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sAbtheilung I. der — Gewerks- und Handelspolitik, ° ' Gewrrbsversalsnkg, GewerbswichschB md Statistik. Inhalt: lieber den gegenwärtigen Standpunkt der Kartoffelkrankheitsfrage. Von W. Protz. — Oeffentliche Handelslehranstalt in Chemnitz. — Die großen Werke des AltertbumS. — Die Fabrikanten, Werkleutc und Arbeiter GroßbritanicnS. — Brief!. Mittheilunqcn. Neue Industriezweige im schlefischcn Ricsengebirge. — Augsburger Guanvfabrik. — Betrieb des LagcrhofS in Leipzig >856 und 1857 — Arbeiten der Strafanstalt Waldheim in Sachsen. — Die Glasfabrik von Franz Steig er Wald. — Wie man in Nord-Amerika Eisenbahnen baut. — Baumwollcnbau in Natal lSüd-Afrika). — Büch er sch au. Ueber den gegenwärtigen Standpunkt der Kartoffelkrankheitsfrage. Von W. Protz.*) Wie ich, werden sich noch mehrere alre Landwirlhe erinnern können, daß das Kartoffelkraut bor dreißig bis vierzig Jahren, wo wir die reichlichsten und gesundesten Kartoffelernten hatten, kaum halb so hoch und umfangreich war, als es sich seit längerer Zeit und namentlich seit der Entwickelung der Krankheitsanlage jetzt alljährlich mit üppiger Fülle ausbildet. Diese Erinnerung auS älterer Zeit führte mich, nachdem ich die Krankheitserscheinungen seit dem Jahre 1846 scharf beobachtet hatte, zu der Ansicht, daß diese Krankheitsanlage eine Folge von Ueberkultur ist, durch welche die Kartoffelpflanze über dieGren- zen, die ihre Natur gestattet, nach und nach hinauSgesührt und in einen kränklich üppigen Zustand gebracht wurde. Ueberall und immer war die Vegetazion der Kartoffelpflanze unter allen WitterungSverhältniffen kräftig und üppig — bis zu dem Zeitpunkte, wo die Bildung der Samenkörner cintre- ten sollte, also bis zu dieser Lebensphase jeder der verschiede nen Kartoffelsorten. Einige überkultivirte Kartoffel!orten blühen gar nicht mehr, bei anderen erscheinen noch Blüthen, diele fallen aber oft schon vor dem Aufblühen ab, oder schrumpfen bald zusammen, verwelken schnell, gehen in Fäulniß über und fallen fast alle ab, ohne Samen beeren anzusetzen. Die fernere naturgemäße Ausbildung der Kartoffelpflanze hört in ihrem wichtigsten Lcbenszcitpunkte auf, wo die Samcnbildung beginnen sollte, die naturgemäß zur Vervielfältigung der Gattung bestimmt ist, wogegen der Knollcnansatz zur Fortpflanzung der be sonderen Sorte dient. Die im Kartoffelkraut vorhandene Saft masse findet nun nicht die von der Natur verlangte Verwendung, die Säfte stocken und zersetzen sich, eS tritt Fäulniß ein und wo die Lebensthätigkeit einer Pflanze aufhört, erscheint gewöhnlich die Bildung eines Schmarotzerlebens, das dann noch die Stoffe be nutzt, welche die erkrankte Pflanze zur Erreichung ihres naturge mäßen Ziels nicht verwenden konnte. Viele Chemiker und Natur forscher lassen immer noch den Pilz, dessen Lebenskeimchen in der großen Natur überall vorhanden sind und sich da entwickeln, wo sie ihre untergeordneten Lebensbedingungen finden, den Pilz, der bei der Fäulungsentwickelung erscheint und sich nach seiner Pilz natur sehr schnell vermehrt, die Rolle des Sündenbocks spielen, obgleich er nicht die Ursache, nur die Folge der Krankheit sein kann. Ueberall und immer tritt erst auf diesem Entwickelungsstand punkte die Krankheit ein und bekundet sich durch eine theilS nach den örtlichen Boden-, theils nach den WitterungSverhältniffen mehr oder weniger schnelle faulige Saftzersctzung und durch Ab sterben des KrauteS und der Stengel. Diese Erscheinung hat eine große Aehnlichkeit mit den Folgen eines Herbstfrostes, wenn solcher vormals, wo das Kartoffelkraut im Oktober noch grün war, zu frühzeitig eintrat und eine gleiche Saft- und Zcllenzcrletzung be wirkte. DaS schnellere oder langsamere, stets aber zu frühe Absterbcn des Kartoffelkrautes und mit ihm die größere oder geringere Ent wickelung des untergeordneten Pilzlebcns -— also der mehr oder weniger schädliche Verlauf der Krankheit in Bezug ans die Knollen — ist sehr von der Witterung abhängig. Eine vor herrschend trockene, warme Witterung befördert das Verdunsten des überflüssigen VegctazionSwassers, widersteht der Fäulniß und der schnellen, sehr um sich greifenden Pilzbildung, — eine nasse Witterung begünstigt sie so sehr, daß in sehr kurzer Zeit Stengel und Blätter und mit diesen die AthmungSwerkzeuge der Pflanze vernichtet werden können, so daß die Knollen theils nicht znr regel rechten Ausbildung komme», theils aber selbst von der abwärts einbringenden Fäulniß erreicht werden. Daher die Erscheinung, daß die Folgen der Krankheit trotz der überall vorhandenen Anlage ') Au» dtffen noch ungedrucktcm Werken „Die Landwirthschaft und ihre Beziehungen zum Gemeinwohl."