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Donnerstag, den 13. Oktober 1888 57. Jahrgang Bezirks - Anzeiger Aintsblatt der k öniglichen Amtshauptmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrats zu Frankenberg Vermitwortllchcr Redakteur: Ernst Norberg In Frankenberg I. Sa. — Dnuk und Verlag von C. G. Nostberg In Frankenberg I. Sa. * -rsch«t»t 1-gNch nist Musnahme der Sonn-und Festtage, abend» für de» sol- genden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. 50 Ps., monatlich 50 Ps., Einzelnummer bPs. - >erden in uilserer (HeschästÄstelle, von den Boten und Aus gabestelle», sowie allen Postanstalten angcuommc». A»f«r«t-Ke»»tzre»- Einspaltige Pestt-Zeile oder deren Raum lOPs.; im amtlichen Teile pro Zeile NO Pf.; „Eingesandt" uud Reklame unter de« Redakttontstrich 8b Ps. — Komplizierte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis uud Offerten - Annahme werden pro Inserat 25Ps extra berechnet n. «»rvd die «vfte rritnrittt* -es die «rtt»s<s-b-ir. Infevte füv-Leselb-evvttte« «>tV t»I» sixrtefteis* Ssersst«»- «ntttos 12 Ittzv Viv kxpvrvtion 0«v ivgvblvttvv» Bekanntruochung. Unter den Viehbeständen in den Gehöften Lat-Nr. 31 vou Nieverwiefa und Lat.-Rr. 87 vo« Auerswalde ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. Königliche Amtshauptmannschaft Flöha, am 11. Oktober 1898 von Soeben Seidel. Versteigerung. Sonnabend, den IS. Oktober dieses Jahres, sollen Vormittags »/,10 Uhr auf Bahnhof Frankenberg und Nachmittags 2 Uhr auf Bahnhof Hainichen Altschwellen gegen sofortige Baarzahlung öffentlich versteigert werden. Königliche Eisenbahn-Bauinspektion Chemnitz I. Zur Orientreise des deutschen Kaisers. Am heutigen Mittwoch tritt das deutsche Kaiserpaar die Reise nach dem Orient an, die schon darum für den Deutschen von be sonderem Interesse ist, weil eS die weiteste und umfassendste Reise ist, die ein Kaiser des deutschen Reiches und früher ein preußi scher Herrscher jemals gemacht hat. Man muß bis zum Mittel- alter zurückgreifen, um an deutsche Herrscher zu erinnern, die nach dem gelobten Lande gezogen sind. Ist die Kaiserreise für das deutsche, Volk schon aus diesem Grunde von einem besonderen In teresse, so war es beachtenswert, wie auch die Franzosen schon seit vielen Monaten an dieser Reise Anteil nehmen, um so be achtenswerter, als die Franzosen im übrigen von ihrer Dreyfus- Angelegenheit derart in Anspruch genommen sind, daß sie sonst von politischen Ereignissen fast keine "Notiz genommen haben. Aber in der Kaiserreise sehen sie eine Gefährdung der von ihnen noch immer beanspruchten Protektorats über die Katholiken im Orient. Nicht als ob in der Gegenwart diese» Protektorat noch eine vitale Frage für irgend eine Macht und auch für Frankreich sein könnte; aber es schmeichelte der französischen Eitelkeit, daß an der sür das religiöse Empfinden aller monotheistischen Völker geweihtesten Stelle die sranzösische Flagge eine besonders große Rolle spielen sollte, und es verletzte diese Eitelkeit, daß die Reise des deutschen Kaiserpaares etwa zum Ausdruck bringen könnte, daß ein französisches Protektorat über alle Katholiken des Orients nicht besteht. Nun, das wird die Reise des deutschen Kaiser» allerdings zum Ausdruck bringen. Zwar hat auch schon vorher in wiederholten Fällen das deutsche Reich keinen Zweifel gelassen, daß es als selbständiger Großstaat nicht daran denkt und daran denken kann, seine Unterthanen von einer anderen Macht beschützen zu lassen, aber durch die Anwesenheit de» deutschen Herrschers im Orient wird auch äußerlich dargethan, daß die Katholiken deutscher Staatsangehörigkeit ebenso wie alle anderen deutschen Staatsange hörigen eine Stütze haben, die ihnen näher steht, als irgend welches fremde Schutzmittel. Es ist wohl möglich, daß der deutsche Kaiser wäh-end seiner Anwesenheit im heiligen Lande ge legentlich mit Nachdruck darauf hinwcist, daß alle Deutschen unter dem Schutze deS Reiches stehen, dessen höchste Stelle er einnimmt. An einer solchen Aeuherung brauchte sich der Kaiser wahrlich auch nicht etwa durch den Bries des Papstes an den Kardinal Langv- nieux oder durch die Ansprache des Papstes an französische Pilger hindern zu lassen. Dem Kaiser und dem Staate, was des Kaisers und des StaatcS ist, dem Papste, was des Papstes ist! DeS Kaisers und deS Staates aber ist e» festzustellen, welchen Schutz sie über die Angehörigen de- eigenen Volker haben. Soweit über die Grenzen diese» Schutze» ein Zweifel obwalten kann, ist freilich eine Verständigung mit der Regierung de» fremden Staate», in welchem die deutschen Staatsangehörigen leben, erforderlich. Eine dritte Macht aber hat nicht da» Recht der Einmischung. Es wird deshalb von den weitesten Kreisen de» deutschen Volke» begrüßt werden, wenn der Kaiser bei seiner Anwesenheit im heiligen Lande ein Wort spricht, durch das ein für allemal außer allem Zweifel gestellt wird, daß die deutschen Staatsangehörigen unter seinem, d. h. unter des deutschen Reiches Schutz stehen. Ein solches Wort würde zugleich eine durchaus erwünschte Abwehr päpstlicher Anmaßung sein. Ein Protektorat Frankreichs wäre nicht an gängig, um der Selbstachtung Deutschland» willen, um de» sehr wünschenswerten und erforderlichen Respekte» Frankreichs vor Deutschland willen und um de» .Ansehen» Deutschlands bei der türkischen Regierung willen. Es ist bekannt, daß Deutschland in der Türkei sich hohen Ansehens und großer Beliebtheit bei der Regierung sowohl, wie bei der Bevölkerung erfreut. Deutschland hat sich stets und un veränderlich als aufrichtiger und wohlwollender Freund der Türkei bewährt, sehr im Gegensätze zu England, dessen Verhalten der Türkei gegenüber teil» von den wechselnden Ministerien, teils von der Stellung auf dem politischen Schachbrette, auf dem die Türkei für England nur eine Figur darstellt, abhing. Die Beliebtheit Deutschlands im Orient wird sicherlich durch die Reise de» Kaiser- erheblich gesteigert werden. Die Reise de» deutschen Herrscher- paares geht mit großem Glanze vor sich und der Türke läßt sich, wie überhaupt der Orientale, durch äußeren Glanz ganz außer ordentlich einnehmen. In dieser Bemerkung soll natürlich nicht der mindeste Vorwurf für die Art der Veranstaltung der Reise liegen. Die Fähigkeit, nach außen hin repräsentieren zu können, ist stet» und unter allen Umständen eine durchaus wünschenswerte Eigenschaft eine» Herrschers, sie ist es ganz besonders, wenn sie sich, wie hier, praktisch nützlich zeigen kann. Ganz zweifellos wird durch die Kaiserreise die Vorstellung, welche die Türken von dem mächtigen deutschen Reiche haben, noch gesteigert werden. Die» kann für Deutschland- nicht nur politisch vorteilhaft sein, sondern auch von Wert hinsichtlich der deutschen Handelsbeziehungen. So ist zu hoffen, daß die Reise des deutschen Kaiserpaaret dem Ansehen und der Stellung deS deutschen Reiche» förderlich sich erweisen wird. Deshalb sieht da» deutsche Volk sein Kaiser paar mit besten Wünschen, besten Hoffnungen und frohester Stim mung in die Ferne ziehen und eS läßt sich diese Stimmung auch nicht dadurch verderben, daß von anderer Seite die Reist mit scheelen Augen betrachtet wird. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 12. Oktober 18S8. -j- Für die Dienstag, den 18. Oktober b., von vormittag» */,1O Uhr an im VerhandlungSsaale der königlichen Amtrhaupt- mannschaft Flöha stattfindende öffentliche Sitzung deS Bezirksaus schusses ist folgende Tagesordnung festgesetzt worden: Erlaß einer Bekanntmachung, di« Einführung von Trillerpfeifen feiten» der Fuhrwerksfahrer zum Zwecke de» ZeichengebenS beim Ausweichen betr. — Die Geschäftszeit für den Verkauf von Brot und wei ßer Backware — ausschließlich der Konditorriwaren — an Sonn- und Festtagen betr. — Die Neuwahl von Einkommensteuern», schätzungr-Kommission-mitgliedern auf 1899/1900 betr. — Die Wahl der Mitglieder der Körkommission betr. — Die anderweiten diesjährigen Wegebauunterstützungen aus Staatsmitteln betr. — Das Eisenbahnprojekt Chemnitz-Zschopau-Marienberg und Flöha- Schellenberg betr. — Gesuch der Gemeinden Einsiedel rc. um Befürwortung der Genehmigung zur Vomahme der generellen Vorarbeiten für das Eisenbahnprojekt Einfiedel-Gelenau betr. — Dankschreiben de» AusstellungSausschusse» deS Obstbauverein» in Borstendorf für die verwilligten Preise betr. und der Gemeinde Merzdorf sür die aus Staatsmitteln gewährt« Wegebauunter- stützung betr. — Nachtrag zum Ortsstatut für Hartha betr. — Das Anlagenregulativ für Kirchbach betr. — Erhöhung der Hunde steuer in Falkenau betr. — Gesuch der Gemeindekrankenverfiche- rung in Kirchbach um Gewährung einer Unterstützung aus Be zirksmitteln betr. — Dismembration der Grundstücke Folium 48 sür Dittersdorf, 97 sür Dittersdorf und 59 für ErdmannSdorf betr. — Gesuche Geilers in Grünhainichen um Konzession zum Betriebe der vollen Schankgerechtigkeit und Franke» in Waldkir chen um Konzession zum Bier- und Branntweinschank. — Am Montag früh kurz vor 8 Uhr entstand in dem Feuerwerks-Laboratorium von Hermann Fickenscher in Waldheim In der Krandung des Lebens. Roman von I. von Werth. 10. Fortsetzung. — (Nachdruck verboten.) Während dessen saß Harald in seinem Arbeitszimmer vor dem Schreibtisch. Er hatte ein Fach desselben hcrauSgezogen und war beschäftigt, seine Privat-Korr«spondenz zu ordnen. Ein Brief und ein Blatt nach dem andern wanderte nach flüchtiger Durchsicht in den Papierkorb. Da kam ihm ein zerknitterter Bogen in die Hand. Es war der Brief, den Benno ihm am Tage seiner Ver lobung geschrieben. Er überflog noch einmal flüchtig die Zeilen und sagte gedankenvoll: „Ich glaube, sie ist ihm doch lieb ge worden. Eine» Tages werden ihm die Augen ausgehen und er wird sehen, daß sein Herz sich ganz ihr zu eigen gegeben. Ich glaube richtig gehört zu haben, daß er schon jetzt bisweilen, viel- leicht ihm selbst unbewußt, in wahlhast zärtlichem Tone zu ihr spricht — wenn dies nicht auch Komödie ist." Der Amtmann kam und Harald warf auch diesen Brief in den Papierkorb zu den anderen, um mit dem wettergebräunten Alten eine lang« Besprechung zu halten über die zweckmäßigste Fruchtfolge sür einige neuerworbenc Aecker, die lange brach ge legen. Kaum hatten sie sich dahin geeinigt, daß der Boden sich am besten eigene, mit Weizen, aus einigen weniger fetten Stellen mit Roggen zu beginnen, als Professor Gröner eintrat. „Ich will Sie nicht stören, Kohden", sagte er, „und höre schon ein Weilchen zu. Ich habe dabei Z«it, mich abzukühlen. E» ist heiß heut«. Aber sagen Sie, weshalb haben Eie die Pappeln zu beiden Seiten der Chaussee dermaßen malträtieren lasten? Wahrhaftig, e» sind ja kaum noch ein Büschel Zweige am Wipfel stehen geblieben. Schön sieht da» nicht au», darauf können Sie sich verlassen, und von Schatten ist keine Rede mehr." „Ja, Doktor," lachte Harald, „die Zweige waren mir eben anderswo nützlicher, al» auf den Stämmen an der Chaussee. In ein bis zwei Jahren denke ich die Bäume ganz herunterschlagen zu lassen — sie geben die schönsten Dachsparren — und junge Stämme anzupflanzen. — Doch, Doktor, wissen Eie auch, daß die Freiin von Stein vor einigen Stunden zu Ihnen nach der Stadt gefahren ist? Fräulein Ternoff ist im Garten bei Heloise, von ihr hörte ich «»." „Nein", erwiderte der Doktor und fuhr sich mit dem Taschen tuch über den kahlen Scheitel. „Ich komme jetzt von Borndorf und wollte Ihnen doch mitteilen, daß Ihr« Frau Mutter sich wieder vollständig wohl befindet. Ich hab^ auch den Samen mitgebracht, den ich neulich Ihrer Frau Gemahlin versprochen." Harald wollte Heloise benachrichtigen lassen, doch Doktor Gröner fuhr fort: „Stören Sie die Damen nicht. Ich muß ja gleich wieder fort, um die Freiin noch bei meiner Frau zu treffen." Dabei zog er zwei klein« Schachteln au» der Tasche und reichte sie Harald. „Dieser Samen hier ist von der Baumwollenstaude, sie soll eine sehr schöne Blüte haben. Ich habe meinen Jungen auch ein wenig versprochen. Eie gestatten, daß ich eine Probe davon herausnehme? Nein, nicht so viel. ES wird doch nicht» daraus. Die Schlingel sehen alle Tage dreimal nach, ob die Wurzeln noch nicht ansetzen." Harald reichte dem Profeffor ein Blatt Papier, um den Samen einzuwickrln, der aber hatte bereits eins aus dem Papierkorb ge nommen und sagte: „Ich danke sehr, die» reicht aus." Dann griff er nach seinem Hut. „Empfehlen Sie mich den Damen, lieber Kahden. Ich muß eilen, um die Freiin noch zu sehen." * * * Am nächsten Nachmittage um dieselbe Zeit stand Rose neben ihrem Bräutigam auf der Freitreppe. Benno hatte sich bereit» von der Freiin verabschiedet. Eie war dann in den Garten ge gangen, um dem Brautpaar noch ein paar Minuten de« Allein ¬ sein» zu gönnen, bi» da» Pferd des Baron» vorgeführt wurde' Es galt heute, für fünf oder sechs Tage Abschied zu nehmen. „Wirst Du auch bisweilen an mich denken in der Residenz?" fragte Benno. „Nein, bewahre", lachte Rose dagegen. „Du weißt ja, ich habe ein erschrecklich schlechte- Gedächtnis. Wie könnte ich da noch nach fünf Tagen an Dich denken! Aber mache nur nicht gleich ein solch böse- Gesicht! Ich habe Nanny befohlen, da« Bild des Herrn Baron» mit in den Koffer zu legen. Vielleicht fällt mir bei seinem Anblick gar manches wieder ein." Dann von dem mutwilligen Lachen in Ernst übergehend, fuhr sie bittend fort: „Benno, das mußt Du mir noch versprechen, daß Du den bösen Braunen nicht wieder reitest. Denke nur, wa» für ein schreckliches Unglück das heute hätte werden können, wenn Dir der Stallknecht nicht mit seiner Riesenstärke zu Hilf« gekommen wäre. Ich würde während unserer Abwesenheit keinen ruhigen Augenblick haben, wenn Du mir nicht versprichst, den Tom nicht wieder zu besteigen." „Nun, ja, ja, laß doch nur gut sein", wehrte Bruno, aber Rose lehnte ihr Köpfchen an scin« Schulter und bat mit einem innigen Blick: „Nicht so, Benno, Du mußt e» mir ernstlich ver sprechen. Und dann thuc mir noch den einen Gefallen und reite auch jetzt nicht auf dem Tom nach Rottenau hinüber, ich ängstige mich so sehr. Ich will Dir den Kastor satteln lassen, den schönen Schimmel, den Du mir geschenkt. Der Stallknecht mag Dir morgen den Tom nach Rottenau bringen. Der bändigt da» Ti«r schon." „N«in, Rose, da« geht nicht. Da« hieß« ja mich lächrrlich machen vor der Dienerschaft", erwiderte drr junge Mann unwillig. Als sie dann doch noch einmal leise bat: „Benno, thue e« zu meiner Beruhigung, ich bitte Dich", da schüttelte er fast heftig ihre Hand von seinem Arm und sagte kurz. „Sei nicht kindisch, Rose. Ich sage Dir, e» geht nicht. Dort bringt Johann b«reit»