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ZchönbiMr Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. 1881. Sonntag, den 29. Mai 122. "Waldenburg, 28. Mai 1881. Die Fürsorge für den Handwerkerstand. Die Grundlage der gegenwärtigen Wirthschafts- politik in Deutschland ist das Princip der ausglei chenden Gerechtigkeit, die Reformen unserer socialen Gesetzgebung zielen einestheils auf eine möglichst gleichmäßige Vcrtheilung der Lasten hin, andern- theils verfolgen sie den Zweck, den kleinen Mann, den Handwerker, den einfachen Arbeiter dem Groß kapital, der Großindustrie gegenüber concurrenz- fähiger zu machen. Die Jnnungsvorlage entspringt den gleichen Bestrebungen; das ehedem berühmte deutsche Handwerk soll wieder auf die frühere Höhe gehoben, das Sprichwort wieder Wahrwort werden: das Handwerk hat goldenen Boden. Es ist als ein wahrer Fortschritt zu begrüßen, schreibt dis „Prov.-Corr.", daß jetzt fast allgemein die Thatsache anerkannt wird, wie der Handwerker stand seit der Einführung der Gewerbeordnung mehr und mehr an innerem Halt verloren und seine Interessen hat vernachlässigen müssen, weil er der Stützen entbehrte, welche ihm eine gegliederte Ord nung und das durch äußere Einrichtungen gepflegte Gefühl der Zusammengehörigkeit hätte geben können. Das Wohl der Gesammtheit litt darunter offenbar, und die Klagen über die nachtheiligen Wirkungen dieses Verhältnisses, die sich wohl in den Leistun gen wie in den persönlichen Verhältnissen der Hand werker geltend machten, wurden allgemein erhoben; am meisten aber empfand der Handwerkerstand selbst die Folgen eines Zustandes, welcher ihn der sich immer mehr entwickelnden Großindustrie wie dem sich breit machenden Pfuscherthum gegenüber nicht den gehörigen Schutz und Halt bot und die Ehre und den gemeinsamen Geist des Standes den auflösenden Tendenzen politischer und socialer Natur mitleidlos preisgab. Aus den Kreisen der Handwerker selbst kamen denn auch längst Bitten um Abhilse der das Ge werbe untergrabenden und zerstörenden Verhältnisse, aber den Klagen und Forderungen des Handwerks trat lange die Macht der damals fast unumschränkt herrschenden wirtschaftlichen Grundsätze entgegen, welche eine besondere staatliche Fürsorge für das Wohl der Gewerbtreibenden nicht als im Interesse der Gesammtheit liegend erklärten und die sogenannte Freiheit derselben auch nicht nach der Richtung be schränkt wissen wollten, daß der Staat den freiwil ligen Bestrebungen nach Einigung und Ordnung des Handwerks fördernd zu Hilse käme. Es darf wesentlich als ein Verdienst der konser vativen Elemente angesehen werden, wenn die herr schenden Vorurtheile gegen die Neubelebung der Innungen allmählich schwanden und nun die staatliche Fürsorge mit Zustimmung des Reichstages den Ver hältnissen des Handwerkerstands sich zugewendet hat. Wenn auch nach dem bisherigen Ergebniß der Berathung nicht alle Wünsche und Hoffnungen des Handwerkerstandes erfüllt werden sollen, so wird derselbe doch hoffentlich in den Stand gesetzt, nach Maßgabe seiner eigenen Bereitwilligkeit und seines Eifers für sein Wohl die nothwendigsten Einrich tungen zu treffen, welche geeignet sind, das Gewerbe zu heben und einen Schutz gegen die ihm drohen den Gefahren zu bilden. Wenn die Innungen je denfalls auch über ihren Kreis hinaus Einfluß auf das gewerbliche Leben und namentlich auf die Erziehung der Heranwachsenden lernenden Jugend üben, werden sie für den gesammten Stand heil- und segenbringend sein. Die demselben auferlegten neuen Pflichten sollen im Sinne der Vorlage theils durch neue Rechte, theils durch den Gewinn, welchen das korporative Leben für die Einzelnen mit sich bringt, reichlich ausgewogen werden, und es wird so nach der Absicht der Regierung und Derer, die sie unterstützen, dem Handwerk die Möglichkeit ge geben, sich zu einem lebenskräftigen, gesunden Kör per zu entwickeln, auf welchen die Gesammtheit mit Stolz und Befriedigung blicken kann. "Waldenburg, 28. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Man weiß, daß der Kaiser trotz seines hohen Alters bemüht ist, die Galanterie, die ja mit zu den ritterlichen Pflichten zählt, nie zu vernachlässigen. Bei der Abschiedsvorstellung Rossi's im National- Theater zu Berlin spielte sich nun in der zur Königsloge umgewandelten Prosceniumsloge des ersten Ranges eine kleine reizende Familienscene ab, welche die liebenswürdige Aufmerksamkeit des Kaisers gegenüber den weiblichen Mitgliedern seiner Familie auf das Offenkundigste darthat. Als Kaiser Wilhelm einige Minuten vor Beginn des vierten Actes aus dem „morcauto äi in die Loge trat, hielt er ein prächtiges Bouqet von weißen Rosen in der Hand. Diesen duftigen Strauß über reichte der greise Monarch, indem er sich mit wahr haft jugendlicher Elasticität galant verbeugte, seiner Enkelin, der Erbprinzessin Charlotte von Meiningen mit einigen herzlichen Worten. Die Prinzessin hatte sich erhoben, verneigte sich tief und drückte das Rosenbouquet ehrfurchtsvoll an ihre Lippen. Am 26. d. ist das Protokoll über den Eintritt Hamburgs in den Zollverband durch den preußischen Finanzminister, den Reichsschatzsecretär und die hamburgischen Senatoren Versmann und Oswald, sowie den Ministerpräsidenten Krüger voll zogen worden. Damit wäre die schwierige, so viele große Interessen in sich schließende Angelegenheit den beiderseitig ergangenen Instructionen gemäß zu vollster Verständigung erledigt. Das Abkommen muß jedoch noch vom Hamburger Senat der Bürger schaft zur Ratification vorgelegt werden; darauf werden dem Bundesrathe und schließlich dem Reichs tage bestimmte Vorlagen gemacht werden. Die „N. A. Z." meint, die Verständigung wäre ohne die „plumpe Einmischung" der angeblichen Freunde Hamburgs (Delbrück, Fortschrittspartei) schon früher ereicht worden. Die für die Revision des Genossenschaftsge setzes eingesetzte Reichstags-Commission beantragt, die Anträge Ackermanns, Schulzes und v. Mirbachs der Regierung als Material für die bereits begon nene Revision zu überweisen. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Bekannt machung des preußischen Finanzministers, wonach nicht in den Monaten Januar, Februar und März 1882, sondern in den Monaten Juli, August und September 1881 die Monatsraten sämmtlicher Stufen der Klassen steuer und der fünf untersten Stufen der Einkommensteuer unerhoben bleiben. In Stuttgart ist der vielgenannte socialdemo kratische Agitator Moses Oppenheimer wegen Verbreitung socialistischer Druckschriften verhaftet worden. Er ist der Redacteur des dort erscheinen den „Vaterland" und pflegte in der letzten Zeit alle von der Volkspartei veranstalteten Volksver sammlungen zu besuchen und als Redner dabei auf zutreten. Frankreich. Der Deputirte Lefaure hat einen Gesetzentwurf ! über Versuche einer Mobilisirung eingebracht. Darnach soll jedes Jahr ein Armee-Corps für die großen Manöver mobilisirt und eine Commission von Parlamentsmitgliedern und Militärs beauftragt werden, alle Details der Mobilisirung zu verfolgen. Zwei Tage vor der Manöver-Epoche soll durch das Loos entschieden werden, welches Corps zu mobilifi- ren sei; der Befehl dazu soll dem commandirenden General telegraphisch mitgetheilt werden und die Mobilisirung denselben Tag zu beginnen haben. Dänemark. Der neugewählte Folkething ist am 27. d. zu sammengetreten und hat den Abg. Crabte wieder zum provisorischen Präsidenten gewählt. Rußland. Die Bauern in der Umgegend von Wolciska mißtrauen den Beamten, welche zur Ruhe gegen die Juden auffordern, betrachten dieselben als von Juden bestochen und behaupten, der Zar selbst sei von Juden bestochen, weil er alle christlichen Mörder seines Vaters justificiren ließ und nur die Jüdin Helffmann verschonte. „Golos" vermag auf das Entschiedenste die un sinnigen Pariser Nachrichten bezüglich der Nihilistin Jesse Helffmann zu dementiren. Selbe sei nach wie vor im Gebäude des Unter suchungsgefängnisses an der Ecke der Sacharjewskaja und Litanaja in einer Einzelzelle der weiblichen Abtheilung internirt. Die Zelle sei circa 14 Fuß lang und 8 Fuß breit, besitze ein Bett, einen Stuhl und Tisch und ein Fenster von mattem Glas. Die Helffmann erhalte jeden Tag zwei Mahlzeiten und Thee und promenire täglich im Hofe. Von Fol ter sei nicht die Rede, die Behandlung sei rm Gegen theil human. Den dort Jnternirten sei erlaubt, für eigenes Geld sich Extraverpflegung zu kaufen, selbst etwas Branntwein, und zu rauchen. Afrika. Nachrichten aus Oran zufolge ist die Truppen kolonne des Obersten Jnnocenti in den Nächten vom 19. und 20. d. beunruhigt worden, ohne daß es indeß zu einem Zusammenstoß mit dem Feinde kam. Das Gewehrfeuer hatte kein ernstliches Resultat. Am 21. d. setzte die Kolonne den Marsch nach Chellalah fort. Während des Marsches traf der Caid bei den französischen Truppen ein und erklärte, daß er die Thore der Stadt gegen die In surgenten geschlossen habe. Die Kolonne bezog in der Nähe von Chellalah ein Lager. Etwa 12 Kilo meter davon entfernt wurde ein Lager der Feinde bemerkt. In der Nacht wurden abermals Gewehr schüsse gewechselt. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 28. Mai. Infolge des gestern Nachmittag oberhalbZwickauniedergegangenenwolken- bruchartigen Regens war die Mulde gestern Abend und vergangene Nacht bedeutend angeschwollen, doch ist sie im Laufe des heutigen Tages wieder gefallen. *— Die Maul- und Klauenseuche unter dem Viehbestand des Zimmermannes Friedrich Bauch in Callenberg ist wieder erloschen. — Der L-chuhmachermeister Heinrich Gottlob Schulze in Glauchau feierte am 27. d. sein 50jähriges Bürgerjubiläum. Durch Herrn Stadtrath Röhr wurde ihm ein Beglückwünschungsschreiben des Stadt raths überreicht. — In mehreren Dörfern bei Penig, wie Mühlau, Mittel- und Niederfrohna hat das am 26. d. auf getretene Hagelwetter zahlreiche Fensterscheiben zer trümmert, auch die Feldfrüchte sollen theilweise Schaden gelitten haben. — Der Eisenbahnverkehr zwischen den Stationen