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Obgleich der Vormittag des Sonnabend noch fast ganz das Ansehen eines Werkeltages hatte, so trugen doch die einzelnen festlichen Veranstaltungen nicht un wesentlich dazu bei, Feststimmung zu erzeugen und die Hauptfeier des Sonntags würdig vorzubereiten. Leider freilich fehlte der blaue Himmel, der in den vergangenen Tagen fast wolkenlos geleuchtet hatte. Den Neigen der Festlichkeiten eröffnete in feierlicher, angemessener Wehe der Schulaktus, welcher von 10 Uhr an in der mit der bekränzten, inmitten einer Pflanzendekoration aufgestellten Lutherbüste geschmück ten Turnhalle stattfand. Unter den zahlreichen An wesenden bemerkten wir Hrn. Amtshauptmann von Kessinger, Hrn. Bezirksschulinspektor Mushacke, Hrn. Bürgermeister Voigt, mehrere Mitglieder des Stadt- rathes und des Stadtverordnetenkollegiums, besonders des Schulausschusses, und viele Eltern und Schul freunde. — Nach dem 4-stimmigen, sehr wirkungsvollen Gesänge des Lutherliedes: „Eine feste Burg ist unser Gott!" hielt Herr Kantor Hellriegel eine kräftige An sprache, in welcher er die Pflanzung einer zum Ge- dächmiß des großen Festtages bestimmten „Lutherbuche" sinnig dadurch vorbereitete, daß er dieselbe als ein Symbol des „Lichts, des Lebens und der Liebe" er klärte. Hierauf bewegte sich der Cötus, die anwesenden Herren Vorgesetzten in der Mitte des Zuges, nach dem Schulplatze, wo der zum Denkmal bestimmte Baum, ein gesundes, kräftiges Stämmchen, von den beiden Ersten der Schule, Bruno Nitzsche und Minna Butze, gepflanzt wurde. — Nachdem Herr Kantor Hellriegel die „Lutherbuche" begrüßt und innige Wünsche für ihr Gedeihen ausgesprochen, schloß der feierliche Akt mit dem von Blasinstrumenten begleiteten Gesänge: „Er halt uns in der Wahrheit rc." In die Turnhalle zu rückgekehrt, wurde jedem der anwesenden 260 Schüler ein Exemplar der Festschrift: „vr. Martin Luther, von Ernst Weber" als Andenken eingehändigt, zu welchem Festandenken die städtischen Kollegien bereit willig die Mittel bewilligt hatten. — Von 11 — 12 Uhr ertönte auf dem Marktplatze Musik des Stadtmusikchors, und von 1—2 Uhr wurde das Fest mit allen Glocken eingeläutet. Nachmittags 3 Uhr fand liturgischer Gottesdienst statt, den Hr. Diakonatsverweser Keil leitete und der verhältniß- mäßig gut besucht war. Abends 6 Uhr hielt der Kir chenchor eine von Fackelträgern (meist Feuerwehrleuten) begleiteten Singumgang. Leider hatten der in letzter Nr. d. Bl. enthaltenen Aufforderung, sich als Fackel träger zu betheiligen, nur wenige unsrer Mitbürger entsprochen, so daß eben nur 20 Fackeln den Sänger chor geleiteten. Derselbe, vom Bahnhöfe ausgehend, stimmte auf dem Freiberger Platze den Choral:,, Nun freut euch, lieben Christengemein", auf dem Oberthor- platze: „Es wolle Gott uns gnädig sein", endlich ans dem Marktplatze: „Ein' feste Burg ist unser Gott!" an, worauf die Fackeln auf der Mitte des Platzes zu sammengeworfen und völlig verbrannt wurden.. Zu bedauern war, daß die Wirkung der frommen Luther- schen Kirchenmelodien durch den vom Stadtmusikkorps unterwegs gespielten, mehr als trivialen Marsch ent schieden beeinträchtigt wurde. Es will uns doch be- dünken, daß irgend eine andere feierlichere, ernstere Komposition aufzufinden gewesen wäre. — Leider war der Sonntagmorgen rauh und windig; ja, es war während der Nacht sogar der erste Schnee gefallen. Deshalb entfaltete sich auch der gegen 9 Uhr vom Nathhause abgehende Kirchenzug nicht in so um fänglicher Weise, als man wohl hätte erwarten können und wünschen mögen. Von dem Stadtmusikkorps an geführt, das den Choral: „Allein Gott in der Höh' sei Ehr" blies, wurde derselbe vom Kirchenchor und Dienstag, den 13. November 1883. 48. Jahrgang. dem Gesangvereine, den Geistlichen, dem Kirchenvor stande, von Mitgliedern der Behörden, den städtischen Kollegien, den Lehrern, einer stattlichen Anzahl schwarz gekleideter Jungfrauen, dem Turn- und dem Militär verein, dem uniformirten Schützencorps, letztere drei mit wallenden Fahnen, sowie einer Anzahl von Pa- rochianen gebildet und bewegte sich unter Glockengeläut uud Choralblasen um den Marktplatz herum nach der Stadtkirche, wo Hr. Superintendent Opitz die Fest predigt über Nöm. 9, 1—5 hielt. Der Redner ent wickelte aus diesem Texte: I) des Reformators Liebe zu seinem Volke; 2) seine Glaubensfreudigkeit und -treue und 3) die Mahnung znm treuen Festhalten an dem Erbe der Väter. Schön erhielten diese Gedanken ihren Ausdruck durch die untergelegten Sprüche: „Mich jammert des Volkes" — „ich glaube, darum rede ich" — „halte, was du hast, daß dir Niemand deine Krone raube." Wenn der Redner zum Schluß sagte: Das Lutherfest sei wohl ein schöner Tag, aber ein noch schönerer werde der sein, wo es wahrhaft heißen werde: Aller Widerstreit und Hader der Konfessionen sei nun am Ende; wo endlich ein Hirt und eine Heerde sein werde, so war gewiß Niemand unter der andächtigen Zuhörerschaft, der diesem Wunsche nicht von Herzen zustimmte, selbst verständlich unter der Voraussetzung, daß eine solche Einigung nicht durch Preisgeben der evangelis chen Er rungenschaften erzielt werde. Zur Erhöhung der Feier lichkeit trug wesentlich bei die Aufführung eines Satzes aus dem Mendelssohn'schen Lobgesange vor der Predigt und des großen „Hallelujah" von Händel nach der selben. Mit dem für die Schuljugend bestimmten Nach- mittagsgoltesdienste war insofern eine Aenderung vor gegangen, als derselbe nicht, wie programmmäßig be stimmt, um 4, sondern erst um 5 Uhr stattfand, und zwar in Rücksicht auf die um diese Zeit bessere Wir kung der Beleuchtung, die reich, in geschmackvoller An ordnung auf dem Altarplatz, im Schiff und auf den Em poren der Stadtkirche angebracht war. Unter Glocken geläuts trat denn um 5 Uhr der aus etwa 300 Kin dern bestehende, von den 3 ersten Klaffen der Stadt schule, sowie aus der Oberklaffe der Schule von Ul berndorf gebildete Zug, an dem auch die Schulinspek tion, der Schulausschuß, sowie mehrere Gemeindemit glieder theilnahmen, geleitet von den Lehrern, in die im Lichtglanze strahlende Stadtkirche ein. Hier hielt nach dem Gesänge des rhytmisch bewegten Chorals: „Lobe dem Herren, den mächtigen König der Ehren" Herr Schuldirektor Engelmann an die Kinder eine Ansprache, in welcher er die Frage: „Warum hat auch die deutsche Schuljugend Grund, am Jubelfeste des Reformators seiner dankbar zu gedenken?" dahin be antwortet: I. Er wies ihr das Ziel, nach dem sie soll blicken (Gottesfurcht, Gottesliebe und nützliche Kunst und Wissenschaft); 2. Er ging selbst den Weg, auf dem es ihr wird glücken (den Weg des Fleißes und der Demuth); er erschloß ihr den Born, der sie soll er quicken (deutsche Bibel, Katechismus, Kirchenlied). — Nach einem in Gemeinschaft mit dem Lehrerkollegium ausgesührten 4stimmigen Gesänge schloß mit kirchlichem Segen die erhebende Feier. Einen vortrefflichen Eindruck mußte es auf die Kinder und alle Kirchgänger machen, als dieselben beim Verlassen des Gotteshauses eine reiche Illumination des Marktplatzes vorfanden; eine nicht durch das Fest programm vorherbestimmte, also durch die Ueberraschung doppelt wirkende Festtheilnahme, für welche den Markt bewohnern gewiß allseitig freudigster Dank dargebracht worden ist. Den Schluß des schönen Festes machte die gesellige Vereinigung im Nathhause, eine Programmnummer, die schon bei früheren Festen sich als wesentlicher An ziehungspunkt bewährt hat, also auch bei dem dies maligen nicht fehlen durfte. Herr Kantor Hellriegel hatte sich auch diesmal wacker gemüht, die disponiblen Gesangskräste zu tüchtigster Mitwirkung vorzubereiten, und so wurde uns denn durch dieselben ein Rahmen für den Haupttheil des Abends geboten, der in wirk samster Weise die Feststimmung unterstützte. In der Mitte des musikalischen Programms, welches aus zum Theil ganz neu einstudirten Gesängen (z. B. dem Choral „Ein' feste Burg rc." und „Vaterland, in deinen Gauen rc." von Mendelssohn; einem altböhmischen Morgenlied aus dem 14. Jahrhundert und einem Fest gesang der Taboriten aus dem 15. Jahrhundert, ferner aus dem „Abendlied" von Beethoven — Sopransolo — und andern, schon von früher bekannten, aber stets gern gehörten Nummern) zusammengesetzt war, stand der Festvortrag des Herrn Bezirksschulinspektor Mushacke der Luther als würdigsten Vertreter, als Inkarnation des deutschen Geistes in den verschiedensten Be ziehungen (Sprache, Sitte, Familienleben — Junker Görg, Sankt Georg, Pater Martin) behandelte. Nachdem der Redner an die jubelnde Begeisterung er innert, mit der man in diesen Tagen in der ganzen evangelischen Christenheit, insbesondere in Deutschland durch Wort und Lied den großen Bergmannssohn aus dem Mansfelder Ländchen, der zu einem der strahlend sten Sterne am Himmel christlich-germanischen Lebens geworden sei, preise, und dargelegt hatte, daß diese bewundernde Liebe des deutschen Volkes nicht nur dem Reformator Luther, sondern dessen sympatischer Ge- sammtpersönlichkeit und der Originalität seines Ge- sammtthuns gelte, wurde des Näheren angeführt, daß das deutsche Volk in Luther seinen frischen und fröh lichen Junker Görg, der „Dornröschen deutsche Sprache und Gedicht" aus langem tiefen Zauberschlafe zu neuem Leben wachgeküßt, von Herzen liebe, seinen tapferen und kampfesfceudigen Ritter St. Georg, der den römischen Lindwurm in ritterlichem Kampfe bestanden, aus tiefsten Herzen bewundere und seinen lieben und frommen Vater Martin, der des deutschen Volkes hehrstes Nationalheiligthum, das sittlich-christliche Familienleben, auf dem Boden des gött lichen Wortes neugegründet, mit ganzem Herzen ver ehre. Dieser schwungvolle Vortrag wurde von der ge summten, äußerst zahlreichen Zuhörerschaft mit der leb haftesten und gespanntesten Theilnahme ausgenommen und mit lautem Beifall belohnt. Und in der That war die Betonung dieser Seite in der Person des Reforma tors ein glückicher Gedanke, weil nothwendig, um zu einem Gesammtbilde des großen Mannes zuj gelangen. Schließlich sprach Herr Bürgermeister Voigt, als Vor sitzender des Festkomitees, allen Mitwirkenden aufrich tigen, wohlverdienten Dank aus und verband damit die Aufforderung, zur Ausführung des Planes, den am Pforteuberge gelegenen Platz, der von den zur Zeit darauf befindlichen Gärten rasirt werden soll, zum „Lutherplatze" zu machen und demgemäß auszustatten, einen Beitrag zu gewähren. Eine sofort veranstaltete Sammlung ergab die Summe von 52 M. 40 Pf. Ist auch unsere „Lutherfeier" nicht in pomphafter Weise in Szene gesetzt worden, so dürfen wir doch mit Befriedigung auf dieselbe zurückblicken, und wollen wir nur wünschen, daß die beabsichtigte Wirkung derselben eine nachhaltige sein und das Andenken des großen Mannes, den wir in diesen Tagen gefeiert haben, bei uns und allen Deutschen in Ehren bleiben möge auch in künftigen Zeiten. Lokales und Sächsisches. 1 Dippoldiswalde. Nächste Mittwoch wird die hiesige Wasserleitung gereinigt und kann derselben vom früh 7 bis Abends 7 Uhr kein Wasser entnommen werden. — Heute Montag hat in allen Klassen der Stadt schule der Unterricht wieder begonnen, der in den unteren Klassen der Masernkrankheit halber mehrere Wochen lang ausgesetzt worden war. Dresden. König Albert uud Priuz Georg