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WeWtz -KitW Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Nr. 61 Sonnabend, den 29. Mai 1886 52. Jahrgang Reise durch das südliche Rußland beendigt und ist am Dienstag Vormittag in der alten Zarenstadt Moskau eingetroffen, von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt. Der Empfang im Kreml, dem auch der von Peters burg herbeigeeilte Minister des Auswärtigen, Herr von Giers, beiwohnte, verlief in glänzendster Weise. Ende dieser Woche beabsichtigten die Majestäten wieder in Petersburg 'einzutreffen. Orient. Die Zurückziehung der griechischen Trup pen von der türkischen Grenze und die angeordnete Entlassung von 50000 Mann griechischer Reserve truppen leidet endlich die entscheidende friedliche Wen dung in der Orientkrisis ein. Dieser Verzicht auf die Fortsetzung einer Politik der Abenteuer gereicht dem neuen leitenden Staatsmanne Griechenlands, Tricupis, nur zur Ehre, und darf hoffentlich als ein ernstliches Unterpfand für die baldige und gänzliche Beilegung des griechisch-türkischen Streithandels betrachtet wer den. Die „Times" plaidiren angesichts dieser fried lichen Wendung der Dinge für Einstellung der Blo- kade Griechenlands und Rückkehr der kombinirten Flotte nach der Sudabai, um den Griechen ihre freie Be wegung wiederzugeben. — Das Resultat der ostrume- lischen Wahlen zur bulgarischen Nationalversammlung scheint sich sehr günstig für die Regierung des Fürsten Alexander gestalten zu wollen. Von 30 bis jetzt be kannten definitiven Wahlen sind nur 4 zu Gunsten der (ruffenfreundlichen) Opposition ausgefallen. England. In England verzögert sich die parla mentarische Entscheidung über die irische Verwaltungs bill immer wieder. Zu konstatiren ist jedoch, daß sich die Chancen für dieselbe wieder etwas günstiger ge staltet haben, da Gladstone die Vertretung Irlands im Reichsparlamente betreffende Zugeständnisse machen will. Hiermit ist Aussicht vorhanden, daß wenigstens die liberale Opposition gegen die Home-Nule-Bill be seitigt wird. Für diesen Donnerstag war deshalb ein von Gladstone selbst einberufenes liberales Meeting in London angetündigt. Mattes «die sehr «S» same UMteitun« find«, »eä>«n mit 10 Pfg. di« Spaltenzeil« oder der« Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, nn redaktionell« Theile, die Spaltenzeil» 20 Pfg. Lokales und Sächsisches. * Dippoldiswalde. Der am Abend des 26. Mai hier wahrgenommene intensive Feuerschein, welcher Veranlassung zur Allarmirung gab, rührte von einem größeren Brandunglück in Röthenbach her. Zur gedachten Zeit sind daselbst das Gehöfte des Gutsbe sitzers Ernst Hermann Grahl, das Wohnhaus des Karl Heinrich Herklotz und das Wohn- und Scheunen gebäude des Schuhmachers Ernst Hermann Gemeiner total in Asche gelegt worden. Das Feuer ist auf noch unermittelte Weise gegen 10 Uhr in der Scheune des Gutsbesitzers Grahl entstanden und verbreitete sich, vom Winde begünstigt, mit außerordentlicher Schnellig keit über die 6 Gebäude der genannten Besitzer. Zum größten Leidwesen ist in den Flammen der 6 Jahre alte Knabe Grahls mit umgekommen. (Andere Nach richten wollen wissen, daß das Kind gerettet worden sei. D. R.) — Angesichts der nunmehr begonnenen Reise- und Ausflugs-Saison dürfte der Hinweis angebracht sein, daß die Staatseisenbahn-Verwaltungen bei gemein schaftlichen größeren Gesellschaftsreisen (von Gesang-, Turn-, Vergnügungs-Vereinen rc.) und bei einer Theilnehmerzahl von mindestens 30 Personen eine Ermäßigung des gewöhnlichen Fahrpreises ge währen. Es werden dabei, wenn nur einmalige Fahrt in Betracht kommt, einzelne Fahrkarten der betreffen den Wagenklaffe zur Hälfte deS ermäßigten Preises ausgegeben. Handelt es sich dagegen um eine Hin- und Rückreise, so werden Hin- und Rückfahrtskarten gegen Zahlung des Preises für die einfache Fahrt verabfolgt, vorausgesetzt, daß die Rückreise innerhalb der für Rückbillete festgesetzten Giltigkeitsdauer erfolgen soll. Wegen Gewährung dieser Fahrpreisermäßigungen entscheidet dasjenige Eisenbahnamt, in dessen Bezirk die Abfahrtsstation liegt; bei demselben sind auch die darauf bezüglichen Anträge zu stellen. — Am 27. Mai früh 6 Uhr 19 Min. wurden hier 23 dem Brieftauben-Züchterverein in Buchholz ge hörige Brieftauben in Freiheit gesetzt, die sich alsbald aus ihrem Käfig erhoben und von denen 13 direkt den Flug nach Westen nahmen, während die übrigen in zwei Abteilungen, zu 8 und 2, einige Minuten in großem Bogen die Gegend umflogen, dann aber rasch ihren vorangeflogenen Kameraden folgten. Börnchen b. Poffendorf. An Stelle des nach Oberfrauendorf verzogenen Gemeindeältesten Ernst Julius Weinrich ist vom hiesigen Gemeinderath der Wirthschaftsbesitzer Karl Herm. Wolf als Gemeinde ältester gewählt und für dieses Amt von der königl. Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde am 27. Mat in Pflicht genommen worden. 18! Frauenstein, 27. Mai. Unsere Stadt ist in der jüngsten Zeit zu wiederholten Malen das Opera tionsfeld von Schwindlern gewesen. Indem einen Falle hat ein gewisser K. aus Hartmannsdorf bei einem hiesigen Schneider ein Zacket, bei einem Schu macher 1 Paar Hausschuhe und in 2 SchnittwaartM - lüden sich Maaren in betrügerischer Weise verschafft Der zweite Schwindler, der Braugehilfe B. aus Kleins bobritzsch, versuchte, sich sowohl bei einem hiesigen Kaufmann, als auch einem Gutsbesitzer in Neubau- Hartmannsdorf ein Gelddarlehn von 2S Mark zu ver schaffen, indem er einen Brief aufwies, in dem angeb lich seine Mutter um das beregte Darlehn bat. Eines- theils, weil die in sehr guten finanziellen Verhält nissen sich befindliche Mutter eines DarlehnS nicht bedarf, zum Andern, weil die Briefform eine verdacht erregende war, wurde dem Briefe nicht Glauben ge schenkt und die betrügerische Absicht des leichtsinnigen Sohnes vereitelt. Bei einem Gutsbesitzer in Klein- bobritzsch ist es ihm gelungen, ein Darlehn zu erlangen. Drei hiesige Gastwirthe prellte er um die Zeche. Einer von ihnen war bereits vor Jahren in derselben Weise von B. heimgesucht worden, weshalb er ihn unter steter Kontrolle hielt und es ihm auch gelang, den Schwindler zu entlarven. Ob seines Gebührens wurde B. arretirt und nach der hiesigen Frohnfeste abgeführt. Dresden. Der s. Z. für den 27. bis 29. Juni nach Dresden berufene sächsische Handwerkertag ist auf die Tage vom 20. bis 22. Juni verlegt worden. Die Verlegung erfolgte um deswillen, weil zu der erstgedachten Zeit die Wanderversammlung landwirth- schastlicher Vereine hier stattfindet und ein gleichzeitiges Tagen der beiden genannten Körperschaften aus mehreren Gründen für unthunlich erachtet wurde. — Zu den diesjährigen Uebungen der Ersatz reserve werden einberufen: L.. aus der Ersatzreserve zur ersten (zehnwöchigen) Uebung die durch die Ober ersatzkommission ausgewählten Ersatzreservisten 1. Klaffe des Jahrgangs 1886, der Infanterie, Jäger und Pionniere vom 23. August bis 31. Oktober, des Trains vom 1. Juli bis 8. September und der Fußartillerie vom 1. September bis 9. November. Zur zweiten Uebung (auf 4 Wochen) werden die Ersatzreservisten des Jahrganges 1885 herangezogen, und zwar die der Infanterie, Jäger und Pionniere vom 4. bis 31. Ok tober, die der Fußartillerie vom 13. Oktober bis 9. November, die des Trains dagegen gar nicht. Zur 3. und 4. (14tägigen) Uebung werden Ersatzreservisten, welche im Jahre 1883 bez. 1881 die 1. gesetzliche (zehnwöchentliche) Uebung ableisteten, gleichzeitig ein gezogen, und zwar bei den Grenadierregimentern vom 20. Juni bis 3. Juli, beim 2. Jägerbataillon vom 5. bis 18. Juli, die Fußartilleristen des Jahrganges 1883 vom 29. September bis 12. Oktober, die des Jahrganges 1881 vom 15. bis 28. September, die Ersatzreservisten der übrigen Jnfanterieregimenter leisten bereits jetzt ihre 3. bez. 4. Uebung ab. L. Zur Er gänzung des Etats der Mannschaften des FriedenS- Politische Wochenschau. Deutsches Reich. In den Verhandlungen des Reichstages ist mit Mittwoch wieder einmal eine grö ßere Ruhepause eingetreten, da er sich am vorherge henden Tage nach Beendigung der ersten Lesung der Branntweinsteuervorlage auf unbestimmte Zeit vertagt hat. Die Berathungen der Kommission, an welche die Vorlage verwiesen wurde, machen diese Zwischenpause nothwendig, und da einerseits die Kommissionsverhand lungen sich schwerlich sehr glatt abwickeln werden, an dererseits aber auch für jetzt dem Plenum keine wei teren Berathungsgegenstände vorliegen, so dürfte die Vertagung des letzteren mindestens bis Ende nächster Woche dauern. Was nun die zweitägige Generaldis kussion über den neuen Branntweinsteuerentwurf an belangt, so gestattet dieselbe durchaus noch keinen sicheren Schluß auf das Schicksal des Entwurfes. Allerdings sprachen sich die Redner aller Parteien — mit Ausnahme der freisinnigen und der sozialdemo kratischen Redner — sympathisch bezüglich des Ge dankens einer erhöhten Besteuerung des Branntweins aus, aber selbst von den Vertretern der konservativen Parteien wurde der vorliegende Entwurf als theil- weise völlig unannehmbar bezeichnet. — Dem Reichs tage ist am Dienstage auch der Rechenschaftsbericht wegen der Verhängung des kleinen Belagerungszu standes über die Stadt Spremberg in der Niederlausitz zugegangen, aus welchem Berichte erhellt, daß auch im Kreise Spremberg die sozialdemokratische Agitation eine sehr lebhafte ist, und sich in der genannten Fabrikstadt ebenfalls ein förmliches - Hauptquartier der Umsturz-^ Partei herangebildet hat. — Fürst Bismarck hat den ersten Verhandlungen des Reichstages über die neue Branntweinsteuervorlage nicht beigewohnt, da er sich schon vorher zur Erholung nach seinem lauenburgischen Landsitze Friedrichsruhe begeben hatte, wo der Kanzler auch noch einige Zeit zu verweilen gedenkt. Für Ende dieser Woche erwartete man in Friedrichsruhe den Besuch des russischen Ministers des Auswärtigen. — Der „Reichs- und Staats-Anzeiger" vom 25. Mai enthält die Veröffentlichung des neuen Kirchengesetzes, nachdem dasselbe in voriger Woche die königliche Sank tion erhalten hatte. — Die deutsche Wissenschaft und speziell das historische Fach hat in den letzten Tagen zwei schwere Verluste erlitten. Ain Sonntag Abend entschlief in Berlin Leopold von Ranke, der Altmeister der deutschen Geschichtsforschung, im Alter von 91 Zähren, und zwei Tage später folgte ihm Professor Waitz, Vorsitzender der Zentraldirektion der Llonumonta ßermuniw dwtoriou, im Alter von 73 Jahren im Tode nach. Am Dienstag Abend fand die Leichen feier für Leopold von Ranke in der Wohnung des Verewigten statt, und am Nachmittage des folgenden Tages die feierliche' Beisetzung der Leiche. Frankreich. Die französische Deputirtenkammer hat bei ihrem Wiederzusammentritte am Dienstage zwar schon verschiedene Vorlagen, darunter den neuen Militär-Reorganisations-Entwurf des Kriegsministers Boulanger, vorgefunden, dagegen fehlte noch der schon so viel besprochene Gesetzentwurf über die Ausweisung der Prinzen. Allerdings beabsichtigte das Ministerium Freycinet, der Kammer gleich bei ihrem Zusammentritt eine Vorlage über diese Frage zu machen, aber einst weilen herrschen im Schooße des Kabinets selber hie rüber noch Meinungsverschiedenheiten. Mit 6 gegen 5 Stimmen soll sich der am Dienstag stattgefundene Ministerrath im Prinzips für die Ausweisung der ^Prinzen ausgesprochen, aber über die Fassung der bezüglichen Vorlage noch keine Einigung erzielt haben. Wahrscheinlich wird die Regierung vor einer Beschluß fassung in dieser Affaire die Kammer über ihre An sichten befragen. Berichte aus der Provinz besagen. Laß die Bevölkerung der Ausweisung der Prinzen Hrößtentheils sehr gleichgültig gegeuübersteht. Rußland. Das russische Mserpaar hat seine Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmarmschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Zsraumstein „«Sti-eritz-Seltun^ erscheint wöchentlich drch «al: DienStag, Donnend tag und Sonnabend. — Preis oiertchührlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Postan- jlalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an.