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Die Revolution i« Argentinien Straßenkämpfe in Buenos Aires - Präsident Zrigoyen verhaftet - Eine neue Regierung gebildet 15 Tote, iso Verletzte Paris, 7. September. Rach einer Meldnna der Agentur Havas aus Buenos Aires ist dort die Revolution aus gebrochen. Associated Preß meldet aus Buenos Aires: General Uriburn richtete an den Präsidenten Jrigoyen telegraphisch eiu Ultimatum des Anhalts, daß er, falls der Präsident nicht sofort endgültig zurücktrete, den Regiernngspalast be schießen lassen werde. Daraufhin wurde ans dem RegiernngS- gebäude die weihe Fahne gehißt. Der Rücktritt Jrigoyens hat auf die Bevölkerung der Stadt wie eine Bombe gewirkt. Gleich nach Bekanntwcrden der Nachricht, die die Stadt wie ein Lauffeuer durcheilte, be gannen die Sirenen zu heulen. Feuerwerkskörpcr wurden ab gebrannt und die Zeitungen verteilten in den von erregten Mcnschcnmasscn erfüllten Straßen Extrablätter. In der Nähe des Gebäudes der Zeitung „La Prensa" kam cs zu Zu. sammenstößen. Die Leute schlugen sich vor den Gebäuden der Zeitungen, deren telephonische Verbindungen plötzlich unter- krochen worden waren. Eine strenge Zensur wurde etngc- sührt. Ansammlungen auf den Straßen wurden verboten. Die 18 im Hafen liegenden Kriegsschiffe und ihre aus 700V Mann bestehende Besatzung schlosse» sich der Bewegung gegen den Präsidenten Jrigoyen unter der Führung des Generals Storni an. Präsident Jrigoyen ist verhastet und in dem Baracke«, lgger deS Infanterie-Regiments in La Plata interniert worden. Associated Preß in Neuyork bringt ausführliche Schilde rungen über den Sturz der argentinischen Regierung und die Vorgänge in Buenos Aires. DaS argentinische Kabinett hat den Beschluß, sich dem Militär z« ergeben, nach einer Sitzung gesaht, die fast den ganzen Tag andauertc. Als auf dem Re- giernngogebändc die weihe Fahne gehiht wurde, befanden sich die angreiseudcn Truppcnabteilungen bereits im Aumarsch. Bor dem Gebäude der Jrigoyen ergebenen Zeitung ..La Epoca" kam es zu einer Schießerei zwischen regierungstreuer berittener Polizei und den angreisenden Truppen, die das Feuer der Polizei mit Maschinengcwchrsalven erwiderten. IS Personen wurden getötet und ISO verletzt. Der frühere Innenminister Gonzales und der ehemalige Sekretär Jri goyens. Benavides, sind verhaftet worden. i Nachdem sich auch die Polizei den AusstSndischen ergebeu > hatte, stürmte die Menge den Regiernngspalast. ritz die Bilder Jrigoyens von den Wänden und verbrannte sie. Auch die Büroräume des Innenministeriums wurden von der Menge gestürmt. Das Haus der „Epoca" wurde in Brand gesteckt, die Feuerwehr weigerte sich, zu löschen. Vizepräsident Marttnez hat die Regierungsgeschäfte dem General Uriburu und dem Admiral Storni über- geben. Uriburu hat ein provisorisches Kabinett gebildet, dessen Leitung er selbst übernommen hat und zu dessen Vize präsidenten der konversative Abgeordnete Enrique Santa Marina berufen wurde. Konteradmiral Carlo Eher- melo wurde zum Polizeiches von Buenos Aires ernannt. Das Kabinett hat den Belagerungszustand tm ganzen Lande erklärt. Nach der Entwaffnung der Polizei Übernahmen Truppenabteilungen den Ordnungsdienst. » Neuyork, 7. Sept. Wie aus Buenos Aires gerücht weise verlautet, soll Jrigoyen, der übrigens wieder frei- gelassen worden ist, infolge eines GchlagansalleS tm Sterben liegen. Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt jedoch noch nicht vor. Ser Eindruck in den Bereinigten Staaten Washington, 7. September. Die Nachricht vom Rücktritt des argentinischen Präsidenten ist hier mit größtem Inter esse ausgenommen worden. Jrigoyen hatte in den letzten zwei Jahren eine stark ablehnende Haltung gegen die Regierung der V erein.igten Staaten eingenommen. Er hatte nicht nur den Posten des argentinischen Botschafters hier über 18 Monate lang unbesetzt gelassen, sondern es auch abgelehnt, dem Kcllvgg-Pakt beizutreten, und Brasilien da- durch nach Ausfassung der hiesigen Kreise vom Beitritt ab gehalten Außerdem hatten auf sein Geheiß die Vertreter Argentiniens auf allen panamerikanischen Veranstaltungen der letzten zwei Jahre entweder gegen die Bereinig- ten Staaten polemisiert oder eine Beteiligung an panamerikanischen Verträgen abgelehnt. Man nimmt daher die Meldung von seinem Rücktritt mit einem Gefühl der Erleichterung aus und hegt die Zuversicht, daß die neue Regierung Argentiniens einen anderen Kurs einschlagen und einer engeren Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten in panamerikanischen Fragen geneigt sein werde. Ser Bund deutscher Srauenveretne zur Wahl Berlin, 7. Sept. Der Bund Deutscher Frauenvereine schreibt zur Neichötagswahl 1980: Ueberzeugt von der Trag weite der Entscheidungen, um die es in dem gegenwärtigen Wahlkampf geht, wendet sich der Bund Deutscher Frauen- vereine an die deutschen Frauen. Es handelt sich dieses Mal nicht um einzelne Partei- und Jnteressenfragen. es handelt sich um die Erhaltung der deutschen Wirtschaft und des beut- scheu Staates. Es handelt sich um das Schicksal von Mil lionen Volksgenossen in allen Schichten, die durch die wirt schaftliche Krisis schon heute in ihren Lebensgrundlagen schwer bedroht sind, und die eine Staatskrtse vollends in den Ab grund stoßen würbe. Wenn es nicht gelingt, eine parlamen tarische Mehrheit für die notwendigen entschlossenen Maß nahmen zu schaffen, wenn der revolutionäre Radikalismus, der die Arbeit des Parlaments grundsätzlich nicht för dern, sondern zerstören will, breitere Schichten der Wähler schaft gewinnt, bann stehen für Staat und Wirtschaft unabseh bar schwere Erschütterungen bevor. Bei der letzten Reichstagswahl gab es 11 Millionen Richtwähler. Ein Viertel der Bevölkerung ist der Wahlurne ferngeblieben. Die Wahlbeteiligung der Frauen war auf dem Lande «och etwa 11 Prozent, in den Städten etwa 6 Prozent geringer, als die der Männer. Schuld dieser Richtwähler ist es zu« grobe« Teil, wen« der letzte Reichstag »icht arbeitsfähig war. Man mag für diese Wahlenthaltung von 1V28 Erklä rungen finden — Müdigkeit, Verbitterung, Ratlosigkeit und Skepsis gegenüber den Parteien — entschuldigen läßt sie sich nicht. Ihre Wirkungen kommen nur dem aktiven Radikalismus zugute. Und vor allem bei dieser Wahl müssen solche Hemmungen überwunden werben. Auch die Frauen müssen begreifen, baß heute die Gefahr für baS Reich nichl minder groß ist als 1919, als sie zum ersten Male mit'ihren Stimmen die Grundlagen für einen neuen geordneten Auf bau schaffen halfen. Noch einmal werben sie zu solchem Aus bau gerufen. Auch die Scheu vor den rohen und gewalttä tigen Formen, die der politische Kampf angenommen hat, darf sie nicht von der politischen Arbeit zurückhalten. Nicht erst durch die Stimmabgabe am 14. September, sondern vor her schon müssen sie diese Mitarbeit im Bündnis mit allen staatserhaltenden Kräften einsetzen. Gerade die Gewalttätig keiten im Wahlkampfe sollten ihnen die Gefahr zeigen, die droht, wenn rücksichtsloser und unbesonnener Radikalismus die schwere Aufgabe der politischen Führung in Deutschland übernimmt. Rur wenn die Frauen i« zielsicherer und stetiger verantwortuugsbewuhter Arbeit ihre politische Pflicht er, füllen» können sie erwarten, daß ihr politischer Einfluß ent sprechend ihrer Bedeutung als Wählerinnen von Jahr z« Jahr wächst. , Sem Sort ms dm UM amh SnckMlm» Bremen» 7. Sept. Wie aus Neuyork gemeldet wird, hat sich der amerikanische Automobtlkönig Henry Ford am Sonnabend auf dem Lloyddampfer „Bremen" nach Deutsch land eingeschifft. Wie verlautet, wird sich Ford, der am 12. Sep tember in Bremerhaven erwartet wird, nach Oberammer gau begeben, um den Passionöspielen beizuwohnen. Vorher wird er in Köln Station machen, um den Bau der neuen Fordfabrik zu besichtigen. Henry Ford befindet sich in Begleitung seines Sekretär» und zweier Freunde. Die Tatsache, baß Ford zu seiner Reis« die „Bremen" benutzt, ist vom Lloyd bis zum letzten Augen blick geheimgehalten worden. Gegenüber Pressevertretern macht« Ford keinerlei Angaben über den Zweck seiner Europa- retse. Zur Wirtschaftskrise erklärte er, daß diese seiner Ansicht nach bisOktober anhalten werde. Von diesem Zeit punkt an rechnet er mit einer Besserung der Lage. A Arbeiter »vrch etnstürzeitdr Erbmassen «tötet Paris» 7. September. I« der Nähe vo« Marale sch in Kranzösisch-Marokko ereignete sich ein Erdrutsch, der 21 Ar beitern das Leben kostete. Die Arbeiter waren mit de« Bau eines Wasserleitungskanals beschäftigt, als sich plötzlich aus mehr als fünfzig Meter Säuge ein Erdrutsch ereignete, «vn de« 21 Arbeitern, die unter den Erbmasse« begrabe« liegen, konnte bereits über die Hälfte als Leiche« geborge« werbe«. Sprenaltoffabrlk ta bk M gkslegen Zehn Tote, zahlreiche 8erw««dete Paris, 7. Sept. Eine furchtbare Explosion ereignete sich am Sonnabendmittag in einer Pulverfabrik in Auboue bet Nancy. Die ganze Fabrik wurde in die Luft geschleudert. Zehn Tote und eine große Anzahl von Verletzten wurden aus den Trümmern geborgen. Unbekümmert um »k bralwea Abteile Stolp, 7. Sept. Am Sonnabend gegen 16,80 Uhr überflog ein polnisches Flugzeug mit der Nummer 84 den Stolper GrcnzkretS. Das Flugzeug kam vom Kreise Bütow her und war die Bahnstrecke Bütow —Lauenburg entlang ge- flogen. ES verschwand weiter nördlich in Richtung deS Kreise» Lauenvurg. Sie brutschen zerternngen iu Gens Dr. Curtius in Genf eingetroffen Sine Einladung znr Rücksprache über Paneuropa G««f, 7. Sept. Außenminister Dr. Curtius ist in Be gleitung der Ministerialdirektoren Dr. Gaus, Dr. Ritter und Dr. Zech! in, des Gesandten v. Freytag und des Gebetmrats Weiszäcker heute in Gens eingrtrvffcn. Den Nachmittag benutzte der Minister zu Besprechungen mit den Mitgliedern der deutschen Delegation, von denen einige, dar unter die Gehetmräte v. Friedberg und Fr owein, schon vorher tu Genf eingetroffcn waren. Mit dem gleichen Zuge wie Dr. Curtius ist auch der österreichische Bundes kanzler Dr. Schober angckommen. RetchSaußenminister Dr. Curtius hat heute nachmittag von der französischen Regierung eine Einladung zu einer ersten Besprechung über das Memorandum BriandS er halten. Die Besprechung, an der die Vertreter von 27 euro päischen Regierungen, an die das Memorandum gerichtet war, tetlnehmen, findet nach der ersten Ratssitzung, am Mon tagnachmittag 4 Uhr, statt. Aus der Einladung geht hervor, daß es sich bet dieser ersten Sitzung nur um eine vorläufige Be sprechung, tm wesentlichen nur um die Erörterung des wette ren Verfahrens, handeln soll. Insbesondere geht eS darum, ob dte Frage der europäischen Union in einer Sonder konferenz der europäischen Staaten erfolgen oder, was für wahrscheinlich gehalten wird, ob sie derVölker- b u n b s v e r s a m m l u n g zur weiteren Behandlung über- wiesen werden soll. Keine Behandlung -er Memelfrage? Gens» 7. Sept. Z« den das deutsche Interesse auf der bevor stehenden Vollversammlung des Völkerbundes in erster Linie berührenden Fragen gehören die A b r ü ft « n g 8 f r a g e, die Minderheitenfrage, die Reform des Bölker- bundSsekretariats, die Saarsrage und auch die Memelsrage. In der Minderheitenfrage scheint man aus beut- scher Seite zu beabsichtigen, in dem sechsten Ausschutz der VölkerbundSvcrsammlung eine Besserung des gegenwärtigen BeschwerdeverfahrcnS durch Revision der M a d r i d e r R a t S- besch küsse zur Verhandlung zu stellen. In der Ab rüst ungSfrage dürste die deutsche Haltung in der Rich tung eines beschleunigten Abschlusses der vorliegenden Arbeiten «nd der Festsetzung der Einberufung der Weltabrü- stungSkonferenz liegen. In der Saarfrage hofft man bereit» in den nächsten Tagen eine Entscheidung über die endgültige Abberufung des internationalen Bahnschutzcs im Saargebiet erreichen zu können. Die Frage der Wiederaufnahme der in Paris abge brochenen Saarverhandlungen dürfte jedoch lediglich im Rahmen privater Unterredungen zwischen dem deutschen und dem französischen Außenminister zur Sprache gelangen. Wie verlautet, soll die Memelfrage auf der Grundlage der großen Beschwerde des Memellandes an den Völkerbund auf der bevorstehenden Tagung des Völkerbundsrates noch nicht zur Sprache gelangen. Olfenbar scheinen hierbei Rück sichten auf die Anfang Oktober bevorstehende Neuwahl zum Memellandtag eine Nolle zu spielen. Ferner scheint der eitpunkt der Einreichung der Mcmelbeschwerde eine sachliche rörterung auf der gegenwärtigen Tagung des BölkerbunbS- rates schwierig zu machen. Sack Diamond a-sescho-en Hamburg, 7. September. Für die Ueberführung Jack Dtamonds von Bremen nach Hamburg hatte man den Kraft wagen der Eisenbahn vorgezogen, um jeden Aufenthalt und jedes Aufsehen zu vermeiden. Das Auto, das von einem Polizeichauffeur geführt wurde, wurde von einer größeren Menschenmenge, zumeist Matrosen, Pressevertretern und Photographen, am Kat erwartet. Bis zuletzt war es noch un entschieden, ob seine Abschiebung mit der „Harburg" oder der „Hannove r" erfolgen sollte. Kapitän Dreycr von der „Hannover" erhielt erst kurz vor der Abfahrt die Nachricht, daß Diamond sein Passagier sein werde. Als Diamond auS dem Wagen stieg, hielt er seinen Mantelanfschlag vors Gesicht, um aus den Photographien unerkannt zu bleiben. AIS jemand ihn fragte, wie ihm Deutschland gefalle, erwiderte er: „Ich liebe Deutschland gar nicht." Er fluchte über das Wetter und vor allem über die Presse, der er die Schuld an seiner Ausweisung zuschiebt. An Bord wurde er sogleich vom Kapitän in Empfang genommen, der ihn Herz- lich begrüßte. Kriminalbeamte begleiteten thn in seine Ka bine, zwei von ihnen machen die Fahrt nach Cuxhaven mit, um darüber zu wachen, baß Diamond nicht noch einmal entwischen kann. Man bat ihn um Autogramme, die er jedoch verweigerte. Allmählich wurde Diamond ruhi ger, fing jedoch sofort zu schelten an. wenn die Rede aus die Presse kam. Sine kleine Sensation bedeutet das Erscheinen eines Herrn, der sich als Rechtsanwalt vorstellt und von Freunden Dtamonds geschickt sein will, die wissen möchten, ob er selbst die Heimretse wünsche oder nicht. Diamond hörte dem Besucher interessiert zu. bemerkte aber dann, er wolle nun schon fahren.