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Die ' „Welßerih-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 81 Pfg., einnionatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1V Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Wchnitz-MW. Amtsblatt Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes ein« sehr wirk- same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserat« mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Amishauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithne in Dippoldiswalde. Sonnabend, den 8. Dezember 1883. 48. Jahrgang. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Aufenthalt des deutschen Kronprinzen in Spanien hat neuerlichen Depeschen zufolge abermals eine Verlängerung erfahren. In Barcelona, von wo aus der hohe Herr die Rückreise nach Deutschland antreten wird, ist aus Madrid die officiöse Nachricht eingegangen, daß der Kronprinz nicht vor dem 14. oder 15. Dezember in der genannten Hafenstadt cintreffen werde. Derselbe gedenkt vorher noch dem Süden Spaniens, in erster Linie der Provinz Andalusien, einen Besuch abzustatten, welcher voraus sichtlich mehrere Tage dauern dürfte. Ob der Kron prinz von diesem Ausflug erst wieder nach Madrid zurückkehrt oder sich direkt nach Barcelona begiebt, scheint noch nicht festzustehen. — Seit vorigen Sonn abend residirt die Kaiserin nach längerem Aufenthalte in Baden-Baden und Coblenz wieder in der Reichs hauptstadt an der Seite ihres erlauchten Gemahls. Das Befinden der hohen Frau ist erfreulicherweise «in erheblich besseres als vor Beginn ihrer diesjährigen Sommerreisen und fällt ihr jetzt besonders das Gehen bedeutend leichter. — Im preußischen Abgeordneten haus« hat am Montag die Spezialberathung des Etats mit der Diskussion über den Etat der Domainenver- waltung ihren Anfang genommen. Die zweitägige Debatte über diesen Gegenstand war eine ungemein weitschweifige und hätte füglich ohne Schaden für die verhandelte Sache bedeutend abgekürzt werden können. Die Kernpunkte der Verhandlungen bildeten die Lage der deutschen Landwirthschast im Allgemeinen und die Parzellirung der Domainen und die Kreditverhältnifse auf dem Lande in Speziellen. Daß sich die Lage der landwirthschaftlichen Bevölkerung, wenn auch nur auf einzelnen Gebieten, gebessert habe, wurde von allen Rednern anerkannt, dagegen führte der Minister für Landwirthschast, l)r. Lucius, in einer längeren Rede aus, daß der Grundbesitz auf dem Lande zu hoch mit Kommunal- und Schulsteuern belastet sei und sprach sich ferner entschieden gegen eine Vermehrung der Domainen - Parzellirung aus. Am Dienstag kamen hauptsächlich die landwirthschaftlichen Kreditverhältnisse zur Sprache und nahm die Debatte durch das Hinein ziehen der Judenfrage zeitweilig einen äußerst animirten Charakter an. Die konservativen Abgeordneten Wagner und v. Ludwig vertraten die Ansicht, daß die Miß verhältnisse des ländlichen Kredits dem jüdischen Wucher zur Last gelegt werde« müßten, während die fort schrittlichen Abgeordneten Dirichlet, l)r. Seelig und Büchtemann das Vorwiegen des jüdischen Elementes unter den Wucherern auf dem Lande bestritten. Auch Minister vr. Lucius nahm wiederholt Gelegenheit, in die Debatte einzugreifen und werthvolle Informationen über den Stand der Domainen im Regierungsbezirke Stralsund zu geben. Schließlich wurde das Ordinarium der Domainen-Verwaltung in Einnahmen und Aus gaben und nach unerheblicher Debatte auch der Etat der Forstverwaltung genehmigt. Für Mittwoch stand der Antrag des demokratischen Abgeordneten Stern (Frankfurt a. M.) auf Einführung des directen Wahl modus bei den preußischen Landtagswahlen auf der Tagesordnung. — Der Kaiser hat das Abschiedsgesuch des kommandirenden Generals des 6. Armeekorps (Schlesien), v. Tümpling, in einer Kabinetsordre ge nehmigt, welche die Verdienste des Generals in seiner 17jährigen Kommandoführung speziell um das schlesische Armeekorps in herzlichen Worten anerkennt; als Aus druck des kaiserlichen Dankes ist Herrn v. Tümpling der Schwarze Adlerorden mit Brillanten verliehen worden. Zu seinem Nachfolger im Kommando des 6. Armeekorps ist Generallieutenant v. Wichman er nannt worden, Kommandeur der 16. Division. Oesterreich-Ungarn. Das parlamentarische Leben im ciSleithanischen Oesterreich hat durch den am Diens tag erfolgten Zusammentritt des Neichsrathes einen neue» Aufschwung erhalten. Die Session wurde durch ein Exposö des Finanzministers v. Dunajewski über das Budget pro 1884 eröffnet, welches den öster reichischen Steuerzahlern das wenig erfreuliche Ge ständnis; macht, daß ein Defizit von 38,700,000 Fl. vorhanden sei, wobei aber Dunajewski tröstend an führte, daß das Defizit von 1884 demjenigen von 1883 um 4,700,000 Fl. nachstehe. Nach seinen Aus führungen ist das Defizit durch außerordentliche Aus gaben produktiver Natur, durch die Mehrkosten beim Bau der Arlbergbahn und der galizischen Transversal bahn u. s. w. hervorgerufen worden und hofft der Finanzminister das bedenkliche Manko durch die strengste Sparsamkeit, sowie durch die Mehrerträgnisse der Zölle und Steuern, „größtentheils" zu decken. Die aus Czechen, Polen, Slovenen, Klerikalen und Feu dalen bunt genug zusammengesetzte Majorität nahm das Exposö Dunajewski's mit lebhaftem Beifall auf, während die Linke ihre Meinung über die österreichische Finanzlage durch Schweigen kundgab. Unter den zahlreich eingegangenen Vorlagen befindet sich auch ein Gesetzentwurf über die Unfallversicherung der Arbeiter. Frankreich. Mit Spannung sieht alle Welt dem endlichen Ausgange des französisch-chinesischen Konfliktes entgegen, da in der That das Zünglein der Waage sich mehr nach der Kriegs- als nach der Friedensschaale zuneigt. Die französische Regierung ist im Begriff, sich von der Deputirtenkammer neun Millionen für Tonkin bewilligen zu lassen und daß die Kammer- Majorität sich in der für diesen Freitag angesetzten Tonkin-Kredit-Debatte im Sinne der Negierung ent scheiden wird, bezweifelt Niemand. Daneben gehen die militärischen Vorkehrungen in Frankreich ihren Gang weiter und sind alle Anstalten getroffen, um binnen kürzester Frist weitere 6000 Mann nach Tonkin absenden zu können. Die chinesische Negierung ihrer seits ist auch nicht müßig, sie konzentrirl in und um Canton ein starkes Armeekorps und sind erst in diesen Tagen in Canton 1100 Mann chinesische Truppen von Schanghai eingetroffen, denen andere Truppen sendungen folgen sollen. Trotz dieser Rüstungen scheint aber China noch immer keine Neigung zu haben, ernstlich den Waffentanz mit Frankreich zu wagen, da die chinesischen Truppen Sontay und Bac- ninch geräumt haben sollen, während es doch hieß, daß sie diese Positionen auf's Aenßerste vertheidigen wollten. — In Anbetracht der Gefahren, welche den in China wohnenden Ausländern im Falle eines französisch-chinesischen Krieges drohen, wollen England, Deutschland, Frankreich, Rußland und Nordamerika eine gemeinsame Flotille von Kanonenbooten nach den chinesischen Gewässern entsenden und dieselbe bei Canton stationiren. Den Oberbefehl über das Ge schwader soll diejenige Macht erhalten, welche über die meisten Seestreitkräfte in deu chinesischen Gewässern verfügt. Dagegen werden die Zeitungsnachrichten über eine Kollektiv-Vermittelung in der Tonkin-An gelegenheit sowohl von Berlin wie von Petersburg aus für durchaus unbegründet erklärt. Schweiz. Die zwischen der Schweiz und Frank reich spielende nordsavoyische Neutralitätsfrage hat jetzt ihre befriedigende Lösung gefunden. Frankreich verzichtet auf die Befestigung des Mont Vuache und läßt die schon angelegten Befestigungen wieder schleifen, womit diese Frage in einfacher Weise gelöst worden ist. Egypten. Ueber das Schicksal der egyptischen Armee unter Hicks Pascha im Sudan kreuzen sich wunderliche Nachrichten. Jetzt heißt es plötzlich, der größere Theil des Expeditionskorps sei dem Gemetzel bei El Obeid entronnen und lagere bei Nahad, um Verstärkungen zu erhalten. Eine offizielle Bestätigung dieser für die Regierung des Khedive etwas tröstlicher klingenden Mittheilung ist aber in Kairo noch nicht eingetroffen, dieselbe ist nur dem dortigen österreichischen diplomatischen Agenten privatim zugegangen. Nord-Amerika. In dieser Woche, und zwar am Montag, ist auch der amerikanische Kongreß zu seiner Wintersession in Washington zusammengetreten. Die ursprünglich vom Telegraphen gebrachte Nachricht, der Kongreß sei ohne die übliche Botschaft des Präsidenten eröffnet worden, hat sich nicht bestätigt, da dem Kon greß eine längere Botschaft von Mr. Arthur zuge gangen ist. Dieselbe bezeichnet die Beziehungen der Union zu den auswärtigen Mächten als durchaus freundschaftliche und hofft auch, daß die Schwierig keiten mit Spanien wegen Cuba's und Portorico's eine günstige Lösung erfahren würden. Die Botschaft verbreitet sich dann über die finanziellen und handels politischen Fragen, welche die Union bewegen und deutet dann auf die Nothwendigkeit hin, die Flotte zu reorganisiren. Die Union beabsichtige keine Er oberungen im Auslande, müsse aber eine Flotte haben, welche zur Vertheidigung der Häfen, zum Schutz des Handels und der nationalen Ehre fähig sei. A'cr Mahdi. In den egyptischen Nebenländern Sudan und Kor- dofan treibt seit Jahr und Tag ein wunderbarer Mensch sein Wesen in mehr als seltener Art, und fast noch seltsamer sind die Mittheilungen, die man über ihn hört. Seine Anhänger nennen ihn den „Mahdi" oder „neuen Propheten", der da gekommen ist, um den echten Mohamedismus der Araber in Egypten wieder aufzurichten. Die mohamedanischen Glaubenshelden erstreben aber stets neben den religiösen auch politische Ziele, deshalb will der Mahdi die Türken und alle Fremden aus Egypten vertreiben, wobei wir bemerken, daß die Türken den Arabern, resp. Beduinen als Ur- surpatoren verhaßt sind, und der Vizekönig von Egypten sammt seinen; ganzen Anhänge in den Augen der Araber als Türken gelten, weil sie aus der türkischen Paschawirthschaft über Egypten hervorgegangen sind. Nach dem Zeugnis; der Beduinen wie nach dem der Kopten, einer christlichen Sekte Oberegyptens, ist der neue Prophet Namens Mohamed Achmed ein physisch und geistig hochbegabter Mann, der einen unwider stehlichen Einfluß auf seine Umgebung ausübt und über eine Streitmacht von bereits 200000 Mann, welche auch eine Anzahl Kanonen und Remington gewehre besitzen, verfügen soll. Dabei wachse sein Ansehen und seine Macht beständig und in Sudan könne ihm Niemand widerstehen. Nach den egyptischen und türkischen Berichten kommt dagegen der Mahdi freilich sehr schlecht weg. Darnach ist er kein Mahdi, kein Prophet, kein Glaubensheld, sondern ein falscher Prophet, ein Betrüger, ein „Kerl", ein Lump, der sich mit höchstens zwei Tausend Lum pen, meistentheils räuberischen Beduinen, umgeben habe, und Kordofan und Sudan ausplündere. „Diesen Kerl mit seinem mit Knüppeln, alten Lanzen und ver rosteten Flinten bewaffnetem Gesindel werden wir ver nichten oder gefangen nehmen, sobald er sich uns ge genüber stellt," schrieb ein Stabsoffizier aus dem Heere Hicks Paschas, was nach Sudan gezogen war, um den falschen Propheten zu züchtigen. Ein Major vom Stabe meldete einige Wochen später Aehnliches über den Mahdi, meinte aber doch, daß dieser „Kerl" Hicks Pascha viel zu schaffen machen könne, denn er habe eine zahlreiche und vorzügliche Reiterei, welche in den öden, wasserarmen Gegenden das Heer Hicks Paschas stets umlauere und zwinge, in einem Viereck zu mar- schiren, um vor Uebcrfällen sicher zu sein; auch führe der falsche Prophet 14 Kanonen mit sich und eme Anzahl seiner Leute seien mit guten Gewehren be waffnet. Inzwischen ist bekanntlich Hicks Pascha vom falschen Propheten bei el Obeid überfallen und Hicks Pascha selbst nebst der Mehrzahl seiner Offiziere und auch der ihn begleitenden englychen Offiziere nieder gemacht worden. Anfangs glaubte man auch, daß ganze Heer Hicks Paschas sei verloren, aber ein großer