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Atz. Gorwabend, den 16. August. 1878. belletristische Aeilage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Wiener Vries. Die Pianosortes auf oer Ausstellung. Wenn man über einen fast in allen Ländern ver tretenen Industriezweig referiren will, so sieht man nst, welche große Ausdehnung die Ausstellung ein nimmt und wie reich sie von den verschiedenen , Völkern beschickt ist. Als gewissenhafter Bericht erstatter habe ich meine Wanderung in dem Pavillon begonnen, in dem sich die additionelle Ausstellung Oesterreichs: Beiträge zur Geschichte der Gewerbe und Erfindungen befindet. Da ist eine höchst inte ressante Sammlung alter Instrumente: wendische, kroatische, waüachische Hirtenpfeifen, Serpents, Basset hörner u. s. ws, sämmtlich aus dem vorigen Jahr hundert; alte Guitarren mit Claviatur, Lyra-Guitarre /ganz merkwürdige Fayon), deutsche Leher, Mandolinen, Viola, Lauten, eine chinesische Geige, deren Resonanz kasten aus einer Perlmuttermuschel gebildet ist, jedes der genannten Stücke ist über 100 Jahre all. Doch Ler bei weitem interessanteste Theil dieser Samm lung sind unstreitig die alten Claviere. Neben einem Toilette >iElavier, viereckigem Spinett mit eingelegter Holzarbeit, steht ein Giraffen-Clavier von Rosenberg Wien, 1802). — Hummel in Esseg in Slavonien hat das ehemalige Reise-Spinett Mozart's geschickt, von A. Stein, Orgel- und Instrumentmacher in Augsburg 1762, ein „Klimperkasten", circa H Fuß hoch, 2^ lang und 1^ breit. Dies Clavier, ein häßlicher gelber Kasten mit Füllungen im Deckel, wie an unseren Zimmerthüren, war gleichfalls im Besitz Mozart's; daneben ein altes Cymbal und zwei Violinen Mozart's, diese letzteren drei Stücke sammt Miniaturportrait und Briefen von Mozart's Schwester find zu verkaufen. Graf Szecheny hat LaS Clavier geschickt, auf dem F. Lißt von Raiding den ersten Unterricht erhielt. — Stadler in Prag: Spinett von Schanz, Wien, 5H Octav (1790), einst i« Besitz Haydn'S. — Museum in Linz: Beethoven'S Elavier, von Erard 1803. - A. Schubert: Clavier uon Graf 1815, einst im Besitz von Frz. Schubert. — Streicher: Clavier von Nanette Streicher, Wien, 1831 u. s. w. u. s. w. Bon hier gehen wir in die Rotunde, um den der Kaiserin Elisabeth gehörigen prachtvollen Flügel von Bösendorfer u. Ehrbar, und jenen zwar kleineren, aber nicht minder schönen von Streicher, der Erzherzogin Gisela gehörig, und zwar ihr Lieblingsinstrument, anzusehen ; man kann sich wohl keine größeren Gegenstücke denken. Nun aber beginnt die Wanderung schwierig zu werden; wo die anderen Claviere, die Oesterreich ausgestellt hat, wo die von Deutschland, Frankreich, England, Rußland, Amerika u. s. w. finden? Den Weg kann man gut nach Stunden rechnen, den man da zurücklegen muß durch den ganzen Industrie palast, durch Transebte, bedeckte Höfe und Pavillons, und zuletzt weiß ich doch nicht, ob ich Alles gefunden habe, aber das Hauptsächlichste habe ich ganz gewiß gesehen. Kein Justrument erfreut sich einer so allgemeinen Beliebtheit und ist in allen Schichten der Bevölkerung so populär, wie das Clavier, daher kommt es auch, daß an dör Construction der Claviere fort und fort neue Erfindungen und Verbesserungen gemacht werden. Bei jedem Claviere ist selbstverständlich der Ton die, Hauptsache, jeder Fabrikant sucht daher den Ton seiner Instrumente zu verbessern, zu vervollkommnen. Freilich die Ansichten über den Ton sind sehr ver schieden, wir unterscheiden in dieser Hinsicht haupt sächlich zwei Richtungen. Der Amerikaner, Engländer und zum größten Theil auch der Deutsche liebt einen starken,, vollen, der Wiener einen weichen, biegsamen Ton; unter den Ersteren finden wir Fabrikanten, welche die Vollkommenheit eines ClavierS darin suchen, daß dasselbe mehrere Instrumente zugleich, womöglich ein ganzes Orchester, ersetzt, dies ist auch der Grund, weshalb immer weniger Holz, immer mehr Metall, besonders Eisen, bei der Clavierfabrikation verwandt wird. Auf der Ausstellung sind beide Richtungen durch vorzügliche Werke vertreten, und sowohl Künstler, als auch technische Sachkenner eilen von Land zu Land, um bald da, bald dort einen Flügel oder ein Pianino zu probiren. Die Vergleiche Werden jedenfalls von den günstigsten Resultaten sein, wahrscheinlich wird jedes Land von dem anderen etwas Neues, Gutes annehmen. Selbstverständlich können wir nicht von jedem Pianoforte sprechen, welches hier ausgestellt ist, wir wollen nur das Vorzüglichste aussuchen, und da ich nicht selbst Fachmann bin, so werde ich dem Urtheil gediegener Musikreferenten, besonders dem des rühm lichst bekannten vr. Th. Helm folgen. In Oesterreich finden wir unter vielen andern die altbewährten Firmen: Bösendorfer und Ehrbar (jetzt zusammen in eine Aktiengesellschaft verwandelt) und Streicher. Jede dieser Firmen hat mehrere Pianos ausgestellt; Bösendorfer Flügel im größten Concertformat und ganz nach amerikanischem System, dann solche mit eigener Patentmechanik, endlich einen Stutzflügel nach dem Wiener System. In allen prävalirt der so berühmte schöne, ursprüngliche Bösendorfer Ton und zeigt sich außerdem das Streben, eine glückliche Verschmelzung des englischen und Wiener Tons zu bewerkstelligen. Den Stutz-