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kr. Kscheml: «Vich ftüh 7 Ußr- Anserate »«rd« augenommrar St« Abend» 6,Sonn- L«g» bi, Mittag» 1» Uhr: Narienftraß« 1», ü»i»igiu dies. Blatt», d«, jetzt t»LSS«o Ix«mplar«u erscheint, A»d«a «tu» erfolgreich« Uerbrritung Elfter Jahrg Montag, 28. Febr. 1888. Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drodifch. Abonnemeut: «ietteljährlich 20 Nx bei uaentgeldlicher At srrung in'r Hank Lurch die König! Pos vierteljährlich rr Ngr Einzeln« Nummer» 1 Ngr. Inseratenpreis«: Für den Raum ti»«t gespaltenen Zetke: 1 Ngr. Unter „SittDA saudt" die Z.S« 7 Ngr »ruck uud «tgeuthum d« Herausgeber: Llepsch E Ntichardt« — Verantwortlicher Redacteur: Jultll« VKichar-t» Dresden, den 26. Februar. G -— p. Unter zahlreicher Theilnahme von Herren und Da men beging „Flora" am vergangenen Dienstag ihr 68jähriges Stiftungsfest. Im Festvortrag sprach Eonreetor Helmert über die Blüthen der Pflanzen. Er erwähnte dabei das Wesen, die Form und die Zeit der Blüthen, sowie den Blüthenstand in vollständig erschöpfender Art. Wahrhaft sinnig und poetisch waren die Deutungen über die Farben und Düfte der Blüthen. Die ungeiheilte Aufmerksamkeit der Anwesenden, unter welchen wir auch Le. Ercellenz Herrn wirklichen lgeheimen Rath und Ministeriell-Direktor Kohlschütter bemerkten, belohnte den Vor tragenden. Aus dem hieran sich anschließenden ausführlichen Jahresbericht des Gesellschastssecretärs erwähnen nur, daß im vergangnen Jahre 6 Winterversammlungen stattfanden, in welchen nicht blos die laufenden Geschästsangelegenheiten erledigt, son dern auch eine Reihe größerer und kleinerer wissenschaftlicher Vorträge gehalten wurden Garten-Versammlungen und Ex kursionen fanden im verflossenen Sommer l ^ statt. Ebenso veranstaltete die Gesellschaft 6 große öffentliche Ausstellungen, die erste im Frühjahre im AusstellungSgebäude auf der Brühl- schen Terrasse, die zweite bei Gelegenheit der großen landwirth- schaftlichen Ausstellung auf dein Alaunplatze, und die dritte, eine Fruchtausstcllung, im Herbste auf dein Belvedere der Brühlschen Terrasse. Außerdem sorgt die Gesellschaft für daü Interesse ihrer Mitglieder durch eine iverthvolle Bibliothek und einJournalistieum, in welchem die neuesten botanischen und gärtnerischen Zeitschriften circulircn. Der Beitrag eines Mitgliedes beträgt außer einem mäßigen Eintrittsgelde jährlich 6 Thaler. Von nicht geringem Interesse waren die Mittheilungen über die Reisen zweier junger Gärtner, welche zu ihrer Ausbildung das Stipendium der bo tanischen Friedrich-August-Stiftung erhalten hatten. Die Mit gliederzahl hat sich gegen das Vorjahr wieder ansehnlich ver mehrt, während nur ü in Abgang kamen, indem 2 ausschicden, 2 gestorben sind und 1 zum Ehrenmitglied ernannt worden ist. Uebcr die beiden verstorbenen Mitglieder Prof. Iw. Löwe und Kunst- und Handelsgärtner E. G. Pctzold, sowie über das gleichfalls verstorbene Ehrenmitglied Generalgartendircelor Iw Kenne gab der Bericht möglichst ausführliche biographische Notizen, sowie er auch auf die befriedigenden Kassenverhältnisse einging. Mit dieser Feier war zugleich eine Monats-Ausstellung der Ge sellschaft verbunden. Wegen der größeren Kälte waren die Ein sendungen dazu nur spärlich Angegangen. Allgemeinen Beifall fanden und wurden deshalb von den Preisrichtern (K. Garten- director Krause, Holgärtner Neumann, K - u. H.-Gärtner Äie- big jua.) prämiirt: liknckoäouckcon HehlerII»NI» (zum ersten Mal hier blühend) und die lleimu so v inen»«« nircropdzüiio 8m- drisl«,! des Herrn Rentier Souchay (Obergärtner Eck) auf dein Eckberg bei Dresden. Blumenfreunden können wir die letzteren wegen ihres wunderschönen dunklen Blattes und ihres ausge zeichneten Blüthenreichthumö aus Ueberzeugung empfehlen. An den Festact schloß sich eine wie immer belebte Festtafel, deren letzte Theilnehmcr erst in früher Morgenstunde sich getrennt haben sollen. —r Eoncert. Wenn alle Welt auch mit Vergnügen dem nahenden Frühjahr entgegcnsieht, auf die Genüsse, welche die Schönheit der im Blüthenschmucke prangenden Natur ihr bieten soll, sehnsüchtig hofft und deshalb mit ungeduldigen, In teresse das Sprossen der ersten Knospen beobachtet, so ist doch auch nicht zu verkennen, daß mit den, Anbrcchen des Frühlings die gemulhvollen, herzerhebendcn und geistig bildenden Genüsse, die die längeren Abende boten, ebenso nach und nach aushören, wie unsere Gärten und Wälder sich nach und nach mit frischem Grün zu schmücken anfangen. Und so haben wir denn auch für den vergangenen Winter am Freitag den 26. Februar im Saale des .^otel de Saxe leider schon die letzte Soiree für Kammermusik, das berühmte Streichquartett, gehört, deren sonst gewöhnliche Zahl von sechs Eonee tcn bedauerlicher Weise auf nur fünf reducirt worden war. Die Herren Eoncertmeistcr Lauterbach und die Kammermusiker Hüllweck, Göring und Grützmacher trugen in diesem Schlußconcert das Quartett in L-mvll von Beethoven, Op. 18 Nr. -t, das Quartett in I(i- ckiir (Nr. 62 der Dresdner Ausgabe) von Jos. Haydn und das Quartett Nr. 6 in O-moll von Eherubini vor, und zeigten wieder und abermals wieder, welch hohe Ziele vollkommener Ausführung Künstler, die von dem heiligen Berufe ihrer Kunst durchglüht sind, erreichen können. Das Zusammcnspiel, die Zartheit des Ausdrucks, wie die Kraft, mit welcher die Rich tigkeit der musikalischen Idee bewiesen wurde, waren bcwun- dernSwerth. Herr Lautcrbach verstand eS wieder, ohne alle Ostentation und ohne alles Hcrvordrängen, durch Schönheit des Tons und Gewandtheit des Spiels zu zeigen, daß er einer der ersten Violinspieler der Jetztzeit ist. Was die Eompositioncn selbst betrifft, so sprachen im ersten Quartett das Scherzo (än- «ksnip Lotwrroso), in dem zweiten, dem Haydn'schen, die k-n- «au«, und in dem Cherubinischen Quartett der zweite und dritte Satz ganz besonders an. Daß es an lebhaftem Beifall und Hervorruf nicht fehlte, brauchte eigentlich nicht erst erwähnt zu werden. Im Eyelus im Zwinger hält heute Herr Prof. Iw. Geinitz den ersten seiner drei Vorträge über die neuesten Fortschritte der Geologie und wird in demselben die „älteste Periode" besprechen. — Fräulein Pause, Mitglied des zweiten Theaters und mit einem unverkennbaren Talent für das tragische Fach begabt, hat morgen, Dienstag, ihr Benefiz, zu welchem sie daS treffliche Schauspiel: „Die Tochter des Lootsen" gewählt. Fräulein Pause wirkt, wie wir hören, erst seit ein Paar Jah ren auf der Bühne. Jeder aber, der in der theatralischen Kunst sich eines Kennerblickes erfreut, muß dem Fräulein Pause das Zeugnis; spenden: daß ihr reges Streben sich bereits eines schönen Erfolges erfreut. Dian unterstütze dies wirkliche Talent zu fernerer Aufmunterung, man schenke ihm Aufmerk samkeit durch eigene Anschauung, die dann sicher unser Urtheil als ein gerechtes anerkennen wird. — Die Hauptkrästc des zwei ten Theaters sind in der letzten Zeit stark vom Unglück heim gesucht: vor Kurzem erlitt Herr Direktor Neßmüller durch einen unglücklichen Sprung eine Verletzung am Fuße, die ihn noch längere Zeit seiner schauspielerisch.n Thätigkeit entziehen wird, und am Sonnabend hatte Herr Stritt durch ähnliche Veran lassung das gleiche Loos, so daß auch er leiser auf ein län geres Krankenlager gebannt sein wird. — Nadeberg hat ein seltenes Euriosum in diesen Tagen aufzuweisen. Der dasige Pferdehändler Großmann hatte ein Pferd, einen Fuchs, den er om Donnerstag verkaufen wollte. Er will seinen Andalusier holen, kommt in den Stall und 's Pferd ist weg! „Na, mein Pferd kann doch nicht alle gewor den sein", denkt der Mann bei sich, „aha, das ist gestohlen'. Warte Bursche!" Er holt den Gendarmen — es wird rcchcr- chirt —- kein Pferd zu finden, auch kein Pferdedieb! Endlich geht Jener in den Keller, in den 7 Stufen in die rabenschwarz- dintenpcch-finslere, cgyplische Dunkclhclheit hinunterführen und zu welchem man direct durch die Thür vom Hofe aus gelangt. Strambach! da liegt der Fuchs! Hat sich das Rößlein aus dem Stalle gemacht und hat einen nächtlichen Spaziergang im Hofe versucht Da die Nacht kalt war und Pelz und Fußsäcke von den Kürschnern bis jetzt für wiehernde Vierfüßler noch nicht angeferligt werden, wollte das Thier wieder in den wär menden Stall zurück. Es suchte und suchte, hatte aber die Hausnummer vergessen und war so in die Unrechte Thür gera- then und die sieben verhängnißvollen, naßglatten Stufen hin- abgestürzt. Da lag'S! Es blieb nun nichts Anderes übrig, als sämmtliche Stufen hcrauszureißen, einen erdigen Weg zu bah nen, dem Rößlein auf die vier Beine zu helfen und es wieder ans Tageslicht zu fördern. Es war eine schwere Arbeit, — aber die Freude — ne die Freude, als die liebe Sonne wie der hinter die Kummetleisten schien! Sonderbare Verirr ungen in Radeburg. Allgemeine Betrachtung. P So hat denn das Parlament der preußischen Abgeord neten ein jäher Tod ereilt; schneller als die Aerzte cs für mög lich hielten, trat die Krisis ein und diejenigen, die vor sechs Wochen noch als die, „die da kommen im Namen des Volkes" begrüßt wurden, ziehen still, ohne Sang und Klang, nach der Heimalh. Schlag auf Schlag gings in Berlin in der letzten Woche. Erst ein Schreiben des Staatsministeriums, welches die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in der Lauenburger, in der Obcrtribunal-, in der Kölner Abgeordnetensist-Angelegenheit als Eingriffe in die Rechte des Königs, als Verfaffungsoerletzungen kennzeichnet; dann der Beschluß des Hauses, dieses Schreiben in den Papierkorb zu werfen, dann die Berathung eines Antrages des Abg. Ncichensperger: eine Adresse an den König zu richten, welche eine Vermittelung des Eonflictcs erstrebt, dann die Ab lehnung dieser Adresse, und kaum ist dem Präsidenten das Wort entfahren, welches diesen Beschluß kundgicbt, da tritt Gras Bis marck auch schon herein und verkündet die Auflösung der Kammer. Am nächsten Morgen wird die Thronrede verlesen welche die Verfafsungsbrüche der Abgeordneten auszählt und welche mit theilt, daß der König schon längst reine Wirtschaft hätte machen wollen, er hätte aber noch abgewartet, ob das Haus auch die sen letzten, den Reichenspcrgeischcn Eühneversuch zurückweiscn ivürdc, und da auch dieses letzte Mittel fehlgeschlagen, sei vie Kirche aus. Dieser rasche Feldzug des Ministeriums ist offen bar aus der erkannten Nothwendigkeit hervorgegangen, das durch den Qbertribunalsbcschluß verlorene Terrain im Sturmschritt zurück zu erobern. REt der ihm eigenen Elasticität rafft sich Bismarck von dem letzten betäubenden Schlage auf und läßt nun seinerseits Schlag auf Schlag auf die Häupter seiner Gegner fallen. Mit düsteren Worten entläßt der Präsident Grabow seine Eollegcn, er läutet die dunkle Zukunft ein, denn die be reits angekündigte Hetze gegen die Abgeordneten wird nicht lange warten lassen. Wenn die Regierung nur irgend ihre Drohungerr wahr macht und sie pflegt bekanntlich nicht zu fackeln), so kanir das eine Abgeordnetenjagd werden, wie die weiland Demagogen hetze unter Metternich. "Nicht ohne Mitleid kann man die Volks vertreter nach Hause gehen sehen, und doch ist es klar, daß auch sie ihres Unglücks Schmiede mit gewesen sind. Es rächt sich an ihnen fürchterlich, daß sie selbst ein Auge zudrückten, als die Herzogthümer von derselben Eisenfaust gepackt wurden. Wenn man die beiderseitigen Anschuldigungen liest, wie Regierung und Abgeordnete sich gegenseitig der immer größeren Verfassungs brüche zeihen, so möchte Einem der Kopf wirbeln. Das, was Bismarck Nacht nennt, begrüßt Grabow als Hellen Sonnen schein, und das, wovor sich Grabow bekreuzigt, ist das Aller heiligste des Grafen Bismarck. Gott mag allein wissen, wie dieser Zustand, der Bcn Akibas Wort: Es ist Alles schon da gewesen! zu Schanden macht, enden wird. Doch die Tyrannen reichen sich die Hände! und so strecken jetzt II» Adelige aus den Herzogthümern flehentlich die Hände zu Bismarck, daß er sie doch um Gottes Willen fassen und anncctircn möge. Es sind das dieselben wetterwendischen Grafen und Barone, die als ihre innerste Ueberzeugung früher schon aussprachen, daß das Heil ihres Landes nur in der Personal union mit Dänemark, dann in der Herrschaft des Oldenburger Großherzogs zu finden sei. Seltsam ist oabei nur das Eine, daß sich die preußische Regierung bei Oesterreich über die Alto- naer Massenversammlung beschwert, die sich doch nur gegen den Gasteiner Vertrag richtet, gleichzeitig aber diese Agitation, die doch den Gasteiner Vertrag geradezu vernichten will, duldet und sogar in der officiellen Staatszeitung wohlgefällig abdruckt. Wenn Gründe zehnmal so wohlfeil wie Brombeeren wären — für eine solche Inkonsequenz wird sich kein irgend plausibler Grund finden lasset, und dieser Fall zeigt nur aufs Neue, daß, um die Annexion zu erreichen, es Preußen höchst egal ist, sich selbst jeden Augenblick zu verleugnen. Gegenwärtig ffieculirt es auf die ungarischen Wirren, ja es hetzt die ohnehin halsstarrigen Magyaren, recht schroff gegen die Regierung aufzulreten, um Oesterreich im Innern genügend zu beschäftigen. Jemehr Oesterreich seinen Schwerpunkt nach Ungarn verlegt, desto weniger kann es sich um deutsche Händel bekümmern. Diese Rechnung ist ganz richtig bis auf einen Um stand, daß, so sehr die Mandel Oestei reichlicher Völker gegen ein nder von Eifersucht und Haß erfüllt sind, alle diese Gefühl« sofort schweigen, sobald es die Vertretung des Gesammtrcichs nach außen anlangt. Da sind sie sofort einig, eine Ausnahme machen allein die Italiener. Freilich jetzt, wo Alles noch in Gährung ist und die Gefahr von außen nur frecher ihren dunk len Schatten wirft, jetzt ist ein wahrer Hexensabbats» von Rech ten und Gegenrechten, bestehenden, aufgehobenen oder sistirten Verfassungen dort zu finden, und diejenigen sehen sich getäuscht, welche das tausendfache Eljen der Ungarn als die Bürgschaft der Lösung des Verfassungsconflictes betrachteten. Solcher Enthusiasmus ist immer nur Strohfeuer. Die Forderungen der Ungarn wachsen täglich. Umsonst, daß der Kaiser bis an die äußerste Grenze des Entgegenkommens gegangen, umsonst, daß sich das Oberhaus, die sogenannte Magnatentafel ermannt und was noch nie in Ungarn der Fall ivar, eine Separat- Adresse an den Thron richtet — das Unterhaus fordert die volle Herstellung der revolutionären Gesetze von 48, mit wel chen kein Kaiser regieren, sorvert die Herstellung der Souverä nität der Municipien, fordert ein verantwortliches ungarisches Ministerium. Und Alles zugleich, keins ohne das Andere. Jetzt heißt es daher: Biegen oder Brechen. Schon ist die Minister- krisis cingetreten. Belcredi und Mennsdorfs vertreten den Stand punkt der Gesammtmonarch e, Esterhazy und Maylalh wollen zu nächst ein möglichst unabhängiges Ungarn, um die übrigen Kron- länder als Appendixe, als Nebenprvvinzcn nach Gutdünken zu regieren. Bei der Nothwendigkeit, eine Gesammtmonarchie Oesterreich und nicht ein Königreich Ungarn sestzuhalten, bei der Hartnäckigkeit der Un.arn scheint ein Ausgleich kaum wahr scheinlich, umkehren kann die Regierung auch nicht, ohne Alles in Frage zu stellen, kurz, der Zustand ist ein solcher, daß in der That die sprichwörtliche Zähigkeit der österreichischen Dipls- nratie dazu gehört, um nicht an einem nur Halbwege leidlichen Ausgange zu verzweifeln. — DaS interessanteste Tagesereigniß ist die telegraphische Meldung aus Bukarest, daß Fürst Kusa in der Nach; von; Donnerstag zum Freitag gezwungen worden ist, abzudanken. Das Militär, d. h. die Generalität, hat den Fürsten im Stich gelaffen. "Nach einem kurzen Provisorium wurde sodann Graf von Flandern vom gesetzgebenden Körper zum Fürsten gewählt und proclamirt. Daß es dabei sein Be wenden haben sollte, zumal die Herren Walachen den Fürsten zum Gefangenen machten, ist nicht gut anzunchmen. Die Groß mächte dürsten eine solche duodezstaatliche Lynchjustiz doch nicht so ruhig vor sich gehen lassen.