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Nr. SS SS. Jahrg. sse»«fprech«», 2,20« - «ofchtlftofte«- ,»«,» Vofttcheckidontor Pr—»e« «-.L47V7 SiiÄlWe Mittwoch, ». März 192t «edaptto» ««» «ofch«ft»fte>er De-ode»-« ,«. »ol»«i»ftoabe 4« DolOzeuuna vr,«,»pr«t», «terteklShrit« fte» Hau» ««»««»» t mit illusleierter Be«-,» I» V« 41,« II.«» s» emsLUetzllch Postdesteilgeld Lle «»chftlche «olkSjeiiun, erscheint an allen Aochenta««» nachm. - «prechsnmde der Bedafiisni 11 l>t; IS Uhr dorm. «u,«nna-m. von «esch-st»-^"«-' »'« »» »he. von F°mi,t°„a.««lg... bi, II U»r »E^-. ^ tttr »«. ,etit.Spalt»e>le 1.4«^. Im Rellameteilssamilienanzeigen ».»<» ^ - S«c '"denti'ch »«ch Serniprecher ausgegeben« Anzeigen Wimen wir die verautworliichkel» für die tUtchtlgteit des rez«e»Mcht «wwilU»«» Spannkraft ^ Noch in der Nacht nach dem Abbruch der Verhandlun gen in London sind die Feinde in Düsseldorf, Duis» bürg und Nuhrort eingezoge». Damit sind selbst die Be- stunmungen de» Friedensdiktat» von Versailles durchbrochen. Die Gewalttaten der Feinde sind durch »reue vermehrt und wir stehen am Beginn einer neuen LeidenSzeit. Es braucht in diesen Lagen dazu an dieser Stelle nicht allzuviel mehr gesagt werden, denn wir waren ja darauf vorbereitet und haben unseren Stand punkt in dem Artikel .Ultimatum" am letzten Freitag bereit» dargelegt. Es ist von deutscher Seite alles getan worden, wa» getan werden konnte, es sind alle Verhandlungsmüglichketten erschöpft worden. Ja. es scheint, datz RetchSminister Dr. Simon« in London sogar noch etwa» über die Vollmachten hinaus ge gangen ist, die ihm von Berlin aus mitgegeben worden sind. Wenn wir das anführen, so soll eö nicht deshalb geschehen, um etwa darüber mit Herrn Dr. Simon» heute zu rechten. Er ist sicher von dem Standpunkte ausgegangen, daß alles getan wer de» mutzt«, um die angekündigte» Gewalttaten der Feinde zu verhindern, datz alles geschehen müsse, wa» überhaupt noch irgendwie auf Erfüllung rechnen konnte. Wir führen da» des halb an, nm dadurch zu zeigen, wie grotz der Uebermut unserer Fcind« ist. wobei natürlich Frankreich als die treibende Kraft bei dem ganzen Vorgehen angesehen werden mutz. ES gab bei un» noch immer erheblich viel Leute, die son derbarerweise damit rechneten, datz die Feinde sich auf eine Ver ständigung einlassen würden. Wer einmal sich Mutze genom men hat. in den letzten beiden Jahren den Wortlaut des Frie- deusdiktate» von Versailles zu studiere», dessen Hoffnungen waren von vornherein in dieser Hinsicht sehr klein gewesen. Mit vollem Rechte hat der Reichstagsabgeordnete Dr. Hoefle auf dein sächsischen Zentrumsparteitage am letzten Sonniag eben falls sein Bedauern darüber ausgesprochen, datz so weite Kreise des deutschen Volkes den Ernst des FriedensvectrageS von Ver sailles gar nicht erfatzt haben. Auch in diesen Tagen gibt es bei uns noch sehr viele Kreise, die grotze Hoffnungen auf den Pcäsideittenwechsel in Amerika, der sich während der Lon doner Verhandlungen vollzogen hat, setzen. Wir mochten auch hier heute nochmals hinsichtlich der Stellung Amerikas vor jeg lichem Optimismus entschieden warnen. Schon hören wir» datz der neue amerikanische Präsident mit Rücksicht aus das Vor gehen seiner Verbündeten mit dem Abschluß des Friedens mit Deutschland noch warten will. ES ist allerdings eine andere Frage, ob die realen Tatsachen Amerika nicht einfach zwingen werden, mit der Zeit ein« andere Stellung einzunehmen. Aber «S wäre verfehlt, dies« Möglichkeit für Deutschland als gegebe nen Faktor in die Rechnung zu setzen. Wir müssen abwarten, «ber wir dürfen uns nicht irgendwelchen Hoffnungen hingeben. Wir stehen heute vor der Tatsache, datz die Feinde weitere Hauptorte Deutschland», das wehrlos ist, besetzen, wir stehen heute vor der Tatsache, datz in den nächsten Tagen da» neue Zollregime in Kraft treten wird. Nur mit diesen Tatsachen kön nen und dürft» wir rechnen. Und so bitter ernst die Situation setzt auch ist. so schwer sich uns diese Tatsachen auch auf» Herz legen, in einer Hinsicht kann eS wenigstens ein Aufatmen geben: Wir haben nun wenigstens Klarheit. Die Zeit der Unklarheit, die Zeit der ttiigewitzheii ist vorbei. Wir wissen nicht, was die nächste Zukunft uns bringen wird. Aber wir wieder holen, wa» wir neulich schon betont haben: wir wollen nicht in stumpfe Resignation fallen, sondern wir wollen die Hoffnung am Grabe Deutschlands aufpflanzen. Es ist das da» Einzige, wa» uns in diesem Augenblicke zu tun übrig bleibt. Wir kön nen diese Hoffnung aufpflanzen, wenn wir einig sind und einig werden. Ein einig Volk von Brüder», -in einig Volk von M Millionen Menschen kann und wird nicht auf die Dauer unterjocht werden. Diese Einigkeit ist allerdings die Voraus- sehnng für den Funken von Hoffnung an di» Zukunft, der noch in unseren Herzen vorhanden sein mutz. Bis setzt war in den letzten Wochen sehr viel von Einigkeit und Einheitsfront die Rede, an der Durchführung aber hat es noch sehr gemangelt. Immerhin aber haben sich doch schon erfreulich« Zeichen in dieser Richtung bemerkbar gemacht. Möge nun auch dt« Sin- heitSfront zur Tat werden. i Am gestrigen Dienstag hat tu» sächsische» Landtag in einer durchaus würdigen Ansprache der «nehrhrit»sozialdemokratisch« Lundtagspräsident Frätzdorf di« Lag« gekennzeichnet und erklärt, datz wir da» Schicksal gemeinsam trage» müssen, datz wir einig sein müssen. Und ganz richtig hat er hervorgehobea. datz di« Besitzlosen an solcher Einigkeit das größte Interesse haben müs sen. Er hat damit den Beifall des Landtage» gefunden. Nur die Gruppe der neun Konimunisten hat da» Trauerspiel ge boten, sich davon auözuschlietzen. Es war ein Skandal, wie diese Herren sich aufgeführt haben, und man kann nichts weiter tun. als wie den traurigen Mut dieser Leute bewundern. Wir zweifeln nicht daran, daß sie keine Gegenliebe im Volke damit finden werden. Im Reichstage hat der Reichskanzler Fehren- bach in seiner Rede gestern betont, es gelte jetzt für das deutsche Volk die Höhe seiner Spannkraft, die Ausdehnung seiner Gediild und seiner treuen Ausdauer zu beweise». Unsere Blicke richten sich naturgemäß auf unsere Mitbürger in den Ge bieten. di« jetzt vom Feinde heimgesucht werden. Mit großer Genugtuung haben wir in den letzten Tagen vernommen, daß gerade die Vertreter der besetzten Gebiete und der neuerdings zu besetzenden Gebiete eS gewesen sind, welche die Regierung des Reiches ausgefordert haben, fest zu bleiben. Wir zweifeln nicht, datz angesichts dessen da» ganze deutsche Volk die Höhe seiner Spannkraft beweisen wird. Wenn wir diese Spannkraft bewahren, dann wird auch dieser Leidenskelch an uns vorüber gehen. s,at. Appell an Amerika? In politischen und parlamentarischen wie wirtschaftlichen Kreisen der Neichshauptstadi herrscht die gleiche Ruhe. Festig keit und Entschlossenheit, wie sie im ganzen Lande gegenüber dem unerhörten Geschehen, das sich augenblicklich vollzieht, wahrzunehmen ist. Das deutsche Volk, das kann man heilte schon sagen, hat eine fürchterliche Feuerprobe glänzend bestan den. Wollte Gott, datz in diese einheitliche Stimmung iiickNS von alledem, was wir an schweren Prüfungen unzweifelhaft in nächster Zeit zu erwarte» haben, eine Bresche schlage! Was jetzt not tut. ist nüchterne, klare Erkenntnis der Lage. Wir müssen uns frei machen von allen Illusionen auf fremde, neutrale Hilfe. Wir müsse» uns Rechenschaft darüber geben, das niemand in der ganzen Welt uns hilft, wenn wir cs nicht selber tun! Vor allem kann nicht dringend genug vor übertrie bene» Erwartungen hinsichtlich Amerikas gewarnt werden. So konnte mau dieser Tage oftinats hören, datz von Amerika etwas geschehen werde, um da» Inkrafttreten der Sanktionen zu verhindern. Bei alle dem war der Wunsch Vater des Gedan kens, Datz Amerika nnier den gegenwärtigen Verhältnissen gar nicht daran denkt, sich in die europäische Wirrnis einzuinengeil, hat der Präsident Harding in seiner Antritt?,botschaft unzwei deutig ausgesprochen. Denjenigen, die trotz alledem noch hofften, daß Amerika durch die Wiederherstellung des FriedenSzustandes »nt Deutschland unmittelbar in die Dinge eingreift, wird die jetzige Erklärung HardingS eine schwere Enttäuschung bereitet haben, wonach dieser Friedenszustand vorläufig noch nicht w>e» derhergestellt werden soll. Einmal will Amerika den Anschein vermeiden, als beständen Zerwürfnisse mit den Allüerte» niid zum zweiten will es vermeiden, datz Deutschland sich mit einem Appell an Amerika wende! Von einem solchen nnmitlelbnrcn Hilferuf an die Ver einigte» Staaten und seinen neuen Präsidenten haben sich manche Kreise unseres Volkes viel versprochen. Man verband damit den Gedanken, datz Amerika gewissermaßen als Schieds richter in den zwischen Deutschland und der Entente obwal tenden Streitigkeiten fungieren könne. Diese Hoffnungen müssen begraben werden. Nicht allein, datz da» amerikanische Interesse in allen diesen Dingen nicht engagiert ist, so datz die Amerika ner keinen Anreiz sehe», sich für Deutschland zu verwende», sie wollen auch, was Harding jetzt offen ausgesprochen hat. nicht» tun, was das Verhältnis zu den Alliierten stören könne. Di« Haltung der Vereinigten Staaten entspringt also einer nüchter nen, nm nicht zu sagen rein egoistischen Taktik. Da» schließt freilich nicht aus, datz eine Lage entstehen könnte, di« Amerika veranlassen könnte und müßt«, uninittelbar aktiv gegenüber der Lage in Europa sich zn betätigen. Aber diese mögliche Hilfe, sei «» nun militärischer oder materieller Art, als einen politischen Faktor in unser« Rechnung einzustelle», müssen wir füglich un terlassen. Wa» wir in diesem Augenblicke und in der entsetz lichen Situation, in der wir un» befinden, tun können, ist nicht« andere», al« un» auf den Friedensvertrag zu berufen, den di« Entente formell zwar vernichtet hat. in welchem aber di« Be rufung Deutschland» an den Völkerbund vorgesehen ist. Ein schwacher Strohhalm, aber wi« müssen MI M jhy klammern« Aus dem Reichstage Berlin. ». März 1991. Der Abbruch der Verhandlungen von Londou hat bisher z« irgend einer Stellungnahme des Reichstage» noch nicht geiührt. Denn e» ist selbstverständlich, datz mau erst die Rückkehr de» «utzem- mlnisters Dr. Simon» abwarten mutz, ehe sich da» deutsche Reich»«, Parlament über den ganzen Fragenkomplex äußert. Allem der, Reichskanzler hat bereits am Dienstag autzerhalb der Tagesordnung Gelegenheit genommen, über die Sanktone» eine Erklärung abzu« geben, die daö Hau» dem Emst der Lage entsprechend m ruhige,, Würde und fester Entschlossenheit eutgegennabm. Di« sonst so freund« siche» Züge FrhrenbachS zeigie» tiefen Emst. Seme Stimme warfech und klar, ,eine wuchtigen Worte knapp, aber erfüllt von gerechter S«« Pistung. ^ ^ Reichskanzler Febrenback: führte folgendes au»: Die Londoner Verhandlungen sind abgebrochen. Unser» Abordnung ist auf dem Rückwege. Ich bin der Meinung, dass in eine Erörterung der in London geführten Verhandlungen erst, nach der Rückkehr des Herrn Minister» Simon» eingetreten wer« der. kann. Aber zu einer Maßnahme, welche die alliierten Re» gierungen beschlossen und bereits in Wirkung gesetzt haben,' glaube ich verpflichtet zu sein, Stellung zu nehmen, nämlich z,l den Sanktionen. Ich beginne damit, daß ich dieses Wort in da richtige Deutsch übersetze. Es sind Gewalttaten. (Leb« Haftes Sehr richtig!) Die ehrwürdigen Begriffe des Rechtes haben damit nichts zn tun. ES gibt keinen Nechtsboden für die militärischen .Maßnahmen, die die alliierten Regierungen jetzt eingcleitet haben, um einseisig geforderte Leistungen von un» zu erzwingen. (Sehr richtig!) Dem Proteste, den der Herr Minister Simons schon in London erhoben hat. schliehe ich mich namens der deutschen Regierung und namens des deutscheu Volkes a» Dieser NechtSbeuch wird auch durch juristische Ver« tleidungen nicht verhüllt oder gar geheilt. Er erscheint um so schlimmer, wenn er gedeckt wird durch die Namen der Staats männer der siegreichen Mächte, und wenn er sich richtet gegen ein Volk, dein man jedes Gewehr genommen hat. um sich gegen die Gewalt zu wehren. Dieser Nechtsbrnch iv.rd auch dadurch nicht gemildert, datz er als Drohung bereits in dem Augenblicke „»gekündigt wurde, wo der Verband in den Pariser Beschlüssen seine unmöglichen Forderungen an das deutsche Vo>k formu lierte. Wir haben in diesen Woche» gelernt, datz uns in den Pa riser Beschlüssen etwas rein Unmögliches zu ge mutet worden ist. Tie vergangenen Wochen haben uns in der Ueberzeuguiig nur befestigen können, datz durch diese von den alliierten Negierungen beliebte Art weder eine Regelung der europäischen Verhältnisse »och eine Liquidierung des Krieges möglich ist. Und wenn in dieser Weise fortgefahren wird, kann das Uebel nur bergrötzert werden. Glauben wirklich die alliier ten Staatsmänner, das; auf diese Art eine geordnete Regelung in der europäischen Wirrnis eiugcfükrt werden kann? ES ist «»möglich, sie werden sieb dadurch nur immer weitere Nnge- legenheiten schaffen und man wird nach Lösungen aufs neue suchen müssen, die ans die Sphäre konstruktiver Unmöglichkeit überleiten in tatsächliche menschenmögliche Wirklichkeit. An die Stelle der Gewalt mutz treten der ehrliche Wilte, die Weligemeinschaft des guten Willens. Wir sind bereit gcw. tz» zu unserem Teile die Weligemeinschaft des guten Willens z vetätigen. Der Reichspräsident hat es bestätigt. Wir haben u:n- nicht geweigert, ans dem Verlust des Krieges die entsprechende» Folgen zn ziehen und ans uns zn nehmen. Wir sind uns auch völlig klar darüber, datz wir bei dem Wiederauf bau der Welt die schwersten Lasten zu tragen haben. Wir haben unö auch reichlich bemüht, unsere Gegner zu überz-ugeu von den Grenzen der Leistungsfähigkeit, die nnS gesteckt sind. Jetzt und zunächst haben nur aber den Tatsachen in die Augen zu sehen, die durch die Verwirklichung der Sanktionen für das deutsche Volk herbeigeffchrt sind. Es beginnt für du» deutsche Volk, das so unendlich vieles während des Krieges und seit seiner Beendigung dnrchzumachen batte, abermals eine schwere Zeit. Jetzt gilt es für das deutsche Volk, zn beweisen, wie grotz seine Spannkraft, die Ausdehnung seiner Geduld und seiner Ausdauer ist. Ich habe volles Vertrauen zum deutschen Volke. Vor allem aber gedenken wir in diesem Augenblicke de« Teile unseres deutschen Vaterlandes, die wir mit heißer Liebe umfassen, die zunächst von den Massnahmen der' alliierten" Mächte getroffen werden. Es war herzerhebend sS^ uns. und eS ist wiederholt hier zm» Ansdruck gekommen, weicher Geist <n den bedrohten Gebieten herrscht: der Geist der Enischlossenheit. des Mutes, alles auf sich zu nehmen, wenn eS gilt, den» deut schen Vaterlande treu zu bleiben. Wir danken unsere» Mitbe- wahner» in den bedrohten Gebieten sür diese?- Zeugnis vater ländischer Gesinnung. Wir können ihnen unsererseits verspre chen, alles zu In», was möglich ist, nm ihre schwere Lage zn mildern. Noch ein Wort zur Schuld frage. Minister Dr. Simon», hat in London an die Geschichte appelliert. Ich glaube feststellen zii dürfen, daß das Urteil schon heute ftststelsi. Datz eS jedenfalls in der Richtung feststeht, datz die Aufbür- düng der Schuld ansschlietzlich auf die deutschen Schultern nicht bloß eine Verkennung, sondern eine Kränkung der Herren Jswolski, Poincarö, wie auch der bisherigen englischen Staats männer bedeutet. (Sehr gut »nd Beifall.) Auch ich überlass« das Urteil der Geschichte. Ich bin aber der Meinung, datz die Geschichte ihr Urteil zu geben hoben wird nicht bloß über d,e Schuld am Kriege, sondern anch über da» Diktat de» Versailler Frieden», (Stürmischer, langandanernder Beifall im ganzen Hanse.) ? Nach diese» Worte» stellt der Bolttvorteller Dr. Streskmann den «»trag, eine« Tag »»ch der Rückkehr de» Herrn Dr. Simon« de» auswärtige» A«»sch«h dr» Reichstage» elnruberuftn. damit er de» Bericht übe» dt« Londoner Verhandlung«» e»»gege»„h«e» könne. Dt« »»»sprach» t« Plmu« soll« dann am Sonnabend beginnen