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Dienstag, Nr. 86. 2. Aovember 186V. Sächsische DorsMmz Ske»ftadt- Dresden, in der Expedi tion, N.Meißn. Gaffe Rr. S, -u haben. Vretst vintelttjrltch Au bezieh« beuch alle kgl. PoG- Elnffnlt« Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Nedigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers C. Heinrich. Politische Weltscha«. Nachdem Wiener Zeitungen eine offizielle Darlegung der Ereignisse in Dalmatien veröffentlicht haben, von dessen Wieder gabe wir deS großen Umfangs halber absehen müssen, läßt sichj der Stand der Insurrektion etwas genauer beurtheilen. Da es keinem Zweifel unterliegt, daß der Aufstand sich nach Monte negro und der Herzegowina verzweigt, so wird man die jetziger Bewegung geradezu als eine panslavistische bezeichnen können und gewiß dabei nicht fehlgehen, wenn man die zuerst in den Bergen von Cattaro zum Ausbruch gekommene Wiedersetzlichkeit mit der slavisch-nationalen Partei Dalmatiens in Verbindung bringt. Zum näheren Berständniß der, wie eS scheint, sich m die Länge ziehen wollenden Insurrektion dürften folgende Angaben nicht ohne Interesse sein. Auf den unwegsamen Bergen Cattaro's, im südlichsten Kreise Dalmatiens, brach der Aufstand aus, weil hier bei der großen Entfernung sowie dem Straßenmangel und der durch türkischen Besitz unterbrochenen Landesverbindnng sich die meiste Aussicht bot, mit irgend einem Erfolg zu beginnen. Dabei stößt die ganze Westgrenze Montenegro s an die langge streckte Ostseite des österreichischen Kreises Cattaro, während wieder die über 4 Meilen lange Nordwestgrenze desselben mit ihrer ganzen bergischen Front unmittelbar an die Herzegowina sich an lehnt. Der Kreis Ragusa ist zwar auch auf der Landseite ganz und gar von der Herzegowina eingeschlossen, jedoch bildet derselbe nur einen schmalen, blos mit der Küste parallel sich langstrecken den Landstrich, der sich zu insurrektionellen Operationen gar nicht eignet. Gestützt auf das 150 Quadratmeilen große Gebirgsland von Montenegro und auf den etwa 200 Quadratmeilen betra genden südlichen an Montenegro grenzenden Winkel der Herze gowina scheint der Aufstand eine Basis zu haben, die der öster reichischen Regierung gewaltig schwer fallen wird, in kurzer Zeit zu vernichten. Ein politisch wie strategisch abgelegenes, von den eigenen militärischen Hilfsquellen weit entferntes und schwer zu gängliches Gebirgsland bildet hier aller Wahrscheinlichkeit nach einen großen Revolutionskessel. Die Thätigkeit der Insurgenten erstreckt sich zunächst nur auf die Festhaltung der Berge von Cattaro, um hier so lange als möglich der österreichischen Mili tärmacht auf diesem für Truppenbewegungen so äußerst schwierigen Terrain offenen Wiederstand zu leisten. Je länger derselbe durch geführt werden kann, desto mehr vermag all' der insurrektionelle Stoff an andern Stellen des Orients Leben und Gestaltung zu gewinnen. Gelingt es aber endlich den österreichischen Truppen, jene Berge ganz und vollständig von Insurgenten zu säubern, waS bis jetzt nicht der Fall ist, so braucht dies noch nicht das Ende des Aufstandes zu sein. Vielmehr dürfte man immer noch Vorstöße auS der Herzegowina und von den schwarzen Bergen Montenegro s gewärtigen. Und von dem Augenblicke an, wo die österreichischen Truppen in Abwehr derselben über die türkische Grenze rücken, kann eine internationale Frage entstehen, welche die ganze Sachlage mit einem Schlage ändert Wer mag dies heut schon im Voraus bestimmen? Rußland würde höchst wahr scheinlich die Besetzung Montenegro s, die übrigens gewiß auch mit sehr großen Opfer verbunden wäre, ebenso feindlich auffaffen, wie man vor Ausbruch des Krimkrieges im Jahre 1854 das Linunddrcipigstcr Jahrgang. IV. Quartal. Ueberschreiten des Pruth durch die Russen als einen dsM bezeichnete. Wenn daher Wiener Blätter versichern, daß zwischen Oesterreich und der Türkei bereit- ein Abkommen zur Ueberschrei- tung der türkischen Grenze und zur Besetzung Montenegro s durch die Oesterreicher getroffen sei, so ist diese Nachricht wohl nur als ein Wunsch der österreichischen Presse und Bevölkerung zu betrachten, und jedenfalls mit möglichster Vorsicht aufzunehmen. Zur Zeit darf nur als positiv angesehen werden, daß Me südlich der Donau befindlichen disponiblen Truppen Marschordre er halten haben; und doch stehen erst wenige Tausend Mann der Insurrektion gegenüber. Freilich sind die Terrainschwierigkeiten und die großen Entfernungen hier wohl entschuldigend mit in Betracht zu ziehen. Deutschland. Die Kommission zu Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für den norddeutschen Bund hat im vergangenen Monat 17 Plenarsitzung«. abgehalten, in welchen die Berathungen über die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde beendigt worden sind. Gegenwärtig beschäftigt sich die Kommission mit der Lehre von der Nichtigkeitsbeschwerde. — Die vereinigten Ausschüsse des Zollvereins - Bundes - rathes für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Ver kehr treten am 10. d. M. in Berlin zu einer Sitzung zusammen. — Die Ratifikation des Vertrages zwischen Norddeutschland und Baden, die militärische Freizügigkeit betreffend, ist am 25. v. M. erfolgt. Preußen. Das erste Auftreten des neuen Kinanzministers Camphausen im Abgeordnetenhause machte einen günstigen Ein druck. Derselbe erklärte nämlich in der für die Budgetberathung anberaumten Sitzung am 29. Oct.: „Meine Herren! Siewerden es verzeihlich finden, wenn ich nicht schon heute in der Lage bin, Ihnen eine vollständige Darlegung unserer Finanzlage, wie sie sich nach meiner Auffassung gestaltet, zu geben, was in meinem Wunsche gelegen haben würde, und daß ich die Bitte aussprechen muß, in denjenigen Punkten, in welchen die größten Meinungs verschiedenheiten herrschen und in denen der Schwerpunkt der Verhandlungen liegt, nämlich die Feststellung der Höhe des De fizits und der Mittel, das Defizit zu decken, eine entgehende Er örterung erst zu einem späteren Zeitpunkte eintreten zu lassen. Eine allgemeine Andeutung glaube ich mir indeß schon heute ge statten zu können, die Andeutung nämlich, daß es mir als ein dringendes Gebot erscheint, in Bezug auf die Tilgung der preußischen Staatsschulden dem preußischen Staate eine größere, regere Ent wickelung zu ermitteln, ihn in den Stand zu setzen, in guten Jahren größere Summen darauf zu verwenden, in ungünstigeren Jahren kleinere Summen. (Sehr richtig.) Wenn ich den vor liegenden Etat näher betrachte und mir sage, daß er zwar mit einem Defizit von 5,400,000 Thalern abschließt, daß aber derselbe Etat zur Tilgung älterer Staatsschulden die Summe von 8,666,141 Thaler bestimmt und bestimmen mußte, dann bin ich der Ansicht, daß immerhin bei uns ein Voranschlag besteht, um den uns sämmtliche andere Staaten beneiden werden." (Ruf: Sehr gut, links.) — Auf Antrag des Abg. Löwe beschloß daS Haus, nicht eher in die Budgetberathung einzutreten, als bis der Minister im Stande sein werde, sein System vor dem Hause 86