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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönumercttwns-Preis 22^ Silbergr. (f Tbtr.) vierteljährlich, Z Thlr. sür da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung 0» Berlin hei Veit u. C o m p., Jägerllraße Nr. 28) , so wie von allen König!. Post-Aemleru, angenommen. ^itertttur des Auslandes. izz Berlin, Dienstag den 23. Dezember 1843. Moldau und Walachei. Die Walachen. Geschichte. — Sprache. — Charakter. — Märchen. Als Gegenstück zu seiner vor drei Jahren erschienenen, eben so anziehen. den als belehrenden Schilderung der südlichsten Ecke des deutschen Sprach gebietes"), entrollt Prof. Schott in Stuttgart uns diesmal ein Lebensbild aus Vein äußersten Westen der deutschen Sprachgränze. Doch nicht die Deutschen selbst in Siebenbürgen sind eS, auf die er die Betrachtung lenkt, sondern ihre Nachbarn, die Walachen °°), ein Volk, welches als natürliches Gegengewicht panslawistischer Bestrebungen die Beachtung der Deutschen schon längst in weit höherem Grade hätte finden müssen, wenn die Deutschen bereits fähig wären, sich als ein Volk nicht nur zu denken, sondern auch zu fühlen, als ein Volk zu handeln, als ein Volk gegen gefährliche Uedergrjffc der Nachbarn mit entschiedener Politik aufzutreten. Die Donau ist dem Deutschen wichtiger als der Oregon den Briten, die Politik des slavischen Monarchen ist schlauer als die der amerikanischen Demokraten; wer nimmt sich's zu Herzen? Aber es sind ja Märchen, die den Hauptinhalt des Buches bilden! Nun, der günstige Leser möge sie nicht sogleich mit vornehmer Geringschätzung in die Bibliothek seiner Kinder verbannen. Märchen, aus dem Munde des Volkes geschöpft, bergen unter unscheinbarer Hülle gar manches Goldkorn, und gerade die von dem Verfasser mitgetheilten sind sehr reich an solchem Ge- halte. UeberdieS hat Herr Schott zu besonderem Nutz und Frommen der Alten eine Einleitung vorangcschickt, aus der wir nun zunächst das Wichtigste mittheilen wollen. G « s ch i ch i ». Die Walachen bilden, bald in überwiegender, bald in untergeordneter Anzahl, einen großen Theil der Bevölkerung Ungarns, Siebenbürgens, der Moldau, Bessarabiens und der macedonischen und thessalischen Gebirge. Um den Ursprung des Volkes oder — was auf dasselbe hinauskommt — der Sprache zu verstehen, muß man auf die Römer zurückgehen. Diese eroberten bereits zwischen 2ZV und 210 v. C. einen großen Theil der Küste von Jllprien; im Jahre 167 vereinigten sic Makedonien, im Jahre 38 Pannonien und im Jahre 2S Mösien mit ihrer Weltmonarchie. Doch erst dem Kaiser Trajan gelang eS, siegreich über die Donau zu dringen, die Macht des dacischen Herrschers DecebaluS zu brechen und das Land (106) in eine römische Provinz zu verwandeln. Als Gränzcn dieser Provinz bezeichnet Ptolemäus die TheiS, den oberen Dniestcr, den Pruth und die Donau; sie umfaßte also nach heutiger Benennung einen Theil von Galizien, die Bukowina, die Moldau, die Wa. lachei, Siebenbürgen, das Banat, und von Ungarn ungefähr ein Drittheil, das östliche. ES war römischer Brauch, sich in den unterworfenen Ländern alsbald anzusiedeln. Nach Dacicn berief Trajan Kolonisten aus allen Theilen des Reiches. Die Einwanderung ward sehr zahlreich, denn das reiche Land lockte und seine Bevölkerung war durch Krieg und den freiwilligen Abzug derjenigen, die sich der römischen Herrschaft nicht fügen mochten, sehr geschwächt. Nur ungefähr 160 Jahre blieb Dacien, das Land im Norden der Donau, römisch. Während des dritten Jahrhunderts ward eS von den Gothen über- fluthet und diesen nach langer vergeblicher Gegenwehr durch Aurelian endlich förmlich abgetreten (272). Trajan's Eroberung hatte den Namen des troja nischen DacicnS erhalten; um doch Hinfort auch noch ein Dacicn zu haben, benannten die Römer jetzt einen Theil MösienS, das Land im Süden der Donau, bis an den HämuS (Balkan) hin, aurelianischeS Dacien. Dorthin verpflanzte der Kaiser einen Theil der Bewohner des aufgegebenen Land striches, während eine immerhin bedeutende Anzahl unter gothischer Herrschaft zurückblicb. Die große Völkerfluth nahm ihren Lauf vornehmlich durch jene Gegenden, die untere Donau entlang. Auf die Gothen folgten im 4ten und 8tcn Jahr- *) Viv lle,lieben oolovien in Piemont Mr Inns Niro miwsart uns berleuvkt. «tu bei- trax rar x°»oiacl,t« Uer LIi>eu. von Lidort Sobott. 8tEx. n. 1"übMs-n. s. 8. Cott». 18«. 8. XVI u. Z« SS. "1 Wnlaoiuiicdo mnvkrodon dornurxoxedon von Lrtdnr uns LIbort Scbott. ä1it «iuor eiotvituus über so» volle äor Wniaodeu uns «Mem »ubaos rar oriclnrnux Ser m»-brcbeo. Stutts, u. Pübs. s. v. Cott». 18«. 8. XVI U. »8-1 SS. hundert die Hunnen, dann zu Anfänge des 6ten die Slaven, dann um 860 die Langobarden und Awaren, dann um 680 die Bulgaren, dann um 8S0 die Madjaren, dann die Petschcuegen, ein türkischer Stamm, um S18, endlich, während des Ilten und I2ten Jahrhunderts, die stammverwandten Kumanen (Polowzen) und Usen. Gegen sie wurden von den Madjaren die sogenannten Sachsen und die deutschen Ritter zu Hülfe gerufen, welche endlich dem An- drangc steuerten. Jetzt erst konnte ein geordneter und sicherer Zustand in diesen Gegenden gedeihen. Radul der Schwarze, ein Woiwode der Walachen, gründete um 1290 im siebenbürgischcn Gau Fogarasch, d. h. am oberen Lauf der Aluta, an den Gränzen seiner Herrschaft, den Staat, welcher unter dem Namen der Walachei bis jetzt besteht. Walachen und Sachsen werden unter den Anfied- lern ausdrücklich genannt. Vollkommen unabhängig scheint die Walachei nie gewesen zu seyn; aus der Obmacht der Ungarn kam sie in die der Türken, um aus dieser allmälig in die Hände Rußlands zu gleiten. — Die Moldau ward zu einem Reiche (1389) durch Dragosch, einen klugen, tapferen Mann aus dem Stamme der Walachen, die in der Marmarosch, am oberen Laufe der TheiS, wohnten. Auch ihre Einwanderer waren Walachen, auch sie wohl nie völlig unabhängig, anfangs schwankend zwischen Ungarn und Polen, dann zwischen diesen beiden und der Türkei, dermalen in die Hände Rußlands gleitend. Das aurclianische Dacien verfolgte seinen eigenen Weg. Im Süden der Donau erhielten sich die Bulgaren. Sie kamen zwar 794 unter byzantinische Herrschaft, scheinen jedoch immer eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt zu haben. Ihre (mongolische) Sprache hatten sie gegcn die der unterjochten Slaven vertauscht, doch ward neben dieser die walachische noch geredet, weS- halb die Ramen der Walachen und Bulgaren in jener Zeit nicht streng ge schieden erscheinen. Auf dem PinduS, der Makedonien und Thessalien von Albanien trennt, wird bis auf diesen Tag walachisch gesprochen, vielleicht selbst auf dem HämuS; früher scheint die Sprache vom PinduS in den HämuS gereicht und mit dem Dacowalachischm geographisch zusammengc- hangen zu haben. Das Christenthum hatte schon in der gothischen Zeit Wurzel gefaßt, da bereits um die Mitte des vierten Jahrhunderts UlfilaS, Bischof der West- gothen in Mösien, die Bibel für sein Volk übersetzte. Unter den nachrückenden asiatischen Völkern konnte eS natürlich nicht den herrschenden Glauben bilden, doch wird cs eben so wenig auSgerottet worden seyn, da Völker dieser Art nicht in so hohem Grade unduldsam zu seyn pflegen und überdies der für solchen Zweck nothwendigen ausgebildeten Staatsform entbehren. Doch er hielt das Christenthum in jenen Gegenden erst wieder einen sicheren Halt, als sich der Bulgarenkönig BogoriS (86Z oder 864) zu demselben bekannte und eS auch seinen Unterthanen aufnöthigte. Zuletzt wurden die Kumanen in der Moldau (zu Anfänge des IZten Jahrhunderts) bekehrt. Die verschiedenen Völkerschaften der unteren Donau schwankten lange Zeit zwischen der römischen und der griechischen Kirche, bis endlich die griechische über die unablässigen Bemühungen bcr römischen den Sieg davontrug. Sprache. Bei dem wirrenden Völkergedränge ist in den Sprachen jener Länder nicht viel Ordnung zu hoffen. Die Sprachen der Gothen, Hunnen, Awaren, Petschcnegcn, Kumanen sind völlig untergegangen; erhalten haben sich nur die walachische, die slavische, die ungarische, von diesen aber hat keine die anderen aufzusaugen vermocht. Fragt man nach der geographischen Vertheilung dieser Sprachen, so zeigt Schaffarik's fleißig gearbeitete Sprachkarte Ost-Europa's den Boden des alten Trajanischcn DactenS in der Hauptsache noch jetzt von Walachen besetzt. Sie bilden im Norden der Donau eine große von Slaven und Madjaren be- gränzte Sprachinsel, innerhalb welcher Madjaren und Deutsche, zum Theil in bedeutender Ausdehnung, eingesprengt erscheinen. Von den 2,086,000 Be wohnern SicbenbürgenS — denn in dieses Land fallen die gemischten Ansiedler — gehören etwa 900,000 der walachische» Zunge an ; die Madjaren zählcn 700,000, die Deutschen 280,000; den Rest mit 206,000 bilden etwa zur Hälfte Slaven, sodann Griechen, Armenicr, Juden, Zigeuner. Die Wa lachen sind mithin der zahlreichste Stamm, und ihre Sprache beherrscht den Verkehr und den Handel. Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse im aurelianischen Dacien. Hier bewohnen die aurelianischen oder macedonischen Walachen nur den Kamm und