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10 Weißcritz-Ieitung Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. 3. Februar 1854 Inserate werden mit 8 Pf, für Zelle berechn« Hu. in allen EZ« - peditionen an» genommen. Freitag. Erscheint Dienstag» und Freitags. Zu »eiiehen durch alle Postanstal ten. Preis pro v«»rt. IVNgr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann Die russische Flotte. Nachdem die vereinigte englisch-französische Flotte zum Schupe deö Sultans gegen Rußland endlich wirk lich ins schwarze Meer eingelaufen ist, möchte es an der Zeit sein, dem geneigten Leser einige erläuternde Minheilungen über den Bestand und Zustand der russischen Flotte in der Gegenwart zu machen, was in Nachstehendem kürzlich geschieht. Wie das russische Reich die Begründung seiner Größe dem Czar Peter dem Großen verdankt, so ist cS auch dieser Fürst, welcher als der Schöpfer der rus sischen Seemacht dasteht. Mit eigenen Augen und Händen lernte er in Holland das Schiffsbauwesen kennen, und was er nach holländischem Muster errich tet hatte, daS ward von seinen Nachfolgern nach eng lischem Porbilde weiter gefördert; selbst die Befehls haber wurden fast stets aus dem Auslände herbeige zogen. — Gegenwärtig nun hat Rußland: 60 Linienschiffe von 70 bis 120 Kanonen, 37 Fregatten von 40 bis 60 Kanonen, 70 Corvelten, Briggs, Brigantinen, 40 Dampfschiffe, 200 Kanonenboote, Galeeren u. s. w. Diese 407 Schiffe haben 42,000 Matrosen und 20,000 Seesoldaten, einschließlich der Artilleristen, welche die 9000 Geschütze bedienen. .Vergleichen wir damit die französische Flotte, so ist sie, abgesehen von ihrer Ueber- legenheit in Dampfschiffen, nicht stärker, als die rus sische. Die englische Flotte dagegen mit ihren 130 Linienschiffen, 200 Fregatten, 210 Corvetten, 180 Briggs, 720 — und 50,000 Seeleuten, könnte der russischen u. französischen Flotte zusammen Vie Spitze bieten. In der Regel liegen von der rus sischen Flotte zwei Dritttheile in der Ostsee, während ein Drimheil der Schiffe im schwarzen Meere aufge- stellt ist. (Die kleinen Schiffe und Kanonenschaluppen auf dem kaSpischen und dem weißen Meere sind kaum in Betracht zu ziehen.) Offenbar besitzt Rußland zu wenig Fregatten. Mit Rebt hat der berühmte englische Seeheld Nel- s o n die Fregatten als „daS Auge der Flotte" bezeich net. Denn diese Schiffe, welche in der Seeschlacht hinter den Linienschiffen stehen, werden bei dem glück lichen Ausgange der Schlacht dazu gebraucht, den Schiffen des fliehenden Feindes nachzusetzen, die be- schädigten wegzunehmen und an der Flucht zu hin dern; bei einem unglücklichen SchlachtauSgange da gegen dienen die Fregatten dazu, die eigenen beschä digten Linienschiffe aufs Schlepptau zu nehmen, d. h. an einem Tau hinter sich her zu führen. Häufig wer den die Fregatten auch dazu gebraucht, in der Schlacht alle Signale (Befehlszeichen), welche zwar von deck Admiralschiffe gegeben werden, aber von den entfern ten Schiffen, deS Pulverdampfes und der Entfernung halber, nicht bemerkt werden können, zu wiederholen) Endlich werden sie auch sehr oft dazu verwendet, die feindliche Flotte umherkreuzend zu beobachten oder auch feindliche Handelsschiffe wegzunehmen. Alle russischen Schiffe ersten Ranges (Dreidecker) sind in der Regel im untersten Kanonendeck mir 48- Pfündern und mit 4 bis 6 PhairhanS-Bombenkano- nen versehen, welche 40-pfündige Bomben in horizon taler Richtung schießen. (Ihren Namen haben sie von ihrem Erfinder, dem franz. Artillerie-Oberst Pairhans, (sprich: Pähscing) welcher seine-langen 80-pfünVigen Mörser mit kegelförmigen Kammern 1832 vor Ant werpen zum ersten Male anwendete.) Das zweite Verdeck ist mit 48-Pfändern bewaffnet, das dritte (oberste) mit 36-Pfändern. Auf einigen der neuern Dreidecker finden sich sogar PairhanS-Kanonen, wel che 120-pfündige Bomben Wersen. Bei den Linien schiffen zweiten Ranges ist daS Kaliber 36, aber auch auf diesen Schiffen befinden sich Pairhans-Kanonen zu 40« bis 60-pfündigen Bomben. (Dabei ist zu be merken, daß man im Seewesen stets nach Steingewicht rechnet, d. h. als Gewicht der Kugel die Schwere an- giebl, welche sie haben würde, wenn sie auS Stein bestände. Nun ist aber Eisen bekanntlich schwerer, als Stein, demnach natürlich auch das wirkliche Gewicht der Kugel ein größeres.) Ein fernerer Uebelstand ist, daß die russischen Schiffe zu kurz sind, wodurch das Wenden erschwert wird. Dazu kommt, daß die einzelnen Decke oft nicht hoch> genug über einander sind, obgleich die Schiffe hochborbig erscheinen, waö in ihrer Kürze sei nen Grund hat. Auch sind alle - russischen Schiffe schwerfällig, indem die Planken sehr dick sind. Der Zweck, dadurch die Mannschaft gegen Kanonenkugeln zu schützen, wird damit keineswegs erreicht, da Ku geln von dem jetzt überall gebräuchlichen Kaliber durch die dicksten Planken schlagen. UebrigenS herrscht aber auf den russischen Schiffen vom Mastkorbe bis zum Kiel die musterhafteste Ordnung und Reinlichkeit. In den Kajüten herrscht der größte Lurus: rolhsaMineMe vergoldete DivanS und FortepianoS auS den besten deutschen Fabriken sind gewöhnliche Erscheinungen. Gge e den LuruS des CapitänS sticht aber die Ein-