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Dresdner Journal. verantwortlicher Redakteur: I. S. Hartmann. «MG »rschetnt mit Autnah«. der So«». «- «/«s t»««ch Ad.nd» un- t« Sonnabend, den 6. Deeember dmch all« Postanstalten zu beztrtzrn. 18S6 Prel« für daS »terteljahr Lhaler. Insertion»»Gebühren für den Rau» einer gespaltenen Zeile l Nrn-roschen. Amtlicher Lheil. Dresden, 2. Deeember. Ihre Kaiser!. Hoheit die Großfürstin Maria Nikolajewna, verw. Herzogin von Leuchtend,rg, ist gestern von St. Petersburg hier etngetrvffen und Im Kaiser! Russischen Gesandtschaft» - Hütel abgetreten. Dresden, 3. Deeember. Se. Majestät der König haben dem Schneidermeister Christian Ernst Schulz allhier'da« Prädicat eines Hof-Schneider« zu ertheilrn geruhet* Bekanntmachung, einen Nachtrag zur Arzneientaxe betreffend. Au der durch Verordnung vom 30. Oktober 1847 ver öffentlichten vierten Auflage der Arzneientare für hiesige Lande ist der neunte Nachtrag in Druck erschienen und an sämmtliche Bezirksärzte und Apotheken des Königreich« Sachsen vertheilt worden. In Gemäßheit von tz. 1 der an gezogenen Verordnung wird Solches mit dem Bemerken be kannt gemacht, daß dieser Nachtrag in der Buchdruckerei von Ernst Blochmann und Sohn in Dresden auch käuflich zu haben ist. Dresden, am 26. November 1856. Ministerium des Innern. Für den Minister: Kohlschütter. Weiß. —-M-M—I — — »> Nichtamtlicher Theil. Nedersicht. Tagetgeschichte. Telegraphische Nachrichten. — Dresden: General Graf v. Perponcher j-. — Wien: Dir Begnadigung der politischen Flüchtlinge bestätigt. — Berlin: Die Physiognomie des Hause« der Abgeordneten. Graf v. Hatzfeld geht nach Paris zurück. Morri« Moore au«g,wiesen. — München: Armeebefehl. Ministn v. d. Pfordten. Diskontherabsetzung. Die Gesetzgebungs ausschüsse. — Altenburg: Ein neue« Wahlgesetz vor gelegt. — Au-Thüringen. Bevorstehender Schluß der Zollconferenz. Nachrichten von der Herzogin von Or leans. — Luxemburg: Königliche Proklamation bezüg» lich der BerfaffungSangelegenheit. — PariSr Neue O» ganisation der französischen Colonien. Da« städtische Bud get. Die Emission der Eisenbahnwerthpapiere betr. Die Urberführung der Ueberreste der Fürsten de« Hause« Sa voyen. — Au« der Schweiz: Gerücht von einem Putsch versuch in Lausanne. Aur Eisenbahnfrage. — Turin: Veränderung im Marineministerium. — London: Lord John Russell erwartet. Mr. Mathew Generalkonsul in Odessa. Da« englische Geschwader im BoSporu«. Zu sammenstoß zweier Dampfer. Die Nordpolerpedition. — Kopenhagen: Verzeichniß der begnadigten Offiziere. — St. Petersburg: Truppenmusterung. Ernennung. — China: Händel mit England. Local» und Proviuzialanselegen-eiten. Dresden: Vermischte«. — Freiberg: Frequenz der Bergakademie. — Lommatzsch: WaisrnerziehungSanstalt in Neckanitz. Die gemeinnützigen Speiseanstalten de« König reich« Sachsen. Beilage. Local- und Provinzialangelegenheiteu Dresden: Verhandlungen der Stadtverordneten. Stadtrathswahl. —- Leipzig: Stadtverordnetensitzung. Brodpreise. — Pirna: Verhaftung. Oeffrulliche Gerichtsverhandlungen. (Dresden.) Feuilleton. Inserate TageSgeschlchtc. Telegraphisch»« Nachrichten. -Berlin, Freitag, S. Deeember, Mittags I Uhr. Soeben begiebt sich die kaiserlich französische Gesandt schaft in großer Gala nach dem kömgl. Schloß, um Sr. Majestät dem Könige im Namen Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen das Großkrcuz der Ehren legion zu überreichen. Dresden, 5. Deeember. In der Nacht vom 29. v. M. verschied hier der k. niederländische General der Infanterie Graf v. Perponcher, ein würdiger Veteran aus der dem Ende des vorigen und dem Anfänge dieses Jahrhundert« an gehörenden Kriegsperiode-, während deren er zuerst in eng lischen Diensten in Aegypten und Spanien und später in nie derländischen Diensten bei Waterloo gekämpft hatte. Nach der Wiederherstellung deS Frieden« bekleidete er eine lange Reihe von Jahren den niederländischen Gesandtschaft-Posten in Berlin und seit einigen Jahren hatte er seinen Aufenthalt in Dresden genommen. Der Verstorbene stand allgemein in seltener hoher Achtung, und mancher Besucher unserS großen Gartens wird die hohe und würdevolle Gestalt de« 86jährigen Greise« vermissen, dessen kräftige Haltung für Viele ein Ge genstand der Bewunderung war. Die Leiche ist nach Ber lin überführt worden, woselbst heute die feierliche Beerdigung mit allen dem Verstorbenen (welcher zugleich Ritter deS k. preuß. Ordens vom schwarzen Adler war) gebührenden mili tärischen Ehren stattgefunden hat. Wien, 4. Deeember. Die „Wien. Atg." enthält nach stehende, unsre gestrige Meldung ergänzende telegraphische Depesche de« Generalgouverneur« Feldmarschall« Grafen Ra detzky an den Minister deS Innern: „Verona, 2. Deeember. Se. k. k. apostolische Majestät geruhten mit allerhöchstem Handschreiben vom heutigen Tage (dem Tage des Regierungsantritts Sr. kaiserlichen Majestät) 70 wegen Hochverrats und anderer Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung Verurtheilte gänzlich zu begnadigen, den Sequester auf da- Vermögen der politischen Flücht linge unbedingt aufzuhrben und mich auch für die Ankunft zu ermächtigen, RückkehrSgrsuche solcher Flüchtlinge zu bewkvigen." " ü Berlin, 4. Deeember. lieber die Physiognomie de« Abgeordnetenhauses bin ich Ihnen einige Mitteilungen schuldig. DaS äußere Ansehen deS Hauses ist wenig verändert; die Herren der Rechten, welche ihren Sitz auf dieser Seite des HauseS seit einigen Jahren behaupten, erblickt man auch in dieser Session in gleicher Stärke, die Linke ist spärlich beseht und hier wieder von den Herren Grafen Schwerin uyd Wentzel geführt, wie die Rechte von den Herren v. Gerlach, Wagener rc-; auch Herr v. Aedlitz-Leipe ist wieder anwesend und hat, ob wohl er wiederholentlich ganz offen die Kammern für verderb lich erklärt hat, noch immer sein Mandat als Mitglied einer Kammer nicht niedergelegt. DaS Centrum ist sehr stark be setzt und möchte diesmal den Ausschlag geben. Wennschon nun das äußere Ansehen des Hauses unverändert geblieben, so möchte, so viel man bis jetzt hört, die Parteistellung im Hause doch eine ganz absonderliche und jedenfalls eine über raschende werden. Die äußerste Rechte wird nämlich in allen Finanzfragen gegen die Regierung stimmen und sucht für ihr Votum Propaganda zu machen, den CentrumSfractionen hat die äußerste Rechte bereits ein Bündniß angeboten, worauf die erstem bis jetzt noch nicht eingegangen sind. Von dieser Seite hält man eS nicht für unwahrscheinlich, daß di« Oppo sition der Rechten gegen den Finanzminister v. Bodelschwingh gerichtet sei, dessen Stellung ohnehin bereits äußerst schwierig ist. Die Rechte scheint noch nicht vergeben zu haben, daß der derzeitig« Finanzminister ihnen die SpirituSsteuer abgenöthigt Hal, andererseits fürchten sie, daß der Minister doch aus Er ledigung dir Grundsteuerfrage dringen möchte. In der That wird die Regierung mit der Aeit sich entschließen müssen, bei den dringenden Etatserhöhungen mit Erledigung der Grund steuerfrage vorzugehen, zumal da, abgesehen von der Opposition der Rechte«, die meisten Finanzvorlagen schwerlich die Mehr heit in den Häusern der Landesvertretung finden möchten; e« ist sogar von einer Opposition im Heerenhause gegen die Erhöhung de« Militär-Etat« die Rede, welche Vorlage ent schieden abgelehnt werden dürfte. Am Sonnabend werden die ersten Vorlagen von Seiten de« Ministerium« im Ab geordnetenhaus« eingebracht werden. — Ueber die Erhöhung deS Kronfideieommißfond« sind in Abgeordnetenkreisen ver schiedene Versionen verbreitet. Nach einer Angabe will die Regierung von der bisherigen Position von 2,387,000 Thlrn. die letzter« 387,000 Thlr. absetzen und zur Erhöhung der Beamtengehalte bestimmen, dagegen die 2 Millionen in Do mänen und Forsten, namentlich in letztem und zwar nach der Taxe vom Jahre 1820 überwiesen wissen. Eine Er höhung der bisherigen Einnahmen würde sich aus den un geheuer» Holzvorräthen in den Forsten und ihrem jetzigen Realwerth von selbst ergeben. Nach einer zweiten Version will die Regierung den bisherigen Ansatz auf 3 Millionen Thaler erhöht wissen. Die Richtigkeit der einen oder andern Angabe muß abgewartet werden.. Berlin, 4. Deeember. (B-Bl.) Der königl. Gesandte in Pari«, Graf v. Hatzfeld, wird sich morgen auf seinen Posten zurückb,geben. — Da« Handelsministerium wird daS vor einigen Lagen erkaufte bisherige Börsengebäude zunächst und einstweilen für die von demselben Ministerium einzu richtende Musterzeichnenschule benutzen. — Dem mehrer wähnten Kunstkritiker Morri« Moore aus London ist heute von der Polizeibehörde eröffnet worden, binnen 24 Stunden Berlin zu verlassen. München, 3. Deeember. (N M A.) DaS „Verordnungs blatt de« königl. bayrischen KriegSministeriumS", vom 30. No vember, enthält einen sehr umfassenden Armeebefehl. Das selbe bringt di« Ernennung von zwei Generalmajoren, 1 Obersten, 7 Oberstleutnant«, 10 Majoren, 31 Hauptleuten erster und 23 Hauptbüro jwshtzW^U«ell« n. f. w- — Da« neueste Bull, tin über da« Befinden tz«S kömgl. StaatSminister« Arelherrn v. d. Pfordten lautet abermals sehr günstig. E« wurde ge stern bereits der definitive Verband angelegt. — (Fr. Pz.) Infolge der wieder eingetretenen bessern Geldmarktverhältnisse hat, von vorgestern beginnend, die hiesige Hypotheken- und Wechselbank den DiSeonto für Wechsel von 6 auf 5 Procent herabgesetzt, den DiSronto für den Lom bard aber vorerst noch auf 6 Procent belassen. — Die eigent lichen Berathungen deS Gesetzgebungsausschusses der Kammer der Abgeordneten über daS Strafgesetzbuch haben gestern in Gegenwart und unter Betheiligung der StaatSmiuifterS deS Innern und der Justiz begonnen und werden in den näch sten Tagen regelmäßig fortgesetzt werden. A Altenburg, 4. Deeember. Als im Anfänge vorigen JahreS die Regierung infolge der Enbloc - Verwerfung deS von ihr vorgelegten WahlgesetzentwurfeS sich genöthigt sah, mittelst höchster Verordnung wieder die Bestimmungen de« Grundgesetzes vom 29. April 1831 über die Wahl der land schaftlichen Abgeordneten in Wirksamkeit treten zu lassen, wurde von ihr der Vorbehalt gemacht, daß der Landschaft späterhin noch über einige Abänderungen an den gedachten Wahlvorschriften/insbesondere rücksichtljch der Bedingungen für die Landtagssahigkeit eine« Gute«, de« Censu« für die Wahlfähigkeit der städtischen und bäuerlichen Abgeordneten, Feuilleton. Hoftheater. Donnerstag, 4. Deeember. Zum ersten Male: Klytämnestra. Tragödie in fünf Acten von E. Tempeltey. Ll« der Verfasser sich einen Theil de« großen Tragödien» stosse« de« Atridengeschlecht« zum Sujet eine« dramatischen Erst» Ii»g«werke« wählte, hat ihn unstreitig Drang und Kühnheit erster jugendlich »poetischer Begeisterung geleitet. Diese fühlt sich einer großen Aufgabe stet« um so leichter und unbefangener gewachsen, indem ihr die reife, reflective Erkenntniß der Schwierigkeiten noch fehlt. Sein poetische« Talent war jedoch ungewöhnlich und bedeutend genug, um e« in einer Weise daran zu entfalten, welche hohe Achtung und Anerkennung erweckt und zu schönen Hoffnungen berechtigt. Die Schwächen der Tragödie liegen in ihrem dramatischen OrganiSmu« und in der Charakteristik der Hauptpersonen. Wohl gelang e« dem Dichter im Einzelnen, manche Motive antiker An schauung in allgemein menschliche mit feinem Gefühl zu über tragen, aber in der Hauptsache scheiterte er an der Aufgabe, an die Stelle de« antiken SchicksalSzwange« den freien sittlichen Willen de« Individuum« setzen, mit jenem fatalistischen Aus gangspunkt der Handlung den seelischen Entwickelung-gang christlicher und geläuterter Weltanschauung zu verschmelzen. Die Motive Klytämnestra'S zum Morde de« Gatten können vor unser« ästhetischen und ethischen Gefühl nicht bestehen, sie er scheint al« ein» Verbrecherin: der Tod Agamemnon'« ist tragisch, aber nicht die Handlungsweise der Gattin. Zn dem festgewurzelten Haffe gegen Agamemnon und in der LiebeSleidenschaft für Aegisth waren die Hauptmotive zu Klytämnestra'S That zu finden, um so mehr, wenn Aegisth ihr verführend und mit handelnd zur Seite gestanden hätte. Wohl hat der Dichter beide Motive markirt, cHer durch Klytämnestra'S liebevoll stolze Er innerung an Agamemnon geschwächt. Im zweiten Acte greift sie die Rache für die Opferung Iphigeniens wie einen plötzlichen Einfall auf und flüchtet sich endlich mit ihren Mordgedanken mit willkürlicher Täuschung unter den Schirm deS zwingenden Schicksal-gange-. Mit hohem Pathos und ungemeiner Rhetorik entwickelt sie un« den dämonisch fichsteigernden Kampf ihrer Seelen zustände, aber sie wird dabei zur raffinirtesten Sophistin, die ihr fittlicheS Gefühl kunstvoll dialektisch beschwichtigt und endlich in dem raschen Entschlüsse der SelbstauSführung der That und in der vorbedachten Verstellung gegenüber dem edlen Vertrauen Agamemnon'- von. der tragischen Grüße zur Gemeinheit hinab finkt. Klytämnestra ist die vorwiegend monologifirende Haupt trägerin deS Drama«; die übrigen Charaktere sind dramatisch zwar wenig eingreisend und entwickelt, und brthätigen sich mehr erzählend, zeigen aber sehr poetisch und tief empfundene Züge und glückliche, charakteristische Umrisse. Namentlich gilt die- von dem jugendlichen Orrst, der, wahr und zugleich ideal gehalten, unsre Sympathie stet- fesselt. Agamemnon schildert den Untergang Troja» und vertheidigt in glänzender Art die Opferung Iphigeniens. DaS Evle und Heroische seine- Wesen« tritt trotz seine» kurzen Auftreten« fest hervor. Kassandra bildet in ihrer sittlichen Reinheit und lyrisch poetischen Zartheit einen mildernden Gegensatz und senkt al« Seherin in Orest den Gedanken der Vergeltung; aber die Con- ception derselben ist durchaus modern und sentimental. Sila« wirkt unklar; sein Anreizen zum Morde überrascht, da un« dir Motive verborgen bleiben. Aegisth endlich ist ein trauriger Held; er erscheint sehr verspätet, nur, um der Klytämnestra in langem Redefluß seinen Haß al« eine« Sohne« de« Thveste« gegen Aga memnon auSeinanderzusrtzen und die Art und Weise, wie er seine Rache genährt und verfolgt. Diese ist absonderlich genug und er muß dabei für sich und Agamemnon — trotz de« trojanischen Kriege« — auf eine sehr dauerhafte Gesundheit gerechnet haben. ES ist ihm nun äußerst lieb und bequem, während seiner Ab wesenheit Alle« von seiner thätigen Gattin schon abgemacht zu finden, und er belohnt sie dafür mit dem Gestänvniß, daß er fi« nur al« ein Mittel zur Rache betrachte» und nicht au« Liebe ge ehelicht habe. Die ungemeine Schwierigkeit de« Sujet« trat auch für den Abschluß de« Drama« hervor. Der Dichter vermochte für den selben in den beiden letzten, dem Morde noch folgenden Arten keine Abrundung zu gewinnen, und die Verlängerung namentlich durch einen fünften Acr ließ nur diesen Mangel um so »ehr her- vertreten, für den wir nur die Hiudeutung auf Orest, auf den in ihm für den Vater erwachsenden Rächer und somit auf eine fol gende Tragödie erhalten. Die poetische reiche Begabung de« Verfasser«, da« trotz aller Schwächen Fesselnde der Dichtung liegt aber sowohl in der Sprache al« in einer würdigen Idealität der Form. Die Diktion, obwohl zu rhetorisch und überfluthend, ohne den dramatischen Nerv und Kern der Rede und klarsten Gehalt der Gedanken fest, zuhalten und ohne von Rcmini«cenzen frei zu sein, ist voll Geist, pathetisch-lyrischem Schwung, voll edler, warmer Empfindung und schönem Wohlklang. Ebensowohl versetzt un« der edle Ernst und die von srenisch-spekulativer Wirkung ferngehaltene und einem innern poetischen Impuls sichtlich folgende, formelle und dramatisch oft ergreifende Behandlung in eine erhöhte Stimmung,