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17. Mai I8S« Driitschr Allgriiikiiit Zritmig »Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Preis für da» Vierteljahr I V, Thlr.j jede einzelne Nummer lINgr. Jnsertivnsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter des Zn- und Nuslandes, sowie durch die Erpedilion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Sonnabend. - sptti'f- IN,! nüxj^il Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de» Montag» täglich und wird Nachmittag» ä Uhr ans gegeben. Friedrich v. Gagern. — Leipzig, 16. Mi. Heinrich v. Gagern hat das Leben seines Bru ders Friedrich v. Gagern geschrieben*), jenes Mannes, der als das erste Opfer in dem Kampfe gegen die Anarchie fiel. Ein reiches Leben, eine groß« und edle Persönlichkeit, bisher nur von Wenigen gekannt, wird hier der Aufmerksamkeit und dem Interesse der ganzen Nation erschlossen. Mit dieser allgemein verbreiteten Kenntniß von Dem, was Friedrich v. Gagern war, und der Ahnung Dessen, was er, wenn er am Leben geblieben wäre, dem Vaterlande inZener schweren Zeit hätte werden können, wird das Be dauern über feinen ^u frühen und auf so schmerzliche Weise herbeigeführ- ten Tod sich steigern, wird auS einem blos menschlichen (was es bisher bei detr Meisten wol war) in ein tiefgefühltes nationales sich verwandeln. Denn dieser Mann, welchen ein Heinrich v. Gagern selbst als seinen Lehrer und Meister in politischen Dingen rühmt, vor dessen höherer Einsicht und ge- waltigerm Charakter er sich bescheiden beugt, was hätte er leisten können, wenn er Hand in Hand mit seinem Bruder seinen klaren Blick, mit wel chem er (wie wir schon aus den Anfängen dieser Lebensbeschreibung sehen, wo wir es doch nur erst mit dem kaum dreißigjährigen Manne zu thun haben) die Verhältnisse und die Menschen durchschaute, wenn er seine in den verschiedensten Lagen erworbene Weltkenntniß und Erfahrung, wenn er die eiserne Energie seines Willens, die uns aus jedem Satze seiner hier mit- getheilten Aufzeichnungen' wie aus jedem Zuge des männlich schönen Antlitzes (dessen Abbild dem Buche als erfreuliche Zierde beigegcben ist) so unverkennbar entgegentritt, der nationalen Sache hätte zur Verfügung stellen können. Und daß er nicht gezögert haben würde, dies zu thun, das lesen wir heraus aus Dem, was er bereits ein Vierteljahrhunderl vor 1848 über die deutschen Verhältnisse dachte und fühlte, aus seiner scharfen Diagnose des Uebels und seinen kühnen Planen für dessen Heilung. Wir wüßten nichts auS der damaligen Zeit — aus jenen trostlosen zwanziger Jahren — was so klar, so rückhaltlos, so wahrhaft zermalmend die Uebel- stände und Misbräuchc, die an dem Mark deS deutschen Wesens zehrten, gezeichnet, oder in so kühnem und sicherm Wurfe die Mittel der Rettung hingestellt hätte wie die beiden hier mitgctheilten Denkschriften Friedrich v. Gagern's „Ueber die Nothwendigkrit und die Mittel, die politische Ein heit Deutschlands herzustellen" (aus derselben Zeit). Freilich hätte auch damals nichts dergleichen, und am allerwenigsten diese Denkschriften, in Deutschland in die Ocffentlichkeit hcrvortreten dürfen! Auch waren sie nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt, sondern nur theils Studien zur eige nen Orientirung, theils für den Vater geschrieben, der das Urtheil dieses bedeutendsten seiner Söhne (wie ihn der brüderliche Biograph nennt), auf welches er in asten Dingen viel gab, auch über diesen wichtigsten Gegen- stand ihrer häufigen gemeinschaftlichen Unterredungen in Eins zusammen- gefaßt kennen lernen wollte. Wir müssen es dem Biographen Dank wis sen, daß er diese beiden Denkschriften der Vergessenheit des Pultes ent- reißt und zum Gemeingut der Nation — was sie ihrem Inhalte nach durch aus sind - gemacht hat, denn wir lernen daraus nicht blos einen Mann von Eigenschaften des Geistes und Charakters kennen, wie Deutschland Lerfn. leider nicht viele besitzt, sondern wir erhalten auch ein so vollständi ges, und deutliches Bild der ganzen damaligen Zustände Deutschlands, wie «s faum anderSwo zu finden sein, möchte. Wir wollen ans beiden Denkschriften wenigstens das Wesentlichste mittheilen. In der ersten derselben (,,Ueber den gegenwärtigen Zustand Deutschlands") geht der Verfasser alle Gebiete und Faktoren des National- lebens durch: Regierungen, Kammern, Beamtenschaft, Adel, Militär, in- dustrielle Classen, Literatur, Kunst und Wissenschaft, und unterwirft das Einzelne wie das Ganze der freimüthigsten Kritik. Er findet die Regie rungen dem nationalen Gedanken entfremdet und mit ängstlicher Scheu den selben überwachend, ihre Stärke kurzfichtigerweise in der Pflege von Son- derintcressen und in der Ausbildung eines Begriffs von Souveränetät su- chend, welcher der sichern Grundlage, der freien Zustimmung der öffent- Uchen Meinung ermangele, den Bundestag ohnmächtig nach außen und nichts weniger als beachtet im Innern; die einzelnen Kammern in ihrem .Ansehen und in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt durch die Kleinheit der Vephältnisse und den Mangel äußerer (lnabhängigkeit ihrer Mitglieder; die Beamtenschaft viel zu zahlreich und in ihrer Mehrzahl weder von einem pa- (riotischen noch von einem freisinnigen Geiste beseelt; den Adel „unzufrie den, beständig den Blick auf die Vergangenheit gerichtet, zum Theil unwis send und den Geschäften fremd, ohne Rath, ohne Plan, ohne Führung, entschlossen, keinen Anspruch freiwillig aufzugeben, aber bereit, sich jedes Vorrecht ohne Widerstand entreißen zu lassen, noch immer Das für seine *) „Das Lebe» des Generals Friedrich v. Gagern" (Leipzig und Heidelberg, Win- ter'sche Buchhandlung, 1856). schönste Bestimmung haltend, in der Domesticität der Fürsten die erste Stelle zu behaupten" — dazu von den Negierungen und der Bureaukratic mit Eifersucht, von dem Bürgerthum mit Neid betrachtet; das Militär kost spielig, zum Theil von Unzufriedenheit angesteckt, weil der lange Friede dem Ehrgeiz keine Laufbahn eröffnet; die Entwickelung der materiellen Zustände vielfach gehemmt durch beschränkende Einrichtungen und eine übermäßige Abgabcnlast; die Literatur und Kunst ohne rechtes, selbstkräftiges Leben; endlich die Universitäten, die Pflegerinnen der Wissenschaft, die Bcwah- rerinnen des deutschen Geistes und Patriotismus, beargwöhnt, überwacht, ihrer alten Freiheit beraubt. Man darf nicht vergessen, daß Friedrich v. Gagern den Befrciungs- krieg (als Offizier in der österreichischen Armee) mitgemacht, daß er, an der Seite und unter der Leitung seines, in den Angelegenheiten Deutsch, lands und Europas vielfach und eingreifend thätigen Vaters, mit ganzem Interesse den Verhandlungen gp, Wiener Kongreß über die Neugestaltung Deutschlands gefolgt war, daß er, zu einer Zeit, wo man in Deutschland, wenn auch nicht mehr die Erfüllung früher gehegter Hoffnungen, doch eine leidlich freisinnige Entwickelung der Dinge in den Einzelstaaten und im Bunde erwartete, die Heimat verlassen und seitdem in Verhältnissen gelebt hatte, welche wenigstens ungleich großartiger und befriedigender waren als diejenigen, welche er nach siebenjähriger Abwesenheit in Deutschland wieder- fand. Mit Recht mochte er daher ausrufen: „Wie ganz anders habe ich Deutschland wiedergefundcn! Die Ströme, die Berge, die alten Thürme erkenne ich noch, aber die Menschen nicht mehr." Ein andermal sprechen wir von den Planen, welche Friedrich v. Ga gern schon damals für die Einheit Deutschlands entwarf. Deutschland. Frankfurt a. M., 14. Mai. In der Bundestagssihung vom 8. Mai legten die Gesandten von Oesterreich und Preußen den am 3V. März d. I- zu Paris abgeschlossenen Friedensvertrag vor und begleiteten die Vorlage mit nachstehender Erklärung: Im Auftrag ihrer allerhöchsten Höfe haben die Gesandten von Oesterreich und Preußen die Ehre, der hohe» Bundesversammlung den zu Paris am 30. März d. I. zwischen den Bevollmächtigten II. MM. des Kaisers von Oesterreich, des Kaisers der Franzosen, der Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, des Königs von Preußen, des Kaisers von Rußland, des Königs von Sardinien und des Kaisers der OSmanen abgeschlossenen Vertrag, sammt drei dem Hauptvertrage bei gefügten Specialverträgen, in Abschrift zu überreichen, nachdem dieser Tractat die Genehmigung sämmtlicher betheiligten Souveräne erhalten und' der Austausch der Ra- tificationsurkunden zu Paris am 27. April d. I. stattgefunden hat. Die erhabenen Monarchen Oesterreichs und Preußens halten sich im voraus überzeugt, daß die Ge fühle hoher Befriedigung, mit welchen sic dem glücklich gelungenen großen Versöh nungswerke zugestimmt habe», in der Versammlung der Vertreter der Negierungen Deutschlands den vollsten Anklang finden werden. Der allgemeine Friede ist der Welt zurückgegcbe», nachdem eine der schwierigsten und an Gefahren fruchtbarsten politischen Verwickelungen durch die Weisheit, Mäßigung und Uneigennützigkeit der Mächte eine Lösung erhalten hat, welche die Wünsche der Völker befriedigen und der Geschichte ein denkwürdiges Beispiel hochherziger Uebereinstimmung der Souveräne in der Sorge für die gemeinsamen Interessen der Menschheit überliefern wird. Diese Lösung entspricht zugleich vollständig den Gesichtspunkte», deren Wahrung die Hobe Bundesversammlung als Deutschlands Aufgabe in der orientalischen Frage anerkannt hat. Bereits durch seine früher» Beschlüsse hat der Bund sich für die Durchführung derjenigen Grund lagen des Friedens ausgesprochen, auf welchen der nunmehr abgeschlossene Vertrag wesentlich beruht. Die Höfe von Oesterreich und Preußen glauben sich daher der Hoffnung hingeben zu können, daß ihre hohen deutschen Mitvcrbündetcn von den Be stimmungen dieses Vertrags nicht Kenntniß nehmen werden, ohne das ehrende Ver trauen gerechtfertigt zu finden, welches sie den beiden Höfen noch zuletzt durch den Beschluß vom 21. Febr. d. I. erwiesen haben. Durch die gnädige Fügung der Vor sehung von dem Drucke des Kriegs befreit, der unmittelbar oder mittelbar auf dem ganzen Welttheile lastete, wird die erleuchtete Thätigkeit aller Regierungen sich fortan ungetheilt und in friedlichem Wetteifer dem Ziele der Entwickelung der innern mora lischen und materiellen Wohlfahrt der Staaten zuwenden. Der Antheil, welcher dem deutschen Gesgmmtvaterlande an dieser allgemeinen Aufgabe zukommt, ist ein großer und ehrenvoller. Seine weisen und wohlwollenden Negierungen werden sich derselben mit ernstem Eifer widmen, wechselseitig unterstützt durch ihre enge Freundschaft und Verwandtschaft, nnd gehoben durch den einmüthigen Wunsch, ihren unauflöslichen Bund zu stärken und seine hoben Zwecke zu fördern. Die Versammlung überwies diese M'ttheilung an die vereinigten Ausschüsse für die orientalische und Militärangelegenheiten zur Ausarbei tung und Vorlage eines Entwurfs für den hierauf zu fassenden Be schluß. (Frkf. Bl.) Preußen. -^Berlin, 15. Mai. Wir vernehmen heute, daß dem Minister des Innern die nachgesuchte Entlassung nicht gewährt werden dürfte. Die Folge davon würde natürlich die sofortige Ausführung der rheinischen Gemeindegesetzgedung sein, wie solche von den Kam mern beschlossen worden ist. Ganz Bestimmtes läßt sich aber nicht sa gen, bis der StaatS-Anzeiger die fraglichen Gesetze sanctionirt veröffentlicht;