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Ld Zweites Blatt. dR Erscheint «ichrntltch 2 Mal < DienStag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag). Nbonnementspreis vierteljährlich 1 Mark, Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Mr. Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Jahrgang. Nr. 78. Freitag, den 24. September 1880. Die Pflichten der Ersatzreserve. Neber die Pflichten der zur Ersatzreservc I. Kl. überwiesenen Militärpflichtigen herrscht trotz des klaren Wortlautes der betreffenden Bestimmungen in dem Nachtrag zum NeichsmUitärgesetz vom 6. Mai d. I., und obwohl vor uniger Zeit von unter richteter Seite eine übersichtliche Zusammenstellung jener Pflichten durch die Presse verbreitet wurde, immer noch so große Unklarheit, daß es angezeigt erscheint, auf das unmittelbar bevorstehende Erscheinen der zu dem Gesetz vvm ti. Mai ausgear- beitcten Aussührungsbestnnmungen ausmerksam zu machen. Diese enthalten in Be zug auf die Ueberweijung zur Ersatzreserve I. Kl. eine Reihe von Vorschriften etwa folgenden Inhalts: Es werden dieser Klasse der Ersatzreserve vorzugsweise diejenigen Personen über wiesen, welche tauglich besunden, aber als Uebcrzählige nicht zur Einstellung gelaugt sind. Ergiebt diese Kategorie nicht den Bedarf, so ist derselbe zu entnehmen aus den jenigen Militärpflichtigen, deren häusliche Verhältnisse für den Fall eines Krieges die weitere Berücksichtigung nicht gerechtfertigt erscheinen zu lassen, aus den nur be dingt Tauglichen, welche also wegen geringer körperlicher Kehler befreit weroen, und aus den zeitig Untauglichen, welche wegen zeitiger Dienstunbrauchbarkeit vom FriedenS- dienst besreit bleiben, aber deren hinreichende Kräftigung m den nächsten Jahren zu erwarten steht. Falls dagegen sich ein Ueberschuß ergiebt, so entscheidet die Reihen folge der Loosnummer bei der erstgedachten Kategorie und sonst das Lebensalter, die besser« Tauglichkeit und die Abkömmlichkeit. Der Bedarf an UebungSpfl«Hügen ist aus der Zahl der wegen hoher Loosnummer oder wegen geringer körperlicher Fehler der Ersatzreserve I. Kl. Ueberwiesenen zu entnehmen. Geistliche, welche orduurt sind, oder die Priesterweihe empfangen haben, sind von der Uebungspfücht beireit. Denjenigen, welche zur Ersatzreserve I. Kl. überwiesen sind, wird, wenn sie nur im Falle der Mobilmachung eingezogen werden sollen, ein „Ersatzrcservescheln 1.", wenn ne dagegen auch im Frieden übungspflichtig sind, ein „Elsatzreservepaß I." ertheut. In den allgemeinen Bestimmungen lauten beide Dokumente überein. Der Inhaber derselben steht unter der Kontrole der Landwehrkompagnie des Landwehrbezirtslom- mandos und muß sich daher sofort beim Landwehrbezirkskeldwebel melden, auch un Falle einer Wohnungsveränderung die bezügliche Meldung machen. Wer ins Aus- land verzieht, bleibt in der Kontrole derjenigen Landwehrkompagnie, we.che bei der Ueberweisung zur Ersatzreserve die Kontrole zu übernehmen halte. Inhaber kann ungehindert verreisen, hat jedoch geeignete Vorkehrungen zu treffen, daß ihm eine etwaige Gestellungsordre jederzeit zugchen kann. Vor Antritt einer Wanderschajt ist dein Bezirksseidwebel Meldung zu erstatten. Während der Wanderschaft finoen weitere Meldungen nicht statt, außer wenn der Ersatzreservist in feste Arbeit, sei es im Jnlande oder im Ausland«, tritt. In d«n übrigen Bestimmungen weichen die beiden Dokumente entsprechend von einander ab. Diejenigen, weiche den Ersatzreserveschein I. besitzen, haben sich bei Mobilmachungen, auch wenn sie sich im Auslande befinden, sofort zu stellen. Zn friedlichen Zeiten haben sie das Recht, ohne Weiteres auszuwandern; nur yabeü sie davon Anzeige zu machen. Die Inhaber eines Crsatzreservepasjcs I. dagegen sind im Frieden zur Theilnahmc an 4 Uebungen verpflichtet. Zurückstellungen von der ersten Uebung sind unzulässig. Diejenigen, welche nach außereuropäischen Ländern, jedoch mit Ausschluß der Küsten des Mittelländischen und Schwarzen Meeres, gehen wollen, können nach geleisteter erster Uebung im Frieden von der Teilnahme an ferneren Uebungen auf zwei Jahre und, falls sie sich im Auslände eine feste Stellung erworben haben, von der Rückkehr im Falle der Mobilmachung bis zur Entlassung aus der Ersatzreserve entbunden werden. (Chemn. Tgbl.) Das Zeitalter des Dampfes ist der Titel eines Werkes, welches Ur. Engel, Direktor des statistischen Bureaus in Berlin jetzt veröffentlicht hat. 100 beziehentlich 50 Jahre nach den bahnbrechenden Leistungen von James Walt und George Stephenson entrollt uns Ur. Engel, zum Andenken an diese Männer, an der Hand zahlloser sorgfältig bearbeiteter statistischer Tabellen ein hochinteressantes Bild von der Verbreitung, welche die Dampfkrast in dieser verhältnißmäßig kurzen Zeit aus der Erde gesunden hat. Wir leben in einem der iudustriereichsten Länder, sind umgeben von Hun derten von Fabrikschornstcinen, haben aber doch keine Vorstellung von der Rolle, welche dem Dampfe im Wirken und Schaffen der Menschen Fuerthcilt worden ist. — Von einer ausführlichen Besprechung dieses interessanten Werkes, welches uns über so Vieles Aufklärung giebt, muß an dieser Stelle natürlich abgesehen werden, nur einige Zahlen und Momente können hier Platz finden. Beginnen wir mit den Dampferzeugern, den Dampfkesseln, so finden wir dieselben in folgender Anzahl vertreten: Dentfchland besitzt rund 59,000 feststehende Kessel und Loko mobilen, 10,500 Lokomotiven und 1700 Schiffskessel; Oesterreich: 12,000 Kessel, 2800 Lokomotiven nnd 600 Schiffskessel; Frankreich: 49,500 Kessel, 7000 Lokomotiven und 1850 Schiffskessel u. s. f. Zahl- -reiche Tabellen führen uns die Kessel nach dem Sy'tem, der Größe, 1>em Alter und dergl. eingelheilt vor und geben über die verschiedensten wichtigen Fragen Aufschluß. Ein sehr umfangreiches Kapitel ist den gefürchteten Dampfkessel-Explosionen gewidmet. Wir sehen hier mit Erstaunen, daß diese Unglücksfälle doch noch recht häufig Vorkommen. Im Jahre 1878 sind in Deutschland 21, in Frankreich 35 und in England 46 Dampfkessel explodirt. Zum Studium der Ursachen Ler Kessel-Explosionen hat der Verfasser vielfache Zufammenstellungen aus dem Ganzen ihm zu Gebote stehenden Material gemacht, welche zu wichtigen Schlüssen führen. — Im Anschluß an diesen Abschnitt wer den die Dampfkessel-Revisions-Vereine einer eingehenden Besprechung unterzogen, Ur. Engel sagt unter Anderm: „Die Dampfkessel-Ver eine genießen den Ruf, daß sie vermöge ihrer sorgfältigen, stetigen Ueberwachung der Kessel die Zahl der Explosionen auf ein Minimum herabgemindert haben. Jedem Dampfkessel-Inhaber wird es daher, angesichts des Haftpflichtgesetzes einerseits und der unleugbar günstigen Einwirkungen der Ingenieure der genannte» Vereine auf die Oekonomie des Dampfbetriebes anderseits, ein Leichtes sein, zu entscheiden, ob ihn sein Vortheil dazu treibt, sich einem solchen Vereine anzuschließen oder nicht, selbst wenn es ihm aus ethischen Gründen nicht schon da rum zu thun wäre, sich frei von jeder direkten und indirekten Schuld an dem Tode oder der Verletzung eines oder mehrerer seiner Arbeit nehmer zu wissen." — In Deutschland bestehen 27 Vereine, die ca. 18,000 Kessel überwachen. Sachsen hat bekanntlich ebenfalls einen solchen Verein mit dem Sitze in Chemnitz. Einen vorzüglichen Maßstab für die Entwickelung und Ausdeh nung der Industrie eines Landes giebt die Anzahl der vorhandenen Dampfmaschinen und deren Leistungen. Wir finden in unserem Werke die Arbeit der Dampfmotoren wie folgt angegeben: In Deutschland rund 4'/r Millionen Dampfpferdestärken; in Oesterreich 1'/z Millionen; in Frankreich 3 Millionen; in England 7 Millionen, während in den Vereinigten Slaaten von Nord-Amerika die Arbeit der Menschen durch 7'/s Millionen Dampfpferdeftärken unterstützt wird. Hierbei ist der Eisenbahnbetrieb ausgeschlossen. Derselbe wird gesondert und ganz speziell behandelt. Es treten hier Zahlen zu Tage, welche an Groß artigkeit alles Vorhergehende weit überragen. Wir ersehen, daß das gesammte Bahnnetz der Erde Ende 1879 eine Länge von 350,000 Kilometer gehabt hat, auf dem 105,000 Lokomotiven dahin brausen. Es erscheint uns märchenhaft, wenn wir weiter hören, daß diefes Weltbahunetz ein Baukapital von rund 80,000 Millionen Mark re- präsentirt. Mindestens 80"/« dieser gewaltigen Summe, d. h. also 64,000 Millionen Mark bestehen im Wesentlichen aus Arbeitslöhnen sür alle möglichen Zweige des Land-, Gewerbe-, Handels- und Ver kehrsfleißes, welche der Bau der Eisenbahnen in allen Kuliurstaaten der Erde un Lause der jüngsten 40 Jahre zum Theil erst hervorge rufen, zum Theil entwickelt und gestärkt hat. Eine Vorstellung von diesen 64 Milliarden, welche durch die Hände von Millionen von Arbeitern gegangen sind, kann man sich kaum machen. Leider gestattet uns der gegebene Raum nicht, Einzelheiten des großen Werkes hier vorzusühren, wir können den Industriellen nur angelegentlichst em pfehlen, dasselbe einem eingehenden Studium zu unterwerfen. Geh. Rath Ur. Engel hat in dieser Schrift James Watt und George Stephenson ein einfaches aber wunderbares Denkmal errichtet. Bei der Dunsthöhle. Original-Novelle von Felix Roderich. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Es war an diesem Tage vollständig mit der Arbeit vorbei. Roßner ging früher als gewöhnlich zu Bett, vhue schlafen zu können, und als er endlich gegen Morgen entschlummerte, sah er fortwährend den bos haften Doctor Feldmann an seinem Bette stehen, ihm spöttisch lächelnd den Puls befühlend. Dazwischen trat durch die weilgeöffnete Kammer- thür die Geliebte feiner Jugend, an jeder Hand fechs Kinder, Mädchen und Knaben, führend und sie ihm zur Erziehung übergebend, und wie der Doctor sein Handgelenk gleichsam mit eisernen Zangen fest hielt, so legte sich das Dutzend Kinder wie ein Alp auf seine Brust und drohte ihn zu ersticken, daß er angstvoll nach Hülfe stöhnte und Todesqual in allen Gliedern fühlte. Plötzlich sprach der Doctor mit lauter Stimme: „Es ist so, wie ich immer gesagt, wer nicht hören will, muß fühlen. Jetzt haben wir die Bescheerung, das wird ein Nervenfieber in schönster Form." Der Professor öffnete entsetzt die Augen und starrte in das Ge sicht des Doctors, der ihn ruhig betrachtete und wirklich soeben jene Worte gesprochen hatte. „Wer hat Sie denn eigentlich gerufen?" fragte er, als er sich überzeugt, daß kein Traum ihn mehr gefangen halte. Mißtrauisch blickte er dabei nach dec Thür, als fürchte er, der andere Theil seines Traumes, der mit dem Dutzend Kindern, könne ebenfalls in Erfüllung gehen. „Ihre pflichtgetrene Haushälterin hat mich rufen lassen, natürlich," versetzte der Doctor. „Sollte sie vielleicht damit gewartet haben, bis es zu spät war?" „Larifari, ich bin nicht krank, Doctor! Ein schwerer Traum, das ist Alles'." „So versuchen Sie, aufzustehen, Herr Professor, es ist beinahe Mittag. Sie sind aus dem Geleise gerathen, als hätten Sie geschwärmt." Der Professor erhob sich, er fühlte die furchtbarsten Kopfschmerzen, doch ließ er sie nicht merken und machte in zehn Minuten Toilette, ganz wie gewöhnlich. „Nun, was sollte mir fehlen, Doctor?" rief er mit erzwungener Lustigkeit. „Sie sehen, ich bin wohl, wie immer." „Und doch phantasiren Sie wie ein Nervenkranker, oder wie ein solcher, der's werden will und schlafen bis Mittag?" „Nun ja, es mag etwas daran sein," räumte der Professor ein.