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Jede Reichtagssession lzat einen Tag, wo die lendenlahme Kulturkampfmär zu reiten versucht wird. Diesmal kehrten die staubbedeckten Helden nicht mit Ruhm zurück. Man ritt in die Schranken für die seit 40 Jahren gebräuchliche preußische Auslegung des 8 l, der nun anch einmal von Bayern gerechter und milder ausgelegt wurde. Haben nicht beide Parteien das gleiche Recht dazu. Der BundeSrcst hat den Begriff „Ordenstätigkeit" erst in seine Verfügung hineingebrachi, eine Definition gab er nicht, er überließ die Auslegung den Bundesstaaten. Warum sollte da das katyo- lisck>e Bayern nicht nach de», Gerechtlgkeitsstandpunkt, Preußen nach dem Kulturkainpfstcmdpunkt interpretieren? Eine einheitliche Anlegung in allen Bundesstaaten dürfte aber Wohl notig sein. In diesen Meinungsverschiedenheit»» betrat daher Bayern nach der Mitteilung des Reichskanzlers den einzig richtigen Weg; es wandte sich an den Bundes- rat, um eine authentisckie Interpretation des Wortes „Ordenstätigkeit" zu erlangen. Mit dieser Erklärung des Reichskanzlers war die Inter pellation eigentlich überflüssig geworden. Weder Preußen noch Bayern lvar-anf dem Kampfplatz geblieben: es ist dw Entscheidung des BnndesrateS zu erwarten. Trotzdem suchten die Nationalliberalen die Antwort des Reichskanzlers zu einer kleinen Jesnitendebatte ansznnntzen. Bezeichnender weise mußte der Natwnalliberale Dr. Jnnck, der Ver treter Sachsens, eines der in konfessioneller Toleranz rück ständigsten Bundesstaaten, die Interpellation begründen. An dem gleichen Tage mußte der Minister des Innern Graf Vitztbnm v. Eckstädt die erregten Gemüter m der Zweiten sächsischen Kammer beruhigen, daß im Königreich Sachsen kein Jesuit eine Tätigkeit ausüben dürfe, anch wenn das Jesritengesetz fallen sollte: denn die Verfassung perbiete in Sachsen jedem katholisclzen Orden die Tätigkeit. Dr. Jnnck sprach vom juristisckzen Standpunkte ans. Sein Ber liner Fraktionskollege Dr. Ortmann ging schon mit scharfen Trompetenstößen vor: so behauptete er: „Der Kampf gegen die Jesmten ist ein Kampf gegen Gerechtigkeit und Kultur!" Aber der mutige Kämpe mußte sein Rößlein zurücklenken, denn seine Parteigenossen ließen ihn im Stich, denn der tapfere Schwabe „forcht sich nit, tät nur verächtlich um sich blicken und ließ den Schild mit Pfeilen spicken". So konnten die Nationalliberalen keine Lor beeren holen. Im allgemeinen erkannte man den Wunsch auS den Reden, mit diesem Reste aus einer an Ausnahme gesetzen reichen Zeit aufznräumen. Auf die Frage des Mit gliedes der Wirtsch. Vereinigung, Pastor Mumm, an die Nationalliberalen: wie sie sich znm Jesuitengesetz Verhalten werden, wenn der Zentrnmsantrag auf Aufhebung desselben gestellt wird, nachdem sie doch die sozialdemokratischen Ztichwablbcdingnngen unterschrieben hätten, in dem si» gegen jedes Ausnahmegesetz sind, — schwiegen sie kleinlaut. Nun wir werden es ja seinerzeit setzen. Dos ganze Haus obne Ausirahme der Partei stand geschlossen ans dem Stand punkte: So lange da? Jesnitengesetz besteht, muß es be achtet werden. Niemand, am allerwenigsten ein bayerisches Ministerium unter dem Vorsitze eines früheren Zentrnms- führers, wird die Hand zur Verletzung eines Reichsgesetzes bieten. r. den 2«. Im Reichstag kan, die nationalliberale Interpellation wegen des bayerischen Erlasses über die Auslegung deS Jesuitengesetzes zur Debatte. Dr. Jnnck (Natl.) be gründete sie. Er sah in dem bayerischen Erlaß eine Ver letzung des Neichsgeietzes: da müsse der Reichskanzler nach dem Rechten sehen. Nach Artikel 17 der Verfassung habe der Kaiser die AuSfübrnng der Neichsgesetzc zu überwachen: der Reichskanzler aber sei verantwortlich hierfür. Nicht der Bundesrat sei zuständig, sondern der Reichskanzler: Ar tikel 7 der Verfassung gebe dem Bnndesrate nur dann ein Richteramt, wenn Differenzen beständen zwischen dem Reichskanzler und einem Bundesstaat. Sind solche vor handen? Hat der Reichskanzler protestiert? Hat Bayern widersprochen? Wie lautet die Antwort. Vielleicht Hab" man sich schon geeinigt: was hat aber der Reichskanzler g»> tan? Das Reichsgesetz muß einheitlich im Norden wie im Süden durchgeführt werden. Ist aber das Gesetz denn ver letzt? Der Begriff der Ordenstätigkeit sei sehr klar und leicht festzusetzen. da man die Ziele und Grundsätze deS Jesuitenordens kenne. Predigen und Beichthören hätten von Anfang an zu den Zielen des Ordens gehört; das Zen trum iiabm diese Weisheit mit Heiterkeit auf. Wenn immer der Jesuit kirchlich tätig sei, so übe er Ordenstätigkeit ans. wie der Satz zeige: die Jesuiten treten meist stets im Ordcnsgewande ans. Eine mildere oder strengere Aus legung gebe cs nicht bei Gesetzen: man könne Gesetze nur richtig oder unrichtig ausführen. Wenn anch 8 2 an'- gehoben ist, so bleibt doch 8 l bestehen, der die OrdenS- Niederlassungen verbietet. Tie Konferenzen der Jesuiten können religiösen Inhalt haben; sie seien also Ordens tätigkeit. Der Jesuitenorden kenne keine andere Ordens tätigkeit als die eines Priesters. Dabei machte er den Redemptoristenpater Ligonri znm Jesuiten. Praktische Gründe forderten ein Einschreiten des Reichskanzlers. In den, Erlasse kündigten sich Machtansprüche an, er sei der erste Vorstoß gegen das Jesnitengesetz selbst. Ter Reichs kanzler möge seine Autorität einsetzen gegen diese Auf lehnung gegen ein Reichsgesetz. Der Bnndesrat möge nickst mir negativ entscheiden; er möge Positiv entscheiden, was- zulässig ist und was nicht ist. Entscheide der Bnndesrat gegen Bayern, so erwarte man von der Loyalität Bayerns, daß es seinen Erlaß znrückziehe. Nnniiiehr erhob sich der Reichskanzler, »i» zu erklären, daß der BnndeSrat seine AnSsührnngsbestinl- mnngen schon 1872 erlassen habe; darin sei die Ausübung der Ordenstätigkeit untersagt. Eine bestimmte Definition dieses Begriffes sei nicht gegeben worden; aber alle Bundes staaten hätten sie im wesentlichen gleich ausgelegt. Konfe renzvorträge seien ». a. zngelassen worden. Nunmehr nehme Bayern eine andere Stellung ein und gestatte Kon ferenzvorträge in der Kirche. Eine so verschiedene Aus legung eines Reichsgesetzes sei nicht zulässig. Er hcrbe so fort nm Mitteilung des Erlasses gebeten; Bayern habe dies getan und gleichzeitig beim Bnndesrate beantragt, den Begriff der Ordenstätigkeit zu bestimmen. Der Bundes- rat werde sich mit dem Anträge beflissen, bis dahin bleibe alles beim alten. Er wolle dem Bundesrate hier nicht vor greifen. (Beifall rechts.) Bayr. Gesandter v. Lerchen- feld schließt sich dem Reichskanzler an und doknmentiert so offen die Einheitlichkeit des Bundesrates. Bayern habe kein Rcicbsgese!; verletzt, die Regierung Bayerns sei der festen Ueberzeugung gewesen, daß sie das Reichsgesetz nicht verletzt babe. Die bayerische Regierung habe den Erlaß vor der Publikation den 0 inzelregiernngen borgelegt. Nach dem Bedenken laut geworden seien, babe Bayern den Bnndesrat angegangen. Anders habe es nicht norgehen könne». Der Bnndesrat trabe jetzt daS Wort und darum halte er jede weitere Erörterung vom Bnndesratstische für überflüssig. Ans Antrag des Abg. Bass er mann wurde nun in die Besprechung der Anfrage eingetreten. Der Sozial demokrat Blos sprach sich gegen das ganze Jesnitengesetz ans, da es nie einen Sinn gehübt habe. Wir sind für volle Koalitionsfreiheit und Redefreiheit für die Jesuiten. Aber solange das Gesetz besteht, muß es eingehakten werden Wenn ein Jesuit und ein liberaler Philister Zusammen kommen, dann ist der Jesuit stets der Klügere, darum aber braucht man doch kein so exorbitantes Ausnahmegesetz zu beschließen. Mit An»ncni»ärck)en habe man die Jesuiten be kämpft. Große Heiterkeit löste er ans, als er den preu ßischen General v. Radowitz zum Mitglied des Jesuiten ordens macht nnd auf die schallende Heiterkeit des Zen trums meinte er. durch Heiterkeit merde diese Zusammen gehörigkeit nicht beseitigt. Obwohl die, Sozialdemokraten mußten, daß die Jesuiten ihre stärksten Gegner seien, win den sie doch die Beseitigung des Ausnahmegesetzes erstrebe», bis es fällt. Abg. Dr. Spahn (Ztr.) hält es für besser, daß jetzt nicht debattiert würde. Das Zentrum werde seinen An trag auf Aufhebung de? ganzen Gesetzes später zur Be ratung stellen. Ordenstätigkeit könne der Jesuit anch außer halb des Ordens ansüben; denn die priesterliche Tätigkeit könne nicht unterbunden werden auf Grund des Gesetzes. ! Der Jesuit ist Priester nnd bleibt Priester: diese Priester- Ische Tätigkeit darf auf Grund des 8 3 gar nicht unter- ; bnnden werde». Redner schildert den Begriff von Konfe / renzen nnd Missionen. Je schneller der Bnndesrat seine j ganze Verordnung aufhebe, um so besser. Wir Katholiken haben das Recht, Orden zu erhalten, unsere Bischöfe dürfen sie berufen. Dann schilderte er in markanter Weise die Un gerechtigkeit des Jesuitengesetzes: Wachsamkeit sei dem Reichskanzler empfohlen, er aber forderte von ihm zuerst Gerechtigkeit. (Lebhafter Beifall lohnte den Redner.) Graf Westarp (Kons.) erklärte, daß die Streitfrag» nur noch verfassungsrechtliche Bedeutung habe. Man möge j in der .Kritik etwas zuriickhallend sein; aber Bayern hado I die Grenzen iciner Zuständigkeit überschritten. Da- z bnndestreue Verhalten anerkannte der Redner. -- Der Volksparteiler Dove forderte eine einheitliche Durch führung des NeichSgejetzes. In der Sache selbst hält er die bayerische Auslegung nicht für vereinbar mit dein Gesetz. Der Reichsgedanke müsse gestärkt werden. Der Reichr-- parleiler Merk in hält die sck>arse Durchführung deS Jesuitengesetzes auch heute noch für geboten. - Der natio- nallibernle Abgeordnete Dr. Ort mann meint, daß die Interpellation das Volk beruhigen sollte-, aber dieser Zweck ist nicht erreicht worden. Die Bennrnbianng werde un'- noch größer werden und zwar auch im katholischen Volke. Der bayerische Erlaß sei ein Abantgardegefecht. Dann ging die alte Kultiirkampsstroininel los. DaS Zentrum be gleitete die Rede mit wachsendem Beifall nnd Heiterkeit, während seine eigenen Freunde verlegen schwiegen: am Schmsse der Rede wurde daher ancb Abg. Bassermann ins Gebet genommen. Der Pole MorawSki trat nxi-rm für die Jesuiten ein. Nn» kam die Antwort vom Zentrum durch den Abge ordneten Gröber. Er anerkannte, daß die Debatte sach lich verlaufen sei: nur zwei Ausnahmen seien da: der Reichsparteiler Mertin und der Liberale Ortmann; letzterer habe sich ans einen anonymen Brief gestützt, das sei ein ArmntszengniS ersten Ranges und noch nie dagewesen. Der liberalen Fraltion spreche er seine Betrübnis a»s zu diesen, Renner: kein Wunder, daß sie aus dem Sitzungssaal hinaus - gelaufen sei. Redner gebt dann auf die Einwände ander»?: Redner ein. ES handle sich nm kein Jnstizgesetz, sondern iiin ein Perwaltnngsgesetz und zwar um ein Ausnahme gesetz gegen die Katholiken. Ist die Bundesratsverordnung von 1872 überhaupt gültig? Redner verneint sie: der Bnndesrat sei schon damals zu weit gegangen, was Rednec- anS den Akten nachweist. Bei Schaffung des Gesetzes habe man nicht die Ordenstätigkeit unterbunden, wie eS- der Redner ans den damaligen Verhandlungen nachweist. Aus nahmegesetze seien strikte anszulegen. DaS Urteil de? preu ßischen OberverwaltniigSgerichteS geißelte Redner scharf nnd zerzauste es gründlich. Dann zeigte der Redner, wie durch Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesetzes der Rest zum Verbot der Ordenstätigkeit genommen sei. Was ist denn Vrdenstätigkc'it? Eine scharfe Scheidung zwischen OrdenS- tätigkeit und Priesterlicl>er Tätigkeit ist nicht durchführbar. Wie siebt es mit der literarischen Tätigkeit der Jesuiten ' Ist diese anch verboten? Sie kennen doch diele Schriften'' AlS ein Volksparteiler dazwischen ruft: Eathreinl, da ver neint der Abg. Gröber, daß Pater Eatbrcin sich auf der Tribüne des Reichstages befindet. Nun gab es ein Rücken und Strecken der Köpfe, man wollte den gelehrten Jeftnten- pater, der in seiner Bescheidenheit sich zurückzog, ftben. Gröber geißelte dann daS Verhalten der Liberalen gegen über dem Verfolgnngsgesetz. Es handelt sich hier um einen Angriff auf die katholische Kirche und deren Freiheit. Jeder Freidenker habe freies Recht. „Ich aber verlange die gleiche Freiheit anch für den Glauben!" schloß der Redner seine Rede, die tiefen Eindruck machte. Der christlichsoziale Abgeordnete M u in m erinnerte die Nalionalliberalen an ihre Unterschrift unter die roten Sticüwahlbedingnngen. Er forderte eine solche Löücng. die Katholiken und Protestanten gleich befriedigen möge, auch in der Dnellfrage. Nur keine Politik, die man im Volke jesuitisch oder nationalliberal nennt. (Stürmisch« Heiterkeit lohnte diesen gelungenen Scherz.) Der nationak- liberale Dr. Jnnck suchte in seinem Schlußwort mehr zu vermitteln nnd die Sache staatsrechtlich zu behandeln. Bayern habe das Reichsgesetz gefährdet: diese Feststellung sei der Erfolg der Interpellation. Damit war die Debatte erledigt. Politische Rundschau. Dresden. den 27. Avrs' 1»I2. — Staatssekretär v. KiderlrnWächter wird im Amte verbleiben. Die Meldungen von seinem Rücktritt, die aus Wien nach Deutschland kamen, sind falsch. — Mermuth soll Oberbürgermeister von Frankfurt am Main werdm. Ec selbst nimmt die Wahl an, wenn er gewählt wird. — Bei der Retchstagdersatzwahl im zweiten olden- burgischcn Wahlkreise Varel-Jever erhielt Hng (Soz.) 12125. Dr. Wie,»er (Forftchr. Volkspartei) 10864. Dr. Albrecht (Nat.-Lib.) 1888 nnd Freiherr v. Hammerstein (Bund der Landw.) 972 Stimmen. ES hat also Stichwahl zwischen Monier nnd Hua stcittzufinden. Aus einigen kleinen Be- züken siebt das Resultat noch aus.