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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000419024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900041902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900041902
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-04
- Tag 1900-04-19
-
Monat
1900-04
-
Jahr
1900
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Di» Morgen»Au»gabt erscheint um '/,? Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentag« um Ü Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Larttm. UnivrrsitätSsttaße 3 (Paulinum^ Laut» Lösche. KMHaitmuki» i«. pari, und Konigsvlntz 7. Aedartion und Lrpe-ttion: JobanniSgafie 8. Di»Expedition ist Wochentag« ununterbroche» »»öffnet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. BezrrgS-PreiS h«r Hauptexpedition oder den im Stadt- ßnirk und den Vororten errichteten Au«» ^bestellen abgeholt: vierteljährlich^l4.KO. vri zweimaliger täglicher Zustellung in» hau« b.SO. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: viertetjährlich ^l L.—. Dirrct» tägliche Kreuzbandiendnng in» Ausland: monatlich >il 7.öO. Abend-Ausgabe. UchMcr.TaMatt Anzeiger. Imlsbkatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Ratyes und Notizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Nnzeigen-PreiS die 6 gespaltene Pelitzeile SV Pfg. Neclamen unter demRedactionlstrich (4a«> spalten) üOA, vor den Familiennachrichte» (6gespalten) 40^. 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Ist schon in der Pfalz mancher alte Getreue abgefallen, so droht ein noch stärkerer Abfall in der Provinz Hannover, besonders im ReichStagswablkreise Hildesheim, auS dem der „Voss. Ztg." geschrieben wirv: „Die im diesseitigen Reichstagswahlkreise entstandene Mittel» standSbrwegung, die in erster Linie eine LoStrennung vom Lunde der Landwirthe bezweckt, nimmt trotz aller Ver» tuschungs« und BekämpsungSversuche ihren regen Fortgang. Man schenkt ihr auch allerseits di« größte Beachtung. Von dem Ober präsidium in Hannover, daS bei politischen Bewegungen, die gegen die Conservativen und den Bund der Landwirthe ge richtet sind, merkwürdig schnell zur Hand ist, ist den unter stellten Behörden bereits die peinlichste Aufmerksamkeit zur Pflicht gemacht worden, und der Landgendarm forscht auf landräthlichen Befehl eifrigst nach den Quellen, auS denen der Abfall von dem bei jenen Behörden so wohl gelittenen Bunde fließt. Dabei sucht man aber in verhüngnißvoller Unterschätzung der ganzen Bewegung auf völlig falschen Spuren. Man vermuthet hinter ihr die bösen Liberalen als Regisseure. Diese Annahme ist unrichtig. Die Liberalen haben von der Bewegung erst erfahren, alS sie schon längst im Fluß war. Sie hat sich vollständig selbstständig entwickelt, ist geboren innerhalb des Bundes der Landwirthe und wird zum Thei! von Leuten geführt, die bis vor Kurzem eifrige Vorkämpfer des Bundes waren. Man sieht eben aus dem platten Lande in immer weiteren Kreisen ein, daß der Bund nur sür die Großen ist, die Kleinen aber mit Versprechungen und unfruchtbaren Theorien abgespeist werden. Tas hat Erbitterung hervorgerufen und selbst dem, der bis dahin lebhaft für den Bund focht, das Schlvert gegen ihn in die Hand gedrückt. Ja, man ist von einem förmlichen Groll erfüllt und kann r« kaum erwarten, Männern wie vr. Hahn ihre Prahle reien vorzurückrn. Daß ein derartiger Rückschlag der bnndlerischrn Hochfluth hier zu Lande folge, machte sich schon seit längerer Zeit in verschiedenen Ortschaften bemerkbar. Die Bundesversammlungen waren trotz dec eifrigsten Reclamemachcrei nur sehr spärlich besucht, und in ihnen herrschte eine außerordentlich flaue Stimmung. Ja, in dem Orte, wo der bei der letzten Wahl ausgetretene bünd- lerijche Reichstagscandidat inmitten einer zahlreichen Verwandt» schäft feinen Sitz hat, mußte wegen der allzu stark gewordenen Opposition gegen den Bund von der Veranstaltung einer Bundesversammlung Abstand genommen werden. Dort, wie in zahlreichen anderen Orten drS Hildrsheimschen Wahlkreises braucht nur das Zeichen gegeben zu werden, um den Abfall vom Bunde allgemein zu machen. Denn die Entfremdung und Erbitterung geht weiter, als man vielfach annimmt. WaS in dieser Hinsicht die Drochensaat der bündlerischen Agitation nicht vermocht hat, haben die localen Führer durch persönliche Verhetzungen und Quertreibereien vollendet. Natürlich geben sich der Bund und seine Organe alle Mühe, den Ernst der Situation zu verschleiern. Diese Vogel-Strauß-Politik wird ihnen aber nichts nutzen. Der Sturm, welcher der von Seiten des Bundes betriebenen maßlosen Verhetzung folgen mußte, wird in der nächsten Zeit sicher losbrrchen und eine über die Grenzen des Hildesheimer Wahlkreises weit hinauSgreifend« Bedeutung gewinnen." Diese Schilderung mag etwas übertreiben, jedenfalls stimmt sie in wesentlichen Punkten mit dem überein, was uns von mehr als einer Seite aus der Provinz Hannover schon vor Wochen mitgetheilt worden ist. Am meisten ist man nach unseren Informationen in den nichtwelfiscken und nichtultramontanen landwirtbschaftlichen Kreisen empört über die mehr als zweideutige Rolle, welche die Buudesführer der Flottenvorlage gegenüber spielen. „Sollte es" — so schrieb man uns kürzlich aus Diepholz — „zu einer Auf lösung deS Reichstages wegen Verweigerung der zur Ver stärkung unserer Seewebr nöthigen Mittel kommen und sollten gar die Bundesführer zu den Verweigerern gehören, so würden sie bei Neuwahlen nur auf welfische, ultramon tane und socialdemokratische Unterstützung angewiesen sein und die ganze nationalgesinnte Bevölkerung gegen sich haben." Eine erfreuliche Nachricht über die Umgestaltung der Verhältnisse in Sen Rcichslandcn enthält der Pariser „TempS". DaS genannte Blatt schreibt nämlich in seiner neuesten Nummer daS Nachstehende: „Die deutsche Regierung verfolgt methodisch zu gleicher Zeit die politische und die wirthschaftlich - finanzielle Umbildung der Reichslande. . . . . Die meisten Großindustrien, besonders die mit dem Bergbau zusammenhängenden, die bis in die letzten Jahre hinein in den Händen ausschließlich eingeborener Capitalisten sich befanden und von Franzosen geleitet waren, werden all mählich in ausschließlich deutsche umgewandelt. Letzten Sonnabend fand in Metz die Generalversammlung der Gesellschaft der Saar- und Mosel-Kohlengruben, der wichtigsten des Saar landes, statt. Baron d'Oissel, bisher Vorsitzender, und die Mitglieder des Aufsichtsrathes, sämmtlich Franzosen oder eingeborene Lothringer, haben ihre Demission gegeben, und sind durch einen rein deutschen Aus sichtsrath ersetzt worden. Director Godin hat gleichfalls zurncktreten und zwei deutschen Directoren Platz machen müssen." — Es wäre sehr erfreulich, wenn die vor stehende Mittheilung des „Temps" in allen Puncten zutreffend wäre. In dem Maße, in dem die Leitung großindustrieller Unternehmungen in deutsche Hände über geht, in demselben Maße wird sich allmählich der französische Einfluß vermindern. Zeigt sich die deutsche Regierung in der That bemüht, nach dieser Richtung die wirtbschaftlich- finanziellen Verhältnisse in den Reichslanden umzugestalten, so Ware das nur zu begrüßen. Ob es aber in dem vom „Temps" herangezogenen Einzelfalle lediglich Regierungs maßnahmen zu danken ist, daß Franzosen und französisch gesinnte Großindustrielle ihre überragende Stellung ein büßten , erscheint zweifelhaft. Vermuthlich haben die französischen und die französisch gesinnten Actionäre der oben genannten Gesellschaft ihre Capitalien in einem Umfange zurückgezogen, der daS Vordringen de« deutschen Elements gestattete. Auch das würde lediglich mit Zufriedenheit aus genommen werden können; denn auf solche Weise gingen dem Franzosenthum gewichtige Handhaben, ihren Einfluß geltend zu machen, verloren. — Der „Temps" nennt als neuen Vor sitzenden deS Aussichtsraths der Gesellschaft der Saar- und Mosel-Kohlengruben einen Geheimen Oberfinanzratb Walden- miller aus Berlin. Einen Herrn dieses Namens nennt das Berliner Adreßbuch nicht; wahrscheinlich ist dem „Temps" in Bezug hierauf ein Versehen uutergelausen, das durch die Schwierigkeit, welche deutsche Namen den Franzosen noch immer bereiten, leicht zu erklären ist. Noch ist der peinliche Eindruck, den der Erlaß der ungarischen Negierung gegen die deutschen Ortsnamen auf alle Deutschen gemacht bat, nicht verwischt, und schon wird gegen unsere Stammesbrüder in Ungarn ein neuer empfindlicher Schlag geplant. Der ungarisch- Jnstiz- minister hat eine demnächst dem ungarischen Abgeord netenhause vorzulegende Strafgesetznovelle auS- gearbeitet, welche bestimmt, daß, „wer ohne Erlaubniß der ungarischen Regierung von einer ausländischen Gesellschaft oder Person materielle Unterstützung für Kirchen- und Schul- oder Nationalitäten zwecke verlangt oder an nimmt, mit Haft bis zu einem Monat und einer Geld strafe bis 200 fl. zu bestrafen ist." Dieser Gesetzentwurf, der offensichtlich nur gegen die Unterstützung der Siebenbürger Sachsen durch den Gustav-Adolf- Verein und den „Allgemeinen Deutschen Schulverein zur Erhaltung deS Deutschthums im Ausland" gerichtet ist, spricht indirect den Vorwurf aus, unsere Stammesbrüder in Ungarn hätten sich bisher in hochverrätherischc Verbindung mit dem AuSlande eingelassen, und stellt sie gewissermaßen unter stete Polizeiaufsicht wegen Hoch verrats. Ein solch verletzende« Vorgebea der ungarischen Regierung haben die Siebenbürger Sachsen wahrlich nicht verdient. Die ungarische Krone hat keine treueren Unter- thanen, als eben diejenigen, gegen welche sie jetzt wieder in so schroffer Weise vorgeben will. Welche Fülle von Bildung führen sie durch ihre Schulen dem ungarischen Staate zu, wie viele treue Beamte baben sie ihm schon gestellt, wie maßvoll ist jederzeit die Sprache ibrer Abgeordneten, die nie versucht haben, eine politische Rolle zu spielen! Wie notbwendig braucht auch künftig die ungarische Regierung die Hilfe der Siebenbürger Sachsen im Kampfe um die Herrschaft im Lande; denn nicht von den Deutschen, die ja in verhältnißmäßig geringer Zahl sind, sondern von den Rumänen, deren Zabl in die Millionen gebt und die auf Kosten der Siebenbürger Sachsen wie der Magyaren zunehmen, droht den Magyaren Gefahr. ES ist also nicht bloS ungerecht, sondern auch unklug, wenn die ungarische Regierung gegen die Siebenbürger Sachsen einen neuen Ge- waltstreich plant; und es ist auch, genau betrachtet, klein lich. Die Unterstützungen, welche vom deutschen Reiche nach Siebenbürgen fließen, belaufen sich auf einige Tausend Mark jährlich und haben demnach mehr einen moralischen als einen materiellen Werth, so daß, wenn auch die Spenden fortsallen, die Siebenbürger Sachsen doch ihre Schulen weiter erhalten werden. Schon darum darf wohl erwartet werden, daß die Ungarn den Gesetzentwurf des Justizministers nicht zum Gesetz erheben werden, abgesehen davon, daß ein solcher Gewaltstrcich die Sympathien der Deutschen für die Ungarn erschüttern müßte, was gewiß auch den Ungarn nicht erwünscht sein würde. Von einem nicht zu unterschätzenden Erfolge der deutschen Sache in Ehtna weiß der ständige Mitarbeiter der „Welt- Corresp." in Shanghai zu melden. Er schreibt in einem Briefe vom 14. März: Wie schon früher berichtet worben ist, baben die Japaner ibr Hauptaugenmerk auf Wuchang, die Residenz des Generalgouverneurs der Liang-Hu-Provinzen, des alten Chan Chih tung gerichtet. Es befinden sich nicht allein dort bereits eine ganze Reihe von Japanern im Dienste dieses wobl mächtigsten Satrapen im chinesischen Reich, sondern es sind auch von Wuchang au« Kriegsschüler nach Tokio entsandt. Erst vor wenigen Wochen wurden wieder vier japanische Officiere — angeblich als Dolmetscher — nach Wuchang berufen. Für längere Zeit sah eS so au», als sei die Stellung der deutschen Officiere und Instructeure an der dortigen Militärschule arg be droht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Besuch des Prinzen Heinrich von Preußen im letzten Frühjahr in dieser Beziehung ganz außerordentlich günstig gewirkt Hal. Chan Cbih tung hatte bis dahin den deutschen Officieren und ihren Leistungen und Erfolgen so gut wie gar keine Beachtung geschenkt. Erst vom Ainzen Heinrich wurde ec- auf diese aufmerksam gemacht. Seitdem verfolgte Chan Chih tung die Hebungen seiner Schule mit solchem Interesse, daß er sich sogar den Strapazen eines größeren mehrtägigen Manövers in dem letzten Theile des abgelaufenen Jahre? unterzog. Dann schien es wieder für einige Zeit, als ob die erzielten Erfolge doch umsonst seien. Einer der Instructeure wurde entlassen, nachdem eS sich'herausgestellt hatte, daß nicht er, sondern sein sehr tüchtiger Dolmetscher den Unterricht ertheilte. Ein anderer Instrukteur verließ Wuchang, da ihm eine Anstellung im Dienste de« deutschen Gouvernement» von Kiautschan angeboten wurde und obwohl ihm der General gouverneur seinen Contract unter ganz außerordentlich günstigen Bedingungen zu erneuern versprochen hatte. Es schien dann, daß die japanische Partei Oberwasser gewinnen und die deutschen Instructeure ganz verdrängen würde. Wie wir jetzt hören, ist es den Anstrengungen der noch in Wuchang weilenden deutschen Officiere gelungen, den Generalgouverneur zu bestimmen, für die fortgegangencn andere deutsche Officiere wieder zu cngagiren. Es schweben bereits Verhand lungen mit alten Officieren, die seit Jahren in China wirken und Sprache und Gebräuche des Landes kennen. Außerdem aber, und das ist entschieden noch viel wichtiger, hat der Generalgouverneur seine Zustimmung ertheilt, daß diejenigen Kriegsschüler, die ihren CursuS jetzt in Wuchang absolvirt haben, der activen Armee einverleibr werden. Ihnen ist nunmehr die große Aufgabe Vorbehalten, das, was sie unter deutscher Anleitung gelernt haben, praktisch zu verwerthcn und den Mafien der Soldaten mitzu- theilen. Das ist für China etwas ganz Neues. Bisher sind, wenigstens in irgend nennenswerther Ausdehnung, der artige Versuche nicht gemacht worden. Den von Europäern ausgebildeten jungen Officieren ist niemals die Gelegenheit gegeben worden, an einer wirklichen Reform deS chinisischen Heeres mitzuarbeiten. Gelingt dieser erste Versuch, so macht die Reform der Armee einen außerordentlichen Fortschritt und es kann dann nicht fehlen, daß auch der deutsche Ein fluß im Lande der Milte dauernd sich behaupten wird. e Der Krieg in Südafrika. —Die britischen Entsatzcolonnen nähern sich dem von den Boeren noch belagerten Orte Wepener von zwei Seiten, über Reddersburg im Westen und von Rouxville im Süden, ungewiß bleibt man aber über die Stärke dieser Entsatzabthcilungen, sowie über ihren Vormarsch und den Widerstand, den sie finden. Die Thatsache, die Roberts bervorhebt, daß die Energi» des Feindes in seinen Angriffen auf die Belagerten nach gelassen hat, deutet darauf hin, daß die Belagerungstruppe Feuilleton. zgj Drei Theilhaöer. Roman von Br»t Harte. Nachdnick »ertotr». Der Director riß sich nur schwer von der Zeitung los, die auch er mit ängstlicher Spannung überflog; ein eigenthümliches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, als er erwiderte: „Ich gLrube kaum! Sie sollt« heute Wiede klommen; aber wenn sie ihr» Zimmer zu behalten wünschen, wird das keim Schwierigkeit haben; «S ist unwahrscheinlich, vaß sie sich jetzt wieder hier blicken läßt. Zwar trägt sie den Kopf sehr hoch und ist «in entschlossene« Frauenzimmer, aber weiser sie noch ihre Töchter dürften e» angenehm finden, nach dem, was geschehen ist, Len Leuten wieder unter die Augen zu treten." „Ich verstehe Sie nicht", rief Demorest ungeduldig. „WaS ist denn geschehen?" „So wissen Sie e« noch nicht?" fragte der Director ver wundert. „Alle Zeitungen find ja voll davon. Ban Loo ist ein Betrüger; er hat die ihm anvertrauten Gelder unterschlagen, sein Hab und Gut versilbert und sich aus dem Staube gemacht." Barter fuhr erschreckt a^. Aber er dachte nur an den Kummer und Verdruß seiner Frau, nicht an den Verlust ihre» Gelbe«. Vielleicht quält« sich di« Aermsie noch obendrein darüber, daß er ihr zürnen würde! Doch da kannte sic ihn schlecht; er wollte sogleich zu ihr nach Boomville, um sie zu beruhigen. Plötzlich siel ihm ein, daß sie ja mit Frau Hornburg herüber käme, urid vielleicht schon unterweg« sei, auf der Eisenbahn oder der Postkutsche, so daß er sie verfehlen könnte. Unterdessen hatte Demoresi »ine Zeitung zur Hand genom men und la« eifrig darin. „Auch für Ihren Freund und früheren Theikhaber bauten die Nachricht«« schlecht", sagt« dir Director nicht ohne Mitgefühl. „Der Preis sämmtlicher Effecten, di« die Bank besitzt, ist plötzlich gesunken; sie werden all« massenhaft auf den Markt geworfen. Zwei Firmen in FriSco, die mit der Bank in Geschäftsverbin dung standen, haben Bankerott gemacht, ohne irgend welchen Verpflichtungen gegen di« Bank nachzukdmmen. An der Börse ist gest«rn Abend «im schrecklich« Panik ausgebrochen; man sagt, daß keiner von den großen Spekulanten weiß, ob er steht oder fällt. Drei unserer besten Kunden im Hotel sind heute früh Hals über Kopf nach Frisco abgerrist. Stacy selbst ist schon vor Tagesanbruch fort; er hat an di« Verwaltung der Zweigbahn telegraphirt, daß der Nachtfchnrllzug an der Station für ihn halten soll. Wünschen Sie, daß ich etwaige Dopeschen, die an kommen, auf Ihr Zimmer schicke?" Demorest verstand die Bedeutung dieser Frage wohl; der Di rector vermuthet« offenbar, daß er bei der Bank betheiligt sei. In ruhigem, etwas verwundertem Tone entgegnet« er, daß er keine Depeschen erwarte, und fügte hinzu: „Aber wenn Frau Loo zurückkommt, lassen Si« es mich, bitt«, sofort wissen." Dann er griff «r Bark«r's Arm, um mit ihm zum Frühstück zu gehen. Als sie etwas abseits von den anderen Gästen Platz ge nommen hatten, sah Demorest seinen Gefährten an: „Ich fürcht«, lieber Junge", sagte er, „daß der Schlag Jdm weit härter trifft, als wir gestern Abend dachten, oder er uns merken lassen wollte. Und auch Dir wird Van Loo's Flucht Verluste bereiten. Nicht wahr, «r hatte Geld von Deiner Frau in Händen?" Barker wüßte, daß Demorest's Vermögen zum größten Theil in Stacy's Bank steckte und war gerührt über diesen Beweis seiner uneigennützigen Gesinnung; so antwortete er denn mit der gleichen Selbstlosigkeit, er hätte nur di« eine Sorge, ob seine Frau sich auch di« Sache nicht allzusehr zu Herzen nehmen würde. „Du kannst >Dir denken, Phil, daß eS mir nichts ausmacht, ob sie ihr Geld behalten oder verloren hat. Ich hab's ihr geschenkt, und sie konnte damit anfangen, WaS si« wollt«. Aber gewiß ängstigt s»e sich, daß ich ihr Vorwürfe machen würde; als ob mir das gl«ichsähe! Wüßte ich, daß wir uns nicht verfehlten, ich ginge sofort nach Boomville HinÄkr, wo sie eingekehrt ist." „Sagtest Du nicht, si« wäre in San Francisco?" fragte De morest erstaunt. Barker erröthete. „Ja", erwidert« er rasch, „aber ich hab« seitdem erfahren, daß sie unterwegs in Boomville geblieben ist." „Dann laß Dich ja nicht durch mich aufhalten, alter Junge", versetzte Demorest. „Wenn Jim mir t«l«yraphirt, br«che ich so- fort nach San Francisco auf; di« Depesche kann jeden Augenblick kommen. Ich wollte nur nicht, daß es di« Neuigkeitskräm«r draußen erstihrvn, die Alles weiter tragen. Also, lauf' nur hin, Barker, und beruhig« Dein Gemüth über Deine Frau. Es wird wohl bald ander« Dinge geben, die unS in Anspruch nehmen." Auf so dringendes Zureden unterbrach Barker sein Frühstück und ging hinaus; doch war er noch immer ungewiß, was er thun sollte. Kitty hatte die schlimme Nachricht in Boomville ohne Zweifel ebenso rasch erfahren wie er. Entweder war sie jetzt also mit Frau Hornburg unterwegs, oder sie wartete in Furcht und Zittern auf ihn, der ja auch Alles wissen mußte. Es war nun einmal Barker's Gewohnheit, Allen, die er liebte, seine eigenen Gefühle zu leihen, und der Gedanke lag ihm fern, daß die Frau, welche sich gegen seinen Rath in so waghalsige Spe kulationen eingelassen hatte, schwerlich seinen Tadel fürchten würde, nun die Sache mißglückt war. In seiner Herzensgüt« telegraphirt« er an sie, für den Fall, daß sie Boombill« noch nicht verlassen hätte: „Alles in Ordnung. Nachricht erhalten. Quäle Dich nicht. Komm' zu mir." Dann vergeß er das Hotel durch die Hinterthmr, unn den Gästen nicht zu begegnen, die auf der Veranda versammelt waren, und begab sich nach einer kleinen bewaldeten Anhöh«, von wo aus man die beiden Straßen nach Boomville überblicken könnt«. Hier wollt« er auf Kitty warten und ihr entgegengehen, damit sie nicht allein beim Hotel vorfahren und sich den neugierigen Blicken und spöttischen Bemerkungen der Gäste aussetzen müßte, von denen Viele wußten, daß Van Loo ihr Makler war und sie mit ihm speculrrt hatte. Während er den Hügel erstieg, sah er die Post kutsche von Sacranwnto unten auf der Straße vorbeifahren; da diese aber schon um vier Uhr Morgens im Boomville di« Pferde wechselte, war Kitty sicher zu müde gewesen, um sie zu benutzen; auch konnte die Unglücksnachricht sie bis dahin nicht erreicht haben. So setzte er sich denn unter ein« Kiefer und schaute der Postkutsche nach, wie sie im weiten Bogen dahinführ und im Hofe d«S Hotels verschwand. Eine Weile hatte er so gesessen ursd di« 'Gabelung der beiden rothen Straßen unten fortwährend im Auge behalten, die immer weißer und blendender zu nxrden schienen, je mehr sein Blick ihnen in di« Ferne folgte. Nichts war zu sehen, außer von Zeit zu Zeit ein« Staubwolke, auS der ein Reitersmann oder ein vereinzeltes bepacktes Maülthier dann und wann auftaucht« und ebenso schnell wieder verschwand. Plötzlich hörte er sich beim Namen nennen; er blickte auf und sah Frau Hornburg wenige Schritt« vor ihm zwischen zwei Stämmen «der hohen Kiefern stehen, dr« sich über ihren Häuptern wölbten. In dem gkhermnißvollen Dunkel kam ihm die Erscheinung so göttlich schön vor, daß er zuerst an gar nicht» Andere» deÄen konnte. Sie trug ein leichte» Kleid von zartem Stoff, der sich on- muthig an ihr« wundervolle Gestalt schmiegte und von einem seidenen Gürtel zusammengehalten wurde. Der aufgespannte weiße Sonnenschirm, den sie über die Schultern hielt, bildet« einen lichten Hintergrund, von dem sich ihr reizender Kopf mit den dicken Haarflechten unter dem mit Spitzen umränderten Hut aufs Vortheilhafteste abbob. Sie war Barker noch nie so ent zückend erschienen; rasch sprang er vom Boden auf, und alle Be wunderung, die er empfand, spiegelte sich deutlich in seinem offenen Gesicht. Auch das Roth ihrer Wangen hatte sich tiefer gefärbt. „Ich sah Sie hier heraufsteigen, «als ich vor einigen Minuten im Postwagen vorüberfuhr", sagte sie lächelnd; „da habe ich mir nur den Staub aus den Kleidern geschüttelt und bin Ihnen ge folgt." „Wo ist Kitty?" stammelte er. Sie erblaßte plötzlich, und es lag wi« ein stiller Vorwurf in ihren dunklen Blicken. Was sie auch sagen wollte, oder wie sorg fältig sie sich auf diese Unterredung vorbereitet hatte, sie verlor bei Vieser unumwundenen Frage im Augenblick alle Fassung. Barker sah dies und maß die Schuld natürlich sofort seiner eigenen Unhöflichkeit zu. Mit wahrhaft zerknirschter Miene flehte er: „O, vergeben Si« mir! Ich mache mir solche Sorge um Kitty, und >war schon tm Begriff, nach Boomville z-u fahren. Natürlich haben Die doch auch gehört, daß Van Loo ein Be trüger ist und mit dem Gelse des armen Kindes die Flucht ergriffen hat." Frau Hornburg hatte die Nachricht soeben im Hotel er fahren. Sie schwieg einen Augenblick, um sich zu sammeln und sagte dann langsam und vorsichtig, wobei sie die Wirkung ihrer Wort« genau beobachtet«: „Frau Barter ist, so viel ich weiß, nach der Zweigbahn gefahren, um den Zug —" „Natürlich", unterbrach sie Barker eifrig; „das konnte ich mir gleich denken! Sie hat sich nach dem Burkau der Actiengeselkschast ausgemacht, um zu sehen, ob sich noch etwas aus dem Zusammen sturz retten ließe, ehe sie zu mir kaM. Das sieht dem armen Ding recht ähnlich. Und Sie — Sie", führ er fort und ergriff ihre beiden Hände, während fein ganzes Gesicht von Dankbar keit strahlte, „Sie sind in Ihrer Herzensgute hergrkommen, um eS mir zu sagen." Einen Augenblick stand Frau Hornburg sprachlos und un entschlossen da. Welch« Ironie des Schicksals war es doch, daß solche offene Naturen sich nicht nur leicht betrügen ließen, sondern förmlich zum Betrug aufforderten! Anstatt daß er Andere durch fein Beispiel wahrheitsliebender machte, verlockte si« sein« Leicht gläubigkeit nur zur Lüge und Hinterlist. Auch Frau Hornburg konnte der Versuchung nicht widerstehen. Ihr Zweck war, das Zusammensein mit Barker etwas in die Länge zu ziehen; eine unumwunden« Mittheilung des Sachverhalts hätte vielleicht der Unterredung ein schnelles Ende gemacht. „Sie selbst hat mir nichts von ihrer Absicht gesagt, dorthin zu gehen", erwiderte si« ausweichend. „Ich hörte e« erst von dem Hausmeister nach ibrer Abfahrt. Aber ich wollte überhaupt mit Ihnen von den Beziehungen Ihrer Frau zu Dan Loo
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