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Nummer 142 — 25. Jahrgang «mal wäch. Bezugspreis für Juni S — einschl. «eslellgels. «nzetgenpreise: Die Igelp. Petitzeile 30^, Stellengesuche 20 L Die Petitreklamezeile. 89 Milli meter breit. 1 Offertengebühren für Selbstabholer SN L bei Uedersendung durch die Post antzerdein Pc-swiulcklag. Einzel-Nr 10 L. Sonntags-Nr 18 Geschäftlicher Teil: I. Sillebrand in Dresden. SöcklMe Dtensiaq, 29. Juni 1929 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzelgenaufträgeti u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unoerlangt «ingesandte u. m. Rückporto nickt versehene Manuskripte werS nicht aukbewohrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag»- Hauplschrislleit.: Dr. Joseph Albert. Dresoem lloi'li«»rsn UNki «orbiM»! vresäen UlngetrsUe 44 MZMn vom krtiisiu volrsreliuna 2!si»kksn!is«> KokI l) rescien Ztiuvvstrske 7 o Neste l)usiitätev blieörixste kreise vxe>»at»ssi«tie, Lrun und Verlag! Saronia- Buchdruckere- «LmdH.. Dresde»-A. I, Polierslrake 17. .iernrio 21VIL. PolNlbecktonlo DrrSde» I17S7 >i»--onio: VaNrnar si grivl-de. Dresse». Für christliche Politik und Kultur Uiedaflio» ver Snchi«,4,eu Voiksjieiiunn Dresden»SUMadl I. Polierslrafte >7 gernrn> 20711 ims 21012. Qurfük^uns stter krlen von ^övotti'snsporlen L-sgerun« Lljusrö Keuoltk L Lo., 6.m.b.ll., vresclen psinspreckee 2W56 unä 238t l krsldsrgvr LlesNs 3V 3S unci vsnlrstrsüs 3 Loeciition nsck, sUen krelleUSn U/oknunsrworcSH Das neue Knappschaflsgefetz Am 22. Juni wurde die so heiß umstrittene Novelle zum Reichs Knappschaftsgesetz in der Endab- stimmung mit 320 gegen 88 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. Damit ist das K n a p p s ch a f t s r e ch t in vielen wichtigen Punkten ein anderes ge worden. Die Familienhilfe — freie ärztliche Behand lung. Krankenhausbehandlung der Familienangehörigen der Versicherten sowie SO Prozent Arzneikostenerstattung — ist zu einer Pflichtleistung der Knappschaft ge worden. Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß die Sachleistungen auch Auge st eilten und ihren Familien gewährt werden können. Der Grundlohn zur Bemessung des Krankengeldes wird nach dem tatsächlich erzielten Lohn berechnet. Zum Krankengeld — 50 Prozent des Grundlohnes — ist für Familienangehörige ein Zuschlag von je 10 Prozent des Krankengeldes, bis zur Höchstgrenze von 75 Prozent des Grundlohnes zu zahlen. Zum Hausgeld tritt derselbe Zuschlag. Hier ist jedoch die Höchstgrenze des Regelkrankengeldes 50 Prozent des Grundlohnes. Für Kinder werden die Zuschläge bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres gemährt. Darüber hinaus, wenn das Kind noch die Schule besucht oder sich in der Berufsaus bildung befindet, oder wenn das Kind sich wegen geisti ger oder körperlicher Gebrechen nicht selbst unterhalten kann. Der Begriff: „Kind" ist in weitestem Sinne ge faßt. Unter ihn fallen neben ehelichen und unehelichen Kindern auch an Kindesstatt angenommene, sowie Stief kinder und Enkel, solange sie von den Versicherten „über wiegend" unterhalten werden. In der Pensionskasse sind sieben Lohnklassen eingeführt worden. Nach dem Endbetrage der Lohnklasse ist in Zukunft die Pension zu berechnen. Die laufenden Pensionen werden nach dem im Bezirksknappschaftsver- ein am.1. Juli gezahlten Durchschnittslohn der aktiven Mitglieder umgerechnet. Die Pension besteht aus einem Grundbetrage und Steigerungssätzen für jeden Beitrag. Die Steigerungssätze sind so bemessen, daß bei 25 Dienst jahren etwa 40 v. H. des Endbetrages der Lohnklasse als Pension gewährt wird. Für die über 25 Jahre hinausgehende Dienstzeit wird v. H. des Endbetrages als Steigerungsbetrag gewährt. Zur Pension wird für jedes Kind unter 15 Jahren ein Kinderzuschlag von 7,50 Mark monatlich ge währt. Für Kinder über 15 Jahren nur, wenn die vor hin genannten Voraussetzungen vorliegen (Ausbildung, Lehrverhältnis, geistige Beschränkung usw.j. Die Witwenpension beträgt in Zukunft 60 o. H., das Waisengeld 20 v. H. der erdienten In validenpension. Waisengeld wird über das 15. Lebens jahr hinaus nur in den vorhin — bei der Krankenver sicherung — genannten Fällen gewährt (Lehrverhältnis usw.). Für das Zusammentreffen von Leistungen sind neue Aufrechnungsbestimmungen eingefügt wor den. Ueberschneidungen des Lohnes sind in Zukunft nicht möglich. Bei Invaliden ruht die Knapp schaftspension. soweit die Gesamtbezüge den Endbetrag der Lohnklasse bei Witwen, soweit sie 60. und bei Wai sen, soweit sie 20 v. H. dieses Betrages übersteigen. Fal len Witwen- und Waisenbezüge zusammen. — Witwe mit mehreren Kindern — so ruhen die Knappschaftsbezüge, soweit sie 80 v. H. des vorgenannten Endbetrages über steigen. Beim Zusammentreffen von Knappschaftsbeziigen mit Bezügen aus der Reichsinvalidenversicherung ruht der knappschaftliche Grundbetrag. Beim Zusammentref fen mit Unfallrente ruht der Grundbetrag ebenfalls ganz oder zum Teil, je nach der Höhe der Unfallrente. Wird ein reichsgesetzlicher Kinderzuschlag bezahlt, so ruht auch der knappschaftliche Kinderzuschlag. Die bisherigen Bestimmungen über die Gewährung von Alterspension bleiben bestehen. Die Alters pension ermäßigt sich jedoch um 25 v. H., wenn und so lange der Empfänger noch regelmäßige Lohnarbeit in Betrieben verrichtet. Eine Erweiterung der Alterspen sion durch Sonderbestimmungen der Bezirksknappschaft für den Steinkohlenbergbau bezw. durch Perordnung des Reichsarbeitsministers ist ermöglicht. Eingeführt wurde eine Gemeinlast. Die In validenpension gehört mit 80 v. H., die Witwenpension und das Waisengeld ganz zur Gemeinlast. 20 v. H. der Invalidenpension, die Ausgaben für die Alterspension, Ausgaben für freie Kur und Arznei der Invaliden. Ko- verlin, 28. Juni. Im Hotel Adlon beging am Sonnabend abend der Verein der ausländischen Presse zu Berlin sein 20jäh- riges Bestehen durch ein Festessen, an dem zahlrciä)c Mit glieder der Reichsregierung, darunter Dr. Stresemann, so wie der preußischen Regierung, des Diplomatischen Korps, führende Abgeordnete der politischen Parteien, namhafte Per sönlichkeiten aus der Kunst- und Theatcrwelt sowie ans der Presse teilnahmen. Im Verlause des Abends hielten Mons. Pacelli und Dr. Stresemann zwei bedeutende Reden, die sich aus die zukünftige Gestaltung Europas bezogen. Der Doyen des Diplomatischen Korps Monsianors Pacetti führte u. a. aus, daß aus dem furchtbaren Erlebnis des Welt krieges eine starke alle Völker erfassende Friedonssehnsucht her- vorgewachsen sei, der heiße Wunsch, eine Wiederkehr dessen zu verhindern, was die Menschheit in den grauenvollen Jahren des Weltkrieges erdulden mußte. Ans dieser Sehnsucht „ach Frieden müsse ein Wille 711m leiedcn werden und aus deck Willen zum Frieden müsse sich ein Anderes herausbilden: Taten und Opfer für de» Frieden. Diesen Willen in den Herzen der Völker zu fördern und zu festigen, sei eine erzieherische Aufgabe gewal tigen Ausmaßes, die ohne die aufrichtige und entsagungsfreu- digcn Mitarbeiter der ,.G r 0 ß m a ch t p r e s s e" unlösbar bleiben würde. Darauf sprach Neichsminisler S?resemann Jeder, der die Nachwirkungen des großen Krieges in Deutsch land kennengelernt hat, wird verstehen, daß ein Volk, das so unendlich viel in sich geistig verarbeiten mußte, den Weg inter nationaler Annäherung unter viel größeren Schwierigkeiten zu gehen vermochte als andere Nationen. Der Weg der deutschem Außenpolitik sei unendlich schiver und dornenvoll und wird es weiter bleiben. Ich habe einmal — es sind wohl beinahe zwei Jahre her —, in der Hoffnung, daß das internationale Verständnis einen andern Weg für die Weltpolitik finden wird, als den der Be drohung und Geivalt. gesprochen von einem Silberblick am Horizonte. Ich habe nie einen solchen Kiibcl von ironischen Be trachtungen über mich ergehen lassen müssen, als damals nach dieser meiner Rede. Die Wolken mögen oft diesen beginnenden Sonnenstrahl verdunkeln, aber ich bekenne mich auch heute noch zu dem vorausschauendcn Optimismus, der in jenen Worten lag und ich bekenne mich als Optimist aus Uebcrzeugung, weil ich sten für freiwillige Leistungen und die Nerwaltungskosten gehören zur Sonder last. Geändert wurde auch das Mitbestimmungsrecht der Versicherten. Sie ver fügen in Zukunft über drei Fünftel der Stim men in den Hauptversammlungen und den Vorständen. Damit dürften Vorgänge, wie sie sich in den letzten Jah ren leider oft zugetragen haben, unmöglich gemacht wor den sein. Der Kampf um diese Aenderungen war ein harter und zäher. Er wurde nicht nur im Reichstage, son dern besonders scharf in derPresse ausgetragen. Von den Arbeitgebern wurde besonders — und bemerkens werterweise nur er allein — der Zentrnmsabgeordnete und Bergarbeiter Im dusch, der Führer der Zen trumsfraktion in dieser Frage im Sozialpolitischen Ausschuß hart angegriffen. Um so erfreulicher ist der Erfolg. Das Zentrum darf sich rühmen, diesen Er folg h e r b e i g e f ü h r t zu haben. Seine Fraktions mitglieder, einschließlich des früher so oft angegriffenen Abgeordneten Klöckber, haben geschlossen die Belange der Bergarbeiter und ihrer Familien vertreten und mit Erfolg wahren können. Gerade die Vorgänge beim Zu standekommen des Neichsknappschnftsgesetzes beweisen wieder aufs neue, wie notwendig eine starke, in sich leistungsfähige Zentrumsfraktion ist. Mit Parteineubildungen und kleinen Partei gruppen, die nur von billiger Kritik leben und nach der sachlichen Seite hin nichts leisten, ist unserem Volke nicht gedient. Merkwürdig war auch das Verhalten der Sozial demokraten und Kommunisten. Die letzteren insbesondere haben keinen einzigen brauchbaren Antrag während der langen Beratungen gestellt; sie haben stets die Arbeit des Zentrums heruntergeris sen, von einem „Ausnahmegesetz gegen die Bergarbeiter" gesprochen, um dann zum Schluß in namentlicher Abstim mung dem Gesetz zuzustimmen. Damit haben sich die Herren Kommunisten selbst gerichtet! Das Gesetz ist glaube, baß, wer da nicht an den Fortschritt der Dinge glaubt, auch nicht mit der Kraft der Ucbcrzeugnng für das eintretc« kann, was nötig ist. um die Widerstande zu überwinden, di« vorher unüberwindbar erscheinen. Das ist — wenn ich von einem gewissen weiteren Fortschreitcn, von Erfolgen spreche. — die Voraussetzung, daß man an ihre Möglichkeit überhaupt glaubt. Ich werde nicht die Hoffnung daraus verlieren, daß di« großen bewegenden Gedanken, die mit dem Namen Locarn.o verbunden sind, sich schließlich durchsetzen allen Widerständen zum Trotz. Ich Hobe auch die Ucberzcugung. daß die Männer, die damals an der Spitze ihrer Völker die Politik von Locarno gutgehcißen haben, es auch noch heute tun und daß das Werk von Locarno die Basis sein muß für die iveitere Außenpolitik und alle kommenden Verträge. Daß die Politik von Locarno !m eigenen Lande starke Widerstände erfahren würde, war mir klar, Unwillkürlich habe ich. als wir von Locarno sortsuhren — und bei Gens war es ähnlich — an die Worte der Schillerschen Vers« mich erinnert „Aile nicht, die wiederkehren, werden sich der Heimkehr freuu. an den heimische» Altären kann der Mord be reitet sein". Der Kamps im eigenen Lande ist weiß Gott schwer und schwerer als der Kamps mit den fremden Staatsmännern, aber ich habe die eine Ucberzcugung und die berechtigt mich m dem Vertrauen, daß der Fortschritt der Menschheit nur basiert sein kann auf der Idee des Friedens, daß nur sie die Herzen der Menschheit erobern kann und diese Ueberzeugung habe ich auf Grund meiner persönlichen Bekanntschaft und meiner Kenntnis der europäischen Politik. Wenn ich versuche, dos, was heute nach Gestaltung mit einander ringt, in eine Einheit zusammen,zufassen, dann muß ich dgch das eine sagen, die Idee, die sich heute der Menschheit empfiehlt, ist. daß das Gesamtresume des Weltkrieges der großen äußeren Veränderungen der ganzen Verhältnisse letzten Endes! ein Elend und ein Unglück für alle gewesen ist. di« am Weltkriege teilgenommen haben. Ich sehe nicht mehr Sieger und Besiegte sondern nur noch ringende Völker, die sich bemühen, aus dem Chaos, das sich vor Ihnen allen ausgelan hat. wieder in di« Vernunft zurilckzukommen. Wenn die Vergangenlieit als Tatsache für sich besteht, so können wir mindestens das Eine tun: Wir können aus der Ver gangenheit für die Gegenwart und die Zukunft lernen. Die Zu kunft kann nur gegründet werden auf dem alten kulturell hoch, stehenden Europa, das der Welt unendlich viel gegeben hat. auf dem Gedanken des Friedens, der Solidarität und der Zusam menarbeit der Völker. eben doch so gut, daß sie es nicht wagen konnten, dagegen zu stimmen. Festgestellt sei noch, daß trotz eines unter den Re gierungsparteien Zustandegekommenen Kompromis ses folgende Abgeordnete der Deutschen Volks» Partei gegen das Gesetz gestimmt haben: Adams, Albrccht, Brllninghaus, Craemer, Dauch. Engberding, Findeisen, Dr. Gildemeister, Dr. Heinze. Dr. Hoff, Dr. Hugo von Kardorff. Keinath, Kempes, Morath. Dr. Pfef fer, von Rheinbaben, Dr. Nießer, Dr. Schnee, Dr. Sorg» und Westermann. Von der Wirtschaftlichen Bereinigung stimmten nur zwei Abgeordnete mit „Ja", alle anderen mit „Nein". Bei den Deutschnationalen stimmten 20 Abgeordnete mit Nein, einige mit „Enhaltung", die anderen mit Ja. Die Zentrumsfraktion stimmte geschlossen für das neue Knappschaftsrecht, das von einem Abge ordneten als „Zentrums ge setz" bezeichnet worden ist. Das ist die richtige Bezeichnung, wir akzeptieren sie! Verheerendes Erdbeben Berlin, 28. Juni (DrahibcrichN. Wie der „Montag" aus Athen meldet, ist der größte Teil der Insel» im Aegäischcn »»d östlichem Mittelländische» Meer von einem Erdbeben heimgcsncht worden, da« be sonders ans den Inseln Kreta nnd Rhodos beträcht lichen Schaden angcrichtet hat. Zahlreiche Dörfer wurden verwüstet. Am heftigsten waren die Erd stöße im südlichen Teil der Insel Rhodos, wo n. a. der Lenchtturm z n sa m me n st « rz t« und den Wäch ter unter sich begrub. Auch auf den Sporadcn sind Erdstöße verspürt worden. Nach einer Meldung aus Kairo ist ans dcm Heluan-Obscrvatorinni infolge der Heftig keit der Stöße der Seismograph außer Funktion getreten. In der Stadt selbst und in Port-Said waren die Erschütte rungen noch so stark, daß die Bevölkerung im Dunkel der Nacht vcrst^-t aus die Straßen klüchtete.