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Wüchemlick erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preis 22, Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für sas qanze Jahr, ohne Erhöhuna, u> aUcn Theilen der Preußischen Monarchie. Wz. aga für dic zin Dränumerationen werden non^ jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comv.. IägerNraße Nr. 28). ss wie von allen Königs. Poü- Aemtern. angenommen. Literntur des Auslande s. 121 Berlin, Donnerstag den 9. Oktober 1848 Frankreich. Die Ehe der katholischen Priester in Frankreich. Bor dem königlichen Gerichtshöfe in LimogeS schwebt gegenwärtig fol gender Prozeß: Jacques Vignaud war Priester in Bellac und knüpfte daselbst mit einem jungen Mädchen, Namens Maveleine Bertrand, ein Verhältniß au. Er hatte von ihr zwei Kinder, dic noch am Leben sind. Da er den Tadel seiner Oberen fürchtete und in die Welt zurückzukehren wünschte, gab er im Jahre I84S seine Functionen auf, entsagte in aller Form seinem Stande und machte Anstalten, sich mit Madeleine Bertrand gerichtlich zu verheiraten. Als der königliche Prokurator zu Bellac die Sache erfuhr, verbot er dem betreffenden Maire, die Trauung zu vollziehen. Vignaud beschwerte sich darüber bei dem Tribunal in Bellac, von dem entschieden wurde, daß der Einspruch des königlichen Prokurators der Form nach zulässig, aber schlecht begründet sep. Vignaud hielt also seine Sache für gewonnen und hoffte, jetzt zu seiner Verehelichung schreiten zu können. Aber der königliche Prokurator appellirtc gegen das Urtheil des Tribunals an den Gerichtshof in Limoges. Hier ergriff der General-Prokurator Dumont Saint.Priest, Wahrschein, lich nachdem er vorher mit dem Justiz-Minister Rücksprache genommen hatte, selbst das Wort und vcrtheidigte dic Maßregel des königlichen Prokurators mit folgenden Gründen: Dic Kirchengcsetze, die vor 179t in Frankreich gültig waren, erklärten dic Ehen der Priester für nichtig; die Revolution hob zwar diese Erklärung auf, aber das Konkordat vom Jahre X nahm sie wieder an. In Art. 26 desselben heißt es, daß die Bischöfe keinen Geistlichen ordiniren dürfen, der nicht alle in dem französischen Kirchcnrcchtc gestellten Bedingungen erfüllt. Hieraus nun schloß der Gcncral-Prokurator, daß der Staat das Recht habe, die Disziplin des Klerus zu überwachen und einzuschreiten, wenn im Schoße desselben etwas geschähe, waS der Ordnung und dcm allgemeinen Wohle zuwider wäre. Wollte sich also ein Bischof oder ein Pfarrer verheiraten und dessenungeachtet in seiner priesterlichen Stellung verbleiben, sich darauf stützend, daß das Cölidat nicht zum Dogma gehöre, sondern reine Disziplinarsache sep, daß die Ehe zu den natürlichen Rechten gehöre und die französischen Gesetze keine ewigen Gelübde anerkennen — so würde ihn die Kirche mit ihren Strafen belegen und die Regierung seine Absetzung aussprechen. Nun unterscheide — fuhr der General. Prokurator fort — das Urtheil, gegen welches appellirt werde, zwischen einem Priester, der seine Functionen deibchalte, und eincm, der ihnen auf immer entsage. Diese Unterscheidung aber sep gefährlich, zerrütte den Klerus und lcge in die Gesellschaft den Keim zur Unsittlichkeit. Denn der Priester, dcm die Möglichkeit dargeboten wäre, sich seines Gelübdes zu cntbinden, würde sich weniger bestreben, seine Neigungen zu unterdrücken und seine Leiden- schäften zu ertödten. Die Beichte könnte bei einem Manne nicht abgelegt werden, der, wenn er feiner Verbindlichkeiten enthoben würde, auch Vie ihm als Priester anvertrauten Geheimnisse nicht mehr zu bewahren brauchte. Endlich bewiesen auch alle Dokumente, dic sich auf das Konkordat beziehen, daß es im Gedanken der Urheber desselben gelegen habe, de» katholischen Priestern dic Ehe zu untersagen, und weder der Civilkoder noch Vie Eharie von 1830 hätten in diesem Punkte eine Aenderung cingeführ«. Nach dem Gencral-Prokurator sprachen Vic Advokaten Vignaud's und seiner Braut. Sic suchten zu zeigen, daß die Beschlüsse des Trivcntincr Konzils niemals in Frankreich angenommen worden seyen; Geschichtschreiber, Juristen, Staatsmänncr und Theologen wären derselben Meinung. Und hätten jene Bestimmungen auch vor der Revolution in Frankreich Geltung gehabt, so haben sie dieselbe seit dieser Zeit durchaus verloren, denn die Gesetze von 17S0, 91 und 92 erklärten ausdrücklich, daß die Priester heiratcn dürfen. Das Konkordat hätte diese Gesetze nicht aufgehoben, denn es sage kein Wort von ihnen; auch ließen die Rcven Lucian Bonaparte'S, Simeon's und Portalis' keinen Zweifel über den Sinn dieses Vertrages in Bezug aus die Priestcr-Ehc. Endlich wäre durch die Charte von 18Z«, die keine Staatsreligion mehr an erkannt, jedes Kirchengesetz aufgehoben worden, daS ihren Grundsätzen zu. wider sep. Nach vierstündiger Berathung erklärte der Gerichtshof, vaß die Stimmen gctheilt seyen. Der Prozeß wird nun erst nach dcn Ferien entschieden werden. Er ist wichtig, weil eS sich dabei um eine Prinzipienfrage handelt. Wir «heilen einige Betrachtungen mit, die der in Paris erscheinende äemsuc daran knüpft: ,,Der General, Prokurator hat durch sein« unhaltbaren Gründe bewiesen, daß er bcauftragt war, den Grundsatz der UnauSlöschlichkeit des priesterlichen Charakters um jeden Preis zu vcrtbeibigen. Er übersieht die vielen Länder, in dencn, wie in Irland, Schottland, Preußen, den Vereinigten Staaten, Holland, der Schweiz, das Staatsgesctz der Ehe katholischer Geistlichen kein Hinderniß in den Weg legt, und behauptet, daß sic den Klerus zerrütten und die Gesellschaft dcmoralisiren würde, und da er weder im Konkordat noch im vnüs civll ein Gesetz sinket, daß den Er-Priestern verbietet, sich zu verheiraten, so stützt er sich auf die Gedanken, welche die Abfasser der Konkordats in dieser Beziehung gehabt zn Haden scheinen." „Ist aber dcr Charakter eines Priesters inäelobili.-,, d. h. durch nichts in der Wclt aufzuhedcn, so folgt daraus, daß die Mitglieder des Klerus im strengsten, ägyptischen Sinne des Wortes eine Kaste bilden. Denn sie sind dann eine Körperschaft, deren spezieller Charakter ihren bürgerlichen überwiegt und aus der man nicht, wie es z. B. beim Militair dcr Fall ist, augschciden kann. Dw Gesetze suchten eine solche Einrichtung zu verhindern, indem sie die ewigen Gelübde für ungültig erklärten; doch scheint man dicS nur auf dir Mönchsorden und nicht auf den Säkularklerus anwenden zu wollen. Aber bei dieser unnatürlichen Einrichtung gewinnen weder dic Gesellschaft, wie wir an Madeleine Bertrand und ihren Kinvern, noch die einzelnen Priester, wir wir an Vignaud scheu; nur die Kirche genügt einem ihrer stolzen Grundsätze, dem von der apostolische» NaLsolge. Denn nach römischen Ansichten wird durch das Sakrament dcr Ordination dcr heilige Geist auf den Ordinirten über tragen, der nun Mittler zwischen Gott und Mensch, Gesandter des Himmels auf Erden ist und seine erhabene Würde so wenig verliert, daß er, selbst wenn er wegen dcr schimpflichste» Verbrechen erkommunizirt war, nach erhaltener Absolution, ohne von neuem vrdinirt zu werden, seine Functionen wieder an- treten kann. Gehört cS nun zum „Charakter" eines Priesters, daß er unver heiratet ist, so wird derjenige Priester das Prinzip dcr UnauSlöschlichkeit seines Charakters verhöhnen, der eine Ehe cingeht. „Es fragt sich, ob der Staat dieses Prinzip und seine Folgen aufrecht er halten soll, ob er, wenn ein Geistlicher sein Amt und seine Rechte vollkommen ausgiebt und von nun an nur diejenigen verlangt, die jedem Bürger zu kommen, sie ihm verweigern und ihn noch ferner als Priester betrachten soll. Geschähe dies in Frankreich, so beginge man hier folgende Inkonsequenzen: Wenn der Priester immer Priester bleibt unv nie am gemeinen Rechte Antheil hat, warum giebt es dann keine geistlichen Tribunale mehr? Wenn er sich verheiraten will, so sagt man zu ihm: du bist kein einfacher Bürger! Wenn er aber ein Verbrechen begeht, so sagt man: du bist ein einfacher Bürger! — Zweitens: Wenn die Ehe eincS Priesters ungesetzlich ist, so bleibt sie «S immer, und das Gesetz muß den Priester bestrafen, wo es ihn erreicht. Geht er aber nach dcr Schweiz oder nach Deutschland, wohnt dort einige Monate und kehrt verheiratet zurück, so wird er nicht bestraft. — Drittens: Früher wurde »in Priester, der seine Religion adschwur, zu den schrecklichsten Strafen verdammt, denn er hatte mehr gethan, als seine Priestcrschaft verleugnet ; er hatte sich vom Glauben losgesagt. Nach den damaligen Grundsätzen war die Strafe, die ihn traf, gerecht. Jetzt aber soll der Priester vor dem Gesetze noch ein solcher bleiben, wenn es sich um die Ehe handelt, aber er darf ungestraft seinen geistlichen Charakter so weit verleugnen, daß er Protestant wird, kurz, er dürfte sei» Vergehen nur vergrößern, um keines begangen zu haben! „Nun könnte sich noch folgender interessante Fall ereignen: Ein katholischer Geistlicher wird Protestant; er studin protestantische Theologie, besteht sein» Prüfungen und erhält vom Minister des öffentlichen Unterrichts sein Diplom. Darauf beruft ihn cine reformirte Gemeinde zu ihrem Prediger, alle Papier» sind in Ordnung, und der Kultus-Minister bestätigt seine Ernennung. Jetzt will sich dcr Erpricster verheiraten. Darf er es nun, oder darf er eS nicht? Darf er eS — warum wird die Civil-Ehe einem Erpricster untersagt, der Arbeiter, Kaufmann, einfacher Bürger ist? Darf er es nicht, so kommt der Justiz-Minister in Widerspruch mit dem Kultus-Minister, d. h. mit sich selbst. Denn indem er den Pfarrer zum Pastor macht, erkennt er an, daß der Charak ter des katholischen Priesters in ihm erloschen sey, und indem er den General- Prokurator gegen seine Ehe sprechen läßt, behauptet er, jener Charakter sey unauslöschlich!"