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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021210026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902121002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902121002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-10
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
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Der Reichstag bat geuern den Antrag Gröber auf Abänderung der GeickäftSordnung dahin, daß künftig da» Wort zu, Geschäftsordnung nur nach freiem Ei messen des Präsidenten erteilt werden darf und Bemerkungen zur Geschäiteoidnung die Dauer von fünf Minuten ruckt über schreiten dürfen, mit 2<>6 gegen 92 Stimmen vei 8 Stimm enthaltungen angenommen und kann unter der sosoil in Kiait getretenen neuen Bestimmung die zweite Le>ung des ZolltanfgeietzeS fortgesetzt. Der Antrag Gröber Hut also weniger Summen a>S Unterichr'sten erkalten, waS aber lediglich darauf zuiück^ufübren fein dürfte, daß der Abg Liebermann von Sonnenberg, der nut feinen Gesin nungsgenossen den Antrag gleickialls unter,eicknet batte, durch die Annahme eines Antrags auf Schluß der Debatte von der Begründung Vieser Unieiz-ichnung abgebalten wurde und der halb mit seinen F.cuntcn gegen den Antrag stimmen zu müssen erklärte. Das ist bedauerlich. Man bätic, nachdem schon so viel Zeit vergeudet woiden war, Wohl noch einige Minuten mit der Schließung der Debatte warien können, um den Abg. Liebermann von Sonnenberg sprechen zu lassen; die tleine ZeitveriäumnlS wäre ausgewogen worden durch eine Reihe von Summen mehr für den Antrag Gröber. Freilich wird von den Antrag stellern aus Schluß der Debatte keiner geabnt haben, daß er durch diese Handlung Herrn Liebermann v. Sonnenberg auS einem Freunde in einen Gegner des Antrags Grüner um wandeln würde. Bedauerlich ist eS auch, baß der Abg. R ich i er sich trotz seiner Gegnerschaft gegen die Obstruktion nickt für den Antrag Giöbcr e>wäimen konnte. Vielleicht wäre dies geschehen, wenn der An'rag eine eiwaS andere Fassung Kälte erkalten können. Ein brauchbarer Abänkerungsantrag lag aber nickt vor; denn der des Abg. v. Schele-Wm Steif, dax wegen der Worierteilung zur Gesckäfikoidnung das Haus befragt werden und die Rededauer „unterUmständen' mii Genehmigung des Pi äsidenten fünf Minuten überscki eiien düne, war keine Derbtsseruug. Objeltiver als daS Haus wird der Präsident in den meisten Fällen entscheiden und die Beschränkung aus fünf Minuten berühit Maioruät und Minornät gleichmäßig, während die Mach! deö Präsidenten, „unter Umständen" die Rededauer über fünf Minuten auszubehnen, wenigstens Anlaß zur Bezweifelung der Objektivnät des Präsidenien g>bt. So erhielt also der Antrag Gröber eine immerhin sehr erhebliche Majoriiät, wenn diele auch etwas gennger war, alS sie wohl hätte fein können. Die Minderheit protestierte zwar, aber in auffällig zabmer Bieste. Die Parteigenossen des Herrn Singer waren sich zu gut bewußt, daß sie den Annag Herbeigelnüllt, getobt und gepöbelt und feine Annahme erzwungen labe». Für das Präsidium erwachst nun aber auck Vie Pflicht, in die Handhabung der Geschäftsordnung jene Sicugkeit und Sicherheit zu bringen, die m der letzien Zeil öfter vermißt worden ist. Gestern mußte sogar der Pi äsident dcS preußilchen Abgeordnetenhauses v. Krück er scstuellen, daß Gras Stolberg die GelchäjtSorbnnng ander« handhabe, als die Herren Graf Ballestrem und Büsing. Gerade in so stürmischen Zeilen muß eine solche Ungleickbeil erregend Wirken. Auch darauf wird man Bedackt haben müssen, die Auszählung der Stimmen bei namentlichen Abstimmungen vor groben Irrtümern zu sichern. Gestern versagte die lox Aickbichler mehr als je, denn unmittelbar nack der Ab stimmung über den Antrag Gröber zäblien die Schrifilübrer >76 bejahende, 125 verneinende Stimmen und 6 Siimment- baltungen, mußten später aber daS ickon mugeteilie Resultat feststellen, daS der Minorität eine bittere Enttäuschung brachte Freilich mußte die radikale Linke auck bei vieler Ent täuschung sich sagen: „Ta I'as voulu, 6eorzs Oauclür". Irreführung des Auslandes. Der Wiener „Politischen Korrespondenz" geht von Berlin eine Darlegung über den Stand der deut'cken Zoll tariffrage zu, die den Korrespondenten großer Wiener und römi'cker Blätter in Berlin in die Werkstatt leuchtet. In der Auslassung beißt es: Die Tatsache, datz hervorragende Organe im AuSlanbe vorwiegend von freisinnigen oder sozialbcmoklatiichen Korrespondenten bedient zu werden pflegen, trägt nicht dazu bei, die Bericktelsiattung über den gegenwärtigen Stand der Zolltaristroge und deien Aussichten auf parlamentarische Erledigung einwandfrei und der Wahrheit gemäß vorgenommen zu sehen. An bösen Willen braucht man dabei gar nickt zu denken, es genügt, zur Erklärung vieler das Ausland viel leicht noch mehl als deuticke Interessen schädigenden Erscheinung daraus hinzuweisen, wie grrabe die Anhänger der radikalen Parteien nickt selten geneigt sind, bei Abwägung von zukünftigen Mögli t keilen das jenige iür wirklich zu halten, was ihren Wünicken rnt'prichl. Der artige B richterslatter b müden sich jetzt, den von ihnen veitretcnen Blättern den Glauben beiznbringen, der Antrag Kardorsf habe nicht bloß Bedeicken unter dem Gesichtspunkt der parlainentarnchen Ge- Ichäftsordnung gegen sich, sondern weide auch sachlich von den Industriellen als eine drückende Belastung empfunden und daher von ihnen energisch bekämpf». Es würde denjenigen, die Derartiges behaupten, gewiß sehr schwer fallen, irgend- welche Beweismittel zur Erkältung ihrer Ansichten herbei- zuschafsen. Alle Welt weiß, daß die industrielle» Kreise von vornherein jede Zollgesetzgebung willlvinmen geheißen haben, welche ihnen eine Fortdauer des gegenwärtigen Schutzzollsystems unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung langfristiger Hanoelsaeiträge in Aussicht stellt. Es läuft alio direkt auf eine Irreführung der öffentlichen Meinung hinaus, wenn jetzt Parteipolitiker verbuchen, im AuSlande den Anschein zu erwecken, als lägen die Schwierig, leiten, welche der Antrag KarLorfs zu überwinden habe, nicht bloß aus parlamentariichcm Gebiete, sondern auch in dem Widerstande der intereisierien Kreise. Die Ueberzeugnng ist allgemein, so schließ» die Auslassung, daß eS der im Reichstage zu ammenaeichtosjeneii Mcbrbe't bald gelingen werde, die Beicklußsassung über den Aunag Kardorsf und in werterer Folge über den ganzen Zoüiar s >o betbeizuführen, w>e sie dem Kompromisse zwiscken der Regierung und den Parteien entspricht. Die „neutralen" Gewerkschaftler über Srnpp. Für die sogenannte Reutralnät der wzialdemokratiscken Gewerkichasten ist die Art und Weise leunzeichueno, wie bas Organ dieser Geweiksckalten den verftvi denen Ju- bustriellen Krupp als Arbeitgeber würdigt. Das Geweik- jchaflsorgan unterscheidet sich dabei schlechthin in nichts von I der sostaldemokratischen Parteipresse. Nur einige Proben ! seien zum Beweise biersür aus dem Artikel deS Geweik- I-chaftSorganS, der den charakteristischen Titel „Fabrik- seudaltSmuS und WohtsahrtSzauber" trägt, heraus- gegriffen. „Sein ganres Verdienst war", so sckrribt das Korrespoudenzblatt der Generalkommilsion der Gewerkickaiien, „der Sohn seines Vaters zu fein, seine ganze Arbeit, einen Teil der ihm muhelos zufl eßenden Millionen auf mehr oder weniger generöse Weile unter die Leute zu bringen. . . Al» Eigentümer war er nichts als Z.hrer am Er trüge der Arbeit, — ein perwnlich völlig unnützlickes und daher entbehrliches Glied der Geiellichait . . . Krupp selbst ist es, der mehr als irgend einer Wohltaten empfing, Wohltaten von mehr als 40000 Arbeitern, denen es ost selbst am Notwendigsten fehlte. Indes was die Arbeiter ihm gaben, geschah wobl nicht aus freiem Herzen, sondern unter dem Zwange der gegenwärtigen EiqentumS- und Wirtschaftsordnung, die den Armen zwingt, dem Kapitalisten Mehr-Wert zuzujchanzen". DaS Bo«siebende genügt, um die „neutrale" Stellung des GewerksckajlSorganS gegenüber Krupp erkennen zu lassen. Die Kutik, die dasselbe Oigan an den Kinppscken Wolst- fadrtseiniicktungen im einzelnen übt, verdient wenigstens in den Hauptpunkten ein Wort der Zurückweisung. DaS Ge werk chastsorgan findet es unbegreiflich, wie man den „Haus besitzer ou xros Krupp" als Arbeiter - Wobltä>er feiern könne. Daß Kiupp Schulen, Kirchen, Bäder, Kranken- > äuser usw. errichtete, wird als selbstverständlich mit der Wendung abgetan: „Wer Tausende von Arbeitern als Mietsherr zusammenv'ercht, der muß auch für die sozialen Voraussetzungen solcher Menschen ansammlung Sorge tragen." Muß? ES gibt dock recht viele „Mietsberren", denen die Sozialdemokratie die Unterlassung dessen, was der „MielS- berr" K>upp lat, zum bitteren Borwurs macht. Und eS gibt sehr viele „Hausbesitzer eu gros", vrc von der Sozial demokratie als „Hausagrarier" auss heftigste angegiiffen werden, weil sie sich zu Hohe Mieten zablen lassen. Wie eS im Gegensätze dierru mit der Verzinsung des Anlagekapitals »lebt, ba.Kupp >n seineArbeiteiwobn'ingen hineingesteckl bat, darüber gibt die svz'alpolititche Reiseikizze Ur. W. Kleys „Bei Krupp" (Leiprig 1899, Du. cker <L Humblot) Ausickluß. Dem gc- nannien Amor zuiolge baue die Kiuprscke Wohnungs verwaltung bereits am 1. Juli >89l für 3659 Mietwovnun..en rin Anlagekapital von 12 256 075 L gebucht; daraus ergab sich eine Nelioernnabinc von 256 347 mithin eine Ber» zinsung von etwa 2,l P>oz. Les Anlagekapitals, also einZinsiuß, der hinter dem landesüblichen beträchtlich zurückbleibt und sevr weil zurückbleibt binter der R? le, die ein Hausbesitzer zu beziehen rsieg'. Bei d n M elu odnung n der ausivärugen WohnungenKruppS sttlll uck rieB rzrusung desAnlagekapiialS um etwa '/r Pioz höher. Das G w rksckasiSorgan behauptet ferne!, Kiuppo Ko nsuma n sta lle n seien für die Arbeiter ebensowenig eine Wohl.at, wie man die Wertheim und Tietz als Warenbausbeiitzer Wohltäter der Groß"ä te nennen könne. Datei wird einfach ülerichen, daß der Gewinn der »oniumanstalien, nach Aburg einer an dre Wohlläligkeits- Institute abzusühreuden Summe, im Betrage von 5—7 Pro; des Belkausrpleises den Ardenern zufällt. Das Gcwerk- lchastöorgan wendet belr.ffs der Konsumanstalten noch ein, ihre Gründung habe lediglich dem Entstehen von eigenen Konsumvereinen der Arbeiter vorzegrifsrn. Hierbei ist ver gessen, daß Krupp, al« im Jahre 1868 der kurz vorher gegründete Essener Konsumverein, dessen Mitglieder größtenteils Kruppsche A>beiter waren, in Zahlungsschwierig keiten geriet, lämtliche Verbindlichkeiten dieses Vereins übernahm und ihn als Konsumanstalt weitersührte. (Vergl. Kley „Bei Kiupp" S. 99 f.) Von Krupps Pe a sion« kas se endlich behauptet das G werkschafieorgan, daß sie viel zu w nig den Angestellten zu guie komme, da die Zadl der Ent lassenen sehr erbeblich sei. In dieser Beziehung ist den von Kley veröffentlichten Tabellen zu entnehmen, daß in der Zeit von 1885—1897 unter den Kruppfcken Arbeitern Pensions empfänger waren: 5805 Männer, 5514 Witwen, 713 Waisen und 388 Telpensionäre; an alle diese PensionSemplänger wurden in rem genannten Zeiträume 4 460 432 aue- bezablt. Solche Leistungen sind unter allen Umständen der höchsten Anerkennung wert. Die Bestimmung freilich, daß die von den Arbeitern zur Pensionskasse gezahlten Betträge bei ihrer Entlastung in vollem Umfange der Kasse verbleiben, sollte unteres EracktenS abgeänvert werden. Die volle Rück zahlung der geleisteten Beiträge ist aus verstcherungStech- niscken Gründen unmöglich; ein bestimmter Prozentsatz davon sollte jedoch den entlassenen Arbeitern aus BilllgleitSgründen zurückerstatlet werben. Zur Lage bei Venezuela. Tie derzeitige Phase der Lage beiBenezuela bildet mit der Uebcrreichung des deutschen und engli schen Ultimatums in Caracas und mit dem Ein treffen der „Bincta", des „Panther", der „Gazelle" und des englischen Kreuzers „Jndefatigable" bei La Guayra nur den Beginn der Entwickelung der dortigen Vorgänge, und es scheint verständlich, daß Kommodore Lcheder auf der „Bineta", als vor La Guayra bereits an der Spitze eines Geschwaders stehend, zunächst die Leitung der Maßregeln übernimmt. Ob hier, wie bei der China-Expedition, nach dem Eintreffen des englischen Geschwaders ein ge meinsamer Oberbefehl vereinbart wird, muß unter den obwaltenden anderen Verhältnissen dahin gestellt bleiben. Jedenfalls würde er dem rangältesten kommandierenden Offizier, gleichviel welcher Nation der selbe angehört, zustehen. Durch das Hinzutreten der „Ariadne" und „Tribüne", nicht „Eolombine", wie es irr tümlich hieb, die, wie jetzt gemeldet wird, am 7. d. Dtte. von den Bermudas-Inseln nach Trinidad in See gingen, und durch dasjenige des „Indcfatigable", gewinnt aller dings das britische Geschwader, wie bereits von uns be richtet, die sehr bedeutende Ueberlegenheit an Deplacement von etwa IO 500 Tonnen über das unsrige. Allein diese Ueberlegenheit ist au Schisfszahl, Bemannung und namentlich Gesckützzahl doch keine so bedeutende, wie sie von englischer Seite hingcstellt wird, denn sie beträgt bei spielsweise an Geschützen nur 16. Allerdings ist es mög lich, daß unsere beiden Schulschiffe bis aus weiteres nicht zu -em Gros des Geschwaders herangezogen werden. Die beiden englischen .Kreuzer „Ariadne" und „Tribüne" sind, wie von Port of Spain gemeldet wird, bereits von Trinidad nack, Willemstadt auf Cura^ao abgegangen, wo der Rest unseres Geschwaders bis auf weiteren Befehl ankert. Im Lause dieses Monats wird übrigens bekanntlich auch ein beträcht liches amerikanisches Geschwader im Antillenmeer auf treten, welches dort zu den ersten größeren Manöoern der amerikanischen Flotte unter den Admiralen Higginson und Fe«rll«tsn. Ss Der Untersuchungsrichter. Roman von Heinrich Kornfeld. Nachdruck verboten. „Um einen bedeutungslosen Vorfall?" „Nun ja. Dieser Fremde, von dem der Zeitungsjunge berichtete, ist eben einer der Freunde des Herrn Assessors gewesen, der einen Besuch abgesrattct hatte. Daran ist doch nichts Außergewöhnliches." „Aber die Eile, mit der der Fremde das Haus ver- lasten hat!" Der Protokollführer zuckte mit den Achseln. Seine Wangen hatten sich gerötet vor Eifer und seine Augen blitzten vor Genugtuung, daß sein Vorgesetzter sich mit ihm in einen Meinungsaustausch einlieb. „Bon der Eile wird wohl ein gutes Teil auf die Phan tasie des Knaben zu verrechnen sein", sagte er gering schätzig. „Der Junge kommt sich mit seiner Aussage natür lich sehr wichtig vor. Seine aufgeregte Phantasie gefällt sich darin, in dem Fremden, der ihm im Hausflur begegnet ist, den mutmaßlichen Mörder zu sehen. Damit kann er nun so schön vor seinen Schulfreunden renommieren. Ich bin überzeugt, wenn der Herr Landrichter die Probe machen, die interessante Begegnung würde sich in sehr harmloser Weise aufklären." „Sie meinen, wenn man der fremden Persönlichkeit nachspürte?" „Ja. Vielleicht durch einen öffentlichen Aufruf." „Gewiß! DaS ist selbstverständlich meine Pflicht." „Ich bin überzeugt, irgend einer der näheren Bekann ten des Ermordeten wird sich melden und mit dem Zu- flnchtSmittel SchwielinSktS. seine Tat auf einen myste riösen Unbekannten abzuwälzen, ist es nichts." Der Untersuchungsrichter legte seine Stirn in Falten. „Sie sind also von der Schuld SchwielinSktS über zeugt?" „Fest überzeugt, Herr Landrichter. DaS scheint mir doch die naheliegende und natürliche Erklärung des sonst ganz unverständlichen Mordes. Da klappt alles wunder schön. SchwielinSki ist ein notorischer Vagabund. Zuerst bestiehlt er roh und schamlos seine arme alt« Mutier, dann in seinem Aerger, nicht Geld genug gefunden zu haben, geht er nach vorn in das Zimmer des Herrn Assessors und stellt diesen womöglich frech und grob zur Rede, weil er ihm die Wohnung verwiesen hatte. Daraus cntspinnt sich bann ein Streit, in dessen Verlauf der Spitzbube sein Opfer erschießt, natürlich mit der Absicht, den Ermordeten auch zu berauben. Aber die Rückkehr der Mutter hindert ihn daran." Der Untersuchungsrichter stand aufgeregt von seinem Stuhl auf und ging nachdenklich in dem großen, hohen Gemach auf und ab. „Da stimmt so manches noch nicht", wandte er ein. „Tie eigene Mutter hat ihn -och selbst für den Mörder gehalten, Herr Landrichter." „Im ersten Schreck. Dann ist sie aber von dieser An sicht zurückgekommen." Der Protokollführer lächelte. „Natürlich. Weil sie doch als Mutter den Wunsch hat, ihren Sohn vor dem Schaffst zu retten. Aber der erste unmittelbare Gedanke war doch der: Er ist'S gewesen! . .. Und was die unaufgeklärten Punkte betrifft, die wird die weitere Untersuchung schon noch aufklären." „Wir werden sehen." Der Untersuchungsrichter kehrte zu seinem Platz zu rück, sah die Aufzeichnungen des Protokollführers durch, verbesserte sie und machte ein paar Zusätze. Dann verließ er Zimmer und GerichtSgebüude, um sich zum Mittag esten zu begeben. Zu Hause sand er einen inzwischen angekommenen Brief vor. Frau Amtsrichter Kempin schrieb ihm und er kundigte sich in den Ausdrücken freundschaftlichster An teilnahme nach seinem Befinden. Die Tatsache, daß er ganz gegen seine sonstige Gewohnheit sie schon drei Tage lang nicht mit seinem Besuch erfreut habe, beunruhige sie sehr. Auch der kleine Walter habe schon wiederholt nach „Onkel Deinhard" gefragt. Sie hoffe doch, daß er heute seine Taste Kaffee wie üblich bet ihr trinken werde. Herbert Deinhard ließ sich schwer auf einen Stuhl sinken und starrte lange ans den Bries. Ein warmes Gefühl gnoll in ihm auf und das Verlangen, anfzuspringen uckd zn der Briefschreiberin zu eilen, um in ihrer Nähe, in dem anregenden Gespräch mit ihr alles zu vergessen, was ibn quälte und marterte, glühte ihm in allen Adern. Aber stöhnend schlug er seine Hände vor das Gesicht, ohne dem Antrieb zu folgen. ES war etwas in ihm, das sich gegen den Gedanken auslehnte, der geliebten Krau die Hand zu drücken, ihren Blicken zu begegnen und ihren Knaben an sein vcrz zu drücken und zu küssen. Und so biicb er iitzen, das Gesicht in den Händen ver graben, seinen düsteren Gebauten hingegebcn. Plötzlich machte er eine aujfahrcnde Bewegung und blickte verstört nm sich. Was mar das? Hatte er nicht plötzlich etwas ge hört, das wie ein Schluchzen klang? Mit einem Sprung mar er auf seinen Füßen und eilig zu den beide« Türen hin. von cu.n > eine nach dem Flur, die andere in das Zimmer feines Bruders führte. Rasch drehte er die Riegel herum, dann warf er sich aufatmend auf das Sofa und grübelte vor sich hin ... Wäre Leutnant Paul Deinhard nicht so ganz in seinem jungen Liebesglück ausgcgangen, die auffällige Verände rung, die mit seinem Bruder vorgcgangen war, hätte ihn beunruhigen müssen. Der Landrichter wurde von Tag zu Tag blasser, stiller, in sich gekehrter. Auch seine Haltung hatte sich geändert. Er fing an, leicht vornübergcneigt zu gehen, das Gesicht zu Boden gekehrt, als scheute er sich, den Blicken der Menschen zu begegnen. Wenn er sich nicht in seinem Amtszimmer aufhiclt, saß er zu Hause. Leinen Besuch des juristischen und Osfiziers-LtammtischcS im „Hotel zum Kursürst" hatte er ganz ausgcgeben. Stellte ihn gelegentlich einer seiner Kollegen zur Rede, so ent schuldigte er sich, daß er sich nicht wohl fühle, worauf dann gewöhnlich die Antwort folgte: „Ja, ja, das sieht man Ihnen an. Sie überarbeiten sich, Kollege!" Mancher neckte den sich von allem Vergnügen und allem Umgang Zurückziehenden mit seinem Ehrgeiz. „Der Fall Wrede läßt Sie nicht ruhen. Tie wollen sich wohl die Sporen als Untersuchungsrichter verdienen?" Eiucö Abends kam Paul Deinhard etwas früher als sonst nach Hause. Er fand den Brnder noch bet der Arbeit. „Ich soll dir schöne Grübe bestellen", sagte der junge Offizier. „Der Staatsanwalt und seine Gattin lassen dich bitten, doch einmal dcS Abends zu kommen. Auch meine Braut wundert sich, daß du dich gar nicht einmal sehen läßt." „Ihr müßt mich schon entschuldigen", erwiderte Herbert Deinhard. «Ich bin mit Arbeit überhäuft." „Mit der Affäre Wrede? Sage mal, die Untersuchung geht ja wohl flott vorwärts?" „Nicht so recht. ES ist ja eine Spur da —" „Ja. Mein Schwiegervater erzählte mir schon davon. Es soll ein übe'bcrlichtigtcs Subjekt sein, ein Spitzbube und Hallunke. Der Staatsanwalt meint, der wäre aller Wahrscheinlichkeit nach ber Täter." „Davon bin ich noch gar nicht überzeugt. Im Gegen« teil! Ich halte den Menschen für unschuldig." Der Leutnant sah überrascht zu seinem Brücker hin über, der noch iimncr an seinem Schreibtisch saß und sich tief über das vor ihm liegende Aktenstück gebeugt hatte. „Sieh mal", äußerte er interessiert. „Und der Staats anwalt meinte doch — na, du mußt das schließlich besser beurteilen können, denn in deiner Hand sind die Fäden der Untersuchung. Aber dann ist doch der arme Kerl zu be dauern, der sitzt nun wvchen- und monatelang in Unter suchung, seiner Freiheit beraubt, und schließlich ist er'o gar nicht gewesen. Das ist doch hart!" Der Untersuchungsrichter antwortete nicht gleich. Hätte Paul Deinhard ihm nicht in diesem Augenblick gerade den Rücken zugekehrt, um sich eine Cigarre anzu zünden, so hätte er bemerken müssen, wie sein Bruder zu sammenzuckte. Aber gleich darauf drehte sich der Unter suchungsrichter herum; auf seinen Wangen brannte Helle Glut. „Ihm geschieht kein Unrecht", entgegnete er eifrig. „Denn der Mensch hat allerlei auf dem Kerbholz und bat die Haft wohl verdient. Er hat seine Mutter bestohlen mittels eines Einbruchs. Auch den Assessor hat er aller Wahrscheinlichkeit nach bestohlen. Seiner Bestrafung Wir er nicht entgehen. Dann wird ihm die Untersuchungshaft angcrechnct. Er hat gar kein Recht, sich zu beklagen. Er ist ein Lump, ein moralisch verkommener Mensch." „To — so!" Der Leutnant verwunderte sich im ge heimen über die Heftigkeit seines Bruders. Er schien wirklich merkwürdig nervös. Im stillen nahm er sich vor, sich künftig mehr um ihn zu bekümmern und sich zu bemühen, ihn mehr seiner Arbeit zu entziehen und mit in Gesellschaft zu nehmen. Elftes Kapitel. Die in der Stadt erscheinenden Zeitungen verüfsent lichten eine Aufforderung von dem Untersuchungsrichter an alle Freunde und Bekannte des ermordeten Regte- rungSassessorS Wrede zur Aufklärung des Mordes, soweit sie dazu im stände wären, beizutragen. Hiernach wurde bekannt gegeben, datz nach Aussagen eines Zeitungsjungen ein unbekannter Herr in dunklem Ucberzieher und mit hohem Scidcnhut am Abend dcS Mordtages kurz nach halb sieben Uhr die Wohnung des Assessors verlassen habe. Der betreffende Herr und alle, welche zu diesem Punkte Aussagen machen könnten, seien ersucht, sich bei dem Unter suchungsrichter zu melden. DaS einzige Resultat dieser Skundge-ung war, daß die
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