Volltext Seite (XML)
Vom deutsch-französischen Handelsvertrag. Lar Hilssprogramm für die Landwirtschaft. — 7K0 Millionen Pfund jährliche Mstungsgelder. Der Gesetzentwurf in der Kammer. Das Geleilwort -er Regierung. Paris, 24. Jan. In der Hammer ist heute nachmittag »er Gesetzentwurf betresfcnd die Billigung des am 1t!. August M7 Unterzeichneten deutsch-französischen Handelsvertrages urteilt worden. Die Begründung lautet wie folgt: Das kitsch-französische Handelsabkommen stellt vom juristischen oik vom politischen Standpunkt aus das vollkommen st e Instrument dar. das zwei Regierungen seit dem Kriege verwirklicht haben. Vs war in der Tat von Bedeutung, um die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland so fruchtbar wie möglich zu gestalten, daß eine verbesserte Regelung an die Stelle gewisser Bestimmungen des Ver- sailler Vertrages trat, die seit dem 1». Januar 182!» hinfällig geworden waren, und dast diese Regelung von dem Geiste einer für die Entwicklung der zwischen beiden Ländern notwendigen Zusammenarbeit bis ,«r Wiederherstellung normaler Beziehun gen in Europa getragen war. Weil das am 1«. August 1SS7 abgeschlossene Abkommen sich von dieser Auf- stfsung leiten lässt und diese Bemühung verwirklicht, hat die Regierung die feste Hoffnung, daß dieses Abkommen »»« Parlament gebilligt werden wird. Beginn -er Finanzdebatte. Paris, 24. Januar. Die Kammer trat am Dienstag in die Beratung der 15 F t n a n z i n t e r p c l l a t i o n e n ein. Den Reigen der Redner eröffnet«: der sozialistische Depu tierte Bedouce, der die Interpellation über die Ergebnisse »nd Leitgedanken der allgemeinen und besonders der Finanzpolitik der Regierung begründete. Er verwies darauf, das, die Sozialisten an eine Fraiikcustabili- sierung zu einem günstigeren Kursstände geglaubt hätten. Als Ursache der Frankenzcrrüttiing nannte er die falsche Finanz- volitik der Regierung während und nach dem Kriege und wies auch darauf hin, dass man sich mit dem begnemen „Deutsch land wird zahlen" über alle Schwierigkeiten hinweg- geholscn habe. Der Radikalsozialist Lamoureux wies aus die schweren Steuerlasten hin und bezeichnet«: eine baldige Stabi lisierung als notwendig. Francois-Poncet von der republikanisch-demo kratischen Partei verkannte nicht die augenblickliche Wirtschaftskrise, setzte sich aber für die Fortsetzung der Politik PoincarSs ein. Zur Frage der Stabilisierung meinte er. eines Tages würde das Land durch zwei Zeilen in den Zeltnngen davon unterrichtet werden, dass die Stabilisierung durchgeführt sei. Diese Bemerkung rief den Ministerpräsidenten Poincars ans den Plan, der erklärte, es werde eine parlamentarische Beratung stattsindcn, denn die Regierung habe nicht das Recht, die Stabilisierung ohne das Parlament vorzunchmcn. Die Kammer vertagte sich auf Tonnerstag. Spätere Rückforderung -er Düngerkredtte. - Berlin, 24. Januar. Im interfraktionellen Ausschuss wur- dcn die Verhandlungen über die Agrarkrise nachmittags fort gesetzt. Erst wurden Bedenken wegen der Uebernahmc der R en t e n b a n k I ch u l d z i n s e n durch das Reich erörtert. Es wurde daraus hingcwiesen, dass eine solche Massnahme die Kreditwürdigkeit der Landwirtschaft besonders im Ausland in einem zweifelhaften Lichte erscheinen lassen könnte. Die ganze Frage wurde als nicht spruchreif angesehen und dem Finanzmini st erium zur weiteren Prüfung überwiesen. Anschliessend wurde die allgemeine Kredit läge er örtert und fcstgcstellt, dass die Ueberschrcitiing des Kredtt- volumens der Prcussenkasse zn Rückforderungen geführt habe, welche die Genosscnschaftszentralcn und Banken stark be drückten. Zu dieser Einengung der Tätigkeit der Prcusscn- lasse trete noch ihre Belastung durch »0 Millionen der Nenten- bankschuld. Diese belasten sie bei der RcichSbank. Es wird versucht werden, dieses Kontingent von kill Millionen den Preussen- kasscn abzunehmen. Der Nelchsfinanzminifter ist gleichzeitig bereit, den Im vorigen Jahre fälligen Ivll-Millioncn-Dünger» kredit erst z« der Ernte 182« nnb am »1. März 102« in Raten »nrtickznfordcrn. Dadurch würden die Preussenkasscn in den Stand gesetzt, die am 1. Februar und am 1. April fälligen Wcchselratcn nicht znrückznfvrdern. Die vage des AnS- la il b S m a r k t e S wurde als zurzeit » n günstig betrachtet. Es wird gerade hier ein« Besserung erhofft. Dann wurde die Frage erörtert, ob die Begebung von Schatz wechseln zweckmässig wäre, und festgestellt, dass die Für Abkürzung -er Räumungsfrisken. Saucrwcinschc Feststellungen an die falsche Adresse. Mainz, 24. Januar. Sauerwein, der politische Leiter des „Malin", verössentlicht im „Mainzer Anzeiger" einen Aussatz über die politische Stabilisierung Frankreichs. Bei dem Ka pitel „Aussenpolitik" führt er u. a. auS: Was Frankreichs Politik gegenüber dem Völkerbund, die in der Annäherung an Deutschland ihren symbolischen Ausdruck gesunden habe, an lange, so habe Briand cs verstanden, Frankreich durch das Meer der innerenSchwierigkeitcnhindurchzustcuern. Er.Saner- wein, könne versichern, dass im französischen Minister- rat neun Stimmen gegen vier Stimmen sür eine Abkürzung der N ä u m n n g s f r i st c n seien. Diese Hinauszögerung der vom rein militärischen Gesichtspunkt übrigens nutzlosen Besetzung deutschen Gebietes lasse sich ans die Dauer nicht in Einklang bringen mit einer Politik, die darin bestehe, Deutschland bei der Lösung aller grossen europäi schen Fragen heranzuziehen. * Diese Aeussernngen Sancrweins sind immerhin erfreu liche Zeichen sür die wachsende Erkenntnis in Frankreich, dass die militärisch nutzlose Rheinlandbesctzung nicht in Einklang mit der Lvearno-Pvlitik zu bringen ist. Aber was nützt dieses Bekenntnis des „Matin"-Leiters und dessen Feststellung, dass neun Minister sür die Räumung seien, wenn eben diese Mehrheit des Kabinetts nicht die Kraft hat, die vier Gegner zu derselben Ansicht zn bekehren. Derartige Auslassungen sind schon oft zu registrieren gewesen. Jedoch wäre cs besser, sic würden an die richtige Adresse gerichtet, denn ihre Ver- össentlichnng in deutschen Blättern ist praktisch völlig wertlos, oder sollen diese Vcrständigungsscrenadcn die deutsche Oesfeut- lichkcit von den »euestcn lranzösilchen Uebergrissen im be setzten Gebiet ablenken'? Solches Bemühen, Herr Sauerwein, ist nutzlos. Hätte eS nicht grösseren praktischen Wert, wenn Sic mit Ihrer Feder Ihre Landsleute auch von Ihrer im „Mainzer Anzeiger" gcänsscrten Ansicht überzeugen würden, die Sie den Deutschen nicht mehr zu propagieren brauchen. Auch ist mit der Abkürzung der Räumungssristen der Locarno-Politik durchaus nicht Genüge getan. Die Ge sa in t r ä n in u n g der besetzten Gebiete, Herr Sanerwcin, und diese ausserdem so schnell wie nur möglich, würde weit schneller als alle schönen Worte das „vollkommenste Instrument" zur Verwirklichung des deutsch-französischen Ausgleiches sein. Möchte sich die französische Regierung auch nur in ihrer Aussenpolitik gegenüber Deutschland von den gleichen Ge dankengängen leiten lassen, wie sie cs in ihrem Geleitwort zum deutsch-französischen Handelsvertrag getan hat! Wegen Singens des Deutschlandliedes beflrafl. Aachen. 24. Januar. Die bekannte Affäre im Restaurant „Vier Jahreszeiten" lwcgcn Absingens des Deutschlandliedes in Anwesenheit belgischer Ossizicrc wurde das Restaurant von der Bcsatzungsbehörde für achtzehn Tage geschlossen) hatte ein Nachspiel vor dem belgischen Gericht. Der Inhaber des Restaurants wurde wegen dieses Vorfalles zu hundert Mark Geldstrafe oder acht Tagen Gefängnis verurteilt, der Kapellmeister zu zweihundert Mark Geld strafe oder fünfzehn Tagen Gefängnis. 100 Millionen Kre-ll sür Personalschul-en. Nclkhöregierung kn dieser Hinsicht von der Lage des Geld marktes abhängig ist. Schliesslich wird vom Reich beabsichtigt, bis zn 11)0 Millionen als Zwifchcnkrcdtt für die Ucberlcitung der schwebenden Personalschulb in fundierte Kredite auszu- wcrsen. An den Verhandlungen nahmen u. a. der preußische Landwirtschaftsministcr und Vertreter der Prenssenkassen und der Rentcnbankkredttanstalt, dagegen nicht der preußische Finanzministcr teil. 88 Landrvirke lehnen die Steuerzahlungen ab Rostock, 24. Jan. Rach einer Meldung des „Rostocker Anzeiger" haben ««Landwirte ans dem Amte Waren und Umgegend in einem Schreiben an bas Landesfinanzamt Mecklenburg-Lübeck erklärt, dass sie nunmehr, nachdem auch ihre letzten Hoffnungen auf ausreichende Unwettereutschädi- gungen wieder getäuscht seien, nicht mehr in der Lage sind, ihre Landesstcucrn zu zahlen. Sie erklären sich bereit, alle hieraus entstehenden Folgen auf sich zn nehmen. sWTB.) , Zum Gedächtnis beS grossen beutschen Komponisten Franz Schubert veranstalteten der Reichskanzler und Frau Marx in den Räumen des Reichskanzlerhauses ein geselliges Beisammensein, bei dem der Kammersänger Schlus- nus und das Dehmann-Ouartctt Werke von Schubert zum Vortrag brachten. Der Einladung waren die Reichs- und die Staalsmtnistcr, das diplomatische Korps, die Reichsratsbevo». mächtigtcn, die Staatssekretäre der Reichsministerien sowie Vertreter von Wirtschaft. Kunst „nd Wissenschaft mit ihren Damen gefolgt. Der Bannsttahl aus Mag-eburg. „Wen Gott verderben will, den schlägt er mit Blindheit.* Die Päpste von Sozialdemokratie und Reichsbanner im trauten Verein haben sich bemüht, die Wahrheit des alten Wortes ausö neue zu erweisen, als sic sich im Ueberschwang ihres Machtgesühls entschlossen, den Bannstrahl der Republik gegen die Abtrünnigen von der Altsozialistischen Partei nach Dresden zu schleudern. Ihr Urteil ist lehrreich auch für die» die es nicht direkt angcht, und zwar in mehr als einer Hin sicht. Einmal schasst cs nach allzuviel Zweideutigkeiten Klar heit über die wahre Natur jener Organisation, die den Schutz der Republik höchst eigenmächtig in Pacht genommen hat. Denn dank des Umstandes, dass zwei nichtmarxistische Par teien trotz aller schlimmen Erfahrungen immer noch ihren guten Namen hergcben als Aushängeschild für ein Gebilde, das längst zur Parteitruppe für Klasscnkamps und sozia listische Revolution geworden ist, konnte die NcichSbanner- leitung bis jetzt mit einem äusseren Anstrich von Uebcr- parteilichkeit auf den Gimpelfang gehen in den Reihen derer, die bekanntlich nicht alle werde. Der schlagende Beweis für die Identität von Reichsbanner und Sozialdemokratie» der auch dem politisch Blinden die Augen össnen mußte, hat noch gefehlt. In ihrer Verblendung haben ihn die Bonzen von Magdeburg und Berlin mit der Entscheidung gegen die Altsoztalisten selbst geliefert. Um der Klarheit und Wahrheit in unserer Innenpolitik willen können wir uns darüber nur freuen. Das ist keine Schadenfreude, wie die linksradikalc Presse immer unter stellt, wenn aus Stimmen der bürgerlichen Blätter Sym pathie sür das mutige Häuflein der Allsozialisten heraus, klingt: denn wir sehen in diesem Kern einer neuen, viel- leicht zukunftsreichen Bewegung immerhin eine Partei s o z i a l i st i sch c r Prägung, wenn auch mit positiven Bor, zeichcn. Weil sich aber in ihren Kreisen unverkennbar Ideen regen, lebenskräftige Gedanken, die. wenn ihnen der Sieg vergönnt ist, imstande wären, den deutschen Arbeiter bei voller Wahrung seiner Standesintercsscn mit Staat und Nation zu versöhnen, darum hat sie sich den tödlichen Haß der grossen Mutterpartci zugczogen, deren Lebenselement eben die disziplinierte Geistlosigkeit ist. Nachdem alle anderen Mittel zur Vernichtung der A. S. P. sehlgeschlagen waren, haben die besonders forschen sächsischen Radikalen schon seit Jahren den grossen Schlag im Reichsbanner vorbereitet, der die Führer der Altsozialisten durch Aberkennung der Re publikfähigkeit um den letzten Nest proletarischen Kredits in den Augen einer nach Acnsserlichkcitcn urteilenden Masse bringen sollte. Und es ging in diesem zähen Ringen in der Bundeszentralc in Magdeburg, wie es seinerzeit in der Ber, lincr Partcizcntrale bei dem Kampf um den Ausschluss der Drciundzmanzig gegangen war. Erst sperrte sich der Bundes vorstand, weil er gerechtcrwcise nicht anders konnte, als die gut republikanische Gesinnung ber Altsozialisten zu bestätigen, dann wich er Schritt um Schritt zurück vor dem Trommel feuer radikaler Anträge und Drohungen, getreu dem Grund sätze von Wels, dass cs besser sei, mit den Massen zu irren, als gegen sie anzugehen, und schliesslich kam, was in dieser Linie kommen musste: die völlige Kapitulation. Man kann cs ohne weiteres glauben, wenn der „Volks staat" versichert, daß der Bundesvorstand sich nur widerwillig zu diesem Aechtungsbrschluss verstanden habe, und dass eine Art Ultimatum des Berliner Partcivorstandcs den Ausschlag gegeben hat. Dieser Vorgang bestätigte nur die Erkenntnisse, die durch die ungeschickte Begründung des Urtcilsspruches vermittelt werden. Wäre einfach gesagt worden, dass die stark nationalen Tendenzen, insbesondere in der Auffassung der Aussen- und der Reparationspolitik, die mit Nie lisch in die A. S. P. eingczogen sind, mit dem Geist und der politischen Willensrichtung des Reichsbanners nicht vereinbar sind, bann wäre das logisch und unanfechtbar gewesen. Nichts Neues zwar, aber doch eine plausible Erklärung, die die alte Er fahrung bestätigt hätte, dass das, was im französischen Sozia, lismus (Paul Boncour) eine Selbstverständlichkeit ist und was auch zu Bebels Zeiten bei »ns noch denkbar war. näm, lich die bejahende Einstellung zu Staat und Nation, für die heutige deutsche Sozialdemokratie eine Todsünde bedeutet. Aber dieser versteckte Hauptgrund wird nur so nebenbei an» gedeutet und als offizieller Beweis für die antirepublika. nische Gesinnung der A. S. P. die Tatsache aufgcführt, dass sie durch bas Abstretsen ihres UebergangocharakterS und daS Hinausgreifen über den engeren sächsischen Rahmen auf da» Reich in den offenen Kamps gegen die stärkste republi kanische Partei Deutschlands, gegen die Sozialdemo kratie selbst, eingctretcn ist. Also, jetzt ist die Hörsing, katze aus dem Sack, jetzt haben wir'S schwarz aus weiß: die deutsche Republik, so wie sie ihre Schutztruppe, da» Reichsbanner, versteht, ist die Sozialdemokratische Partei; wer gegen sie angcht. der ist ein Feind dieser Republik und der fliegt. Das hat nicht nur Herr Hörsing gesagt — der bat schon grösseren Unsinn von sich gegeben und ist deshalb nicht mehr ernst zu nehmen —, auch seine Kollegen im Wie den Landwirten geholfen werden soll.