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- 41 Verantwortlicher Rcdacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Die RathloMkekt des Augenblicks. Die Wiener Konferenzen find ohne Resultate des Friedens verlaufen, wie wir gleich beim Beginn derselben vorausgesagt haben. Friedensverhandlungen können nur dann gelingen, wenn ein« der betheiligten Mächte völlig besiegt ist, in welchem Falle ihr der Friede mit seinen Bedingungen octroyirt wird. Wir haben schon im Au gust vorigen Jahres Herrn von Neffelrode unbedingt bei gestimmt, als er in einer Note sagte: nur ein durch Krieg völlig erschöpftes und gedemüthigtes Rußland kann die vier Frirdensbedingungen annehmen. Da nun mittlerweile die Vortheile, welche die Alliirten in der Krim errungen, sehr kläglich ausgefallen find, da man den Angriffsplan auf Srbastopol immer von Neuem hat ändern müssen, da man iy Paris glaubt, durch Personenwechsel im Ober- commando der französischen Truppen in der Krim bessere Geschäfte zu machen — das Entlassungsgesuch Canrobert's ist selbstverständlich eine abgekartete Sache,-.; so konnte die Verlegenheit der Alliirten keineswegs dazu dienen, Rußland zu größerer Nachgiebigkeit zu stimmen. Jeder Denkende mußte sich gleich beim Beginn der sogenannten FrtedenSconferenzen sagen, daß man in Wien leeres Stroh dreschen werde. Wenn aber dennoch der Wind aus Petersburg plötzlich zu süßem Friedenshauche wurde, wenn das Kvbinet an der Newa urplötzlich, ein halbes Jahr nach bfr Nesselrodeschen Erklärung, behaup tete, die vier Garantiepünkte annehmcn zu wollen, ohne daß Rußland im Kriege bedeutende Schlappen erlitten hatte, so konnte man nur eine Kriegslist und eine Schlau heit Rußlands hinter solchen Zusicherungen vermuthen. Die Westmächte warm keineswegs so kindlich, an die Auf richtigkeit Rußlands zu glauben, denn die Diplomaten trauen einander selbst nicht weiter, als sie sehen. Allein Oestreich bestand darauf, die Friedensverhandlungen durch zumachen, und erklärtet eher nicht mit den Westmächten gehen zu können, bevor man--nicht alle Versuche, den Frieden auf unblutigem Wege herbeizuführen, durchgemacht habe. Und Oestreichs Mitwirkung, die man nach dem resultatlosen Ausgange der sogenannten Friedenskonferenzen »erhoffte, war man Seitens der Westmächte so beNöthigt, daß man wohl oder übel die Konferenzen beschicken mußte. Rußland, der halb barbarisch«astätische Staat/'hat abermals durch seine schlaue-Diplomatie einen Siegeln Wien errungen, der viel mehr Werth hat, als die größte gewonnen^ Schlacht. ES, hat dukch sein schlaues. Ver splißen, -die Garantiepütrtte ohne^'Hlntethalt annehmen zu wollen, und durch die saugesi Verhandlungen zunächst Zett gewönnen, während welcher es seine Kriegsrüstungen vervollständigen konnte, während welcher dre öffentliche Meinung' sich abkühlte und den fortgesetzten Kampf für verderblich einsah — gegenwärtig ist weder in England 25. Mai 1855. . . ..Inserate .»chtllMä werden mit Zille berechnet ch^d'^kn allen 'n - ' .. ... "s .'tt if,.'N/-''E-. i Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Sandmann- " /rr - - .y noch in Deutschland die Stimmung so kriegerisch, MS. im vorigen Herbste —; Rußland hat auf der Conferenz die Pläne der Westmächte ausgehorcht und weiß nun, was diese im Schilde führen; es ist ferner dem Petersburger Cabinet durch kluges Nachgeben in den Punkten, welche die freie Donauschifffahrt und die Ponaufürstenthümer be treffen, Punkte, welche das Interesse Deutschlands und Oestreichs in erster Reihe betreffen, gelungen, Oestreich von den Westmächten zu trennen und Deutschländ in seiner Neutralität zu stärken, die Rußland im Kriege die wich tigsten Dienste leistet. Oestreich hat nun wider Mrhöffen eine Schwenkung gemacht, die man in PariS und London nicht erwartet hatte; es hat sich „seine freie Entschließung Vorbehalten", d. h. zu deutsch: es ist-nicht «ehr geckiint, mit den Westmächten kriegerisch gegen Rußland vorzu gehen, und es achtet nun den Zeitpunkt für gekommen, wo es von dem garstigen. December-PündiW loskommen kann. Von selbst versteht es sich n^n, daß sich Oestreich NM wieder enger an Deutschland anschließen wird, nach dem eS früher ohcke Noth von Deutschland die Kriegs bereitschaft gefordert hat. Jedenfalls wird sich nun ganz Deutschland mit Oestreich und Preußen zu einem neutralen Bunde vereinigen, zu einem Schutz- und Trutzbündntsse, woraus abermals Rußland den größten Vortheil zieht, denn es weiß sich dann an der langgezogenen östreichisch- preußischen Grenze sicher und kann seine Heere an die Ostsee und das schwarze Meer dirigiren. Die Westmächte find durch die kläglichen Resultate der Wiener Konferenzen in große Rathlofigkeit gekommen; sie hatten in jedem Falle erwartet, daß sich Oestreich ihnen nun anschließen und seine Zusage zur That machen werde; und nun sehen sie sich eines so wichtigen Bundesgenossen beraubt. Daß in Paris und London Rathlofigkeit ein getreten ist,. sieht man daraus, däß der französische Minister des Aeußern entlassen ist und daß in-London längere Ministerial-Conferenzen abgehalten werden, waS nur dann geschieht, wenn in der Staatsmaschine eine Schraube loS- gegangen ist. England wird jetzt jedenfalls einew Krieg verwünschen, der seine klägliche Militärverwaltung auf gedeckt und aller Welt die Schwäche seines Landheers und die Ohnmacht seiner Flotten in einem SeesestungS- kriege bloSgelegt hat. Man ist an der Themse in Ver- legenheit, weil jetzt die heimische Opposition den Augen blick benutzt, Reformen in der Staatsverwaltung zu for dern. Man sieht in England ein, daß der Krieg dem Fabrikwesen und dem Handel bereits ungeheure Verluste gebracht hat und fängt an, auf Frieden zu dringend Aber gleichwohl kann England jetzt nicht.den angesangenmMrieg, der für die enormen Ausgaben noch gar keine erheblichen Resultate gebracht hat, unterbrechen und das Bündtiiß mit Louis Napoleon aufgeben. - In Frankreich steht daS Verhältniß noch schlimmer. Freitag. ^Werkerrt^Ienmm ken. PreiSpro ' - A-'Y - - - / -p/ ---AM' Quart. lvNgr. -