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Dresdner Journal : 15.01.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189601159
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960115
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960115
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-01
- Tag 1896-01-15
-
Monat
1896-01
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 15.01.1896
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Yer„SpretS: Hür Druden mertcliShrktch 2 Mart SoPj, bei den lkaiser- lich deutschen Postaastalten diertcliährlich 3 Mart; l-ußer- bald de» Deutschen Reiche» Post- und Elempelzuschlag Einzelne Nummern: »0 Pf. Erscheine»: Täglich mit Autnahme der Eonn - und Feiertage adend« Sernspr.Wrschlub.Nrl«», N«ka»«t,»ng»,cb»»re»t Für den Raum einer gesval» tenen Zeile kleiner Schrift SO Pf. Unter „Eingesandt" die Zeile St» Pf Vei Tabellen - und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Hera »««-der: Königliche Expedition de» Dre-dner Journal» Dresden, Zwmgerstr. »0. Hernspr. Anschluß: Nr HEL. 1896 ^11. Mittwoch, den 15. Januar, abends. Amtlicher Teil. TreSdeu, 7. Januar. Se. Majestät der König haben allergnädigst geruht, dem Vorsitzenden der Taub- stummengejellschaft Hephata in Dresden, Friedrich Moritz Hötzold daselbst das Albrechtskreuz zu ver leihen. Dresden, 11. Januar. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem bisherigen Diener Leim Amtsgerichte Roßwein Karl Wilhelm Schulze bei seinem Uebertritte in den Ruhestand das Allge meine Ehrenzeichen zu verleihen. (rrukurmugeu, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Tedartcment des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Zu besetzen: Zwei neubegründete ständige Stellen an der katholischen Bürgerschule zu Leipzig. Gehalt: 1S00 M. ein schließlich der Wohuungsentschädigung. Gesuche sind bis zum 28. Jan. an den liollator, das apostolische Vikariat im König reich Sachse», einzareichen; -- eine ständige Lehrerstelle an der mittleren Volksschule zu Möckern bei Leipzig. Der AnsangS- gehalt von lvvo M. steigt durch 8 Dienstzulagrn L ISO M., von denen die ersten 3 nach je 3 Jahren und die letzten 5 nach je 4 Jahren gewährt werden, auf 2200 M. Bis zur ersten Alterszulage beträgt die Wohnungsentschädigung 200 M, von da ab 250 M Gesuche sind bis zum 27. Januar an den Gemeinderat zu Möckern cinzureichen; — die erledigte Kirch schulstelle in Großböhla bei Calbitz (Bez Leipzig). Kollator; die oberste Schulbehörde. Einkommen: außer freier Wohnung im neuen Schulhause mit Garten 1000 M. vom Schul- und Sl2 M. 99 Pf. vom Kirchendienst, 72 M für den Unterricht in der Fortbildungsschule. Gesuche sind bis zum 29. Januar an den K. Bezirksschulinsprktor Eger in Oschatz cinzureichen. — » - > , Nichtamtlicher Teil. Rußlands Finanzpolitik im Jahre 1896. Der russische Finanzminister Witte hat, wie all jährlich, so auch diesmal knapp vor der Jahreswende im Reichsanzeiger den vom Staatsrate geprüften und vom Zaren sanktionierten Staatshaushaltsplan und den demselben beigelegten Motivenbcricht ver öffentlicht, in welchem regelmäßig die im neuen Finanzjahre einzuhaltende Richtung der Finanzpolitik Les russischen Staates entwickelt und begründet wird. Die russische Presse hat dieses der Nation dargebrachte Neujahrsgeschenk mit den größten Beifallskundgebungen begrüßt. Bei gewissenhafter Prüfung des Inhalts der beiden umfangreichen finanzpolitischen Publikationen dürfte man zwar vielleicht hier und da manche schwache Seite der russische» Finanzpolitik zu entdecken ver mögen, aber zunächst wenigstens ist in Rußland jeder mann dem Finanzminister dafür dankbar, daß es ihm gelungen ist, die ordentlichen Ausgaben des Finanz jahres 1896 im Betrage von 1231,1 Millionen Rubel durch die ordentlichen Einnahmen, welche mit 1239,5 Millionen Rubel veranschlagt sind, nicht nur zu decken, sondern, wie man sieht, sogar noch einen Ueberschuß der Einnahmen von 8,4 Millionen Rubel zu erzielen. Das Lob, welches von der russischen Presse Hrn. Witte gespendet wird, ist insbesondere deshalb so ein ¬ hellig, weil er dieses finanzielle Meisterwerk zustande gebracht hat, ohne zu Steuererhöhungen, zur Einführ ung von neuen Steuern, zu Staatsanleihen oder zu Reduktionen des StaatsaufwandeS Zuflucht zu nehmen, die für die Entwickelung des russischen Staats wesens und Volkswohlstandes sich als bedenklich er weisen könnten. Von den Ausgabeposten, welche das neue Finanz gesetz aufführt, bedarf vor allem der Betrag von 130,5 Millionen Rubel bei den außerordentlichen Ausgaben der Hervorhebung, welcher den Aufwand des Staate- auf den Bau von StaatSbahnen darstellt. Von dieser Ausgabe, welche für die volks wirtschaftliche Wohlfahrt des Landes von weittragend ster Bedeutung ist, entfallen auf die sibirische Bahn allein schon 84H Millionen, auf andere Bahnen 26 Millionen und auf die Beschaffung von rollendem Material 20 Millionen Rubel. Die für den Bau der sibirischen Bahn bestimmten 84lj Millionen kön nen nur bei stark forciertem Betriebe des Baues auf- gebraucht werden, woraus die Presse, welche die großen Ausgaben für Bahnbau überhaupt mit ein helligen! Beifall begrüßt, die Hoffnung fchöpft, daß dieses staatliche Riesenunternchme» seiner Beendigung immer näher gerückt ist. Beachtenswert auch für weitere Kreise sind die im Motivcnbericht dargelegtcn stamSwirtschaftlichen Anschauungen des russischen Finanzministers über die schon im verflossenen Jahre in die Wege geleitete Einführung der Metallwährung. Die von der russischen Presse gegen diese Währungsreform erhobe nen Bedenken werden hier kurzerhand als gegen standslos abgethan. „Die Reform wird" — so heißt es im Bericht — „in der Weise vor sich gehen, daß sie keinerlei Erschütterungen oder irgend welche künstliche Veränderungen in den bestehenden Verhältnissen Her vorrufen wird. Durch die Reform soll niemand sich bereichern und durch sie wird auch niemand verarmen; sie soll vielmehr jeder Wertschätzung, jedem Vermögen, jedem Einkommen und jedem Arbeitsverdienst eine solide und stabile Unterlage gewähren. Die Staats weisheit bei derartigen Reformen besteht darin, daß man nicht mit Doktrinen und Hirngespinsten, sondern einzig und allein nur mit wirklich bestehenden Ver hältnissen rechnet." Noch bedeutsamer erscheint die nachfolgende Stelle des Motivenberichtes, worin die geplante Durch führung der Währungsreform in Zusammenhang zu den Fragen der auswärtigen Politik Rußlands gebracht wird. „Eben dadurch, daß Rußland zur Reform seines Geldwesens schreitet" — sagt der Be richt — „beweist es auf die allerklarste und unzwei deutigste Weise die russische Friedensliebe; denn jede kriegerische Absicht würde die ge plante Reform von vornherein zu einem Miß erfolg verurteilen." Die ungünstige Lage, in der sich die russische Landwirtschaft befindet, und die in Zukunft auch die Finanzlage des russischen Staates empfindlich beein flussen könnte, glaubt der russische Finanzminister zu nächst dadurch bessern zu können, daß die heutigen niedrigen Gctreidepreise in zweckentsprechender Weise gehoben werden. (Antrag Kanitz!) Außerdem er achtet er es noch für erforderlich, alle ihm möglichen Maßregeln zu ergreifen, um dem Großgrundbesitz, dessen Interessen sich stets der ernsten Fürsorge der Regierung zu erfreuen haben, in seiner Bedrängnis nach Möglichkeit und Billigkeit Erleichterung zu ver schaffen. Die Forderungen, welche bei Gelegenheit des vor kurzem in Moskau abgehaltenen landwirt schaftlichen Kongresses erhoben worden sind, haben nach diesen Auslassungen des Finanzministers in der Mehrzahl die größte Aussicht, erfüllt zu werde». Der Schluß des Motivcnberichts enthält übrigens noch eine unverblümte Anklage der auswärtigen Presse, welcher der vielleicht nicht ganz unberechtigte Vorwurf gemacht wird, daß sie Rußland durch aller hand Insinuationen und Verdächtigungen, die aller dings zumeist dem Spekulationsgeifie der Börse ent sprängen, zu schädigen versuche. Ihren Zweck hat diese Presse allerdings nicht erreicht, sondern sie hat nur bewirkt, daß der Finanzminister in seiner Vorsicht dem Auslande gegenüber noch bedeutend bestärkt worden ist. Deutschland und England. . Wir hatten schon darauf hingewiesen, daß es der englischen Presse nur durch eine eklatante Fälschung der Thatsachen überhaupt möglich sein konnte, die britische Station in diejenige Erregung zu versetzen, in der sie sich in den letzten Tagen befunden hat und, teilweise wenigstens, noch befindet. Auch bei dem „Abwiegeln" in dem angefochten Entrüstungs sturm ist man, wie schon angegeben, jenseits des Kanals nichts weniger als ehrlich gewesen, indem man die völlig unwahre Behauptung ausstellte, Deutschland habe sein Unrecht eingesehen nnd ziehe sich schüchtern zurück. Als besonderen Trumpf spielte man in den letzten Tagen noch die angebliche Thatsache aus, daß der Deutsche Kaiser bei der Königin von England wegen seines Telegramms an den Präsidenten Krüger mehr oder weniger um „Verzeihung" gebeten und ge wissermaßen erklärt habe, in der „Ucbereilung" gehandelt zu haben. Diesem ebenso thörichten, wie unwürdigen Unter fangen der englischen Presse ist nunmehr, wie erwartet werden konnte, von maßgebender deutscher Seite ein Riegel vorgeschoben worden. In dem für offiziöse Mitteilungen üblichen Truck erkärt heute die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung": „Einzelne eng lischt Blätter sind bestrebt, den Anschein zu erwecken, als ob von deutscher Seite entschuldigende Erklär ungen in der Transvaalfragc gegeben worden seien. Wir stellen demgegenüber fest, daß nach unseren In formationen von keiner maßgebenden Stelle aus eine derartige Erklärung nach London ge langt ist." Und auch der „Hamburgische Korrespondent", der offenbar gute Beziehungen zu amtlichen Stellen unterhält, bemerkt folgendes: „Die Nachricht, daß die Königin von Großbritannien einen Brief an Kaiser Wilhelm geschrieben und von ihm umgehend eine Ant wort erhalten habe, wollen wir nicht bestreiten. Daß die Souvcraine beider Reiche bei ihren engen Verwandt schaftsbeziehungcn auch bei dem gegenwärtigen Anlaß von ihrer Gewohnheit des brieflichen Meinungsaustausches Gebrauch machen, wird niemand Wunder nehmen. Wenn aber englische Blätter vorgeben, den In halt dieser rein privaten Schreiben zu kennen, und Schlüsse daraus ziehen, die den englischen Lesern schmeicheln sollen, so weiß man in Deutschland, was man von solchen freien Erfindungen zu halten hat, und in England sollte man sich überzeugt davon halten, daß der Enkel der Königin Viktoria niemals den Deutschen Kaiser desavouieren wird." Die englische Presse — mit deren Treiben übrigens die englische Regierung nichts gemein hat — mag sich also nun eine andere Unwahrheit suchen, mit der sie bei ihren gutgläubigen Lesern hausieren gehen kann. Tagesgeschichte. Dresden, 15». Januar. Zur heutigen Königl. Tafel, welche nachmittags »45 Uhr in Villa Strehlen stattfindet, sind Ihre Durchlauchten der Fürst und die Frau Fürstin Reuß-Köstritz Heinrich XXlV. eingeladen Worten. Deutsches Reich. Berlin, 14 Januar. Se. Majestät der Kaiser fuhren nach der gestrigen Frühstückstasel zu dem Reichs kanzler Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst, um mit dem selben längere Zeit zu konferieren Im Lause des Nach mittags begaben Sich Se Majestät anläßlich des russischen Neujahrstags zu einem kurzen Besuche in die Kaiserlich russische Botschaft. Heute vormittag machten Beide Majestäten wieder einen Spaziergang im Tiergarten. Alsdann empfingen Se. Majestät der Kaiser den zum Generalkonsul in Kapstadt ernannten vortragenden Rat im Auswärtigen Amt, Wirklichen Legationsrat v. Schuckmann und arbeiteten hiernach längere Zeit mit dem Chef des Militärkabinetts, General v. Hahnke Nachmittags um :! Uhr fand im Weißen Saal des Königlichen Schlosses die Vorstellung der in diesem Jahre zum Übertritt in die Armee in Aussicht genommenen Kadetten vor 2r Majestät statt Tie Parade der Berliner Garnison am 18. Januar ivird um 11', Uhr vormittags stattfinden Tie Truppen erscheinen sämtlich zu Fuß und ohne Rekruten Cs findet ein einmaliger Vorbeimarsch im Lustgarten, in Richtung von der Schloßbrücke zur Kaiser Wilhelm brücke, statt Reichskanzler Fürst Hohenlohe beabsichtigt in der nächsten Woche ein Festmahl zu geben, zu welchem die Präsidien des Reichstags und Landtags, sowie verschiedene hervorragende Parlamentarier Einladungen erhalten sollen — Tie aus den 22. d. Mts festgesetzte Verhandlung gegen den Rechtsanwalt Or Fritz Friedmann vor dem Chrengerichtshos in Leipzig ist vertagt worden. Der Angeklagte wird jetzt voraussichtlich öffentlich geladen werden, wonach im Falle seines Ausbleibens auch in feiner Ab wesenheit gegen ihn verhandelt werden wird. — Der Versuch einiger findiger Köpfe jenseits des Kanals, die Verurteilung des Jamesonschen Raubzuges durch die öffentliche Meinung Deutschlands zur Jnscenicr- ung einer kleinen, mit dem Mäntelchen des Patriotismus verbrämten Heye gegen den deutschen Mitbewerb zu benutzen, wird in unserem Vaterland im allgemeinen ziemlich kühl und gleichmütig betrachtet Solche Kundgeb ungen pflegen nicht gar lange vorzuhalten, und als bloßes Geschäftsmanöver haben sie noch weniger Aussicht aus dauernden Erfolg. So wenig wie der englische Konsu ment aus schwärmerischer Neigung für Deutschland zum Abnehmer der deutschen Jndustrieerzeugnifse geworden ist, so wenig wird er sich in einer momentanen patriotischen Wallung dauernd des Verbrauchs ihm durch Gewöhnung lieb gewordener Gegenstände entschlagen, bloß weil sie den Stempel des „Made in Germany" tragen Wenn irgend wo, so ist in diesem Falle von der Drohung bis zur Luust und Wissenschaft. Königl. Sächsischer Altcrtumsverein. Tie vorgestrige Sitzung des Königl. Sächsischen Altertums vereins sand unter Vorsitz des Hofrats I)r. Erbstein statt. Se. Königl. Hoheit Prinz Georg war durch eine gleich zeitig stattsindende Sitzung des akademischen Rates, der erste Vorsitzende, Präsident v Schönberg, durch Unwohlsein am Erscheinen behindert. Der Schriftführer teilte aus der Registrande mit, daß die Mitglieder der Lohgerberinnung zu Mügeln, die sich neuerdings aufgelöst hat, im Einver ständnis mit dem Stadtgcmeindcrate beschlossen hat, die Jnnungsfahne, die Lade und eine Anzahl alter Schrift stücke dem Vereinsmuseum zu überweisen, und verlas ferner die Antwort des Domkapitels zu Meißen auf das in der Dombaufrage an dasselbe gerichtete Schreiben des Vor standes; eine Besprechung mußte jedoch, da das Schreiben erst wenige Tage vor der Sitzung eingelaufen war und noch nicht Gegenstand einer Vorstandsberatung hatte sein können, auf die nächste Sitzung verschoben werden Nach Anmeldung mehrerer neuer Mitglieder hielt der Direktor des Hauptstaatsarchivs, geh. Regierungsrat Or. Hassel d.m angekttndigten Vortrag: „Die Genesis der Be werbung des Kurfürsten Friedrich August von Sachsen um die Krone Polens." Bei dem Tode des Königs Johann Sobiesky war die polnische Republik in einem Zustande völliger Auflösung. Der polnische Adel suchte, wie er dies von jeher gethan, in seinem Streit mit dein König die Hilfe des Auslandes Selbst am Hofe standen sich die Parteien schroff gegen über. DeS König« ältester Sohn Jakob schloß sich eng an den Kaiser an; der alternde König selbst aber stand ganz unter dem Einflüsse seiner Gemahlin Marie Kasimire, die mit Hilfe de» französischen Gesandten, Abbö de Polignac, einen ihrer jüngeren Söhne auf den Thron bringen wollte. Tie Politik Ludwigs XIV., der auf Mittel sann, um von Polen aus durch einen Angriff auf Ungarn da« Haus Oesterreich matt zu setzen, hatte diesen Konflikt angczettelt. Nach dem Tode Joh SobieSkyS aber herrschte in Polen selbst eine so starke Abneigung gegen die Königl Familie, daß schon der KonvokationS-Reich-tag im August 1696 beschloß, keinen der Söhne Johann«, überhaupt keinen Piasten auf den Thron gelangen zu lassen Kardinal Michael NadzieiowSki, Erzbischof von Gnesen, dem nach des Königs Tode die Leitung der Regierung oblag, suchte vor der Wahl die inneren Parteikümpse zu beruhigen; aber der Aufstand der Kronarmee, der sich alsbald über das ganze Land ausdehnte, vereitelte seine Bemühungen. Der Reichstag beschloß, die Wahl bi« Mai 1697 zu ver tagen. So hatten die auswärtigen Mächte Zeit, zu intri- guieren. Während der Kaiser an Jakob Sobiesky fest- hielt, daneben alur seinen Schwager Karl Philipp von Pfalz-Neuburg und den Prinzen Leopold von Lothringen vorschlug, traten auch Max Emanuel von Bayern und der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden als Thronbewerber auf. An die Kandidatur des Kurfürsten Friedrich August, der damals in Ungarn das Oberkommando über die Kaiserliche Armee führte, dachte niemand. Die besten Aussichten hatte die französische Partei; Polignac, dessen 1697 erbeutete und noch jetzt im Hauptstaatsarchiv vorhandene Korrespondenz eine wichtige Ouelle bildet, ließ zwar die polnischen Prinzen bald fallen, wußte aber den König Ludwig für die Kandidatur eines französischen Bourbonen, des Prinzen von Conti, zu gewinnen und er reichte durch Bestechung und Versprechungen, daß um die Wende der Jahre 1696 und 1697 die französische Diplo matie siegreich erschien. Aber Ludwig XIV. erklärte einen großen Teil der Zugeständnisse seine» Gesandten, nament- jich die in Aussicht gestellte Kriegserklärung an die Pforte, für unausführbar und wollte auch bei weitem nicht so große Summen, wie sie Polignac versprochen, aus« Spiel setzen Dazu kam ein Wechsel in den allgemeinen Verhält nissen Europa«; unter Vermittelung Karls XI. von Schweden kamen aus dein Haager Kongreße Friedenspräliminarien zu stände So erhielt im März 1697 der Abb« dc Ch"teauncuf den Auftrag, der polnischen Gesandtschaft eine neue Instruktion zu überbringen. Polignac war desavouiert Hier nun setzt die Bewerbung Friedrich August« ein. Der ungarische Feldzug de« Jahre« 1696 hatte mit einer Niederlage gecndrt, und wie wenig günstig der Kurfürst die Lage beurteilte, beweist der freimütige Bericht, den er am 30. Oktober dem Kaiser erstattete; er bezeichnete al« Ziel für die Operationen des Jahre« 1697 die Wieder - eroberung Belgrads Indes al« sich Anfang Januar 1697 der Oberst Jakob Heinr. v. Flemming zu weiteren Tier handlungen nach Wien begeben hatte, stieß er hier auf da» Bedenken, daß der Zustand und die Zahl der Truppen für die Pläne de» Kurfürsten nicht genügen würden Der Kurfürst, eine impulsive Natur, aber ebenso schnell er nüchtert, wo sich Hindernisse ihm entgegenstellten, sehnte sich au» den Verhältnissen in Ungarn, wo ihm der Hof kriegörat nur sehr ungern eine leitende Stellung zuge standen, hinaus, und so erschien ihm die polnische Krone als ein lockender Gedanke. Dies psychologische Moment ist von großer Bedeutung. Die Akten des Hauptstaats- archivs enthalten über die ersten diplomatischen Verhand lungen nicht die leiseste Andeutung: wir erfahren von ihnen zuerst aus den Berichten de« französischen Ge sandten in Rom, des Kardinals Forbin Janson Ihm hat der Abgesandte des Kurfürsten, Erich Theodor von Rose, der die Stellung der römischen Kurie zur polnischen KönigSsrage ermitteln und zugleich durch den mit der polnischen Politik Ludwigs XIV. genau vertrauten Kardinal Beziehungen zu Frankreich an- knüpsen sollte, im Februar 1697 die Absichten des Kur fürsten entwickelt. Rose stellte die Politik Friedrich August» als völlig selbständig gegenüber dem Kaiserhofe dar und bot zugleich Ludwig XIV ein Bündnis an Allein er hatte wenig Erfolg; die Kurie wollte neutral bleiben, Forbin Janson sah in dem ganzen Plane nur eine flüchtige Laune. Gleichwokl glaubte Rose Frankreich für den Plan gewonnen zu haben Ter Kurfürst, der in zwischen in Wien eingetroffen war, um dort je nach den Ereignissen Stellung zu nehmen, schickte ihn nach dem Haag, um die Verbindung mit Frankreich zu stände zu bringen Inzwischen batte die veränderte Instruktion Lud wig« XlV. die französische Partei in Polen teiliveise zur Auflösung gebracht und in Wien nahm man die Kandidatur des Jakob Sobiesky wieder auf Jetzt weihte der Kur fürst Flemming, der von Wien auS nach Polen zu reisen beabsichtigte, ist seine Pläne ein, und al« dieser bezweifelte, daß Frankreich sie unterstützen würde, erklärte Friedrich August, daß er sich in diesem Falle dem Kaiser offen baren würde; ihn hätte er auch, wenn Ludwig XlV. das Bündnis angenommen hätte, vor die Alternative stellen können, ob er seinen Plan mit Hilfe Österreich« oder Frankreichs auSsühren sollte Flemming machte sich in Warschau die Verlegenheit Polignacs zu nutze und ge wann eine Anzahl hervorragender Personen; selbst der Kardinal Radzieiowski zeigte sich der sächsischen Kandidatur nicht abgeneigt So bildete sich schon vor dem Wahltag eine sächsische Partei Am 29. Mai kehrte Flemming nach Wien zurück Ludwig XlV hatte inzwischen da» Bündnis mit Sachsen abgelehnt. Es gelang nunmehr in den ersten Tagen de« Juni eine Vereinbarung mit dem Kaiser zu treffen, der dem Kurfürsten gestattete, in Ober schlrsien eine größere Truppenmackt für da« polnische Unternehmen bereit zu stellen Da der Kaiser wußte, daß sür Jakob Sobreski und seine anderen Kandidaten eine Partei nicht zu gewinnen war, so war es ihm an genehm, in Friedrich August einen Thronbewerber zu finden, der der Geldgier der Polen entgegenzukommen geneigt war Doch hat bei der am 27. Juni 1697 erfolgten Wahl nicht allein das Geld den Ausschlag gegeben Die Partei des Prinzen Conti war stark genug, um einen GegenreichStag nach Warschau zu berufen und gegen die Wahl Friedrich Augusts zu protestieren Flemming aber bewirkte, daß bald nach der Wahl eine stattliche Abordnung polnischer Edelleute den König einlud, mit Truppen in das Land zu ziehen. Dies geschah im September 1697. Erst am 30. September kam Prinz Conti nach Danzig; hier nicht ausgenommen, landete er 8 bis 10 Tage später in Oliva Aber seine Hoffnung, die rebellische Kronarmec werde sich ihm anschlicßen, erwies sich als eitel; diese erklärte sich vielmehr sür Friedrich August So zog es Conti vor, den sächsischen Angriff nicht abzuwarten, sondern schiffte sich alsbald wieder ein Bei dieser Gelegenheit geschah cs, daß die Korrespondenz des französischen Gesandten in die Hände der Sachsen fiel Der Vortragende hob schließlich hervor, welche Rolle bei diesen Vorgängen neben dem psychologischen das politische Moment spielte ES bereitete sich eine Umwälzung in den europäischen Machtverhältnissen vor Die Eroberung Asows, da» Bündnis zwischen Rußland und Österreich gegen die Türken bedeuteten die Anfänge der russischen Eroberungs politik, die moderne Gestaltung der orientalischen Frage. Die Teilnahme an diesen Kämpfen entsprach dem Thaten- drangc des Kurfürsten; von Polen au« wollte er erreichen, was ihm in Ungarn nicht gelungen war. In der That hat dann der Feldzug Friedrich August» viel zu dem Ausgange dieser Kämpfe im Frieden von Carlowitz bei getragen So hängen die polnischen Pläne des Kurfürsten aufs engste mit der großen Politik Europas zusammen. — Lebhafter Beifall folgte den formvollendeten Ausführungen de» Redners U „Der Evangelimann." Musikalisches Schauspiel in zwei Akten von Wilhelm Uienzl Da- neueste Wert Kienzls, de« in Dresden durch „Urivasi" bekannt gewordenen Komponisten, hat bei seiner Erstaufführung in der Wiener Hofoper den gleichen starken Erfolg gehabt wie in Berlin, Hamburg und Köln Da sich erwarten läßt, daß de-selbe dem Dresdner Publikum nicht vorcnthalten bleibt, dürfen wir wohl auf die Aufmerksamkeit
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