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ZWninlM Tatzebiatt Wescheint täglich mit Ausnahme der Tage und ß AaidmbMger Anzeiger >18' —— AMsdiM slir den Aadkch r» Waldmdn». Zugleich weit verbreitet in den Städtm Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbeztrke: nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis mittags 12 Uhr. »er AbonnementspreiS beträgt vierteln lich 1 «k. 25 Pf. Einzelne Nrn. b Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Expedition: Waldenburg, Obergafse 291 Filiale«: in Altstadttvaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster, in LangenchurS. darf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgafse; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; k Altstadt-Waldenburg, BräunSdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langeu- Lmba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. N 289. Dienstag, den 13. December 1892. «iWwiWMSWSWWüiiii^ WitternugSbertcht, ausgenommen am 12. December, nach«. 4 Uhr. T-romeierstaud 752 mm. reducirt aus den Meeresspiegel. Thermometerstaud -s- 3" 0. (Morgens 8 Uhr -s- 1'.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 82"/». Thaupuukt — 0 Grad. Windrichtung: Südwest. Daher WMrcllugsausfichte« für den 13. December: Meist allgemein bedeckter Himmel mit Niederschlägen. *Walde«bnrg, 12. December i892. Es ist schon ost eine geringfügige Ursache der Keim zu weitausgreifenden Neugestaltungen gewesen, bet deren vollsten Entwicklung so Mancher völlig die Herkunft vergessen hatte. Es scheint, als ob wir in absehbarer Zett auch im Reichstage und in unseren Partetver- hältnissen manches neue Bild erblicken werden, zu bissen Entstehung in der letzten Woche die ersten Anfänge zu verzeichnen waren. In unseren deutschen Parteiver hältnissen wogte und gährte es schon lange Zeil, Man- ches, das lange vereint war, schien sich trennen, manches, was lange getrennt war, sich suchen zu wollen. Die directe Veranlassung ließ nur auf sich warten, welche die Dinge in Fluß zu bringen bestimmt war. Auch zm politischen Leben entsteh! und vergeht Vieles sehr schnell. Im Jahre 1887, als cs sich um die Frage des Militärleptennats handelte, wurde unter dem Ein fluß und der Mitwirkung des Fürsten Bismarck das neue Kartell zusammengeschmtedet, aus welchem dann später dte ReichStagSmehrheit für die Jahre 1887—1890 hervorging. Bon dem Kartell, das tür eine Ewigkeit gebaut erschien, wurde schon seit längerer Zett nur noch wenig gesprochen, es wurde nur noch als eine Art von historischem Schotten betrachtet. In der letzten Woche ist es ganz und gar zerfallen, es ist zer trümmert, was davon etwa an Namen und Form noch übrig gewesen ist. Die conservative Partei ist es gewesen, die mit der Vergangenheit gründlich aufräumle, die durch den Be schluß ihres Parteitages, zur Judenfrage in Zukunft entschiedene Stellung einzunehmen, nach rechts und links die etwa noch bestandenen Brücken abbrach, indem sie durch ihre neue Programmerklärung den Frei- conservativen und Nationaüiberalen, den Bundesgenossen aus der Kariellzeit, bewies, daß sie fortan in um fassendem Maße auf die breiten Volksmassen zu wirken suchen werde. Nicht gerade dtrect, wohl aber indirect, hat die Wirksamkeit Ahlwardt's zu der Berufung und den Beschlüssen des conservativcn Parteitages unendlich viel betgetragen, und wenn der wegen der Judenflinten brochure verurtheilte Rector wohl schwerlich jemals den Anspruch erheben wird, zu den historischen Per sonen des deutschen Reiches gerechnet zu werden, man wird bald genug erkennen, daß es auch hier heißen wird: kleine Ursachen — große Wirkungen. Di« Mehrheit der conservativen Partei hat die Judensrage in ihr Programm ausgenommen. Das ist aber nicht geschehen, damit sie nur auf dem Papiere steht, und die energischen Verfechter des Antisemitismus in der conservativen Partei, die es nun soweit gebracht haben, werden auch dafür sorgen, daß die Sache weiter geht, innerhalb, wie außerhalb des Reichstages. Nach beiden Setten hin wird dte conservative Partei ener gischer und fortreißender, als bisher, auftreten müssen, denn mit dem Parteibeschluß ist die Zeit der Halb heiten vorüber, und es werden sich neue Freundschaften und neue Gegnerschaften bilden. Zur Centrumspartet bestand schon zur Zeit des preußischen Schulgesetzes eine größere Hinneigung, zur freiconservativen und nationaüiberalen Partei eine beginnende Entfremdung. Dieselben Erscheinungen zeigen sich jetzt von Neuem, und geht die conservative Partei auf dem Wege vor, der thr auf dem Parteitage gewiesen, dann werden Hinneigung und Entfremdung sich vertiefen. Bet dem Schulgesetz war allenfalls noch eine Ueberbrückung der Gegensätze möglich, bet dem Anttsemtttsmus tst das s ausgeschlossen. Da kann es nur entweder — oder t heißen. i Wer die Erscheinungen in unserem politischen Leben genau veruriheilslos verfolgt, der wird nicht groß zweifeln, daß sich wirklich in der Politik eine Schei dung der Geister nach neuen Grundsätzen vorbereitet, die sich bisher nur in Volksversammlungen, aber nicht in Parlamenten breit machten. Der Anfang hält sich noch in kleineren Grenzen, sehen wir zu, wie die Dinge über's Jahr stehen. Das Rad tst im Rollen! Politische RrmdschE. Deutsches Reich. z Der Kaiser tst am Sonnabend Spätabend von den > Hosjagden in Springe im besten Wohlsein wieder im ; Neuen Palais etngetrosfen. Mit dem Kaiser traf auch s Prinz Ludwig von Bayern aus Springe ein. Am : Sonntag Vormittag wohnten die kaiserlichen Majestäten i dem Gottesdienst in der Potsdamer FriedenSktrche bet. i Mittags empfing der Kaiser den Generalstabschef Grafen Schliessen II. und hatte eine Conferenz mit s dem Reichskanzler. Am Nachmittag fand bet den > kaiserlichen Majestäten in der Jaspisgallerte des Neuen s Palais Tafel von einigen 30 Gedecken statt, an welcher ! der Prinz Ludwig von Bayern, dte tn Berlin anwe- i senden fremden Krtegsmtntster und höhere Militärper- s sonen thetlnahmen. Heute, Montag, gedenkt der Kaiser ! einer Einladung des Amtsraths v. Dietze Barby zur Jagd zu entsprechen. Am Abend erfolgt dann dte Weiterreise von Barby nach Neugattersleben zur Jagd. s Die erste Berathung der neuen Militärvorlage ! im deutschen Reichstage hat auf Grund der Erklärung s des bekannte« Führers der Centrumspartet, des Abg. , Frhr. v. Hüne, dte Gewißheit gebracht, daß dte Mt- lttärvorlage so wie sie heute ist, vom Parlament nicht i genehmigt werden wird. Wenn nun aber dte An- s sicht aufkucht, es werde überhaupt nichts bewilligt, der > Reichstag ausgelöst wert en, oder gar der Reichskanzler zurücktreten, so schießt das sehr wett über das Ztel hinaus. Im Gegentheil dauern dte Versuche zu einer i Verständigung fort, und man meint, sie würden tn der Commission bald greifbar auftreten. Das Ende ist noch nicht abzusehen, aber der ruhige Ton, in welchem dte Reichstagsdebatten geführt werden, läßt hier und da die Anschauung auftauchen, daß wir einer Verein barung näher sind, als Mancher glauben mag. Con- fltctssttmmung herrscht nicht im Reichstage und nicht bet der Regierung. Die Vorgänge im Ahlwardt-Prozeß werden na turgemäß viel besprochen. In einer ganzen Reihe von antisemitischen Versammlungen find Ahlwardt und sein Verthetdiger Hertwig sehr gefeiert, den Letzteren will man tm Königreich Sachsen bet erster Gelegenheit so gar als Reichstagsabgeordneten aufstellen, während das Verhalten des Gerichtshofes scharfer Kritik unterzo gen wird. Herr von Bornstedt, der Landrath von Frtedeberg, dem der Minister des Innern seine ernste Mißbilligung wegen der Unterzeichnung des Wahlaufrufes für Ahl wardt ausgesprochen hat, soll nach der „Staatsb.-Ztg." gegen sich dte Etnlettung der Disclpltnar-Untersuchung beantragt haben. Der deutsche Anttsemttenbund hat tn einer gro- ßen Versammlung tn Berlin dem Rector Ahlwardt sein volles Vertrauen ausgesprochen. Ahlwardt wur den stürmische Kundgebungen dargebracht. 1 In einer Berliner Versammlung wurde mitgethetlt, i daß das Organ de- Herrn Stoecker, „Das Volk-, mit einem Jahresverlust von 40,000 Mark arbeitet, den seit zwei Jahren ein Parteigenosse allein deckt. Dte Heidelberger Delegtrten - Versammlung der nattonalltberalen Partei hat bet der Berltner Partetlettung beantragt, daß von der Partei dte libe ralen Grundsätze wieder auf das Schärfste betont und tn den Vordergrund gestellt werden. Bet der Reichstagsersatzwohl im Wahlkreise Kauf- beuren-Rtndelhetm, tn der cuch der bekannte Münchener Preußenfresser Or. Sigl wieder als Can- didat aufgestellt worden war, ist der Centrumscandtdat ! Ztndl gewählt worden. : Rektor Ahlwardt hat seinen unfreiw'lligcn Aufent halt in Plötzensee wieder bezogen. Der Verurtheilte wurde am Sonnabend durch einen Schutzmann in Ctvil aus dem Untersuchungsgefängniß mittels Droschke wieder nach dem Strafgefängntß in Plötzensee bet Ber- ' ltn überführt. Nach der Urthetlsfällung am Freitag i drängten sich A.'s Freunde, unter denen sich auch Wäh ler des Wahlkreises Friedeberg-Arnswalde befunden haben, tn Mafien auf dem Korrtdor, wo sie von Schutzleuten tn Zaum gehalten werden mußten. Als A. dann auf dem Wege nach dem Untersuchungsgefäng- ntß den Korrtdor pasfirte, drängte Alles energisch auf i ihn zu und machte Miene, ihn nach dem Untersuchungs- ! gefängntß zurückzutragen. Die Beamten wußten jedoch ! diese Huldigung zu vereiteln. Wie erregt dte Ge- ! müther waren, wurde an dem Schicksal eines Mannes klar, der seine Verwunderung über die „Milde" der erkannten Strafe Ausdruck gab. Er erhielt so schlagende Beweise seines Unrechts, daß er sich schleunigst entfernte. Der Prozeß tst übrigens auch von speculativen Köpfen zu einer ganz einträg- ltchen Einnahmequelle gemacht worden. Bon Leuten, j welche sich Eintrittskarten zu verschaffen wußten, tst in den umliegenden Bierlokalen ein ganz schwunghafter Btllethandel etablirt worden, bet welchem dte Karte mit 10 Mk. bezahlt wurde. In einzelnen Fällen sollen dte Karten sagar auf Stunden vermtethet gewesen sein. Wie verlautet, ist ein Gesetzentwurf betr. Abände rung der gesetzlichen Bestimmungen über den Unter- stützungswohnsttz thatsächlich tn Vorberettung und dürfte jedenfalls noch in dieser Sessio.1 an den Reichs tag gelangen. Der Seniorenkonvent des Reichstages trat am Sonnabend nach Schluß der Plenarsitzung zusammm und berieth dte demnächstige Arbeitseintheilung. Der Beginn der Weihnachtsferten tst auf den 16. De cember festgesetzt worden. Bis dahtn sollen die Mtlt- tärvorlage und Steuervorlagen in erster Berathung erledigt werden. Nach einer Bemerkung der „Nat.-Ztg." besteht Uebereinstimmung einer großen Mehrheit des Reichs tags darüber, den zu erwartenden Antrag auf Unter brechung des gegenwärtigen Strafverfahrens gegen den Rektor Ahlwardt nicht, wie es sonst geschieht, ohne Weiteres anzunehmen, sondern der GeschäftSord- nungscommisfion zu überweisen. Von der nattonalltberalen Partei tst folgende Inter pellation tm Reichstage etngebracht worden: „Die in dem soeben beendeten Prozesse Ahlwardt vernommenen militärischen Sachverständigen haben sich zwar schon entschieden für dte gute Qualität unserer neuen In fanterie-Bewaffnung ausgesprochen. Nichts desto-