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Dresdner Journal : 20.06.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189006201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900620
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900620
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-06
- Tag 1890-06-20
-
Monat
1890-06
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 20.06.1890
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140. Freitag, den 20 Juni, abends. 1890. kür Vrviäsu ^lertslzLürlivk 2 N»rk 50 kS , d«i a»o 6«utx!t>»l> ?o«t»o»t»1t«o jLUrUeU S It»r>r, »u»erU«Ud Uv» äent»cU«v L«oU«» ko«t- voll LlempelrusetU»^ t»m»a. Lü»r«j»» Hummern: 10 kt. xu»uuaiUuur»»«da>>r«u« kür ävu Luum einer 2eil« kleiner KoUrik 2V kt. vnter „kingseenat" Ui» 2«il« SV kk. Loi L^deUen- uoU 2iNero»ut» vntepr. Lreckeluen: m^Uel» mit ^uinukms der 8o»n- u. keiertuK« »denä». kornepreeU-^neediu«: Ur. 1LSK. DresduerÄMrnal. Für di« GesamUettung verantwortlich r ^ofrat Dtto Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. ^nneUm« eo» LokNnalxunUen »uenLrle« I^tPetg: Fr Dranktetetter, LonunieeiouLr 6v» Oreräoer Fournell; Lemdure LerU» Vteu N«Ip»!x >»»«I-Sr„I»u »reukl«»« ». H.! I/oa»e»i«te,n <O Vo§k«r,' L«rUn-Vt»o -L»»durU- Vre» l^tpetG -rrenktuir ». ». »enoLeu: Lu«i. ?»rt, t^üa«» LerU» »r»ktaN ». N : Daut« F (.'o , >«rU»: ^nrai,cie«tia«^, Lre^eu: Lm«i Laixrtk,' Leunoeer: <7. Sc^ü«ier, L»N« ». ».: Larct <« 6o. Neruuexeder» X0nixl. Lrpeäition 6e, vreeUoer Jouruel». vlSeUen, ^«in^eretr. 2V. kerneprvcU--tneoUIuie: Ur. 1285. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Briefträger Karl Heinrich Lorenz in Leipzig das Allgemeine Ehrenzeichen Allergnädigst zu verleihen geruht. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wach richten. Triest, 20. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ) Die Eeebehörde ordnete an, daß alle Provenienzen au- sämtlichen spanischen Häfen vom 16. Juni ab ärztlicher Untersuchung unterliegen sollen. Valencia, 20. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Gestern find in Puebla de Rugat nur zwei Todes fälle und zwei verdächtige Erkrankungen vorge kommen. Benigramim, 20.Juni. (Tel.d.DreSdn.Journ.) Eine Kommission deS GesundheitSrateS von Madrid ist hier angekommen. Lie Kommission erklärte, eS handle sich um Cholera, die Krankheit sei aber lokalisiert. Dresden, 20. Juni. Bosnien und Herzogewina. Über die Genesis deS letzten russisch-türkischen Krieges sind schon lange die Akten geschlossen. Zur Unzeit in Umlauf gesetzte, überschwengliche Berichte über türkische Greuel m Bulgarien, über namenlose Leiden und Bedrückungen der zum Verzweiflungskampfe ge triebenen Bulgaren —, Berichte, deren Glaubwürdig keit nicht im wirklichen Thatbestande, sondern in der aufgeregten Phantasie der politischen Kreise in Rußland ihren Rückhalt gefunden, erwiesen sich als die ent scheidenden Gründe zu einem Kriege, den unternommen zu haben heute jedermann in Rußland aufrichtig be reut. Diese leider zu spät zur Geltung gekommene Ernüchterung trat daselbst nicht schon mit der Erkennt nis der mit den hochgespannten Erwartungen und den gebrachten großen Opfern nicht gleichen Schritt hal tenden Ergebnisse des Krieges ein, sondern erst nach dem die russischen Politiker auf Grund ruhiger, un befangener Prüfung der Vorgeschichte dieses Krieges zu der Überzeugung gekommen sind, daß die russische Nation, indem sie h^dherzig „in den Kreuzzug gegen die UngÜWbigen zur Befreiung der von ihnen hart be drängten Christenheit" auSzog, in vieler Beziehung jenen berühmten spanischen Romanhelden nachgeahmt hatte, der m gutem Glauben auf die Wahrhaftigkeit der gedruckten Rittergeschichten in den Kampf gegen die Verfolger der Frauenunschuld aufbrach. Daß die damalige Lage der Bulgaren ebenso „schrecklich und unerträglich" war, wie groß die Leiden und Ver folgungen waren, die die Burgfräuleins zu Zeiten des Don Quixote von feiten der bösen Ritter zu erleiden hatten, erhellt aus den Berichten, die unter dem un mittelbaren Eindrücke des Erlebten von den an jenem Krieg Beteiligten niedergeschrieben, von der Lage der Dinge in Bulgarien vor dem Kriege ein Bild ge zeichnet haben, das die die russische Nation zu jenem Kreuzzuge aufreizenden Schilderungen fast auf ihrer ganzen Linie Lügen strafen. Um nur auf einen von den Kronzeugen der Zwecklosigkeit jenes furcht baren Krieges hinzuweffen, sei der Aufzeichnungen erwähnt, die ein höherer Offizier aus dem russi schen Generalstade im letzten Dezemberhefte des „Historischen Boten" (HistoncLegKz's Vjest^ik 1889, 12. Band Herausgeber: A. Snvoryn — der Eigen tümer des NvvHv Wremja) veröffentlicht hat. Nach seinen Worten erwies sich Bulgarien nach dem Über schreiten der Donan durch die russische Armee — als das wahrhaftige Schlaraffenland In demselben Feuilleton. Die wilde Rose. Liue ErzShlung. «1 (Fortsetzung.) Nach kurzer Beratung sprachen die Geschworenen daS Schuldig aus, der Staatsanwalt beantragte zehn Jahre Zuchthaus Der Verteidiger Zachinskys konnte gegen diesen Antrag wenig auSrichten, eS lagen gegen den Angeklagten zu viele Verbrechen vor. Neben der Unterschlagung des Testaments waren ihm noch viel fache Fälle des Mißbrauchs des übertragenen Ver- trauensamte- als Vormund, sowie Unterschlagung von Mündelgeldern nachgewiesen. So zog sich denn der Gerichtshof zur Beratung zurück und verkündete nach kurzer Abwesenheit das dem Anttag des Staatsanwalts gemäß auf zehn Jahre Zuchthaus lautende Erkennt nis. Der Verurteilte verzog keine Miene bei der Verkündigung deS Urteils, er schien vollständig ge brochen und folgte teilnahmslos dem Gefängniswärter. Schon waren sie der Thür nahe, da stand plötzlich wie aus der Erde gestiegen eine Gestalt vor ihm, die ihm auch sonst schon das Gewissen schlagen gemacht, so oft er sie erblicken mußte. In diesem Moment jedoch erwachten alle Leidenschaften menschlicher Bos heit m ihm, er wollte sich auf sie stürzen, und eS be durfte der ganzen Kraft seines Aufsehers, daß er nicht noch ein neues Verbrechen beging. Er wurde über wältigt und abgeführt, während die blonde Else, welche die Veranlassung gegeben, daß ihn der Lohn seiner Bulgarien, wo nach" den seinerzeitigen russischen Zeitungsberichten die türkischen Behörden und Baschi- duzuks vor ihrem Abzüge alle Vorräte und Nahrungs mittel entweder mit sich nahmen oder der Vernichtung preisgaben, gab es Ueberfluß an allem und nirgends bemerkte man die Spuren etwaiger Gewaltthaten. Der Verfasser läßt seine Lobhymnen in folgendem außerordentlich wirksamen Motiv ausklinaen: „Der ärmste Bauer in Bulgarien ist unvergleichlich wohl habender als der reichste Bauer in Rußland" Wir haben zu dieser Episode aus der neuesten Weltge schichte zurückgegriffen, um ein historisches Schlaglicht auf jenes Treiben der panslawistischen Presse zu werfen, dem in den letzten Jahren der berüchtigte politische Wetter winkel — Bosnien und Herzegowina — zur Arena der Anschläge gegen den europäischen Frieden dient. Ein Teil der russischen Presse hat eS sich zur Lebens aufgabe steinacht, in diesen beiden Ländern um jeden Preis Dinge zu entdecken, die sie nach der üblichen publizistischen Verarbeitung zu Zwecken der Verhetzung der öffentlichen Meinung gegen Oesterreich-Ungarn und gegen die Friedensliga auf den Markt bringt. Schon zur Zeit der Bekämpfung des bosnischen Aufstandes durch die Occupationstruppen hatte jene Presse ganz unverfroren die Partei der mohammedanischen Rebellen ergriffen und ihren Widerstand gegen die Besetzung des Landes, die doch mit Rußlands Einwilligung er folgt war, in jeglicher Weise pattonisiert, wobei sie ganz außer acht gelassen hatte, daß die Besetzung dieser beiden Länder der Schlußakt des großen, von Rußland selbst inscenierten Dramas der Befreiung der Christen von der türkischen Herrschaft war. Die pan slawistische Presse begünstigte demnach eine Aktion, die Oesterreich-Ungarn an der Gleichstellung der Christen mit ihren ehemaligen Bedrückern behindern sollte, und hatte mit schlecht verhaltenem Ingrimm den ungünstigen AuS- bang des bosnischen Aufstandes sich zu Gemüte gezogen, um jedoch alsdann sofort wieder — den Umständen ge mäß umzusatteln. Die aufständischen Beys haben im panslawistischen Dienste ihre Schuldigkeit gethan, und konnten hierauf — ihrer Wege gehen. Die pan slawistische Presse, nachdem sie bis dahin die Heldenthaten des Hadschi Oalu besungen, hatte nun mehr nur Augen und Ohren für die angeblichen Leiden der Glaubensbrüder in Bosnien und Herzegowina. Mit Leichtigkeit und Schnelligkeit genialer Entdecker wußte sie „Beweise" zu erbringen, daß die Lande-ver- waltung einerseits die mohammedanischen Beys auf Kosten der orthodoxe» Christen auf jegliche Weise be günstige, andererseits die serbische Bevölkerung durch unerhörte Steuerlasten und Frohnarbeiten bedrücke, nnd zum Überfluß mit allen denkbaren Mitteln ger manisiere und magyarisiere. Seit dieser Zeit bildeten diese „Leiden" der bos nischen Christen das stehende Thema der gegen Öster reich-Ungarn und dessen Verbündete gerichteten An griffe der panslawistischen Presse. Alles, was die österreichische Regierung zu Zwecken der Wiederher stellung geordneter Verwaltung und der Hebung der Aktivität jener Länder unternommen, wurde in den Spalten derselben als Attentate auf die heiligen Rechte des bosnischen Volkes und Verletzungen des Völkerrechtes agnostiziert und als Hehmaterial in Gang gebracht. Mit unvergleichlicher Kunst der tendenziösen Färbung und Entstellung der Thatsachen brachte sie es im Laufe von einigen Jahren dahin, daß man sich in Rußland allgemein an den Glauben an anormale Zustände in den occupierten Ländern gewöhnt hatte und sich Osterreich-Ungarn gegenüber in eine Stim mung hineinhctzen ließ, die seither die Quelle fort währender Beunruhigung aller Friedensfreunde bildet. So kam es, daß fortan alle wie immer gearteten Wechselfälle der Balkanpolitik, soweit sie nach der An sicht der Panslawisten nicht in den Rahmen der russi ¬ schen Interessen paßten, aus Rechnung der habsbur gischen Monarchie in erster, und der Friedensliga mächte in zweiter Linie gesetzt und die Erbitte rung der Gemüter in Rußland in dem entsprechen den Maße gegen dieselben hervorgerufin wurde. Der Philippoprler Putsch, die Zurückverufung des gestürzten BattenbergerS. die Wahl des koburgischen Prinzen zum Fürsten von Bulgarien, die Anlehnung der Milan- schen Politik an die Friedensliga, die zeitweilig ober handnehmenden antirussischen Strömungen in Rumä nien — alle- daS war nach den Beteuerungen der panslawistischen Presse das Werk „österreichischer In- triguen" und der Rußland feindlichen Politik der Fnedensliga. Kurz — die panslawistische Presse nützte alles aus, was auch immer auf der Balkanhalbinsel geschah, um das russische Volk, wie ehemals durch die Vorspiegelung „bulgarischer Greuel" gegen die Türkei, so jetzt durch die gewagtesten Verdrehungen der That sachen gegen Österreich und den Dreibund zu haran- mileren. Daß sie dabei oft ihre angebliche Fürsorge für daS Wohl der stamm- und glaubens verwandten Balkanvölker Lügen straft, das nimmt niemand Wunder. So hatte vor nicht langer Zeit ein polnisches Blatt die Nachricht gebracht, in Wien gehe man mit der Absicht um, in den occupierten Ländern eine Art Selbst gouvernement mit Landesvertretung ins Leben zu rufen. Diese Nachricht erwies sich nachher als verfrüht, ver fehlte jedoch nicht, die russische Presse zur Stellung nahme zu dieser Eventualität zu veranlassen. Statt nun die Nachricht von der beabsichtigten Gründung einer Landesverfassung, die der angeblichen Vergewal tigung der bosnischen Bevölkerung durch die Landes« Verwaltung ein Ziel setzen würde, als eine Wohlthat für die „bedrückten Brüder" zu begrüßen, beeilten sich die leitenden Organe der öffentlichen Meinung in Rußland — und allen voran „Nowoje Wremja" — einen geharnischten Protest gegen diesen neuen An schlag Oesterreichs gegdn die occupierten Länder ein zulegen. Man erblickte hierin den ersten Schritt der österreichischen Diplomatie zur endgiltigen Einverleibung dieser Länder in die habsburgische Monarchie, was nach dem politischen Glaubensbekenntnis der russischen Panslawisten dem politischen Untergange, der Denatio nalisierung der bosnischen Serben gleichkäme. Als ob die Landesverfassung nicht auch ebenso gut wie alle von der österreichischen Regierung in Bosnien und Herzegowina begründeten Institutionen den proviso rischen Charakter tragen könnte? Ob nun in den maßgebenden Kreisen in Wien der Gedanke an die Einführung konstitutioneller Formen in den genannten Ländern thatsächlich erwogen wurde oder nicht, wollen wir keiner Prüfung unterziehen, aber seststellen müssen wir, daß die russische Presse bei dieser Gelegenheit den Beweis geliefert hatte, daß eS ihr gar nicht um daS wahre Wohl der Balkan völker, für die unaufhörlich besorgt zu sein sie sich den Anschein giebt, sondern ausschließlich nur um die Verhetzung der Gemüter gegen Osterreich-Ungarn zu thun ist. Einen weiteren Beweis nach dieser Richtung bietet der Umstand, daß die panslawistische Presse es bisher sorgfältigst vermieden hatte, das den Delega tionen vorgelegte Landesbudget der occupierten Pro vinzen irgend einer Beachtung zu würdigen. Hier hätte sie eine Gelegenheit, sich für das Wohl der „stammverwandten Brüder" ins Zeug zu legen, falls denselben in der That irgend ein im Landeshaushalt zum Vorschein gekommenes Unrecht ge schähe. Offenbar haben die panslawistischen Politiker aus der Finanz- gebahrung der Landesverwaltung ersehen, daß auf diesem Felde für ihre Wühlereien der Weizen nicht blüht. . . . Doch — wie beklagenswert die seitheribe Wühl arbeit der panslawistischen Presse ist, Gras Kalnoky und sein Kollege, der Kriegsminister, hätten alle Ursache, ihr dank zu wissen, wenn es ihnen nur darum zu thun wäre, die Militärkredite ohne Schwierigkeit von den Delegationen bewilligt zu erhalten. Gewiß giebt es weder in Deutschland noch in Italien einen nur einigermaßen seinen Pflichten gegen daS eigene Vater land sich bewußten Volksvertreter, der nicht seine Stimme für die Notwendigkeit unbedingter Sicher stellung seines Staates gegen äußere Gefahren erheben würde, und doch ist eS nun der österreichisch ungarische» Reichsregierung vergönnt, ihre diesbezüglichen Forder ungen von den genannten VerttetungSkörpern ein» stimmib genehmigt zu sehen. Einige Stichproben panslawistischer Preßlefftungen genügen, um in den beiden Delegationen die Einmütigkeit bezüglich der äußeren Politik de» Donaustaates herzustellen. . . . Tages geschichte. * Berlin, 19. Juni. Se. Majestät der Kaiser trat mit Ihrer Majestät der Kaiserin von Station Wildpark aus die Reise nach Wernigerode an, wo selbst den Majestäten ein begeisterter Festempfang zu teil wurde. Der regierende Graf und die Gräfin Stolberg-Wernigerode und die Spitzen der Behörden hatten sich zur Begrüßung des erlauchten Paares ein gefunden. Vom Bahnhof fuhren Ihre Majestäten mit den gräflichen Herrschaften durch die festlich geschmückten Straßen nach dem Christianenthale, um der Enthüllung des Denkmals weiland Sr. Majestät Kaiser Wilhelm I. beizuwohnen. Nachdem Hr. Oberforstmeister Müller eine Ansprache gehalten hatte, fiel auf ein Zeichen des Architekten, Baurat Mcssow, die Hülle des Denk mals, worauf Konsistorialrat l)r. Renner die Festrede hielt. Dann besichtigten die Majestäten daS Denk mal, während der Sängerchor den 100. Psalm an stimmte. Nach Schluß der Feier brachte der regierende Graf ein Hoch auf Ihre Majestäten aus, welches von dem zahlreichen Publikum begeistert ausgenommen wurde. Der Kaiser dankte dem Grafen in warmer Weise und trat dann mit Ihrer Majestät, den gräf lichen Herrschaften und dem Gefolge den Rückweg nach dem Schlosse an, woselbst später eine größere Mittagstafel stattfand. Nachmittags unternahmen die Majestäten einen Ausflug. — Die Kaiserin verläßt abends gegen 9 Uhr Wernigerode. Se. Majestät be- giebt sich von Wernigerode aus heute abend 11 Uhr mittels Sonderzuges nach Essen, um daselbst dem Geheimen Kommerzienrat Krupp in dessen Etablisse ments einen mehrstündigen Besuch abzustatten. — In der am 18. d. Mts abgehaltenen Plenar sitzung deS Bundesrats machte der Reichskanzler, General der Infanterie v. Caprivi Mitteilung über da» zwischen der deutschen und der englischen Reaierung wegen Abgrenzung ihrer beiderseitigen Interessensphären in Afrika getroffene Übereinkommen. Der Reichskanzler übertrug hierauf wegen eingetretener eigener Behinderung den Vorsitz dem Vizepräsidenten des Staatsministeriums v. Bötticher. Derselbe legte eine Übersicht der Ergebnisse des Heeresergänzungsgeschäfts für daS Jahr 1889, sowie eine weitere Sammlung von Aktenstücken über Samoa vor. Ein Schreiben des Präsidenten deS Reichstags, be treffend die Resolution des letzteren wegen Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die Entscheidung von Rechts fragen in Zollsachen, und die Vorlage, betreffend die Dechargierung der Rechnungen der Kasse des Rech nungshofes für 1887/88 und 1888/89 wurden nach dem Vorschläge des Vorsitzenden, ersteres den Aus schüssen für Zoll- und Steuerwesen und für Justiz wesen, letztere dem Ausschüsse für Rechnungswesen zur Vorberatung überwiesen. Dem Anttage des Reichs kanzlers wegen Ausprägung von Kronen, dem Anträge der Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen, betreffend die Neubemessung der Branntwein-Kontingentmengen, und Thaten ereilte, ihm mit starren Augen nachblickte. Ob sie Genugthuung empfand, so an dem Zerstörer ihres LebensHlückes gerächt worden zu sein, ob durch alles Elend ihres Gemütes ein Funke von Mitleid für den Verbrecher leuchtete? Am Arm ihres nunmehrigen Vormundes Hans ver ließ auch Regina bald den Saal, und die Zuschauer, die so lange in größter Teilnahme und Aufmerksam keit ihren Platz behauptet hatten, bildeten förmlich Spalier zu beiden Seiten des Ausganges, um Vor mund und Mündel recht in der Nähe an sich vorüber gehen zu lassen. Zwei Tage nach der Gerichtsverhandlung, die seit Monaten die Menschen in Spannung erhalten und nun zu allgemeiner Zufriedenheit beendet war, sitzt Regina am Fenster ihres ehemaligen kleinen Zimmers im Hause der Vorstadt mit gesenktem Köpfchen, einer kranken Blume gleich, der man Sonne und Licht ent zogen. Sie hatte das Zimmer gleich am Tage ihrer Rückkehr bezogen, von der Hoffnung beseelt, hier in dem altbekannten kleinen traulichen Raum mit den trauten Gebenständen, umgeben von den lieben Ge sichtern, die alte Heimat wieder so lieb zu gewinnen, wie in den Tagen ihrer Kindheit. Hier hoffte sie das Gefühl der Ode zu verlieren, das sie seit ihrer Ab reise von Calcutta beherrschte. Ihre Hoffnung hatte sich bis jetzt als eitel bewährt, sie konnte die Empfindung nicht bannen, welche sie wähnen ließ, einsam und ver lassen zu sein, trotzdem Hunderte fröhlicher Menschen sie umgaben. Wenn sie die Passagiere ans dem Schiffe laut ihre Freude darüber aussprechen hörte, daß sie sich auf dem Wege zu ihrer Heimat befänden, so konnte sie diese Leute zornig anblicken — denn wo war ihre Heimat? Da wo ihre Wiege gestanden, oder da wo ihr Herz die Liebe gefunden ? Für sie konnte nur die Stätte ihre Heimat bilden, wo sie ihn zurückgelassen, ihn, an dem sie mit allen Fasern ihres Herzen- hing, dessen Antlitz stets vor ihrem geistigen Auge stand. Sie fühlte, daß mit ihm das Glück ihres Lebens für immer verloren sei. „Mut! Regina! Laß Dich nicht so niederbeugen und hoffe!" hatte ihr Hans auf dem Schiff oft zuge rufen, wenn sie, der Gegenwart vergessend, auf Deck saß und ihr'Haupt, weit vorgebeugt, den grünlichen Fluten des Meeres zuwandte. Dann hatte sie selbst den Hüter ihrer Kindheit, der doch nichts von den Kämpfen ihres Herzens wissen konnte, mit Unwillen angesehen und ihn schweigend verlassen. Was kümmerte es sie, ob er sich freute, daß sich die Hand der Gerechtigkeit gegen ihre Feinde ausaestteckt! Was war ihr jetzt noch an der Bestrafung Zachinskys ge legen, nachdem sie ihr Alles verloren? War es nicht ein furchtbares Geschick, zu lieben, geliebt zu werden und doch getrennt bleiben zu müssen? Und warum? Um einem Andern ihr Wort zu halten nnd diesen durch ein Scheingefühl zu täuschen! Wie oft war sie nach jener verhängnisvollen Stunde im Parke von Calcutta nahe daran gewesen, ihm, den sie liebte, zu gestehen, sie könne Lothar die Treue ferner nicht bewahren, sie könne dessen Weib nicht werden. Hatte sie dann aber auf WalbergS ernstes Gesicht ihr bittende» Auge gerichtet, so hatte sie geglaubt, ihr und sein Urteil in diesen Zügen zu lesen. Er entsagte, also mußte sie e» auc!, so forderte e» die Ehre! — Wäre e» sein Verlange» gewesen, sie zu halten, so hätte cs ihm beim letzten Scheiden nur die wenigen Worte gekostet: „Regina! bleib' bei mir!" Aber so hatte er nicht gesprochen. — Seine Arme hatten sie gegen ihren innersten Wunsch frei gelassen. Im strengen Rechtsgefühl opferte er ihren und seinen Frieden der Ehre, der Rücksicht! — Diese schwermütigen Gedanken beschäftigten das Mädchen auch jetzt. Die Gerichtsverhandlung, der Tod ihrer verabscheuten Stiefmutter, die plötzliche Wen dung ihrer Vermögensverhältnisse (denn nach dem zweiten, jetzt rechtskräftigen Testamente gehörte ihr nun auch neben ihrem früheren Erbe alle», was die verstorbene Babette ihr eigen genannt), alle» daS war ohne Eindruck an ihr vorübergegangen. DaS Mädchen hatte ihr Haupt immer tiefer gebeugt, di es zuletzt auf ihren Arm gesunken; sie hörte nicht, daß die Thüre geöffnet wurde, daß Antonie oder vielmehr die von Glück strahlende Frau Holbeck ins Zimmer getreten — sie schreckte erst auf, als diese näher ge kommen, sie umfaßte nnd lächelnd begann: „Dacht' ichs doch, Dich hier zu finden, und endlich einmal allein. Papa und Mama haben förmlich die Absicht, allein Dich in Beschlag zu nehmen, jetzt aber bist Du mir verfallen!" Mit einem schwermütigen Lächeln reichte Regina der Freundin die Hand und bettachtete deren frohe» Aussehen piit Wohlgefallen. „Du bist glücklich, Antonie?" „Welche Frage?" sagte diese lachend, sich einen Stuhl neben den des Mädchen» heranziehend. „Mein Mann verwöhnt mich vollständig. Gestern noch la» er mit wahrem Entzücken all die kleinen Billetchen wieder durch, die wir beide damal» unter D«ner Ägide
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