Volltext Seite (XML)
KchsMeWks Be,ng»pr»i-, j »luSaab« 1 mit 2 Beilagen viertelläbiUi» »,I0 In I Dresden und ganz Deutschland frei Hau» S.Sii ^:I In Oesterreich 4.4« L ! A»»aab« I» nur mit Feierabend vierteljährlich 1,80^» ! Dretden und ganz Deutschland frei Hau» L,it2 Oesterreich 4.V7 K. — SinzeI>Nummer 1« I Aochenlag» erscheint die Zeitung regelmLstig in den ersten I Nachmitlagrstunden: die SonntagSnummer erscheint später. I Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit Unterhaltungsbeilage Die illustrierte Jett und Sonntagsbeilage Feierabend Anzeigen, Annahme von »eschüstSanzeiaen bi» 1« Uhr. von Ftmilten. anzetgen bi» I I Uhr Brei» für die PcttI>SpaItzeiIe SO im RcNametetl S« Für undeullich gclchrtebene. iowie durch Feniiprecher auf gegebene Anzeigen können wir die Aeraniworilichteit für die Aichllgleii de» rezle» nicht bbeniehmen. AedaltiouS-Sprechstunde: IN Hit II Ubr vormittag». Für Rückgabe eingclaudter Echrisiflü<e macht sich die Ardaktion n ch! verbindlich: Rücksendung erfolgt, wenn Rückporto bei- gesügt ist. Brieflichen Anfragen ist Antworirporto beizufügen. Nr. 85 Geschäftsstelle und Redaktion Dresden»A. 16, Holbeiustrahe 46 Dienstag, den 15. April 1913 Fernsprecher 1366 12. Jahrg. Die preußische OstmarkenpolMk In der neuen „Ostmarkenvorlage" wird die Kleinigkeit voi 230 Millionen gefordert „zur Stärkung des Deutsch tums in den Provinzen Westpreußen und Posen". Es ist ia bekannt, daß die Assimilierungspolitiker der Regierung bis her alle ihre Mittel zu diesem Zwecke vergeblich angewandt haben, und nun wollen sie noch mehr Geld nutzlos auswen den? Es ist einem gerecht urteilenden und logisch denkenden Menschen unbegreiflich, warum die Regierung auf dem bis herigen falschen Wege trotz allem beharren will. Nun mögen die Hakatisten und Alldeutschen sagen, wir seien eben „Ultra- montane" und daraus erkläre sich unser Skeptizismus. Aber andere Leute, die nicht auf unseren« religiösen Standpunkte stehen, urteilen ebenso. Da ist zum Beispiel die parteilose, im Grunde aber liberale „Berl. Morgenpost", die mit meh'. als 300 000 Abonnenten die größte Leserzahl aller Berliner und deutschen Blätter hat. An leitender Stelle (Nr. 63) bricht dieses Blatt entschieden den Stab über die hakatistische Politik der Regierung. In der Sitzung deS preußischen Ab geordnetenhauses vom 11. März d. I. konstatierte auch der Fortschrittler Dr. v. Pachnicke den Mißerfolg der bis herigen Politik, den er dem .Ausnahmecharakter" der ge troffenen Mißregeln zuschrieb. Allein wir können für die Verfehltheit der preußischen Polenpalitik noch einen anderen Zeugen anführen und zwar einen Staatsmann, dessen man gerade in diesen Tagen der Erinnerungsfeiern an die Ereignisse vor 100 Jahren oft und oft gedenkt, und der sich wie kein zweiter in der Geschichte Preußens ein Denkmal „dauerhafter als Erz" gesetzt hat. Wir meinen den Reichsfreiherrn Friedrich Karl von und zu Stein. Von ihm sagt der Stein-Biograph I. Mknedry Dem tiefen Gerechtigkeitssinne Steins, dem klaren Blick des großen, wahren Staatsmannes, der schon mehr als einmal dem verhängnisvollen Schatten des Polnischen Geschickes, das seit der Teilung Polens auf Deutschland lastete, begegnet war, trat selbst in der feierlichen Stunde, wo er in stiller Zurückgezogenheit auf seinem Schlosse zu Nassau die Zukunft Deutschlands und Preußens bedachte, und in der Freiheit Staat und Volk wieder zu Ehren bringen wollte, das Geschick der polnischen Nation vor die Seele. Auch für sie forderte er eine Art Wiederherstellung. Er, Stein, äußert. Die polnische Nation ist stolz auf ihre Nationalität, sie trauert, sich, ihre Sprache, ihren Namen erlöschen zu sehen, und feindet den Staat an, der ihr das Leid zugefügt. Sie würde zufrieden gestellt werden, sie würde diesem Staate anhängen, wenn man ihr eine Ver fassung gäbe, bei der ihr Nationalstolz beruhigt und ihr der Besitz ihrer Individualität gesichert wird. Diese nicht zu zerstören, sondern auszubilden, wird jeder für einen Gewinn halten, der nicht mechanische Ordnung, sondern freie Entwickelung und Veredelung der eigentümlichen Narur jedes Volksstammes für den Zweck der bürgerlichen Gesellschaft hält." Dies war die Ansicht Steins. Und nun möge jeder denkende, vorurteilsfreie Mensch, den noch nicht Parteileiden- schaft und nationaler Fanatismus völlig geblendet hat, sich die Frage Vorlegern Auf welcher Seite, ganz abgesehen von Rücksichten der Humanität, ein größeres Maß von politi schem Scharfblick und staatsmännischer Klugheit sich vorfin det: bei unseren Hakatisten, die die gepanzerte Faust aus- strecken, um das Polentum zu knebeln und zurückzudrängen, oder bei Frciherrn v. Stein, der für die polnische Nation das fordert, was ihr nach göttlichem Gesetze und irdischem Rechte, ja nach der natürlichen Ordnung der Tinge der gesunde Menschenverstand zubilligen muß: freie Entwickelung ihrer individuellen, nationalen Eigentümlichkeiten, die uneinge schränkte Selbstbestimmung in Dingen, die aus der Natur und Eigenart jedes Volksstammes sich ergeben, dessen geistige s und sittliche Dualitäten in einer tausendjährigen Kultur ^ wurzeln. Freiherr v. Stein, der Preußen vor 100 Jahren aus einem Wust durch und durch verrotteter Zustande hervorzog. wurde nur durch den Frieden zu Tilsit daran verhindert, seine großartigen Reformpläne auch in dem preußischen Anteil Polens zu verwirklichen, und wenn heute das Zentrum und dos katholisch" Deutschland die ganze Ost- uiark.'npolitik als inhuman und ungerecht verurteilen, so be finden sie sich in der Gesellschaft eines Staatsmannes, der als Realpolitiker une:reicht, m seinem lauteren Charakter und edlen Mannedmut die sittliche Kraft fand, auch dem Polentum gegenüber Recht und Gerechtigkeit walten zu lasse,!. Niemand wird also das Zentrum wegen seiner Ost- inarkenpolitik tadeln können, denn es kämpft seinem Pro gramm gemäß für Recht und Gerechtigkeit! 4. Kongreß der Läcilien-Vereine des Vogtlandes (Katholikentag) in Werdau Protektor: Sr. Erlaucht Joachim Graf von Schönburg- Glauchau. Der 8. Juni 1913, an dem die katholischen Ge meinden des Vogtlandes und besonders ihre Cäcilienvereine zu gegenseitiger Erbauung und Förderung in Werdau zusainmenkommen, rückt heran. Da dürfte es angczeigt sein, nochmals auf diesen Tag aufmelksam zu machen. Es ist unter den Katholiken des Königreiches Sachsen Sitte bei größeren Festlichkeiten kirchlicher Art alle Glaubensgenossen der Diözese einzuladen. So sind auch am 8. Juni in Werdau alle sächsischen Katholiken will st o in in e n. Werdau, eine kleine Industriestadt, bietet keine Sehens würdigkeiten wie Dresden und Leipzig, aber es gibt, wenig stens am 8. Juni, das, was Diasporakatholiken mehr als Sehenswürdigkeiten brauchen: Die festliche Nereini gung einer stattlichen Schar begeisterter Katholiken, die unter dem Banner der Kirche sich ei »finden, um die leuchtende Idee des Katholizismus in sich auflcbcn zu lassen. Ragen die schroffen Linien einer Mlssionsstation ohne eigene Kirche und Schule in den Glanz des Festes hin ein, verleihen sie der Tagung jenen Ernst, den wir bei aller Freude nicht verlieren dürfen. Aengstliche Gemüter haben gezweifelt, ob es ratsam sei, solche Feste zu veranstalten und zu erweitern. Allein die Praxis hat die Theorie längst überholt und beruhigt. Fast m allen katholisch?» Gemeinden Sachsens haben Fahnen weihen oder Vereinsjubiläen sogar mit öffentlichen Um zügen stattgefunden und nie ist gegnerischerseits eine Klage laut geworden. S ch l i e ß l i ch i st k e i n e r s o u n b i l l i g, das Recht auf Zusammenschluß, das allen Korporationen zu steht den Katholiken abzuspreche n. Jährlich sind.?., im Königreiche Sachsen Landesversammlungen des Evangelisch,'» Bundes statt, am 8 April d. I. hat in Dresden die 17. Generalversammlung de? Landesvcrems sür Innere Mission getagt, daselbst ist am 2 und 23. April der Evangelische Gemeindctag, am 6. und 6 April haben sich in Frankenberg die enaunests y mtio- i alen Arbeitervereine Sachsens znsanmiengefiindeu und gegen die Wiedcrznlassung der Jesuiten protestiert. Der Kongreß in Werdau will nicht prote stieren, nicht Friede,, stören, sondern stärken Ohne laute Reklame, ohne Festzug möchte er zunächst die Katho liken des Vogtlandes unter den Klangen der Lieder unserer Kirche und unseres Volkes hineinsühren in den vollen Son nenschein unseres heiligen Glaubens. Das Programm sür den 8. Juni ist in seincu Umrissen fertig, Vorarbeiten und Beratungen haben stattgcsniiden, die festgebende Gemeinde — der Ehre des Tages sich bewußt — ist nach vielen und persönlichen Opfern gerüstet, oie Gstu- beusgenosseu würdig zu empfangen. Alle Gedanken »uo Bedenken, die den Weg zum Kongreß versperren, müssen Weichen vor der Tatsache, daß unsere Diaspora der artige Veranstaltungen gebieterisch for- dert, und daß sie genommen werden müssen, wo und wie immer sie sich bieten. Nicht jeder, noch so berechtigte Wunsch für den Katho likentag konnte erfüllt werden. Turchgebildcte Katholiken, die die Schwierigkeiten überschauen und den Führern ver trauen, die Disziplin halten und verlangen, denen in der Weltkirche der Jahrtausende das Prinzip der Einheit zur zweiten Natur geword-ni ist, werden alle Privatansichteu be reitwilligst zurückstellen. Ruft der Kongreß alle, verlangt er besonders die katho lischen Arbeiter. Mitten im Heerlager des Sozialismus müssen diese Tapferen eigene und einsame Wege gehen, müssen ihre Ernte einbringen in Wetter und Sturm. Fern sind ihnen die großen deutschen Katholikentage. Zeit und Geld liegen dazwischen, weit wie die Schienen der Eisen bahn. Die Erfrischung und Stärkung ihres Glaubens, die Glieder mittlerer Stände leicht sich beschaffen können, blei ben unseren katholischen Arbeitern ein frommer Wunsch. Der den Becher kühlen Wassers — dem Bruder gereicht — belohnt, wird auch daS Labsal der Seele vergelten, das wir den Dürstenden spenden! Der 1. Kongreß der Cäcilienvereine des VogtlandeS wird zum ersten Male verbunden mit einem Katholiken tage. Man hat das getadelt. Warum? Hätten die Kri tiker recht, könnte in logischer Weise jede Vereinsgruppe einen Kongreß verlangen, was sich — abgesehen von der notwendigen Zersplitterung -- ichcn aus finanziellen Grün- den verbietet. Selbst ein Katholikentag, getrennt vom Kon- greß der Cäcilienvereine, wäre für die sozialen Verhältnisse der kath. Astbeitergemsmden deS Vogtl.-.uds zu viel. Der Kon greß dcr Cäcilienvereine befördert den Katholikentag und der Katholikentag wird seine Starke den Cäcilienvercinen leihen. Diese Wechselwirkung ist natürlich und in ähnlicher Weise auf den Generalversammlungen der Katholiken Deutschlands so oft erprobt, daß sich jedes weitere Wort er übrigt. Wilhelm v. Kaulbach hat auf seinem Gemälde „Zerstö rung Jerusalems" die ausziehende Christengemeinde singend dargestellk. lieber ihr tragen Engel das heiligste Sakra ment. Nehmen wir das Bild als Vorbild, seinen Oieist als Wahlsvrnch' Ein Herz und eine Seele! — Unser Lied die Kirche, die Kirche unsere Kraft! Deutscher Reichstag Berlin, den 12. April ISIS. Ende dcr ersten Beratung dcr Deckniigsvarlagen. — Eine neue Kaiizirrrrdc. Eine Uebrrraschuug wurde am Sonnabend den Be suchern des Reichstages ziemlich unverhofft zuteil. Herr v. Bethmauu Holl weg, der von Homburg bereits zurückgekehrt ist, erschien während der Verhandlungen im Reichstage und alsbald wurde bekannt, daß er vor dcr Ver weisung de. Deckungsvorlagen au die Budgetkommission die Stellungnahme der verbündete» Negierungen zu den im Verlaufe dcr Debatten laut gewvrdeuen Vorschlägen und An regungen des .Reichstages Sarzulegen beabsichtige. Und zwar soll Herr v. Bethmauu Hollweg, wie m parlamentarischen Kreisen verlautet, einem Wunsche des Bundesratcs stattge- gcben haben. Tie Debatten über die Dcckungsvorlagen, die im Hause bereits völliger Teilnahmslosigkeit begegneten, wurden durch die außerordentlich geschickte Rede des Kanzlers neu belebt.. Der Kanzler hat bewiesen, daß er immer noch der glänzende Redner ist, als den mau ihn seit früher her keimt. Darüber waren die Meinungen im Reichstage ungeteilt und der Ein druck, den die Rede des Kanzlers hervorrief, war unverkenn bar. Im Verlaufe der bisherigen Debatten war namentlich von der linken Seite des Hauses mit besonderem Nachdruck die Deckung der Mehrkosten, wenigstens zu einem Teile, durch eine direkte Reichs stcuer und zwar die Reichsver- m ögeus - bczw. H i u t e r b l i e b e u e u st e u e r gefordert worden. Aber auch bei den übrigen bürgerlichen Parteien war die NeichSvermögcuSsteuer nicht von vornherein zurück- gcwiesen worden. Man konnte daher immerhin mit dcr Möglichkeit rechnen, daß sich eine Verständigung im Reichs tage nach dieser Richtung hin anbahnen könnte. Diese Anf- sassung teilte offenbar auch Herr v. Bcthmann, denn zum Hauptgegeustaud seiner Ausführungen machte ec die Reichs- Vermögenssteuer, vcr der er dringend warnte, als „vor einem Wege, der nicht zum Ziele führen kann". Wiederholt mid mit Nachdruck betonte Herr v. .Hollweg seine Warnung. Mit der ReichsnermögeuSsteuer würde der Reichstag nur das ei reichen, daß er einen Strich durch das ganze System der Steuern sti den Einzelstaateu mache und dazu würden doch die Pa>leien, die mit der Rcicl'Seegieruug die Grundlage des bundesstaatlichen Systems hochhielten, nicht die Hand bieten wollen. Die Auffassung sti parlamentariscben Kreist» über dst Tragweite der Warnung des Reichskanzlers geht ausein ander. In manchen Kreisen ist man geneigt, die Warnung des Reichskanzlers als ei» Ultimatum anzusprechen, wahrend andere Kreise ihr nicht diese Bedeutung beimcssen wollen. Jedenfalls liegt unseres Erachtens keine zwingende Not wendigkeit vor, die Reichsvermögenssteller nach der Erklä rung des ReichskanzleiS als ein »oU »w tai,<xc>rv unter allen Umständen anznsehen. Recht wirkungsvoll war auch die Abrechnung des Reichs kanzlers mit der Sozialdemokratie, die mit großem Geschrei über die angeblich übermäßige Belastung des Volkes mit indirekten Steuern lamentiert, und es als Ungerechtigkeit bezeichnet, daß der Besitz nicht in stärkerem Maße ans dein Wege der direkten Steuern herangezogen werde. Herr von Bethmann wies nach, daß der Ertrag der direkten Steuern noch im, 100 Millionen Mark höher ist, als der dc>^ iiidir.istei! Stenern, während in dem von der Sozialdemokratie sonst immer als Musterbeispiel hingestellten demokratischen Frank reich die indirekten Steuern die direkten um rund lz/j Mil liarde übertreffen. Die Sozialdemokratie saß recht betreten da und Herr Südekum machte am Schlüsse dcr Sitzung den ganz vergeblichen Versuch, die außerordentlich wirkungs vollen Ausführungen des Kanzlers abzuschwächcu. Damit hatte die erste Beratung der Deckungsvorlageu ihr Ende erreicht. Die Entscheidung liegt jetzt bei der But> getkominission. O O » Die erste Lesung der Wehrvorlage hat, so schreibt die „Nordd. Allgem. Zeitg." in ihren Rückblicken.