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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeralioni-Preis 22> Silbergr. sj Tdlr.) vicrleliädrlich, 3 Tklr für daS ganze Jahr, ohne Erhebung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beit u Comp., Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königs. Post-Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. 8. Berlin, Donnerstag den 11. Januar 1844. England. Wachsthum, Handel, Reichthum und Ilrmuth Liverpools. I. BcvölkcrungS-Verhältnisse in England und Frankreich. Die Volkszahl, die im vorigen Jahrhundert überall stationair war, hat seit fünfzig Jahren in Europa unermeßliche Fortschritte gemacht. An diesem Wachsthum haben im Allgemeinen die Städte mehr als das platte Land, und die großen Städte mehr Theil genommen als die kleinen. Nach dem natür lichen Lauf der Dinge ist zwar die Sterblichkeit in den Städten viel größer als auf dem platten Lande, wo eine einfache Lebensweise und eine reine Luft die Dauer des Lebens verlängern müssen; aber die Anziehungskraft, mit der die großen Massen begabt sind, füllt bald die Lücken wieder aus, die in ihren Reihen sich öffnen. Dies geschieht, indem die ländliche Bevölkerung in die Städte einwandert. Durch höheren Lohn angelockt, strömen die Fclvarbeitcr in diese großen Märkte der Arbeit herbei und verwandeln sich bald in Hafen- oder Fabrik-Arbeiter. Es scheint, daß auf dem Lande die Reproduction, in den Städten die Consumtion des Menschengeschlechts vor sich geht. Dieser unterscheidende Zug unseres sozialen Zustandes tritt nirgends mehr hervor, als in England. Kein Land in dem bekannten Theil der Welt ent hält eine größere Anzahl von betriebsamen und reich bevölkerten Städten. In Frankreich gicbt es außer Paris kaum drei oder vier Städte, wie Lyon, Marseille, Bordeaux und Rouen, die mehr als hunderttausend Einwohner haben. In Großbritanien haben Liverpool, Manchester und Glasgow jede nahe an drcihunderttausend Seelen ; Edinburg, Birmingham, Leeds, Bristol, Sheffield und Newcastle haben hundert, bis zweihunderttausend Einwohner. Im Jahre 1836 enthielten die Städte von zehntausend Seelen und darüber in Frankreich eine Bevölkerung von 3,764,219 Einwohnern. In Großbritanien zählten die Städte derselben Klafft schon im Jahre 1831, bei einer allge meinen Bevölkerung, welche kaum die Hälfte der französischen beträgt, 4,620,000 Einwohner. Zu derselben Zeit beschäftigten sich in England von I00 Personen 28 mit dem Ackerbau, in Frankreich dagegen 68. Das Uebergewicht, das gegenwärtig die Zunahme der städtischen Bevöl. kerung über die der ländlichen gewinnt, wird in beiden Ländern durch folgende Zahlen charakterisier. In Frankreich ist von 1801 —1836 die Bevölkerung um 23 Prozent gestiegen. In demselben Zeitraum vermehrte sich die Bevöl kerung von Marseille um 32 Prozent, Lille um 33, Toulouse um 54, Lyon um 37, Havre um 60, Paris um 66, Rheims um 00, Saint-Quentin um IM und die Bevölkerung von Saint-Etienne um 150 Prozent. In England betrug der allgemeine Zuwachs der Bevölkerung von 1811 —I83l 36 Prozent. In diesem Zeitraum von zwanzig Jahren hat die ländliche Be völkerung nur um 30 Prozent, die der Städte dagegen, im Durchschnitt, um 53 Prozent zugenommen. Aber der Unterschied ist noch auiallender, wenn man diese Vergleichung auf die bedeutenderen Städte beschränkt; in London beträgt die Zunahme 42 Prozent, in Edinburg und Newcastle 60, in Bristol 65, in Sheffield 70, in Birmingham 72, in Liverpool 75, in Glasgow 95 und in Manchester 150 Prozent. Unter diesen Erscheinungen sind am merkwürdigsten die Fortschritte der Grafschaft Lancaster. Im Jahre 1801 zählte dieser Distrikt 672,565 Seelen ; 1841 dagegen: 1,667,064. Herr Ashworth in seinem anü prexenr ülsl« ok l.i,nr,!ijnr« bemerkt, daß, wenn die Zunahme der Bevölkerung in Lanca shire dieselbe gewesen wäre, wie im übrigen Königreich, dieser Distrikt 1841 nur 1,125,'.>24 Einwohner gezählt haben würde, und er schließt daraus, daß die 531,130 Personen, die den Ueberschuß bilden, aus den ackerbauenden Distrikten in die Handels- und Manufaktur-Plätze ausgewandert seyn müssen. Man wird zugeben, daß das, was diese Zunahme der Einwanderung zu verdanken hat, um so bedeutender seyn muß, wenn man bedenkt, daß die städtischen Massen keine Reproductionskrast haben, welche der der ländlichen Distrikte gleichkommt, und daß die Bevölkerung der Städte, sich selbst über« lassen, weniger schnell zunimmt. Lancashire und die Manufaktur-Distrikte überhaupt haben also dem Uebcr- ssuß der Bevölkerung einen Ausweg, eine Zuflucht geöffnet. Statt sich nach außen zu ergießen, wie im lOten und I7ten Jahrhundert, haben die Be wohner GroßbritanienS diese großartigen Koloniecn der Wolle und der Baumwolle gegründet, wo so viele müßige Arme Beschäftigung, so viele Kapitalien ihre Anwendung gefunden haben. Lancashire war in der That daS Armen, oder vielmehr das Arbeitshaus Englands im buchstäblichen Sinn deS Wortes. Die ackerbauende Bevölkerung der Grafschaft Lancaster ist nicht sehr zahl reich, sie macht gegenwärtig nur 9 Prozent der Einwohnerzahl aus. Man sieht dort nichts als Städte, Maschinen, Manufakturen, Eomtoirs und Bau plätze. Man kann keinen Schritt thun, ohne ein Werk anzutrcffcn, das von einer Eroberung des Menschen über die Natur zeugt. Kein Theil Englands iß so sehr durchschnitten von Straßen, Kanälen und Eisenbahnen. n. Liverpools Geschichte. — Seine Verbindungen mit Amerika und Irland. Bis gegen das Ende des I8ten Jahrhunderts theilten sich London und Bristol in den britischen Handel; Liverpool nahm nur einen geringen Antheil daran. Keine Handelsstadt, selbst New-Jork nicht ausgenommen, hat einen so jungen und bescheidenen Anfang gehabt. Liverpool oder Llthcrpool war vor zweihundert Jahren ein Fischerfleckcn an der Mündung der Mersey, und der Hafen, wo man sich gewöhnlich einschiffte, um nach Irland übcrzusetzen. Im Jahre 1700 hatte die Stadt keine 6000 Einwohner. Im Jahre 1760 zählte sie 25,787 Einwohner, aber der Hafen hatte jährlich nur 1245 Schiffe ausgenommen, und die Dockzölle hatten der Stadt nur 2330 Pfund Sterling gebracht. Im Jahre 1700 war Liverpool auf den Grundsteuer-Listen nur mit 168 Pfd. 13 Shillings 10 Pence eingetragen, und die Einkünfte des Distrikts von West-Derby, der diese Stadt umfaßt, wurden aus 35,642 Pfd. geschätzt. Welche Kluft liegt zwischen dieser Armuth und dem Glanze der Gegenwart. Die heutigen Einkünfte von West-Derby betragen 2,124,925 Psv., was eine Vermehrung des Lokal-Rcichthums um 5900 Prozent voraussetzt. Liverpool mit seinen Vorstädten zählt eine Bevölkerung von 280,000 Seelen. Seine Docks nehmen jährlich 15,000 Schiffe auf; die städtische Einnahme beläuft sich auf 2 Millionen Thaler, und der reine Ertrag der Staatszöllc übersteigt 25 Millionen Thaler. Ein einziger Hafen GroßbritanienS bringt also dem Staat mehr als alle französische Häfen zusammengcnommen. Die Geschichte Liverpools zeigt, was der Wille des Menschen im Kampf mit der Natur vermag. Die Holländer haben ihren Boden dem Meere abge trotzt; die Liverpooler haben das Meer gezwungen, zu ihnen zu kommen. Die Mündung der Mersey bildet eine Art inneres Meer, dessen Sand ihr Bett verstopft, wo die Schiffe bei der Fluth von Wind und Wogen gepeitscht werden, bei der Ebbe dagegen trocken auf dem Schlamm stehen bleiben. Um diesen Gefahren zu begegnen, mußte man Bassins graben, die sich zur Fluthzeit öffnen, bei der Ebbe schließen und so den Schiffen ein konstantes Niveau geben. Dies war das Problem, das man in Liverpool im Jahre 1699 löste, indem man den ersten Wafferdock, den England besaß, öffnete; später wurden noch einige hinzngefügt. DaS System der Docks oder flottircnden Bassins ist die bedeutendste Vervollkommnung, die man in die Handhabung der Waarcn in den Häfen des OceanS gebracht hat. Der Handel Liverpools hat dieser Er findung, deren Verdienst ihm gebührt, seine ersten Erfolge und seinen definitiven Aufschwung verdankt. Da die Docks die Kosten für Beladung und Entladung der Schiffe unnöthig machten, so haben die Rheder ihre Ladungen nach dem Hafen gesandt, der ihnen diese Vortheilc darbot. Die herrliche Lage Liver pools hat das Uebrige gethan. Als die Mersey zugänglich wurde, kamen die Schiffe aus allen Theilen der Welt dorthin. Die Anlegung der Docks erklärt nicht allein den Aufschwung Liverpools. Derselbe ist auch vorzüglich der Geschicklichkeit zuzuschreiben, womit seine Be wohner die Umstände zu benutzen verstanden. Die Mittel, die sie anwendetcn, waren nicht immer moralisch gut. Im I8ten Jahrhundert, als sic den Handel mit den Koloniecn an London und Bristol übergehen sahen, fingen sic an, de» Sklaven-Handel zu betreiben, und von 1750—1770 transportirtcn sie mehr als 300,000 Sklaven, mit einem reinen Gewinn von 200 Millionen. Später zogen sic den Handel mit den Vereinigten Staaten an sich, den sie heute monopolisircn. Endlich hat sich der Handel Englands mit Irland seit der Union fast ganz in Liverpool konzcntrirt. WaS den Handel Liverpools mit den Vereinigten Staaten betrifft, so hat dieser die überraschendsten Schwankungen erfahren, wie überhaupt der Handel Englands mit den Bereinigten Staaten in neuerer Zeit große Katastrophen erlitten hat. Daran sind vorzüglich zwei furchtbare Krisen Schuld: einmal der allgemeine Bankerott der Banken in den Vereinigten Staaten, welcher noch verschlimmert ward durch die Wortbrüchigkcit einiger dieser Staaten, die, nachdem sie von den englischen Kapitalisten Gelb geliehen, die Zinsen dieser Anleihen nicht zahlten, und dann die Erhöhung der Zoll-Tarife in Amerika, welche in der Absicht geschah, die entstehenden Manufakturen von Pennsylvanien, Massachuffetts und New-Jork zu beschützen. Nach einer Tabelle über den Werth der Ausfuhren Englands nach den Bereinigten Staaten,