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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.12.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111215027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911121502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911121502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-15
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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BezuftS-PreiA «G, L»tvi>« «n» <«»,,n« d»rch m«l«« I,So«r und Ko«»»«»«« <i»«> tt, >«ch t«» vau» g«d«o<vl » Vl-«onolU. L.7V Wil. »t«n«>iahrr un>«r» 8ttiol«i> » O» nähmest«»«» avuehol» 7S PI. «»»all, r.»Äi. »«»»«ltührl Duech »I« v«stl lnn«rhalb D««Nchcan0» und »«« d*«tlch«i» goloin«« o»«tt«lläl>rl. L«> Bit., monatl. 1^0 «tt. au»sck>l Poftdift.Uu«»» 8««n«r tn ««la»«», Dünimari. d«n vonaukaot«». 2laU«n. Üuzrmduk«. Ntrvrila«»« N«i» w«g«n Orfteri«»«» Unuain. Kichlond, Schwedin. 6<vw«»« u Epant«i». 2« all«» ddttgrn Slual«n nu» d»i«kt duich dt« <b«>chätt»st»ll« d«» Vtatt«, «ihatluch. Da, L««vtia«i rapidla« «r>ch«tat Lmal tigltch. Sonn. «. 8«t«na», nn« m»r,«a». Ldann«m«nt,»Annahm« Iiha»»!»»«!)« 8^ d«» un>«»«n r»og«rn. Stl>al«n. Sp«dt»«ur«a und Lnnahmeft«st«n, lowt« Postaint«n» nn» Ln«!trag«n». Stni,lo«ita«l»pr»t» >0 Dt. Abend-Ausgabe. MpMer TllMatt Handelszeitung. , -«1..-°,»,.^«^""''"^ Amlsklatt -es Aales «nd des Notizeiamles der Stadt Leipzig. Anzeigen.Preis f>« 2nl«kal» -u» »«tvt'u uno Uma«dun« dt« llpaltt«, V«tttt«U« L>P>-»»«-teklam«. ,«tl« I Ml. oon an.wakl» d> PI. !ti«klum«n llv Ml. 2n>««al« von Pthücden >m amt» l,ch«n I«» »>« Pe»Itj«»t« >>0 P! S«lchält»oni«tg«n mtl Pla»vorlchrttt«» Im Prett« «rhöht Rabatt nach lattt. P«ilaar«ebiidk tSeiaml» aullap« ü Ml p Tau>«»v «rlt. Postaestühc. Trildettag« d^b«r. 8«st«n«tl>r Oustraa« können nt^t zurück» ae«oa«n werden. 8üi da» tkrichetnrn an »«stimmten Ta-i«n und Plänen wird Ic»n« tbar.nti« lid«rnomm«n. Lnj«tg«n. Ännahm«^ Johanni«,all« 8, d«i lämtllchrn «Zttialrn n. asten Ännoncen» Llpeditton«» de» In» «nd Ausland«^ Lruck «n» viel», »»» g«Ick,«r L Nllrft«» 2nhad«r: Pa«l ttursten. RedaNton and tbelchästsstell«: 2od,nnlsgasie it. Haupt < Filiale Irerden: Eeestras« i. t (Telephon ^62l>. los. ZNhrysng Nr. 3-t7 /rettsg. üen iS. Dezember lSll. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 8 Setten. Sus üem vatiksn. (Von unserem ständigen römischen Mitarbeiter.) (Nachdruck verboten.) Rom, 13. Dezember. In den Kreisen der Kurie hat es nicht geringe Verwunderung erregt, daß man in Deutschland dem letzten Moluproprio ües Papstes in Sachen der welt- lia)en Gerlchtsbarkeit gegenüber geistlichen Vertretern der katholischen Kirche eine Bedeutung beigemessen hat, die ihm nach der Auffassung des Vati kans gar nicht zukommen sollte. Man versichert hier, wäre das päpstliche Dekret über eine bereits zu recht bestehende Verordnung zu einer an deren als zur Zeit der Wahlvorbereitun. gen erschienen, so hätte es in den außerkatholischen Kreisen schwerlich Beachtung gefunden. Die Leiden schaftlichkeit der Reichstagswahlagitationen habe es auch zuwege gebracht, daß die Berliner Re gierung freundschaftliche Vorstellun gen beim Heiligen Stuhl erhoben hat, deren Unmotiviertheit dem Vertreter der Berliner Re gierung in einigen Unterredungen klargelegt wor den je». Gegenüber Bayern bedurfte es erst nicht dieser Klarlegung. Es habe sich auch bei dieser Ge legenheit wieder besser informiert gezeigt als Preußen und die anderen Bundesstaaten, die es an der Einwirkung auf ihre Presse haben fehlen lassen. Alles Mißverständnis, so glaubt man in der Umgebung des Papstes, rühre in Deutschland und Oesterreich von der liberalen Presse her, die so un liberal wäre, dem Heiligen Vater jeden Meinungs austausch mit seinen Gläubigen zu verbieten. Die papstunfreundliche Presse, der jetzt auf einmal die ganze Verantwortung für die unheilvollen Wir kungen der päpstlichen EnunUationen aufgebürdet wird, wäre aber nur das kleinere Uebel, das den empfindlichen Vatikan reizt. Der Schmerz sitzt tiefer. Das deutsche Zentrum selber hat in diesen Tagen beim Vatikan angeklopft und um gut Wet- ter während der Reichstagswahlnöten bitten lassen. Aber die Pforten wurden den Bittstellern nur zur Hälfte aufgetan und schleunigst wieder zugeworfen, als man ihr Anliegen zu Gehör bekommen hatte. Das Zentrun«, das im Augenblick weiß, daß es in Rom aus mehr als einem Anlaß nicht besonders gut angeschrieben ist, hatte einen hochmögenden Bischof und einen Nuntius seine Spezialwünsche beim Hei ligen Vater schriftlich und durch römische Vertrauens männer vortragen lassen. Aber statt einer tröstlichen Antwort bekam es zu hören, daß Pius X. sich nur um die Religion und deren Ausübung, aber nicht um parteipolitische Geschäfte bekümmere, und nicht ge neigt sei, die Verkündigung eines neuen Motu proprios auf einen Termin hinauszuschieben, den das Zentrum bestimmen möchte. Man darf dem nächsten päpstlichen Dekret, das nach den bisherigen Verlautbarungen die Regelung des Studienganges an den theologischen Seminarien zum Gegenstand haben wird, mit größter Spannung entgegensetzen. Wie mir ein aus gezeichnet informierter Prälat mitteilte, wäre es nicht unmöglich, daß der Papst am letzten Ende doch noch gewisse Rücksichten auf die Wünsche des Zen- trums, das nicht locker läßt, nimmt und seine Enun- ziation, die für das Weihnachtsfest beab sichtigt ist, um einen Monat aufschiebt. In haltlich dürfte das nächste Moluproprio alle Erwartungen übertreffen. Weih nachten wäre als Zeitpunkt für seine Publizierung just der rechte Augenblick, da es Ueberraschu kr- gen in Fülle brächte. Bei der unausschieb- oar gewordenen Reorganisation der theologischen Se- minaricn seien gewisse Widerstände auf feiten ein zelner Staaten zu erwarten, aber der Vatikan habe die feste Ueberzeugung, daß sich nach dem ersten Sturm die Gemüter beruhigen würden. Ein Diplomat, den ich in einer Reihe vatikanischer Angelegenheiten interpellierte, vertritt gleichfalls die Anschauung, daß man den jüngsten Akten des apostolischen Stuhles eine übertriebene Bedeu tung beigemcssen habe. Die Regierungen würden chon Mittel und Wege finden, einzuschreiten, sobald ich in der Praxis Konflikte aus der Befolgung päpst- icher Verordnungen ergeben würden. Wenn man ich in Deutschland und Oesterreich zu dem von Eng- and und Frankreich eingenommenen Standpunkt auf raffen wollte, von den päpstlichen Dekreten nur in besonders wichtigen Fällen Notiz zu nehmen, so würde man damit dem Vatikan selber den größten Schaden zufügen. Denn — so unglaublich es klingt — er bedarf ein wenig der Reklame, und er wäre totunglücklich, wenn man ihn links liegen ließe. Nichts fürchte er so sehr als die nahende Unabhängig- keit des deutschen Katholikentums. Auch von anderer Seite wurde mir bestätigt, daß die Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem deutschen Zentrum augenblicklich nicht nur viel zu wünschen lassen, sondern eine Wendung zu nehmen drohen, bei der Konflikte nicht außer dem Bereich der Möglichkeit stehen. Dagegen steht der Vatikan — darin stimmen alle überein — mit den maßgeben den kirchlichen, ultramontanen und last dut not Hofkreisen Wiens in dem denkbar ange nehmsten Verkehr. Und auf dessen Pflege legt heute der Vatikan größeres Gewicht als je zuvor. * Der Geltungsbereich ües letzten Motuproprm. Der Inhalt des letzten Moluproprio des Papstes, wonach vor Anstrengung einer gerichtlichen Klage gegen einen katholischen Geistlichen die Erlaubnis des Bischofs einzuholen ist, hat die Regierung ver anlaßt. im Vatikan anzufragen, ob dieser Erlaß auch für Deutschland gelte. Die Frage ist, wie wir schon vor einigen Tagen meldeten, ver neint worden. Amtlich wird darüber folgende Er klärung veröffentlicht: Nach Veröffentlichung des Motuproprio: „tznun- tavi«, ckilirrontia" vom 9. Oktober d. I. durch die apostoliaao se>äis vom 10. November d. I. war der Königlich Preußische Gesandte beim päpst lichen Stuhl angewiesen worden, bei der Kurie fest zustellen, ob der Geltungsbereich des päpst lichen Erlasses sich auch auf Deutschland erstrecken sollte. Der Kardinal-Staatssekretär hat Herrn v. Mühlberg nunmehr erklärt, daß die Prinzipien des kanonischen Rechts, die Monsignore Heiner in seinem bekannten Artikel über das Motuproprio: „(^uantavis kiili-revtia" und die Derogation des ?i-ivil6rrirrrn Lori durch Gewohnheitsrecht ent wickelt hat, den kanonischen Lehren konform sind, und daß deshalb das Motuproprio „t^uuntuvis ciili- soutia" Deutschland nicht berührt. Nach dem Anerkenntnis der Kurie, daß dies Motuproprio für Deutschland keine Geltung habe, besteht für die Staatsregierunq kein Anlaß mehr, die Angelegen heit weiter zu verfolgen. Oie Llusüetznung üer Unlsll-Mrlorge- geletze kür Beamte auf üie Lehrer. Die neue Reichsversicherungsordnung hat eine Anzahl Verbesserungen und Erweiterungen der Un- falloesetze herbeigeführt, deren auch die Reichs- und Staatsbeamten teilhaftig werden sollen: die ent sprechenden Aenderungen der Unfall-Fürsorgcgesetze des Reichs und Preußens sind bereits offiziös ange kündigt worden. Diese Gesetze werden aber — so schreibt die Korrespondenz des Deutschen Lehrer vereins — auf eine völlig andere Grundlage gestellt werden müssen, wenn sie das Prinzip der Gerechtig keit nicht weiter verletzen wollen: denn bisher umfaßt die staatliche Fürsorge nur diejenigen Beamten, die „Betriebsunfälle" erleiden: wer nicht in einem staatlichen „Betriebe" angestellt ist, genießt nichts von den Wohltaten der Unfall-Fürsorgegesetze. Wenn ein solcher Beamter infolge eines Unfalles dienst unfähig wird, erhält er nur die gesetzliche Pension, die in der Regel erheblich geringer sein wird, als diejenige, die ihm nach den Unfallgesetzen zustehen würde. Beispielsweise beträgt die normale Pension eines Beamten oder Lehrers nach 10 Dienstjahren nur Vr seines Einkommens, während die Beamten der Reichsverwaltung, die in den der Unfallver sicherung unterliegenden Betrieben tätig sind, ohne Rücksicht auf das Dienstalter, N ihres Einkommens als Pension erhalten, wenn sie durch einen Unfall dienstunfähig werden: ja bei völliger Hilflosigkeit kann sogar — und mit Recht — das volle Dienst einkommen als Ruhegehalt bewilligt werden. An scheinend wird der preußische Landtag sich zuerst mit der Angelegenheit zu beschäftigen haben, da für ihn eine Novelle zu dem Gesetze bereits angekündigt ist. Die Vertreter des preußischen Volkes stehen somit vor der Aufgabe, vorbildlich für das Reich und die andern Bundesstaaten die vorliegende Frage zur Lösung zu bringen, indem sie die staatliche Fürsorge nicht nur auf den gesamten Beamtenstand aus dehnen, sondern auch die Lehrerschaft der Schulen aller Grade unter den Schutz des Unfall-Fürsorgegesetzes stellen. Daß diese zweite Forderung ganz besonders hervorgehoben werden muß, zeigt das Schicksal der preußischen Lehrerschaft bei Erlaß des Gesetzes, betr. die Uebernahme der Berufshaftvflicht der Beamten durch den Staat, von dessen Segnungen die Lehrer in letzter Stunde durch das Herrenhaus — gegen den Willen der Regierung und des Abgeordnetenhauses — ausgeschlossen wurden und noch immer ausgeschlossen geblieben sind. Be sonders setzen Turn- und Chemieunterricht die Lehrer den größten Gefahren aus, aber auch bei andern Ge legenheiten können die Lehrer Unfälle erleiden, z. B. bei Maßnahmen zum Schutze von Kindern auf Aus flügen. Daß zum Glück solche Unfälle sehr selten sind, darf kein Grund sein für ihre Nichtberück sichtigung im neuen Gesetz: vielmehr muß dieser Um stand gerade die gewünschte gesetzliche Regelung er leichtern, do die finanzielle Tragweite für die Staatskasse unerheblich sein wird. Bei Beratung der Novelle darf auch nicht über sehen werden, daß es sich hier nicht nur um die Pension bei völliger Dienstunfähigkeit, sondern auch um die erforderlichen Kurkosten zur Wieder herstellung handelt, deren Ersatz sich aus dem gleichen sozialen Gebot ergibt, aus dem das bestehende Gesetz seinerHit entsvrungen ist. Oer Giftmischer. Kriminalgeschichte von Hans Hyan. IS) (Nachdruck verboten.) Als sie, noch immer bebend, wieder hervor lugte, stützte der Mann, dessen Haare seit dem Abend in der Konditorei gewachsen schienen, den Kopf leicht in die Hand, diese große, breite, ge pflegte Hand, auf deren Rücken die Adern wie Stränge lagen. Er sprach jetzt gar nichts mehr. Aber um seinen Mund, seine Augen, die er nieder schlug, lagen kleine böse Fältchen . . . Sie redete unaufhörlich auf ihn ein und schien mit Tränen zu kämpfen. Mit einem Male stand er auf und rief den Kellner. Während der Geld herausgab auf ein Goldstück, zog der Gefährliche den Paletot an und setzte den Zylinder auf. Das Mädchen erhob sich ebenfalls, sie wollte offenbar mit ihm gehn... Er aber bog sich herab, redete leise zu ihr und sofort gab sie nach und blieb. Als er, dem Grete mit Abscheu, aber doch auch mit einer Art von furchtsamem Interesse nachblickte, gegangen war, trocknete die da drüben heimlich ihre Tränen. Dann nahm sie etwas aus der kleinen Handtasche, die auf ihrem Schoße lag, bastelte daran herum und mit einem Male sah Grete, wie das schon so alt auSsehende Mädchen ein kleines Papier auseinanderfaltete und eiu Pulver in ihr Wasserglas schüttete . . . Sie rührte cs mit dem Lössel um und hob es zum Munde . . . Indem war Grete Mirbach, jetzt nur von dem einzigen, gewaltigen Triebe deS Mitleids und der Menschenliebe befeuert, auch schon an dem Tische der andern und legte ihr, heftig atmend, die Hand auf den Arm. „Trinken Sie das nicht!" flehte sie, ihr von der Aufregung glühendes Gesicht dicht an das andere heranbringend, „um Gottes willen, lassen Sie eS sein!" Die andere schaute ganz befremdet. „Was wollen Sie denn? . . . Ach so . . . Sie sind es!". . . Eine gewisse Verlegenheit schien sich der ehe maligen Verkäuferin zu bemächtigen. . . Dann sagte sie mit einem matten Lächeln: „Warum soll ich denn nicht trinken? . . . Sie glaubten wohl, ich würde mir was antun? . . . Ach, wenn ich soviel Kraft aufbrächte! . . . Das beste wär's, was ich tun könnte!" . . . Grete Mirbach schüttelte ernst ihren schönen Kopf. „So darf man nicht reden! . . . Das ist sündhaft". . . Sie hielt inne, langsam kam ihr zum Be wußtsein, wie sie, ohne cs zu beabsichtigen, durch ihr impulsives Handeln ihrem Ziel ein gut Stück näher gekommen war . . . Und sie überlegte nun, wie sie am leichtesten und unauffälligsten die Sprache auf den vor kurzem sortgegangenen Mann bringen könnte. Sie und Martha Graudeh saßen glücklicher weise allein an dem kleinen Marmortisch. Grete hatte auf dem Stuhl zur Linken der Verkäuferin Platz genommen: diese saß auf der gepolsterten Bank, die am Pfeiler stand, an dem eine der elektrischen Girandolen brannte, die im Verein mit den Riesen-Glas-Kronleuchtern das Caföhaus mit Licht überfluteten. Nun sah Grete: neben der Verkäuferin auf der Polsterbank lag das Ledertäschchen offen, und neben diesem das geöffnete Päckchen, das der Mann vorhin dem Mädchen gegeben hatte. Es enthielt eine ganze Anzahl derselben Pulver, wie sich Martha Graudetz soeben eins in ihr Wasser gemischt hatte . . . In Gretes Seele stieg ein neuer, furchtbarer Verdacht auf. Und es war ihr, als müßte der, gegen den dieser Verdacht sich richtete, jeden Augenblick wieder in das CafS zurückkchren und mit seinen kalten, mitleidslosen Augen auf sie und ihre Nachbarin herabsehen . . . Trotzdem zwang sich die Blonde zur Festigkeit, sie fragte: „Von wem sind denn die Pulver? . . . Die hat Ihnen wohl der Herr vorhin gegeben? . . . Ich sah das nämlich zufällig". . 4 „Ja," sagte Martha Graudetz, mit einem un- sichern Blick das Gesicht der andern streifend, „mein Bräutigam." „Das dachte ich mir," lächelte Grete, „weil ich ihn doch an dein Abend gesehen hatte, an dem letzten Abend in der Konditorei, wo er Sie ab holte". . . „Ja". . . machte die andere einsilbig. Grete beobachtete sie heimlich . . . Ganz ohne Arg war diese Martha Graudetz auch nicht. . . Aber trotzdem! . . . Wie die Gefährtin eines so gefährlichen Verbrechers sah sie nicht aus. . . Und als die andere, offenbar in einiger Ver legenheit wieder nach dem Glase griff, hielt Grete ihr von neuem die Hand fest und sagte: „Trinken Sie es doch lieber nicht. . . solche Mittel, sagt mein Bräutigam immer, helfen nur für eine Stunde, nachher schaden sie desto mehr." Die Blonde errötete bis in die Haarwurzeln hin ein, das hätte sie gewiß nicht sagen sollen!... Ihren Bräutigain hier erwähnen, war sicher das dümmste, was sie tun konnte! . . . Doch half sie sich mit einem leichten Lachen, und fragte, um nicht selbst gefratzt zu werden: „Was ist denn daS für ein Mittel?" „Ach, mein Bräutigam, der stellt es mir immer selbst zusammen... Der ist doch Arzt!" „So". . . meinte Grete, der die Verkäuferin in der Konditorei und der Vootor msckioinLs nicht recht zusammen zu passen schien, „aber eine Stel lung haben Sie doch nicht?" Die andere schüttelte den Kopf, sie wurde wieder einsilbig und Grete hatte die Empfin dung, als erwache in ihr ein Mißtrauen. Daß sie sich nicht getäuscht hatte, bewies die Frage der Verkäuferin. „WaS sind Sie denn?" Aber Grete war darauf vorbereitet. „Ich reise für Verlagswerke. . . und des wegen sagte ich vorhin auch, ob Sie wieder in Stellung gingen ... ich könnte Sie nämlich sehr gut bei uns unterbringen". . . Die andere überlegte. „Ich weiß nicht, wre mein Bräutigam darüber Die neuen Oderverlicherungssmter. In amtlichen Kreisen rechnet man, wie wir hören, damit, daß die Einrichtung der Oberversicherungs- cimter sich nicht überall bis zum 1. April 1912 wirt durchführen lassen Es kommt dies in einer neuen preußischen Ministerialoerfügung zum Ausdruck, in der ausgeführt wird, daß die L a n d e s Versiche rungsanstalten damit zu rechnen hainn, daß die Schiedsgerichte nötigenfalls über diesen Termin hinaus bestehen sollen. Die Landesversicherungsanstalten sind demgemäß an gewiesen worden, die Kosten der Schiedsgerichte in der bisherigen Weise weiter zu tragen uns für alle geschäftlichen Bedürfnisse lBeamte. Geschäfts räume usw.) zu sorgen. Ebenso sollen die weiteren Aufgaben, die den Schiedsgerichten auf Grund des Einfiihrungsgesetzes (Art. 7) und auch durch andere neue Befugnisse, wie z. B. durch die Hiirterbliebenen- versicherung, übertragen wurden, erfüllt werden. Das Weitcrbestehen der Schiedsgerichte nach dem 1. Januar 1912 ist an und für sich auch notwendig, weil der Abschnitt der Reichsversicherungsordnung über die Unfallversicherung dann noch nicht in Kraft gesetzt ist und weil ihnen die Spruch sachen der am 1. Januar in Kraft tretenden In validen- und Hinterbliebenenoersicherung zunächst überwiesen worden sind. Wie wir weiter erfahren, wird noch vor Weih nachten eine M i n i st e r i a l k 0 m m i f s i 0 n zur Einrichtung von Oberversicherungsämtern und Ver sicherungsämtern in den preußischen Provinzen zu m erstenmal in Tätigkeit treten. Der Kom mission gehören die Geheimen Oberfinanzräte Hcrgt und Sachs sowie der Geheime Finanzrat v. L^elsen vom Finanzministerium, ferner Geheimer Ober regierungsrat Dr. Hoffmann und Assessor v. Monbart vom Handelsministerium sowie der Geheime Ober regierungsrat Dr. Freiherr 0. Zitter und der Geheime Reqierungsrat Dr. Meister vom Ministerium des Innern an. Die Kommission wird zunächst die Ein richtung der Aemter in der Provinz Westfalen vornehmen und sich am 17. Dezember nach Arnsberg, dem Sitz des größten Regierungs bezirks der preußischen Monarchie, begeben, um dort ihre Tätigkeit zu beginnen. Von dort aus ist das Eintreffen der Kommission in Dortmund und weiter in Münster und Minden vorgesehen. Die Errichtung eines Oberoersicherungsamtes für Berlin ist erst später in Aussicht genommen. denkt ... ich möchte ja ganz gerne . . . ist denn auch Verdienst dabei?" Grete nickte. „Aber ja! . . . Und ich weiß gar nicht, wie man sich so nach einem Manne richten kann!"... sie lachte lustig, „Sie sind doch nicht mitein ander verheiratet!" Martha Graudetz streckte mit einem tiefen Seufzer die Hand wieder nach dem Glase ans, aber Grete Mirbach hielt diese magere, welle, kraftlose Hand abermals zurück. „Wenn Sie wüßten," sagte die Verkäuferin in dumpfem Tone, „wie ich lebe!". . . „Aber das kann man doch jederzeit ändern! . . . Man muß nur den Mut haben, Fräulein!" erwiderte Grete. ,La, den Mut haben! . . . Haben Sie mal den Mut! . . . Wenn man ewig leidend ist und sich schwach fühlt". . . „Waren Sie denn von jeher so? . . . So leidend?". . . fragte Grete und sah der andern teilnehmend in das araublasse, nervöse Gesicht, daS jetzt hier beim Hellen Licht der elektrischen Lampen einen fahlen, beängstigend kranken Schein hatte. Die Verkäuferin lachte verzweifelt auf. „Ich? . . . Ich? . . . Wie ich früher war? . . . Ach, das können Sie sich gar nicht den ken! .. . Damals vor sechs Jahren, wie ich ihn kennen lernte, da war ich das gesundeste, lebens lustigste Geschöpf unter der Sonne! . . . Und> da halt' ich auch Geld! . . . Ueber achtzigtau-'. send Mark haben mir meine Eltern hinterlassen: ich war gerade großjährig und wohnte bei meiner Tante ... Da kam er . . . ach, mir wäre wohlcr, wenn ich ihn nie gesehen hätte!". . . „Warum hat er Sie denn da nicht ge- heiratet?" » Grete, bei der sich daS weibliche Interesse am Schicksal dieser Bedauernswerten in das andere mischte, das sie hierher geführt hatte, brauchte nicht erst absichtlich einen warmen, herzlichen Ton in ihre Frage hineinzulegen. . . Die andere merkte das auch und gab sich jetzt ganz vertraut. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.) Gnglsnüs suswörtige Politik. Wie wir bereits in unserer heutigen Morgen nummer ausführlich berichteten, begann am Donners tag im englischen Unterhause die Debatte über Englands auswärtige Politik. Nach den Reden Normans. Beresfords und Jones' ergriff Grey das Wort. Ueber seine Ausführungen erhalten wir folgendes Telegramm: London, 15. Dezember. Grey leitete seine Rede über die englisch-deutschen Beziehungen mit folgender Bemerkung ein: Sir Henry Norman hat die Debatte mit einer Rede eröffnet, an deren Ton niemand etwas aus setzen kann. Erhat den britischen Gesichtspunkt aufrechterhalten und dabei den aufrichtigen Wunsch gezeigt, die Ansichten anderer im Aus land verstehen zu lernen. Er hat um Ver öffentlichung der Schriftstücke über Marokko er sucht. Ich habe mich neulich eingehend mit der Ma-
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