vor dem heiligen Gott. Es hat immer etwas Versöhnendes, wenn neben dem titanenhaften Übermut das Bekenntnis der Schuld steht. Die überschäumende Kraft, welche die Schranken durch bricht, findet wenigstens ihr Korrektiv in der Er kenntnis, daß man nicht ungestraft gegen die ewigen Ordnungen anstürmt. In solchem Eingeständnis und solcher Umkehr ist doch ein großartiger Entschluß, ein ernster Willensakt, eine Tat vorhanden. Aber es scheint, daß eS unserer Zeit an dieser Kraft ge bricht. Daß Sünde und Unrecht aller Art massen haft geschehen, gibt man, wenn man sie auch mit täuschenden Namen belegt, ohne weiteres zu, aber die Frage, war zu geschehen habe, um sie zu be gleichen, bleibt ungelöst. Die Schuld läuft weiter Damit jedoch, daß man einer sich aufdrängenden Frage ausweicht, bringt man die Sache selbst noch nicht aus der Welt. Solange wir fühlende Menschen sind, werden wir nicht umhin können, der Stimme des Gewissens das Recht einzuräumen, gegen die Sünde zu zeugen. Ja, das Gewissen meldet sich ungerufen selbst an, ganz unabhängig von irgend eines religiöser Überzeugung tritt es als selbständige Macht diesem gegenüber. Wenn wir auch jedem die Freiheit einräumen wollten, nach schrankenloser Willkür zu leben und seinen Begierden, Neigungen und Strebungen die Zügel schießen zu lassen, wenn wir einstimmten, Mensch sein heißt: durch alle tiefen Abgründe und Erschütterungen hindurchgehen, so würden gleichwohl die Opfer der Sünde, die ge brochenen Herzen und das zertretene Glück der anderen gegen uns auftreten. Soll solche aufgehäufte Schuld keine Sühne finden? Und wenn der Frevler sie nicht geben kann, wer leistet sie? Was wird aus Sünde und Schuld, — das ist die Frage, vor die unser Volk am Bußtag gestellt wird. Man kann den Missetäter strafen, aber das wird nie die volle Sühne sein. Sieht man von den zeit lichen Strafen ab, so hätten wir von dem, vor dessen durchdringendem Auge alles Böse unserer Gedanken, Worte und Werke offen daliegt, eigentlich Ver nichtung zu gewärtigen. Damit ist aber im Grunde niemandem gedient. Was hätte Gott davon, wenn er nur zertrümmerte Existenzen um sich sähe? Er hat kein Interesse am Tode des Sünders, wohl aber daran, daß er sich bekehre und lebe. So viele ihrer sich vom erkannten Bösen abkehren, ein Grauen vor den Folgen ihrer Leidenschaft empfinden, in echte Bußklagen auSbrechen, die liefern unschätzbare Beiträge zur richtigen Beurteilung von Sünde und Schuld Aber Reue und Buße selbst sind noch keine Sühne, sie mindern, so aufrichtig sie sind, den Berg der aufgehäuften Schuld um nichts. Von einem Gutmachen kann ohnehin nicht die Rede sein. Der Gedanke, in einem neuen Lebensabschnitte gutzu machen und auszugleichen, was man früher verfehlt und verabsäumt hat, ist, so verlockend er erscheint, doch ganz schief. So oft auf diesem Wege die Lösung gesucht würde, es käme zu keinem irgendwie befriedigenden Ergebnisse. Durch äußere Leistungen kann man etwa dies und jenes abstoßen — auf sitt lichem Gebiete ist damit nichts erreicht. Jeder Ver such, dar Bewußtsein der Schuld durch sich selbst zu überwinden, müßte selbst bei der äußersten An spannung pflichtmäßigen Tuns mit völligem sittlichen Bankrott endigen. Denn, sobald einer sich redlich müht, die erkannten Pflichten eines neuen Lebens zu er füllen, so wird er auch mit Schmerz erkennen, daß das Vollbringen stets hinter dem Wollen zurück bleibt. Einen Überschuß von sittlichen Leistungen wird keiner zuwege bringen. Wir freuen uns über jeden Reumütigen und Bußfertigen, er steht unend lich hoch über dem Stumpfen und Gleichgültigen, der gar nichts nach der Tilgung von Sünde und Schuld fragt, aber daß mit bußfertiger Gesinnung und treuer Pflichterfüllung alte Schuld nicht getilgt werden kann, ist gewiß, und so kehrt die Frage zurück: wer sühnt diese? Die Antwort auf diese Frage kann nur so lauten, wie sie schon vor Jahrtausenden, u. a. vom Propheten Jesaias gegeben worden ist, der Gott den Herrn zu seinem Volke sprechen läßt: „Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten. Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen." Die durch Übertretungen gehäufte Schuld ist gleichsam auf Gott selbst abgeschoben, ihm zugewiescn worden, der zuvor in seinem heiligen Gesetze die sittlichen Forderungen aufstellte. Man hat cs, unfähig sich selbst zurecht zu bringen, Gott selbst überlassen, sich mit seinen Forderungen einerseits und den rück ständigen Leistungen der Menschen anderseits abzu- findcn. Der Mensch konnte eben das Problem nicht lösen. Und was hat da Gott getan? In ihm ist eine große Bewegung Die Liebe hat die Schuld getragen, das Erbarmen hat sie getilgt. Wie er bisher schon die Sünde unter göttlicher Geduld ließ und mit Langmut die trug, die doch „Gefäße seines Zornes" hätten sein müssen, so hat er auch die auf gehäufte Schuld aus seinem Gedächtnis getilgt und vor seinem Auge abgetan. Solches kann eben nur Gott tun. Das ist nicht ein Zeichen von Schwäche, sondern ein Beweis höchster sittlicher Stärke. Der die Macht hat, eine Welt zu zerschlagen und eine bessere an ihre Stelle zu setzen, verzichtet vor dem Reumütigen auf seine strafende Gerechtigkeit und läßt die Liebe walten. WaS dem oberflächlichen Auge als schwäch liches Nachgeben erscheinen mag, zeigt sich vor dem tiefer Blickenden als anbetungswürdige Erhabenheit. Sünde vergeben ist göttlich schön, ist göttlich groß. Freilich ist dieser Weg der Gnade auch der letzte Weg, der beschritten wird Der Gott, der so lang fristige Zeiten gibt, hat die Zukunft in seiner Hand, behält sich den letzten großen Ausgleich vor. Indem er selbst die Schuld aus dem Wege räumt und die Hand dazu bietet, daß sich die Menschen nun zu ihm kehren, bedroht er den, der diese Hand ausschlägt, mit dem Gericht. Von dieser Erkenntnis aus wird die Sorglosig keit dcS Geschlechts unserer Tage, das nicht nur mutwillig weiter sündigt, als gäbe cs keinen Gott im Himmel, sondern sich auch um die Frage, was aus der Schuld wird, nicht kümmert und dazu noch die angebotene Gnade ausschlügt, geradezu verhängnis voll. So gilt es, die schläfernden Gewissen aus dem Irrwahn aufzurütteln. Vor allem muß die Gestalt Christi den Leuten wieder vor die Augen treten In ihm stellt sich das Leben eines Gerechten dar, der auf Schritt und Tritt von der Sünde, die ihn umgibt, verwundet wird, aber sie zugleich in einer bisher unerhörten Weise durch sein Wort der Wahr heit aufdcckt, straft und überwindet. Und fragen wir, warum seine Verkündigung einen so unermeß lichen Nachdruck gehabt hat, warum er mit seinem Worte in unerreichbarer Höhe dasteht und es ihm ge lungen ist, was keinem vor oder nach ihm wieder gegeben ward, nämlich daß es geradezu unmöglich ist, hinter die von ihm gezeichneten Richtlinien wieder zurückzusinken, so ist die Antwort die: weil seinem Worte nicht der Tatbeweis des Lebens, des Vorbildes und des Opfers gefehlt hat. Das fort gesetzte Tatopfer seines Lebens, es zu einem anderen, dem allein vor Gott gültigen Urteile über Sünde und Schuld zu bringen, hat er besiegelt mit seinem Tode. Da hat die Bosheit, die sich gegen sein Zeugnis auflehnte, ihr Äußerstes getan. Aber indem er sich auch da mittenein stellte, machte er sich zum Opfer für die Sühnung der Schuld. „Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht", ruft der Apostel, ergriffen von der Erkenntnis der Wege Gottes, aus. So ernst ist es Gott mit der Hilfe, die er den Menschen angedeihen lassen will, daß er ihr selbst den Helfer in der ver zweifelter. Lage gibt. Die Frage: was wird aus Sünde und Schuld?, die wir so gern unserem Volke am Bußtage in der Pafsionszeit in den Mund legen, bekommt nun die tröstliche Antwort: um Christi willen soll sie dem Bußfertigen vergeben sein, den Frieden der erfahrenen Gnade soll er im Herzen schmecken und dadurch neuen Raum für ein neues geheiligtes Leben in Christi Sinn, Geist und Kraft finden. Die Frage nach Sünde und Schuld ist un fraglich das Problem aller Probleme. Hier ist cs gelöst. Wer die vieltausendstimmigen Seufzer und Bitten hören und auf die Vorschläge und Heilmittel achten könnte, die sich unter allen Völkern aller Zeiten in der verschiedensten Religionserkenntnis und den mannigfachsten Bußübungen vorfinden, der würde einen einzigen großen Aufschrei nach Frieden hören. Und wenn er sich von diesem Aufschrei, aus dem zugleich das Eingeständnis herausklingt, daß es unmöglich sei, sich selbst zu helfen, dann hinwendet zu der Erlösung in Christo, von dem es gilt: „Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen", der kann nur sinnend stille halten vor den wunderbaren Wegen der göttlichen Gnade, die selbst die Lösung gebracht hat. Wer dieser Ge wißheit sich auch im eigenen Gewissen freuen kann, der genießt voll den Segen des Bußtags. Vie politische Lage in Frankreich. Aus Paris schreibt man uns: Am 5. März abends 9 Uhr hat die Kammer nach fast achtstündiger Sitzung die Beratung über das Budget 1903 beendet und dieses genehmigt. Seit über zwei Monaten sollte cS eigentlich nicht nur von der Kammer allein, sondern auch vom Senate, der es nur noch zu prüfen hat, erledigt sein und gegenwärtig müßte man von Rechts wegen schon die Vorschläge der Regierung für das Budget 1904 kennen. Aber die neue Legislatur periode, welche die Kammer im Juni vorigen Jahres be gönnen hat, läßt sich schlecht an und aller Voraussicht nach wird das Budget 1904 ebensowenig zu rechter Zeit genehmigt sein, wie sein Vorgänger es war. Mit der Regelmäßigkeit der Finanzwirtschaft des französischen Parlaments war es von jeher nicht gut bestellt, doch jetzt ist man, scheint cs, mit ihr besonders übel daran Ja, wenn die Kammer wenigstens im Laufe ihrer langen Debatten den Budgetplan, den ihr die Regierung im Oktober 1902 vorlegte, wesentlich verbessert, die Aus gaben verringert rind reiflich überlegte Ersparnisse ge macht hätte! Es ist ja nicht zu verwundern, ivenn jede Kammer im Anfang einer neuen Legislatur in dem Be streben, den richtigen Weg zu finden, zunächst Umwege macht und Zeit verliert. Dann erwartet man aber auch, daß, wenn jener einmal gefunden worden ist, die Ver säumnis wieder irgendwie eingebracht werde. Ter Weg jedoch, auf dem die Kammer einherschreitet, ist nicht ge rade geeignet, dem Lande großes Vertrauen einzuflößen Als das Budget 1903 am 14. Oktober vor. Js. in der Kammer eingebracht wurde, erhob sich der Nettobettag der Ausgaben auf 3563'^ Mill Als die Kammer am vergangenen 5. März den Strich unter die Rechnung machte, erhob er sich auf 3546Mill. Man sieht, der Unterschied ist nicht groß. Nur 17 Mill bleiben von den Anstrengungen, welche die Budgetkommission zur Er leichterung des Budgets gemacht hat, übrig, und was Finanzminister Rouvier im Oktober 1902 gefunden hatte, findet man jetzt im März 1903 mit einer geringen Differenz wieder. Taher könnte angenommen werden, daß in der Zwischenzeit keine bemerkenswerten Ver änderungen vorgekommen sind Aber erstlich ist ein guter Teil der von der Budgetkommifsion erzielten Er sparnisse nicht genehmigt worden. Dann war der Kampf der Branntweinbrenner, deren Freiheiten die Regierung aus guten Gründen beschneiden wollte, mit Erfolg ge krönt Die Mahnung des Finanzministers zur Vorsicht wurde in den Wind geschlagen und das Privileg der Branntweinbrenner im Gegenteil mit neuen Erleichterungen begabt. Tann veranlaßte die Kammer die Regierung zur Ausarbeitung eines Projekts des Petrolcummonopols in kürzester Frist. Taü Alkoholmonopol wurde zwar nicht verfügt, aber einer Kommission zur Prüfung über wiesen und nun droht es. Kurz, die Kammer gestattete sich trotz der mißlichen Finanzverhältnisse Neuerungen, deren Durchführung höchst bedenklich ist und jedenfalls die äußerste Vorsicht gebietet. Finanzminister Rouvier tat sein möglichstes, um sie zu leiten, im Zaume zu halten und vor gefährlichen Seltensprüngen zu bewahren und legte während der Budgetdebatte wiederholt un bestrittene Beweise seines Finanzgcnies ab Doch fand er trotzdem keine Mehrheit, die ihn durch Treue für seine Umsicht belohnt hätte. Die Erfinder neuer Steuern und die Verfechter der Lokalinteressen konnten sich eben nicht entschließen, ihre Kirchturmsansprüche den allgemeinen Interessen der Wohlfahrt der Republik und des Vater landes unterzuordncn, und deshalb kann man nicht sagen, daß die finanzielle Erziehung der neuen Kammer schon vollendet ist. Sie hat in dieser Hinsicht ihre Lehrzeit noch nicht hinter sich. Demnächst wird sich nun zeigen, wie sie in anderen Fächern beschlagen ist. In der laufenden Woche kommt die große Debatte über die Kongregationen an die Reihe, die bis zu Ostern dauern soll Da hat die Kammer z. B. Gelegenheit, auf diesem Gebiete ihre Fähigkeiten zu beweisen. Kunst und Wissenschaft. Konzert. Das zum Besten wohltätiger Zwecke ver anstaltete und durch den Besuch Ihrer Königl. Hoheit der Frau Prinzessin Johann Georg ausgezeichnete Konzert der Herren Walther Bachmann, Josef Kratina und Arthur Stenz war erfreulicherweise so aut besucht, daß der (geschmackvoll ausgestattcte und akustisch vor treffliche) Saal des Neustädter Kasino die Zahl der Zu hörer kaum zu fassen vermochte. Der Abend wurde mit einem von Georg Irrgang gedichteten und von Frl. Julia Serda eindrucksvoll gesprochenen Prolog eröffnet, der in gewählten Motten den Segen der Mildtätigkeit pries. Zu den Watten der Schlußstrophe „Töne, du süßer Klang der Musik, sprich zu der Menschen Herz" gesellten sich in ergreifender Weise die feierlichen Akkorde des Grützmacherschen „Weihegesanges" in der Bearbeitung für Violoncell und Harmonium. Später erfreute Frl. Serda noch durch mehrere Deklamationen, unter denen das sinnige „Zu Hause" am glücklichsten gewählt erschien. In gesanglicher Hinsicht stellten sich Frl Eva v. der Osten und Frr Caroline Rosenberger in den Dienst der guten Sache Die erstgenannte Künstlerin, deren traafähige, in der Höhe zur Zeit jedoch noch etwa« ausdrucksscharfe Sopranstimme für die kräftigeren Umrisse de« Bühnengesanges geeigneter erscheint al« für dir intimeren Vortragsfeinheiten de« Konzertgesange«, hatte Lieder von Schubert, Brahms und Hugo Wolf gewählt, während Frl. Rosenberger außer Gesängen der Heiden erstgenaanten Komponisten („Mein Mädchen hat «inen Rosenmund") Lieder von Beethoven mit voll tönend ansprechender Altstimme zum Vortrag brachte Die hochgeschätzte Triovereinigung, deren künstlerisch ge diegene und für da« musikalische Kunstleben Dre«den« so anregend und wertvoll gewordenen Konzertveranstaltungen gestern die Zahl fünfundzwanzig erreichten, gedachte in pietätvoller Weise des allzufrüh dahinqeschiedenen Mit begründers der Neustädter Kammermusikabende, Adolf Gunkels, mit dem geschmackvollen Vortrag seiner reiz vollen „Schottischen Weisen" (nach Überlieferungen aus dem 13. und 14. Jahrhundert) für Klavier, Violine und Violoncell. Außerdem bot das Programm eine willkommene und sehr wirkungsvolle Wiederholung des Tschaikowsknschen A-moll-Trios op 50, das unter den Kammermusikkompositionen des russischen TonsetzerS durch Erfindung«- und Ausdruckskraft wie durch Formen gewandtheit mit Recht den Vorrang behauptet. U. S. Sächsisches Volkstheater*). Ein gar nicht genug zu schätzendes Mittel, das Volk zu bilden und zu erziehen, ist noch jederzeit die Bühne gewesen, und sie wird es in immer crhöhterem Maße bleiben Aber sie muß auf absolut reiner Grundlage stehen, darf auf keinen Sand und vor allen Dingen auf keinen Sumpf gebaut sein und tut gut, sich ihre Stoffe aus dem Volk selbst zu holen — ihre Stoffe und auch die Sprache, in welche die wiederzugebenden Dichtungen gekleidet werden Und gerade da« deutsche Volk birgt so herrliche Eigen schaften in sich, äußert sein Denken und Empfinden nicht nur so innig, fo kräftig, sondern auch fo wahr und eigen artig, daß e« wohl nur gerecht ist, auch auf der Bühne diejenige Einzel-Mundarten zu berücksichtigen, in die sich die große, allgemeine Schriftsprache unseres Vater« iande« abtönt Der wirkliche Dialektdichter wird *) Eröffnung am 1. Mai d I- in Chemnitz: Spielzeit in Dresden im August. Leitung: Georg Zimmermann D Red. uns stets nahe stehen, da seine Dichtkunst aus dem warmen Pulsfchlag, aus dem tiefsten Empfinden des Herzens schöpft; der Laut der Muttersprache war noch stet« die Zauberrute, die alles, was rein und edel und schön ist in der Seele des Menschen, ans goldene Sonnen- jicht fördert. Natürlich ist der Dialekt auf der Bühne vor allen Dingen dort willkommen und wirksam, wo ihn die breite Volksmasse spricht- ihm im großen, deutschen Vaterlande überhaupt Beachtung, Würdigung und Wirkungsfähig keit zu verschaffen, bleibt Aufgabe einzelner Berufenen. Aber der Erfolg ist noch niemals ausgeblieben, ob nun der Norddeutsche zum Süddeutschen sprach, oder ob dieser in die Distrikte Niedcrdeutschlands herabstieg — nur an die großen Erfolge der Schlicrseer auf der einen, des prächtigen Junkermann auf der anderen Seite sei erinnert, und keine Jdiomgrenzen gab es für diese wohl typisch gewordenen Vertreter der auf der Bühne heimisch gemachten Dialektkunst. Da nun der eine recht heißt, was dem andern billig ist, glaubte auch Sachsen nicht hinter den Bayern, Schwaben, Elsässern, Cölnern, Schlesiern und Nieder deutschen Zurückbleiben zu dürfen; der Weckruf ertönte und fand freudigen Widerhall im ganzen obersächsischen Sprachgebiet — der Plan der Gründung eines „Sächsischen Volkstheaters" tauchte auf, und jetzt, nach saft dreijähriger, ernster und gewissenhafter Vorarbeit, ist er in eine lebenskräftige Tatsache umgesrtzt worden. Unendlich fast schienen die Schwierigkeiten zu fein, die zu überwinden waren, und um so bedrohlich«, al« der aanie, große Plan an eine einzige Persönlichkeit ge bunden war, diejenige des derzeitigen ersten Vorsitzenden de- „SachsenvrreinS zu Berlin", Schriftsteller« Georg Zimmermann Zimmermann hatte hinsichtlich der Durchschlagsfähig keit der sächsischen Mundart die Probe aufs Ezempel gemacht. Selbst fruchtbarer Dialektdichtcr, trug er feine eigenen Gedichte und diejenigen anderer sächsischer Autoren zunächst bei Wohltätigkeitsveranstaltungen in der Reichshauptstadt vor, dann, durch seine glänzenden Erfolge m engerem Kreise auf sich selbst und die ob siegende Kraft seiner Muttersprache aufmerksam gemacht, zog er seine Kreise weiter, und im Norden, Süden, Osten, Westen Deutschlands, überall, wohin er, jetzt als Rezitator, seine Schritte wandte, lohnte ihn freudigste Anerkennung und Dankbarkeit. Da ergriff ihn der Ge danke, die Bühne der sächsischen Mundart dlenstbar zu machen, und, erprobt in treuer, unentwegter Pionier arbeit für das Sachsentum, verfolgte er feinen Plan, allen Widerwärtigkeiten, ja, direkten Anfeindungen und verstecktem Gegenarbeiten zum Trotz, mit zäher Energie bis zur Umwandlung in die schöne, lcbenswarme Tat sache. Georg Zimmermann ging ganz systematisch vor Zu nächst erließ er, um berufene Dichter aufzurütteln, da mit sie sich auf sich selbst und auf Heimatart und Heimatdialekt besännen, unterstützt durch die tatkräftige Mitwirkung einsichtiger Landsleute, ein literarisches Preisausschreiben für Bühnenstücke in den Mundarten de« obersächsischcn Sprachgebiet«, de« Königreich« Sachsen also, der nordthüringischen Länder, soweit sie nicht in ausgesprochenem Maße fränkisch sind, und der preußischen Provinz Sachsen Der Wettbewerb war ein überaus reger, und die Preisricht«, außer Georg Zimmer mann noch Ferdinand Gregori, Wolfgang Kirch bach, vr Hermann Pilz unv Wilhelm v. Polenz, hatten monatelang zu tun, um die Eingänge zu sichten und die Spreu von dem Weizen zu trennen Eine Tat sache aber, unumstößlich und hochnfteulich, wurde sest- aestellt: e« gibt im obersächsifchcn Sprachgebiet ein so stattliche« Heer berufen« Heimatdichter, und e« gibt im sächsischen Volk«leben eine so unendliche Menge behänd-
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