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27. Jahrgang. Nr. 271. Freitag, den 23. November 1900 Sekr. Kurth. Q. 458/99. die Verantwortung zu tragen. Redner wendet sich dann zu der staatsrechtlichen Frage der Nichteinberufung des Reichstags. Aber den guten alten Hohenlohe (Heiterkeit) muß ich doch dagegen in Schutz nehmen, daß er allein die Schuld trage. (Heiterkeit.) Hätte Graf Bülow er klärt: Ich kann nicht verantworten, so große Ausgaben zu machen, ohne daß zuvor der Reichstag einberufen wird und sie bewilligt, Fürst Hohenlohe hätte sicherlich nicht Nein gesagt. Von anderen Seiten ist auch gesagt worden, Tirpitz habe nicht gewollt (Heiterkeit), in Wirk lichkeit sind sie Alle allzumal Sünder (stürmische Heiter keit) und tragen Alle die Verantwortung. Ein Minister- Verantwortlichkeitsgesetz ist unerläßlich; einer Regelung bedürfen die Verhältnisse unbedingt. Werde doch ohne hin der Ministerpräsident Graf Bülow noch genug zu thun bekommen, um mit dem thätsächlichen Minister präsidenten Miquel fertig zu werden. (Große Heiterkeit). Schon l867 wurde ein Ministcr-Verantwortlichkeits- gesetz beantragt, und der erste Name, der unter dem Antrag stand, war derjenige Miquels (Heiterkeit), der damals schon das Schwabenalter überschritten hatte. ! (Heiterkeit.) Redner wendet sich schließlich gegen die Wcltreichideen, wie sie aus hohem Munde laut geworden seien. Er verweist auf England, das sich mit 2 Milli arden Kosten in Transvaal lediglich ein neues Irland geschaffen habe, und auf Amerika auf den Philippinen. Unsere Zukunft liege nicht auf dem Wasser, sondern im Lande selbst, wo noch so viele schwierige Aufgaben zu lösen seien. (Beifall.) Reichskanzler Graf von Bülow: ! Für die Nichteinberufung des Reichstages war damals einzig und allein der damalige Reichskanzler verant wortlich. Der Grund für ihn, den Reichstag im Sommer noch nicht einzuberufen, war einmal, daß das Vorlegen eines Nachtragsetats unmöglich war und daß dafür die Voraussetzungen noch nicht gegeben schienen. Außerdem aber schien in der Presse die Meinung vor- ' Bahnstratze 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. «»nähme der Ware^ ^nsertionsge gestern bedauert, daß Reden des Kaisers iu die Debatte gezogen werden; ja wenn der Kaiser sich an das Volk wendet, um für seine Ideen Stimmung zu machen, sollen wir, die Volksvertretung, still schweigen? Ich möchte den Kriegsminister doch bitten, seinen weitreichen den Einfluß dafür zu verwenden (Heiterkeit), daß der Monarch, ehe er Reden hochdramatischen Inhalts hält, sich erst mit den verantwortlichen Rathgebern über Form und Inhalt in Verbindung ,etzt. Ich möchte wohl wissen, was Graf Bülow im Augenblick gedacht haben mag, als er die Rede von der „Rache" und „keinen Pardon geben" mit angehört hat Er hat offenbar auch die Verantwortung nicht übernehmen wollen, denn in späteren Redactionen dieser Rede sind ja jene Worte weggelasfen worden. Was das Wort anlangt, . Pardon wird nicht gegeben", so frage er den Kriegs minister: Ist dieses Wort ein strikter Befehl des obersten Kriegsherrn? Grausamkeiten sind vorgekommen. Man sagt, so etwas «komme in jedem Kriege vor, das mag sein; aber es kommt nicht in jedem Kriege vor, daß der oberste Kriegsherr vorher sagt: „Pardon wird nicht gegeben." Eine Folge dieser Parole scheinen jedenfalls die Massen.Exekutionen Wehrloser zu sein. Der Kriegs minister sagte gestern: „Das ist die Vergeltung der Weltgeschichte für Das, was die Hunnen uns vor anderthalbtausend Jahren gethan haben." (Heiterkeit.) Wenn einem Minister in seiner Rede solche Entgleisungen passiren, so beweist das offenbar, wie schwer es ihm ist, 29. November, Nachm. 3 Uhr Tischlermeisters Carl Vogel in Oberlungwitz gegen Baarzahlunq 1 Hobelbank Der Et v zur Versteigerung. errch svollzieher des Kgl. Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal. lassen. (Beifall.) Abg v. Kardorff (Reichsp.) will dem Fürsten Hohenlohe nichts nachreden, aber er habe, indem er die Einberufung des Reichstags unterließ, eine ebensolche Unkenntniß der Reichsverfassung bewiesen, wie er Un- kenntniß der Staatsverfassung verrieth, als er die Be amten, welche im preußischen Landtage als Kanalgegner austraten, maßregelte. Abg. Rickert (Freis. Vrg.) erkennt befriedigt an, daß der Reichskanzler durch seine entgegen kommende Erklärung über die Jndemnitätsfrage des Reichstag«, dem Reichstag die Arbeit erleichtert habe. Jedenfalls habe in den letzten Monaten ein absolutistischer Standpunkt bei uns geherrscht. Redner fordert Reform der offiziösen Presse, sowie einheitliche und korrekte Be richterstattung über die Reden des Kaisers. In vollem Einklang mit der amtlichen Denkschrift wolle er mit seinen Freunden, daß wir uns darauf beschränken, uns mtt dem in China Erworbenen zu konsolidiren; darüber — Halt! Er halte den Gedanken nicht für phantastisch, daß die Waffengemeinschaft, in der sich die europa. chen Völker jetzt in China befinden, uns auf lange einen europäischen Krieg fernhatten werde. Jeden- . falls aber werde der Beschluß, den der Reichstag in s I Dieser Frage fassen werde, zeigen, daß der .. immer zur Stelle sei, wenn er «ette für und die Ehre de« Deutschen RelL ' ' Ansehen M»<-° KE B°lN zuh--r,ch-". d°S di- 7nm,mÄ,-mn ff- D<- R.ich-k°^-- ff-, - Artikel der „Freis. Ztg. vom ^was gewunden und Allerdings ist ja d'estr Artike Kundgebungen stelzenhaft, aber das pflegt bei offiuo e^ u öfter der Fall zu sein (stürmische H Reichstag einbe- war eigentlich der Meinung, nachdem ich diesen rufen werden musst (h^t, ho".), ^ Parlament Artikel in dem Blatte dieses h^ Abgeordneten tariers gelesen, sagte ich H^r- Richter kannst du nicht aufkomm I ?,waS leit.) Ich versichere Ihnen °ber, Mte w,^ vorkommen und sollte ich da ch /«xueute Heiter- steben so sollen Sie emberufen werden. l^neuie y leit) ' Was den deutschen Oberbefehl " ^huw o bericht dieser Gedanke auf einer uns von M auf amtlichem Wege zugegangenen Anregung^ Mehr kann ich nicht darüber sagen; F^e w nstr Staatsinteresst ein Schloß vor den Mund leg. KaÄ« Es, d°M di- Angriff- d.« V-rr-d«- °us di- Miffim-n, sp-li-ll di- ruru« md b- merkt dann, Herr Richter hat die Redendes berührt und die Frage der Verantwortlichkeit aufge worfen. Der Reichskanzler trägt die Verantwortung für die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers; eine Rede aber fällt unter diesen beiden Kategorien nicht. Gleichwohl übernehme ich die volle moralische Verantwortung für die Reden des Kaifers, welche von dem größten Theile der Nation gewiß nicht mißverstanden sein dürften. Die Rede des Kaisers in Bremerhafen wurde gehalten in einem Augenblick, da man annehmen mußte, daß in Peking alle Europäer eines martervollen Todes gestorben seien. Der Kaiser hat unter dem Ein druck dieser Vorgänge als Soldat gesprochen, nicht als Diplomat. Daß die Diplomatie nicht zu kurz kommt, dafür lassen Sie mich sorgen. Jedenfalls ist mir der kleine Finger eines deutschen Musketiers lieber, als das ganze Mordgesindel der Boxer. Und dann die Rede in Bremerhafen. Ich sehe nicht ein, weshalb wir nicht sollen thun dürfen, was Andere thun. Es gab ja eine Zeit, wo man uns den Großmachtskitzel austreiben wollte. Das ist vorbei. Wir werden uns eine verständige, ge sunde Weltpolitik weder aufreden, noch verkümmern Tageög-schjHte R Deutsch?« Reick Di- B-. diesem Falle der Gewalt der Boxer, mit Gewalt be gegnet werden muß. Die Erwerbung Arbour und Schippel haben für uns eine ganz andere Auffassung über das Recht der civilisirten Mächte, ihren Einfluß über tieferstehende Nationen auszudehnen, ge äußert, als Bebel sie vertreten. Auch wir sind ja der Ansicht, daß man von einer weltgebietenden Mission Nicht sprechen kann. Das sind dithyambische Ueber- treibungen. Wir wollen keineswegs überall dabei sein, aber in China ist seit der Ermordung unseres Gesandten v. Ketteler unsere nationale Ehre engagirt, wir haben unsere nationale Pflicht voll zu erfüllen. Wir billigen deshalb auch die Entsendung von Truppen. Die Nicht einberufung deS Reichstags war ein schwerer Fehler, zumal der Reichstag im Sommer sicherlich alles Er forderliche bewilligt haben würde. Als constitutionelle und liberale Partei müssen wir entschieden Verwahrung gegen em solches Vorgehen einlegen. Wir gönnen dem Fürsten Hohenlohe alle Anerkennung, aber diese letzte That desselben, die Nichteinberufung des Reichstags, war kein Meisterstück. Ein Nachsuchen der Indemnität sei unerläßlich. Zu erwägen sei, ob nicht auch wegen Verletzung der Militärgesetze durch Bildung von Neu- formationen Indemnität nachgefucht werden müsse. Unser Standpunkt, so schließt Redner, ist Wahrung deutscher Ehre und deutscher Rechte, Förderung deutscher Interessen, aber auch Achtung des Rechts der deutschen Volksver- tretung. (Beifall.) Abg. v. Levetzow (conf.) führt aus, daß das Vorgehen Deutschlands in China durch unsere nationale Ehre geboten war, und äußert seine Genng- thuung über den Fortbestand unserer guten Beziehungen zu Rußland, worauf seine Freunde großes Gewicht legten. Daß das Wort „Indemnität" in die Vorlage hineingebracht werde, darauf lege er kein Gewicht, denn wenn der Reichstag die Forderung nachträglich genehmige, so liege darin schon die Indemnität. Graf Waldersee verdiene für sein sachgemäßes Vorgehen Anerkennung und Dank. In den Soldatenbricfen, ihre Echtheit vorausgesetzt, werde offenbar Manches übertrieben. Um etwa gegen Frauen und Kinder Ausschreitungen zu be- gehen, dazu sei der deutsche Soldat viel zu großmüthig. Abg. Richter (freis. Volksp.) ist mit seinen Freunden der Meinung, daß unmittelbar nach der Ermordung des Gesandten eine militärische Machtentfaltung nothwendig war. Das schließe nicht etwa eine Billigung alles Anderen in sich, waS vor- oder nachher geschehen musst. So halte er die Uebernahme des Oberbefehls du^ Waldersee für einen schweren ^'schen Fehles I°ndS. Di-ff- Ob--b-ffh, s« d-u,1^ radezu aufgezwungen worden. Der K g D» und . -5 P„. „„ ^»«7 K»» Hsstiislm-tznisüstl, MrluWitz' Ottmars'