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Mittwoch Nr. 12. 12. April 1843. Deutsche Allgemeine Zeitung. ZDL «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Ueberbtick. tveutfchland. * Aus Kaiern. Spar- und Hülfskassen. "München. Abgeordnetenkammer. Gesetzbücher. Staatsschulden. "Dresden. Ver Handlungen über den die Censurbcfreiung betreffenden Gesetzcntwur Annahme des Deputationsgutachtcns. Preußen. Äerlin. Diplomatisches Personale. Spanien. "Paris. Programm der CorteserLffnung. Don Francisco. Krongut. Der Quecksilberpacht an Rothschild abgetreten. Vergleich mit Haiti. Großbritannien. Parlamentsverhandlungen über die Differenz mit den Bereinigten Staaten. Darlegung der Sachlage dieser Differenz. Postvertrag mit Frankreich. Stempelabgabc der Times. "London. Die erwähnte Differenz. Frankreich. Verhandlungen in den Burcaux der Deputirtenkammer über die Proposition Odilon-Barrot's und über den, die StaatSmini- ster betreffenden Gesetzentwurf. "Paris. Warum Odilon-Barrot's Antrag gescheitert? Eonscrvativer Geist der französischen Mittelklasse, ch* Paris. Kricgsthaten in Algerien. Melgien. Bewilligung des Kriegsbudgets. Vertagung der Kammer. Serbien. Die bclgrader Zeitung über einen angeblichen Mordversuch gegen den Fürsten. ivßindien und Ghina. Ellenborough in Delhi. Dost-Mohammed in Lahore. Napier'S Sieg über die Amirs. — Unterhandlung in Kan ton über die Zollsätze. Handel und Industrie. Wnkündigungen. Deutschland. *ÄUS Baiern, 5. April. Oie Kammer der Reichsräthe hat be züglich derSparkasseninstitute untem8. März folgende Beschlüsse gefaßt: 1) Es möge die Regierung gebeten werden, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken, daß mit den bereits be stehenden oder noch in das Leben tretenden Sparkassen auch Leih- und Hülfökassen verbunden werden; 2) es möge die Regierung mit Gesetzeskraft aussprechen, daß, sofern durch Sparkasscnsatzungen das Verpfänden und Ccdircn von Einlagen bei Strafe der Nichtigkeit verboten worden, diese Nichtigkeit vor den Gerichten volle Kraft und rechtliche Wirkung behaupten soll; und 3) cs möge den Sparkassen empfohlen werden, aus ihren Kassenüberschüssen den fleißigsten Einle gern aus dem Stande der Taglöhner, Handwerker und Dienstboten bei fortgesetzter Einlage Prämien ertheilen zu lassen. Diese Beschlüsse wurden hervorgerufen durch einen in die Abgeord netenkammer gebrachten Antrag des Frhrn. v. Schätzler und einen da durch herbeigeführten Beschluß dieser Kammer, daß die durch Ministe rialentschließung vom 13. Oct. 1842 für die Zukunft sistirtc Annahme von Sparkasscngcldcrn bei der königl. StaatsschuldcntilgungScommission in der Art fortbestehen möge, daß die am 1. Oct. 1843 angelegte Summe zwar nicht mehr überschritten, nach Maßgabe der stattfindcn- den Heimzahlungen aber immer wieder ergänzt werden dürfe. Jene Ministerialverfügung war nothwendig geworden durch die bedrohliche, bis auf 12 Mill. Fl. gestiegene Anhäufung der Sparkassengclder bei der königl. Staatöschuldentilgungskassc, nothwendiger noch, um die Sparkassen, welche im Laufe der Zeit von ihrer eigentlichen Zweckbe stimmung sich entfernt hatten und von Unberufenen Vorthcils halber gcmiSbraucht worden waren, zu ihrer wahren Bestimmung zurückzufüh ren. Die angefluteten Capitalienmassen versetzten die Abgeordnetenkam mer in die Lage von Goethe's Zauberlehrling. DaS-Meisterwort des Bannes der flutenden Wasser konnte von ihr nicht gefunden werden, da die Bestürzung nur unvermeidlichen Untergang vor sich sah und dieses Schreckbild das Auge und seine Sehkraft auf sich gefesselt hielt. Inzwischen hatte schon seit sechs Jahren die zu Neumarkt in der Oberpfalz durch den verdienstvollen und edel gesinnten königl. Land richter Wülfert gegründete Spar-, Leih- und Hülfskasse den Beweis geliefert, daß die Sparkassen der Hülfe der königl. Staatsschuldentil gungskasse keineswegs bedürfen, daß die Anlegung ihrer Gelder zur Unterstützung und Hebung der Gewerbe und der Landwirthschaft weit größere, materielle und moralische Vortheile gewähre, und daß die Spar kassen erst durch Verschwisterung mit Hülfskasse», welche größere und kleinere Kapitalien gegen billige Verzinsung und fristenwcisc Abtragung an hülfsbedürstige Land-und Gcwerbslcute darleihcn, wahrhaft frucht- und segcnbringcnd werden, indem zu gleicher Zeit, während die Spar kasse mit den Ersparnissen der Armuth die Materialien zu künftigen Gebäuden häuslichen Glücks sammelt, die Hülfskasse vor Noth und Verderben schirmt, die wankenden Mauern bürgerlicher Ehren und Wür den zusammenhält und den erschütterten Bau befestigt. Geschichte und Resultate dieser interessanten, ohne den mindesten Capitalfonds gegrün deten und mit reichem Erfolge gesegneten Anstalt sind in einer Druck schrift: „Anleitung zur gedeihlichen Einrichtung von Spar-, Leih-und Hülfskassen rc. vom Patrimonialrichter H. Holzschuhcr in Bug", nie- dergclegt. - Die in dieser Schrift ausgesprochenen, in Neumarkt durch überraschend große Resultate bewährten Grundsätze wurden von der Kammer der Reichsräthe durch deren oben bezeichnete Beschlüsse freu dig anerkannt und ihre Gcneralisirung beantragt. Ohne Zweifel wird die Abgeordnetenkammer diesen Beschlüssen beitretcn. Nicht blos aber für Baiern, für das gesammte deutsche Vater land dürften die so einfachen und erfolgreichen neumarkter Kassencin- richtungen vom höchsten Interesse sein, da sie durchaus geeignet sind, überall ins Leben treten zu können, und überall den Segen offenbaren werden, den die Hebung der Industrie und des Ackerbaues, die Ver hinderung der Verarmung einzelner Familien und Ortschaften, die Er haltung derselben in bürgerlichen Ehren und Würden, die Beförderung der Sittlichkeit und Gottesfurcht, des Arbeitsflußes und der Sparsam keit , und ein gegenseitig freundliches Jneinandergreifcn sittlicher Kräfte nothwendig mit sich bringen müssen. Die mit so großem Schrecken be trachtete Ministerialverfügung vom 13. Oct. 1842 wird bei allen jenen Sparkassen, welche durch Verfehlung ihres ursprünglichen Zwecks zu förmlichen Rentenanstalten für Capitalisten geworden sind, eine heil same Reform zum Wohle des Landes und der einzelnen Bezirke be wirken. Alle durch Sinn und Geist und Wort, durch Wahrheit und Klarheit verbundene Länder deutscher Zunge dürften übrigens nicht verschmähen, das unendlich viele Gute, welches mit Sparkassen ver einigte Hülfskassen gewähren, zu beherzigen, die gemachten Erfahrun gen zu benutzen und neben der Flagge der Wohlthätigkcit icne der Be sonnenheit und des Einverständnisses im Guten aufzuhisscn. * München, 7. April. Unsere Kammmcr der Abgeordne ten hat am 4. April und gestern ihre letzten Sitzungen vor Ostern ge halten. Die Vertagung dauert bis zum 20. April. Selbst die Aus schußsitzungen unterbleiben, da förmliche vierzehntägigc Ferien stattfin den sollen. Beide Schlußsitzungen boten Gegenstände von besonder»» Interesse nicht dar, man müßte denn einen Werth darauf legen wol- cn, daß gestepn von der Kammer ein großer Beweis von Nachgiebig keit gegen die Wünsche der Reichsräthe abgelegt worden ist. Ich darf als bekannt voraussetzcn, daß aus der Mitte der Kammer der Ab geordneten vor etwa sechs Wochen ein Antrag auf endliche Gewäh rung des Verfassungsvcrsprechens in §. 7 Tit. VlII. des Grundgesetzes oder, was Dasselbe sagen will, auf Ertheilung einer neuen Civil- und Strafgesetzgebung hervorgegangcn ist. Die Kammer nahm denselben in folgender Form an: „Es sei an Se. Mas. den König die aller- unterthänigste Bitte zu richten, den Ständen des Reichs in möglich- ker Bälde nachbezeichncte Gesetzentwürfe verlegen zu lassen: A. Für >as ganze Königreich ein Gesetzbuch s) über das materielle Civil- recht, k) über bas Merkantil- und Wechselrccht und Gerichtsoer- ahren, fammt umfassendem gerichtlichen und anwältlichk» Kostenrcgu- ativ, o) über das materielle Strafrecht; L. für die sieben Kreise diesseit des Rheins ein Gesetzbuch a) über die streitige und freiwil lige Civilprocedur mit Einschluß eines umfassenden gerichtlichen und anwältlichen Kostenregulativs, und b) über die Strafprocedur, bei welchen beiden Gesetzentwürfen die Oesscntlichkcit und Mündlichkeit des Verfahrens ins Auge zu fassen wäre." Diesem Anträge hatte die Kammer noch den doppelten Wunsch auf Trennung der Justiz von der Verwaltung und auf Besoldung einiger Acccssistcn bei den Appel- ationsgerichten behufs der bessern Förderung der lange unerledigt blci- >enden Arbeiten bei diesen beigefügt. Von der Kammer der Reichs räthe wurden diese «»gehängten Wünsche ganz verworfen, der Antrag 'clbst aber nur in folgender genereller Fassung angenommen. „An Ze. Maj. den König sei die allcruntcrthänigste Bitte zu stellen, Allcr- höchstdicsclben wollen den Ständen des Reichs, sobald es unbeschadet