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71. Sahrgarrg. ZK 477 Montag» 11. Oktober 1S2S kr8tKlS88ig68 ^68tSUI'SNt Isgüek 4 Okr: Isnr-Iss „Vsfbs^ins" ^k-sgsk- SlrsSs / f^sltbsknstlsks ^b6sicj8 8 lilis: Vs8 Parkett cisr ^tlrsktio^sn sllsr Welt Programmatische Kanzlerrede in Wen. Neues Werben um -ie Sozialisten. — Thoiry darf -urch keine Zwischenfälle geslörl werben. Deulschnattonaler Auftakt zum Wahlkampf in Sachsen. - Frankreich fragt bei Eoolibge wegen Mobilisierung -er Dawesobligalionen au Marx über seine Politik. Essen, 1» Okt. Die von der Reichszentrale für He-Imat- dicnst gemeinsam mit der Stadt Essen veranstaltete staats- politische Vortragsreihe wurde heut« abend eröffnet. Nach einem Vortrag d«S Ministerialrats Dr. Strahl, deS Leiters d«r Reichözentrale für Heimaldienst, über die Tätig, keit und Ziele der Retchözeirirale für Hcimatdienst, hielt Ncichökanzler Marx eine grob angelegt« programmatische Rede, in der er das Arbcitsprogramm der Regierung ent wickelte. Ausgehend von der Politisierung der Massen, in der der Reichskanzler eines der wichtigsten Kennzeichen der modernen Zeit überhaupt sieht, führte er zunächst aus, daß in der stärker«« Anteilnahme der Massen der neue Volköstaat dem früheren Obrigkeitsstvat unbedingt voraus sei. Aber ditse Politisierung birgt, so fuhr er fort, auch gewisse Gefahren in sich. Kein anderes Volk huldigt so dem politischen Idealismus, wie das deutsch«. Da durch ist ohne Zweifel unser deutsches Volk und unser deut scher Staat stärker als andere moderne Staaten mit inner» politischen Spannungen und Splitterungen bedacht. Nirgendwo ist die Pfleg« des Gedankens der Volk . gemein schaft notwendiger als bet uns. Unter Bezugnahme aus die Ausführungen Dr. Silver- bcrgS aus der Dresdner Industrietagung führte der Reichs kanzler weiter auS: Wenn Dr. Silvcrberg auch keine all- gemeine Zustimmung fand, so hat sich doch gezeigt, dast in immer weiteren Kreisen der Arbeitgeber diese Gedanken An- klana finden. Wer von der Notivendigkeit eines einträchtigen HandinhandarbcitenS zwischen Arbeitgeber, und Arbeit nehmerschaft überzeugt ist, wird von beiden erwarten, datz sic ohne Einschränkung den Staat, wie er heute ist, anerkennen und an seiner Entwicklung Mitarbeiten. Der Regierung ist die Mitarbeit jeder Partei willkommen, die die mühsam ansgcbautc staatliche Ordnung anerkennt und sich schützend vor sie stellt. Ich habe tief bedauert, dast kürzlich wiederum daS Wort gefallen ist: ES könne in Deutschland nur ohne, nur gegen die Sozialdemokratie regiert werden. Eine Politik, die unterscheidet zwischen Parteien, die regierungsfähig nnd solchen, die von vorn herein als regicrnngsnnfähig bezeichnet werden, obfchon sic zur Mitarbeit bereit sind, j?) halte ich für ein Unglück. Wir brauchen alle Kräfte die gewillt sind zur positiven Mitarbeit. Nur so werden wir die schwierigen Aufgaben lösen, vor die wir im kommenden Winter gestellt werden. Wir können uns nicht den Luxus gestatten, grobe Parteien von vornherein mit dem Stigma der Negierungsunfähigkeit zu brandmarken, sllnd trotzdem lehnt gerade die Partei des Kanzlers die Arbeit mit den Dcutichnationalcn auf das schärfste ab. Die Red.) llebsrgehend zur finanziellen Lage stellte der Kanzler zunächst fest, daß in den Monaten Juli und August eine gute Bcssernng auf der Einnahmescite z» ver zeichnen ist Zweifellos ist daraus auf eine gröbere Ltgnidität unserer Wirtschaft zu schlichen. Auf der anderen Seite ist aber nicht zu verkennen, dast auch die Ausgaben stark ge stiegen sind. Der demnächst dem Reichstag zugchcnde Nach- tragSetat betrifft insbesondere die Ausgaben für Erwerbs- lofenfllrsorge, für das Arbeitsbeschaffungs programm. den Wohnungsbau, das Siedlungs- wesen nnd für die Fürsorge in besonders bedrängten LandeStcilen. Trost verbesserter Steuereinnahmen kan« baS Reich froh fein, wen« eS in diesem Jahre hart am Defizit vorbeikommt. Bor allem darf man nicht verkennen, datz man in das Rech, nungötahr IN27 ohne Reserven a»S Ueberschüssen der Bor- fahre hineingcht. Wenn die RcichSregterung an dem Streben nach weiteren Steuererleichterungen fcsthält, so darf nicht verkannt werden, das, dies nur möglich sein kann, bei einer de r eggenden Lösung ves Finanzausgleich». Das, mit der endgültigen Gestaltung de» Finanz«,«». gleichS auch die Aufgaben.Verteilung zwischen Reich und Ländern zusammenhängt und dab es sich hier um das finanzpolitische Z e n t ra l p r ob l e m für das Reich und die Länder überhaupt handelt, möchte ick mit allem Nachdruck betonen. Daraus ergibt sich die Forderung, dab der gesetzgeberischen Neuregelung des Problems eingehende Erwägungen vorangchen müssen. Der Zeitpunkt für eine cndgiiltiac Lvknng des Problems ist noch nicht gekommen. In dem Gesetz über die Aendcrung des Finanzausgleichs von I»26 ist zwar in Nuosicht genommen, das, der Finanzausgleich schon am 1. April l»27 durch Einführung der Zuschläge zur Einkommensteuer und KvrperschaftSsteuer auf eine neue Grundlage gestellt werden soll. Die dazu nöti- gen iimsangreichc» Erhebungen liegen zurzeit noch nicht ab. geschloffen vor. Vs bleibt jedenfalls dem Reichstag nicht ge- ntz- - s Iris«, ein so vcrantwortnnaSvolleS Gesetz rechtzeitig zum Ab'chlnst ,n bringen. Auberbcm ist es beim FinanzauS- gleich nicht mit dem Netchsgcsetz allein getan, sondern e» be darf noch der Ausführungsgesetze der Länder. Alle» da» kann bis zum 1. Avril 1027 bestimmt nicht geschafft werden. Die schlechte Lage unserer Landwirtschast insbesondere hat es n-r« sich gebracht, dast viele Stcnerpslichtiae ansgefallen sind und dab infolgedessen grobe Mengen von Gemeinden über eine hinreichende Steuerkraft nicht versügen- Die Neichsregte- rung wird dafür sorgen, dab im nächsten Jahre daS Gesetz zur endgültigen Regelung d«S Finanzausgleichs dem Reichs- taa so bald zugänglich gemacht werden kann, das, für seine sorgfältige D"rchberatung die erforderliche Zeit bleibt. Der Reichskanzler behandelte dann dgs Problem der Ar beitslosigkeit und Einzelheiten deS ArbeitsbeschaffungsprogrammS. indem er bemerkte: Die vorhandenen Mittel reichen leider nicht zur restlosen Beseitigung der Arbeitslosigkeit aus. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen so eingesetzt werden, dab eine Belebung möglichst weiter Teile der Wirtschaft cr- rB'bt wird, um den Schlüsselgewerben Arbeit zu verschaffen und mittelbar auch andere Teile der Wirtschaft anzukurbeln. Daneben mnb vor allem die Förderung des Ervorts ange strebt werden. Im Zusammenhang mit dem Arbeitöbcschaf- fungsprogramm erinnerte der Reichskanzler an die Mil lionenaufträge von Reichsbahn und Neichspost, ferner an den Bau von zahlreichen Wasserstraben und stellte dann fest dab die bisherigen Ergebnisse bei der Bekämpfung der -'-itslosigkeit keineswegs ungünstig sind. Seit Anfang Juli hat die ^hl der Erwerbslosen ein« Verminderung um eine viertel Million erfahren. ES darf erwartet werden, dab ein an sich ungünstiger Sinslub der Jahreszeit auf den Arb-ltSmarkt überwunden werde. Am Schlüsse seiner Rede erörterte der Reichskanzler sie letzten internationalen Ereignisse, wobei er zunächst zum Abschlub des StahlpaStes, dessen wirtschaftliche und politische Bedeutung man nicht unter schätzen solle, aussührtc: Wollte unsere Stahlindustrie sich nicht völlig vom ausländischen Markt verdrängen lassen und daheim Betriebseinschränkungen mit Arbcitcrentlassnngen vorzunehmen gezwungen werden, so mußte sie zu tatsächlichen Berlustprciscn im Anslande ihre Ware abznscstcn versuchen. Der Abschluß des Stahlabkommcns wird durch Beendigung des Schleuderverkaufes auf den Auslandsmärkten die Rentabilität -er deutschen eisenschaffenden Industrie erhöhen und ihren Arbeitern Bcschäftigungsmöglichkeit sichern nnd den Wert der deutschen Ausfuhr in diesen Erzeug nissen steigen,, waS für die günstige Gestaltung unserer Handelsbilanz von größter Bedeutung ist. Auch die eisen verarbeitende Industrie mit ihrer Arbeiterschaft wird Nutzen aus dem Abkommen ziehen dadurch das, bei der zu erstrebenden Angletchung der Auslandspreise an die Inlandspreise die fremden Industrien nicht mehr billiger mit Rohstoffen beliefert werden als z.V. die deutsche Maschincn- industrie. Die Zustimmung der eisenverarbeitenden Industrie zeigt deutlich, daß man in diesen Kreisen eine Besserung der Wettbewerbsfähigkeit erhofft. Die Regierung wird nötigen falls unter voller Einsetzung ihrer Autorität sichcrstcllen, das, die Hoffnung, daß die Verständigung dazu dienen wird, allen Zweigen der Wirtschaft gleichmäßig einen kräftigen Antrieb zu gesunder Fortentwicklung zu geben, auch tatsächlich in Erfüllung geht. Das Gtahlavkommen hat aber eine über daS rei« Oekonomische hinausgchcnde Bedeutung. Es scheint mir nicht möglich. daß man innerhalb mcsthtiger führender Industrien wirtschaftliche Friedcnspakte abschließe» und sich daneben politisch wie bisher befehden kann. Das eine schließt das andere aus, denn wir wissen alle, wie tief die Kriegöursachen in wirtschaftlichen Gegensätzen be gründet waren. So steht zu erwarten, daß auch aus politischem Gebiete eine weitere Entspannung cintrctcn werde, zunächst innerhalb des Kreises der beteiligten vier Länder, dann aber auch darüber hinaus, denn der Stahlpakt richtet sich gegen kein Land. Jedes andere Land kann ihm beitrctcn. Im Anschluß an Deutschlands Eintritt in den Völker- bund ist viel Kritisches über die „sogenannte" Ersül« lungspolittk gesprochen worden, bei einem Vergleich zwischen dem Jahre l921, das die Einleitung der viel um- strittenen Ersüllungspolttik brachte, und heute kann man nicht verkennen, daß »ns diese Politik der Verständigung ejn gutes Stück weiter gebracht hat. Die Acra der Diktate, der Ultimaten, der Drohungen haben wir ein für allemal über- wunden. Wette Gebiete deutschen Landes, die jahrelang unter dem schweren Druck der Besatzung zu leiden hatten, sind frei, und Deutschland ist vor einigen Wochen Mitglied des Völkerbundes geworden, der keinen Unterschied kennt zwischen Siegern und Besiegten. Wir werben im Völkerbund ehrlich und loyal Mitarbeiten im Geiste der hohen Ideale, die dem Bunde gesetzt sind, und hoffen, aus diese Weise auch unsere Interessen am besten zu wahren, die Interessen Deutschlands »nb der deutschen Minderheiten, die vou unS mit gutem Recht Schuß und Hilfe erwarten dürfen. Besprechungen wie die von Thoiry sind eigentlich etwas Selbstverständliches zwischen Nationen, die einem Bunde angchören, dem die friedliche Beilegung etwa auftauchenbcr Streitfragen als höchstes Ziel gesetzt ist. Noch manche Schwierigkeiten werden zu überwinden sein, che wir zu einer befriedigenden Lösung der zwischen Frank- reich nnd Deutschland schwebenden Fragen kommen werden. Auch ich habe das feste Vertraue», das, diese Lösung gesunden werden wirb, weil ich hüben und drüben den ernstliche» Willen sehe, sie zu finde», einen Willen, der nicht erschüttert werden darf dnrch bedauerliche Ereignisse, wie mir sie in den letzten Tagen im besetzten Gebiete erlebten. Wie immer auch die Schulbfrage bet den schmerzlichen Zwischenfällen auf geklärt werden mag, das eine ist gewiß, die Besprechung in Thoiry kann und darf dnrch solche Vorkommnisse nicht be einträchtigt werden. Unvermeidlich ist cS, daß sic aus die Stimmung der Bevölkerung der besetzten Gebiete einwirkcn. Ich aber habe als der für die Richtlinien der deutschen Politik verantwortliche Staatsmann dafür zu sorgen, daß wir trotz dieser schmerzlichen Zwischenfälle den Weg wcitcrgchen, der zur Lösung der wichtigen Fragen führt, die zwischen Deutsch- land und Frankreich zu erledigen sind. An die Bevölkerung des besetzten Gebiets richte ich deshalb die Mahnung, würdige Zurückhaltung z« üben! Wirtschaftliche Annäherung an England. Das Ergebnis -er Jn-uskriebesprechungen. Ein deutsch-englischer WirtschastSanSschuß. BroadlandS, 10. Oktober. Ueber die deutsch-englischen Jndustricllenbesprechungen wir- folgender Bericht verbreitet: In BroadlandS fanden über das Wochenende zwischen deut schen und englischen Industriellen zwanglose Unterhaltungen statt, die den Zweck hatten, fcstzustcllen, in welchem Umfange es möglich sei, die Interessen der beiden Länder aus eine ge meinsame Formel zu bringen. Die Teilnehmer bandelten hierbei in privater Eigenschaft. Es bestanden keine Voll machten, irgendwie geartete Abkommen zu schließen. Aus gehend von einer Betrachtung der Wirtschaftslage ber beiden Länder wandte sich das Interesse internationalen Abkommen aus wirtschaftlichem Gebiet zu. Hierbei wurde» die Aus sichten erörtert, die für eine gegenseitige Unterstützung be stehen, um Europa einer wirtschaftlichen Gesundung entgegen- zusühren, insbesondere um im Hinblick aus die Arbeitslosig keit i» beide» Ländern in größerem Nmsange ArbeitSmöglich- kette« zu schassen. Im Zusammenhang mit diesem Problem wurde serner besprochen, wie angesichts einer wachsenden ProdnktiouSsähigkeit die ArbcitSkrast der europäischen Länder, die nach dem Kriege stark gesunken ist, gehoben »erde« könnte. Die Verhandlungen waren getragen von dem aufrichtigsten Bestreben gegenseitigen Verstehens, von dem Wunsche. Schwierigkeiten zu beseitigen und eine Atmo- sphäre des Vertrauens zu schassen. ES tan« gesagt «erde«, dab die Besprechungen in der Tat eine anSgezcichnete Grund lage für künftige Abmachungen zwischen beiden Länder« bilden würden. Darüber hinaus bedeutet nach dem Gefühl aller Beteiligten die Konferenz einen Beitrag für die wirt schaftliche Verständigung in Enropa. Die Konferenz beschloß einen Ausschuß zu bilden, dem u. a. Sir Robert Horne, Herr Duisbcrg, Herr Hannon, Herr Kaste! und Herr Nugcnt angchören werden. Aufgabe des Ausschusses soll cs sein, die aufgeworfenen Fragen weiter zu behandeln. Weitere Zusammenkünfte der Konferenzteil nehmer sind bereits in Aussicht genommen. Vor ihrer Abreise nahmen die deutschen Teilnehmer Gelegenheit, Colonel Mil« frid Aschlcy und insbesondere Frau Aschlcy für die überaus liebenswürdige Gastfreundschaft zu danken. (W. T. B.) Die Bergarbeiker in Leieesler splittern ab. (Durch Funkspruch.) 8 ondon , 111. Okt. Der Rat der Bergarbeiter der Graf« schast Lclcrstcr beschloß, den Streik abznblascn nnd den Mit« gliedern dringend zn empfehlen, sich sofort an die Arbeit z« begeben. Nahezu 6N Prozent der Grubenarbeiter in der Gras» schast Leicestcr sind bereits bei der Arbeit, und alle Kohlen« grnben fördern Kohl«. iW. T. B.j