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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050218011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905021801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905021801
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-18
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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Aunahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Extra-Beilagen Mur mit der Morgen- Ausgabe) nach besbnderer Vereinbarung. Tie Expedition fst Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Potz in Leipzig <Jnh. Dr. «„ R. L W. Kltuthardt). Sir. 89. Sonnabend den 18. Februar 1905. 99. Jahrgang. Var wichtigste vsm rage. * Dan Dank -r» Aönig» für -en Empfang In Leipzig gibt -er königliche Areishanptmann LvzeUenz v. Ehren stein in herzlichen Worten bekannt. Der Auftrag -er Aönig» lautete u. a. r „Lassen Sie aber Ihre Worte nicht eine blohe Lsrm sein". (S. Amtl. Anz.) * Prinz Friedrich Leopold von Preußen ist gestern vom Zaren in ZarSkoje Sselo empfangen worden. (S. Letzte Dtp.) * Großfürst Sergius von Rußland wurde ln Moskau durch eine unter seine Equipage geschlen derte Bombe getötet. (S. Sonderartikel.) * Nach Petersburger Meldungen hat der Zar gestern dem Rate aller Minister präsidiert, wobei erwogen wurde, den fetzigen inoffiziellen Ministerrat in ein beratendes, verantwortliches Kabinett zu verwandeln. (S. den Artikel.) * Die Bereinigten Staaten haben von Rußland wegen WorlbruckeS dreier Offiziere des Kreuzers .Lena", die nach St. Francisco geflohen waren, Aufklärung verlangt. (S. rufs.-jap. Krieg.) Var FonksMa«. Am vergangenen Freitag hat man in der fran zösischen Kammer, die noch vom Combismus beherrscht ist, indessen von der Abwesenheit des Senators Eombes gleichwohl profitiert, übe'' die folgende Interpellation Morlot geredet: „Ich wünsche die Negierung nach den Maßnahmen zu fragen, die sie bis zur Trennung der Kirchen vom Staate treffen will, um eine dem Konkordat gemäße Verwaltung der vakanten Diözesen zu sichern und jene Trennung unverzüglich vorzubcreiten." Das Ministerium Nouvier und die Parteien der Linken waren sich in der Erkenntnis einig, daß eine andere Tages- ordnung als die separatistische unmöglich sei, und es ging, ein Jahr nach den Proklamationen des vorigen Ministerpräsidenten, mit 386 gegen 111 Stimmen, eine der Form nach intransigente, in Wahrheit platonische Resolution für ein Kabinett des Geistes von Auxerre durchs Ziel. In dieser Sitzung übte der Abgeordnete Gauthier aus Clagny an der gesinnungsvollcn Mehrheit höhnische Kritik. „Gewiß," sagte er, „legt man im Parlament mit Behagen oft den wütendsten Antikleri- kalismus an den Tag, und am Sonntag führt man dann wieder seine Familie zur Messe. Heute will man eine gemeinsame Abstimmung derer, die für die Trennung sind und sich zum Prinzip bekunden; aber man will sie nur, weil man hofft, daß der Gesetzentwurf trotzdem nicht zustande kommt." Herr Gauthier äußerte, daß auch er einer Separation, wenn sie von Toleranz und Freiheit getragen sei, zuneige; denn 'des Konkordat entspreche weder dem Staate der Gegenwart, noch der heutigen Kirche. Auch dem Abb6 Gayraud flößt der Gedanke der Trennung keine Furcht mehr ein. Die Kammer hörte von diesem Kleriker, daß die französische Geistlichkeit nicht unbedingt verlange, in der Zahl der Besoldeten gelassen zu werden, daß auch sie eine Be- sreiung vom Staate dem unerträgliclfen Quiproquo vorziehe. Mit einem absoluten Gehorsam, der ihn im Jahrhundert Bossuets und der gallikanischen Kirche zum Ketzer gestempelt hätte, benannte der Abbs Gayraud den Papst als die einzige Instanz, mit der zu verhandeln sei. Der Konservative Denys-Cochin wie Herr Nibot manifestierten, daß sie zwar gegen das Ministerium, gegen die Tagesordnung und gegen die Entfesselung der Zwietracht seien, aber Herr Nibot hak selbst schon vor Jahren einem Katholiken geschrieben, daß die Trennung „im Zuge der modernen Ideen" liege. Gegen den Schluß der Debatte bemerkte der Sozialist Sembat: „Wir wollen vollständige Gc- Wissensfreiheit, und wenn wir das Christentum auS- rotten möchten, so ist nicht ein Gesetz unser Mittel dazu." Nichts dcstoweniger siegte die heilige Notwendigkeit, gouvernemental oder ontigouvernemental zu sein, nach der in Frankreich ökonomische Gesetze, ministerielle Fonds und Fragen des Kultus uniform erledigt werden, und in der Kommission, die für die Aufhebung des Konkordates eingesetzt wovden ist, haben nun die Depu- tierten Gelegenheit, feierliche Versicherungen des Herrn Bienvenu-Martin zu empfangen. Sie werden die von Herrn Briant, dem Vater deS originalen Entwurfs, ge- schaffenen Artikel verschärfen oder lindern, sie werden die Vorlage dem Senat zuführen, damit er das Seine tue, sie werden bis zu den Sommerferien warten, im Herbst beteuern das Budget gönne ihnen keinen Raum. Hierauf dürfte das Jahr 1906 nahen, das mit Senats Wahlen, Präsidentenwahl und Kammerwahlen belastet ist. Eine bodenlose Leere wird klaffen, und wenn sie das Separationsgesetz nickst verschlingt, so wird eine neue Epoche in den Beziehungen des französischen Staates zur rönsisclxm Kirche ihren Anfang nehmen. In fataler Ver- Wanderung sieht die Mitwelt diesem Scliauspiele zu; sie zögert zu glauben, daß Pi)gmäen ein Werk vollbringen sollten, dessen die Niesen der Geschichte nicht fähig waren mit -dem der tragische Kampf grandioser Willensmächte für die Erinnerung der NackMborenen verbunden ist. Tie Inhaber des Palais Bourbon ursurpteren die Tro phäe, nach der die Hände der Gekrönten umsonst ge griffen haben, und die Wandlung wäre durchaus unbe greiflich, wenn nicht auch hier die Prüft,ng des Konflikts zeigte, daß sogar Herr Bienvenu-Martin und seine Ge nossen nur eine Episode sind. Ihr Gesetzentwurf ist ein brüchiges Papier, ihre Tagesordnungen sind falsch oder nur zur Hälfte wahr, und der Katholizismus, den sie aus seinen Positionen zu verjagen wähnen, wird, wenn der französische Staat sich klug mit dem Erreichbaren be gnügt, keinen Schaden erleiden; er wird triumphieren, falls die Ausfindiger des Konkordats zu ihrer Partei- dcvise nichts hinzulernen und mit gleicher Blindheit Traditionen und Tatsachen ignorieren. Dor allem hätte es das Gros 'der Mehrheit vom 10. Februar 1905 wohl überrascht, zu erfahren, daß sie eine von den Ausgaben, die sie zu betreiben denkt, sehr verschiedene Aufgabe tatsächlich betreibt. Niemals hat die Kurie mit Frankreich ein Konkordat geschlossen, seit Leo X. mit idem ersten Franz im Jahre 1516 das Kon- kordat von Noyon abschloß. Der Vertrag, den im Jahre 1801, am 23. Fructidor des Jahres 9, der Konsul Bona- Parte den Bevollmächtigten Pius VII., aufgezwungen hat, hieß eine „Konvention" und er war von der Staats, gekoalt «diktiert, die das kirchliche Wort verschmähte, so wie der junge General, der bronz-me Sobn der Novo- lution, den zitternden Greis verachtet hat, dem er frech die Tiara vom Haupte riß. Schon im Jahre 1796 hatte der „Mann «des Schicksals" die Methode entdeckt, die ihm helfen sollte, über den Klerus zu herrschen. Damals, als zwischen den durch den Verfassungseid auf republi kanischem Feld geweihten Priestern und 'den royalistischen Priestern der Vendäe der Krieg noch wogte, war Bona- Parte sich bewußt, daß er auf den gebrechlichen Nacken des Papstes sich stützen müsse, um sich 'der Geistlichkeit als eines Schemels bedienen zu können. Hitzig, mit der Schlauheit eines Briganten, den dann ein anderer be trügt, hat Napoleon Bonaparte in 'der Konvention des Jahres 1801 gehandelt, und ihre siebzehn Artikel sind ein trügerisches Gemisch von Zugeständnissen und Drohungen, furchtbar für Nom, solange der große Korse gebieterisch die Arme kreuzte, lächerlich und für Nom ein Gewinn, als der Kaiser entthront war, welcher scharf sichtig seinem Beichtvater, dem Abbä de Praht, einge räumt hat: „Das Konkordat war der größte Fehler mei ner Negierung". Der Macchicrvellismus des ersten Kon suls besann sich nicht, in der Einleitung die „katholische, apostolisch und römische Religion" zur „Religion 'des größten Teiles der französischen Bürger zu erheben; denn wenn er dem Katholizismus eine „prokossinn particulidre" zugestand, so wurde im ersten Artikel ge sagt, daß der Republik und ihrer Polizei Vollmacht über den religiösen Kultus zustchc. Ter zweite, dritte und vierte Artikel des Konkordats sind vernichtet. Im fünf ten Artikel wuvde festgesetzt, daß der Staat die Bischöfe ernenne, daß aber der Papst zu ihrer kanonischen In stitution berechtigt sei. Denn der Konsul Bonaparte, als dessen Sklave Pius VII. zehn verfassungsmäßige, ex kommunizierte Bischöfe? einsetzte, vierzig dem heiligen Stuhle treue Bischöfe entsetzte, preßte die Finger um den Säbelknous. Im Jahre 1904 zankte sich Herr Combes mit der Kurie um die Bischöfe von Dijon und Laval, die er nicht gegen Vanutclli und Mercy del Val zu schützen vermochte, und die Gesandtschaft ist beseitigt, die bis da hin als vermittelnde Stelle galt. Der achte Artikel for dert, daß der Priester beim Ende dos Gottesdienstes murmele: „Domino, «nlvam krro Kompnklieuml Sal vos ksc eonkmlosl" Heute ist das Gebet verstümmelt, und der Priester murmelt es nicht als Ausgong. Im elften Artikel wird gesagt, der Staat habe die Seminare nicht zu bezahlen; tatsächlich bezahlt er, dessen Kirchen- budget die Höhe von 50 Millionen hat, gerade diese Anstalten. Und ähnlich verhält es sich mit den Rest- bestimmungen dieses Vertrages, der, wie der klerikale Herr de Bonnefon mit feiner Ironie bemerkt, ein Leich nam ist, den kein Parlament zum Tckde verurteilen darf. Aber das Konkordat ist in einer Verfassung, die selbst unter den Begriff des Todes kaum noch subsumiert werden kann; denn es hat nie gelebt. Die von Bona parte hinzugcfügtcn sechsundsiebzig „Grundartikel über den katholischn Kultus", die als Gesetz vom 18. Germi- nal -es Jahres X aufgeführt werden, hat der Papst nie gebilligt. Noch am 26. Juli 1904 hat Merry 'del Dal erklärt, die Kurie habe nie aufgehört, gegen diese Zu- sähe zu protestieren. Nie hat die Kurie dem zehnten Grundartikel bcigestimmt, der über widerspenstige Kle riker die Gchaltssperre verhängt, nie «dem sechsten, der Rekurs an den Staatsrat verfügt, falls „Mißbräuche" sich ereignet haben; der päpstlich Syllabus leugnet selbst die Existenz des Terminus „Mißbrauch". Im Jahre 1817 hat Pius VII. außerdem mit Ludwig XVIII. einen neuen Vertrag stipuliert, der «das Konkordat begrub, und dem die Wirkung einer Bulle verliehen wurde. Eine Wucht von Eiden sargte die Konvention ein, erniedrigte sie im Namen des Papstes „und seiner Nachfolger" zur Konvention der Lüge, die hinstarb, so wie die Nestaura- tion das Cäsarentum überwältigte, und wenn sie den- noch fortgeschleppt worden ist, sie war eine Fiktion, gegen die stets der Zorn des geistig regen Klerus sich richtete. Der Abb6 Lacordaire schrieb im Jahre 1830 im „Avenir": „Wir werden von unseren Feinden bezahlt, die uns für Heuchler und Narren halten", und er flehte um Loslösung von denen, 'die das Allerheiligste geschän det hätten, die Tote vor Gottes Angesicht verwesen ließen und auf allen Bühnen den Rock des Priesters zum Kleid der Schande machten. Mit Lacordaire hat Lamennais, der ein ganz religiöses Kirclsentum wollte, die Wiedergeburt des Glaubens jenseits des Staates be gehrt; aber die laschen Kompromisse nach dem Geiste jenes Bischofs Dupanloup, der Talleyrand auf dem Totenbett verhörte und lächelnd von Jules Simon sagte: „Er wird vor mir Kardinal sein", war bis zur Entstehung der dritten Republik im Schwange. Seit 1871 ist dieses vertragslose, rechtlose Don-Un gefähr, dessen Dauer nur bezeugte, wie viel steter die Kurie war, wie unfähig der französische Staat in seiner wechselnden Gestalt, von Pausen der Spannung unter- brachen worden. Auf Thiers, dar sich, wie es in den Arabesken des Dichters Anatole France heißt, in den Falten von Dupanloups Bischofsmantel versteckte, folgte Gambetta, der den Antiklevikalismus erfunden hat, aber -och zu Hc^cinthe Loyson meinte, die Separation': )äre das Ende der Welt: „Ter Klerus würde alle Mächte der Reaktion um sich sammeln und wäre stärker als wir." Im Jahre 1880 hat Jules Ferry, der Bankrotteur von Tonkin, den ersten Kulturkampf gegen einige Kongrega- tioiren unternommen und durch den Polizeipräfekten Andrieux die Jesuiten aus der Rue de Sdvres ver- wissen. Ter zweite Kulturkämpfer war Herr Gablet; seine Ministeraktion gehört in das Jahr 1885. Jedoch die Enzyklika Leos XIII. vom Jahre 1893, die Enzyklika, welche „alle ehrlichen Franzosen" zur Achtung der Re publik aufforderte, bereitete ein verändertes Terrain. Seit jener Zeit besitzt Frankreich den legitimen politi schen Klerikalismus, den Gambettas Schüler, der aus dem Badischen gebürtige Kultusminister Spuller, der Erfinder des „esprit vouvenu" in seinem dicken Phlegma für ungefährlich erachtete, bis dann, nach lan gem Waffenstillstand, die politische Konstellation der Dreyfusagitation die neue Spielart, 'die Spielart Com bes, gezeitigt hat. Erst diese Spielart hat verschuldet, daß in einem gegen die 9-eligion gleichgültigen Lande, das nach Taine 4 Millionen praktizierende Katholiken unter 'damals 38 Millionen Franzosen zählt, die reli giöse Leidenschaft wieder aufgeflackert ist. Langsam, von Artikel zu Artikel, wäre ohne den Combismus das ver staubte Konkordat den staatswirtschaftlichen Bedingungen gewichen. Die Kurie hätte sich gegenüber nüchternen Staatsmännern der Zerstörung dessen, was sie einst ver fluchte, nicht widersetzt. Heute wird gefeilscht und be trogen; und daß Bienvenu-Martin dem Staatssekretär Merry del Val überlegen wäre, niemand kann sich in den Ramschläden des Palais Bourbon dafür verbürgen. ZV. Mental in Morlrau. Grofzfttrst Sergiu» getötet. Um 3 Ubr 10 Minuten des gestrigen NackmittagS ist laut einem Petersburger Telegramm aus Moskau gemeldet worden: Im Kreml, wo sich gegenwärtig Großfürst SergiuS befindet, bat eine Explosion stattgefunden. Die Bevölkerung ist in tiefer Erregung. Es gebt das Gerückt, Großfürst Sergiu« soll getötet sein, e- bat aber bisher keine Bestätigung gefunden. ES sind hierauf die folgenden Depeschen eingelaufen, die eine andere Version bringen, doch im Bericht über da furchtbare Resultat dem ersten Telegramm zustimmen. Sie lauten: * Petersburg, 17. Februar (3 Uhr 35 Min. nachmittags.) Weitere Gerüchte von Moskau besagen, eine Bombe sei unter den Wagen des Großfürsten Lergius geworfen. Ter Grost- fürft, der Wagen und die Pferde seien in Stücke zerrissen. * Petersburg, 17. Februar (4 Uhr 5 Min. nachm.). AuS Moskau wird telephoniert: Auf der Fahrt des Groß fürsten Sergiu« von dem historischen Museum nach dem Kreml wurden der Wagen beim Justizpalast von zwei Per sonen in einer Droschke erwartet. Als der Großfürst den Justizpalast passierte, folgte der Wagen und eine Bombe wurde unter den Wagen geworfen. Es erfolgte eine starke Explosion. Der Wagen ist zertrümmert, der -Kotzfürst getütet. Die Mörder sind verhaftet, einer ist schwer ver wundet; ferner wurden mehrere Studenten verhaftet. * Petersburg, 17. Februar, nachmittags 5»/, Uhr. (Aus führlichere Meldung.) Heute nachmittag 3 Uhr passirte Großfürst SergiuS in Moskau zu Wagen vom Niko- lauS-Palaste kommend den Senatsplatz. Hinter der Equipage fuhren zwei Droschken. Als die Kutsche sich dem Juslizpaiast näherte, kam ihr ein Schlitten mit zwei Männern in Zivilkleidung entgegen, der eine trug einen Arbeiteranzug. Am Justizpalast ließ der Schlitten dieEquipage vorbeifahren. In diesem Augenblick wurde eine Bombe unter die Kutsche geschleudert. Die Explossion war so heftig, daß alle Fensterscheiben im Justizpalast zersplitterten. Der Wagen wurde vollständig zertrümmert; die Pferde liefen davon. Die Volksmenge auf dem Platze sammelte die Holz- trümmerstücke und Stoffreste auf. Der Großfürst war sofort tot; der Kopf und die Beine waren vom Rumpfe getrennt und die Kleider zerrissen. Der Kutscher, der schwere Brandwunden erhalten hatte, starb auf dem Wege zum Krankenhaus. Auf dem Platze liegen die Räder der Equipage. Die Explosion wurde weithin ver nommen. Die Mörder sind verhaftet; der eine sagte: „Ich mache mir nichts daraus, meine Arbeit ist getan." Der Name des Mörders ist unbekannt. Nach einigen Augenblicken begann die Menge sich an dem Tatorte anzusammeln. Das Tor de« Kreml wurve geschlossen. Auf dem roten Platze veranstaltete die Menge eine Kundgebung gegen die Studenten, welche ge prügelt wurden und zwar in solcher Weise, daß ein beim Palais de Justice angestellter Beamter dazwischentrat und veranlaßte, daß mehrere Personen verhaftet wurden. ES wurden dann Proklamationen unter die Menge geworfen. Als die Großfürstin SergiuS die Nachricht von dem Ereignisse erfuhr, begab sie sich sofort an den Tatort. Die Ueberreste des Großfürsten SergiuS wurden aufgelesen und nach dem NikolauS-PalaiS geschafft. Nach einer Hirschdepesche auS Moskau fand das Attentat genau um 3 Uhr nachmittags statt, und zwar in der Nähe des Nikolski-ToreS. Durch die Explosion wurden mehrere Personen verwundet. Die Polizei sperrte sofort die Umgebung des Tatortes ab und nahm zahlreiche Verhaftungen unter den Umstehenden vor. Man hofft, daß sich unter ihnen der Urheber des Attentats befindet. Die Leiche des Großfürsten wurde nach dem Palaste gebracht, sie bildet nur noch eine unkenntliche Masse. Der Kutscher des Großfürsten wurde vom Bock geschleudert und erlitt tödliche Ver letzungen. Die beiden verletzten Pferde mußten getötet werden. Generalgouverneur Trepow (der sich in Peters burg befindet? D. Red.) ließ sofort Haussuchungen bei Nihilisten und revolutionäre» Studenten vornehmen. Groß- ftirst Sergius bat seit einiger Zeit häufig Drohbriefe er halten, man riet ihm, nur in Begleitung seiner Gattin, die in Moskau sehr beliebt ist, auszufahren. Man glaubt, daß es sich um ein Komplott handelt, das von Studenten ins Werk gesetzt worden ist. Man erwartet deshalb allge mein strenge Maßnahmen gegen die Studenten. In einem Drohbriefe wurde dem Großfürsten SergiuS vor geworfen, daß er einen verhängnisvollen Einfluß auf den Zaren ausübe. Auch verdachte man es ihm, daß er Trepow protegierte. Sergius Alexandrowitsch, Großfürst von Rußland, war am ll.Mai 1857 als vierter Sohn Alexanders II. in ZarSkoje Selo geboren. Er war bis 1891 Kommandeur des Garderegiments Preobraschenskij; im Jahre 1891 er nannte ihn sein Bruder, Alexander III., zum Generalgouver neur von Moskau. Er war seit 15. Juni 1884 in kinder loser Ehe mit der Prinzessin Elisabeth von Hessen, die 1891 zur griechisch-orthodoxen Kirche übertrat, vermählt. Vor kurzem wurde er durch Nikolaus II. seines Amtes enthoben. Sergius war daS Haupt der antirevolutionären Großfürstenpartei und batte den Haß des Moskauer Volkes durch die blutige Unterdrückung der Moskauer Studentendemonstrationen noch vor wenigen Monaten gegen sich heraufbeschworen. Er hat ein grausiges Ende gefunden, das nicht nur genau an den Tod Plehswes erinnert, sondern vor allem an den Tod, den der Vater des jetzt Gemordeten gefunden bat. Am 13. (1.) März 1881 ist Alexander II. auf der Fahrt von der Michaelmanege zum Winlerpalais, am Katharinenkanal, durch Dynamit bomben so verwundet worden, daß er anderthalb Stunden später im Winterpalais starb; die zweite Explosion hatte den Unterkörper des Zaren, der aus seinen Wagen au»- gestiegen war, zerschmettert. Vie Flirk in sturriana. Umbildung -es Ministerkomitee« z« «inse verantwortlichen Körperschaft. Am Tage deS Moskauer Verbrechen«, dem der Onkel Nikolaus II. zum Opfer gefallen ist, meldeten gestern die Blätter aus ZarSkoje Selo, daß am Donnerstag dort die Semsky-Sobor-Frage beraten worden ist. Hierzu verlautet zuverlässig, daß in der Ministerberatung unter dem Vorsitz des Kaisers, an der auch der Minister Witte und Murawjew teilnahmen, die Frage der Umwandlung de« sich nur ab und zu versammelten Ministerkomitees in eine ständige Institution beraten wurde, wo aber nicht der Grund gelegt werden soll für ein verantwortliche« Mini sterium. Den Vorsitz wird entweder der Kaiser oder der Ministerpräsident führen. In Eo-z. Die Petersburger Telegraphen-Agentur meldet: Während der drei Wochen, di« der Ausstand Lauert, sind bei den
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