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7t. Jahrgang. ZS »4» Sonntag, Sr. Juli 1«» Gegründet 185« »ra»ta»tch-tst: »«chrtchte« »««»«, UeenIp-echer-Sammelnuinme»: 2S 2^1 »in >«r »achtgeiprilch«: 20 011 Bezugs-Gebühr »i«t«I«»««er i» Gsr»»i«. «»tihil» >re«»e»« »« Us„»ig. Dt« »»»eigen «erden nach »oldmarl Anzeigen-Preise: ^ ,,^8- »50 Psg. VHrrtengebühr »o Vsg. Iret Han« t.N> Marl, ««gebühr. NIenntg. Die »»»eigen «erden nach »oldmar« berechne«: dt« einspaltige »o mm breite Zeile -- g-milt-nan»eigen und SteUengeiuch» ghne «abatt mm breite NeNamezeUe 200 Psg., außerhalb Aubwirttge »uiträge gegen 8orau«be»ahlung. «chrlflleltung und Hanpigeichilfttstell», «aeienitrahe SS/^2 Druck u»d «erlag von Ltepich » »elchard« I, Dre«de» Posticheck-tlout» 10 SS »relden »achdruck »ur mit deutlicher Quellenangabe (.Dresdner Rachr."> »uläNIg. — Unverlangte Schrisistücke werden nicht aulbewahr«. lZIütkner -klügel -Pianos ?rager 8trsüe >2 kernrut 16378 Berliner Mörchen über HM. Angriffe gegen »en sächsischen WInIsleiPrSsi-enlen. - Wie Sachsens Aeichsratseinspruch zustande kam. Ein versehltes Partelmanöoer. Daß die sächsische Negierung im Ncichsrat gegen die Lohnsteuersenkung ausgetreten ist und sich dabei der sachlichen Opposition der von Nechtsregierungen geführten süddeutschen Länder angeschlosscu hat. wird ihr in der Berliner Links presse Übel vermerkt. Insbesondere das „Berl. Tagebl." er, geht sich in einer Meldung aus Dresden in heftigen An griffen gegen den Ministerpräsidenten Heldt, dem die sächsische Entscheidung gegen die Ncichsregierung in die Schuhe geschoben wirb. Der Ministerpräsident, heißt es, habe von seinem Recht, wonach er die Richtung der Politik zu bestimmen hat. weitesten Gebrauch gemacht und. ohne die in Dresden «eilenden Minister zu befragen, allein »mit -en Räte« seiner StaatSkanzlei" die nach Berlin übermittelten Instruktionen beschlossen. Zwischen den Zeilen ist z« lese«, -atz nicht sachliche Gründe, sondere politische Animosität gegen dle Sozialdemokratie und die von ihr geführte Neichsregie» rung ihn z« dieser Stellungnahme bewogen hätten. Demgegenüber must der Wahrheit zu Ehre festgestellt «erde«, daß diese Darstellung vom Anfang bis zum Ende falsch ist. Die sächsische Regierung ist in der Behandlung der Angelegenheit ganz nach den Bestimmungen der Ver- sassung und nach der Dienstordnung für die Ministerien ver- sahren. Ministerpräsident Heldt hat wiederholt und eingehend mit dem in dieser Frage zunächst znständigeu Finanzminister Weber verhandelt, von dem die gegen das Gesetz vorgebrach te« Einwände ausgingeu. Und zwar nicht ans irgendwelchen parteipolitischen Beweggründe«, sondern einzig und allein wegen der bedrohlichen finanziellen Rückwirkun gen für das Land Sachsen; so wie sie vom sächsischen Ge sandten in der RetchSratSsitzung eingehend dargelegt worden sind. Auch die andere« in Dresden anwesenden Minister sind vor der Jnstrnktionserteilnng «ach Berlin »« ihre Meinung besragt warben; sie habe« «ll« ihre Znsttmmnag erteilt. Die falschen AnSstrennnge« der Berliner Linkspresse können also nur als ei« verfehlter Bersnch bewertet werden, zwischen den sächsischen Soalitiousparteien Mißtrauen und Un frieden zu stifte«. Billigere Tarife in bngland - höhere bei uns. Die neue britische Kohlensubvention. Schwerwiegende Folgen für Deutschland. London. 21. Juli. „Daily News" und „Westminster Gazette" melden: Die geplanten Maßnahmen der Regte, rung für eine Besserung der verzweifelten Lage der englischen Kohlenindustrie nehmen setzt unerwarteterwcise die Gestalt einer U n t e r st ü tz u n g s a k t i v n deS Schatzamtes für die Eisenbahnen an, damit diese in die Lage versetzt werden, die Kohlentransportsätze zu ermäßigen. Die Höhe der Bewilligung ist noch nicht festgesetzt. Der Plan, den Chur chill dem Kabinett unterbreitet hat, deutet jedoch darauf hin, das, die Höhe des Betrages es den Eisenbahnen ermögliche» wird, ihre Frachtsätze durchschnittlich um 6 bis 11 Pence pro Tonne hcrabzusetzcn. In der Frage der Ausrechterhaltnng der Sohlenliesernngsverträge nach dem Auslande spielt diese Er mäßigung eine bedeutende Nolle. Mit dieser Unterstützungs- aktion ist ein Plan für eine jährliche Auswanderung von 2NNM Personen, insbesondere Bergarbeitern, nach ent. legenen Teilen des britischen Reiches verbunden. sWTB.) * Dem deutschen Kohlenbergbau, der in letzter Zeit durch Lohnerhöhung In eine schwierige Lage geraten ist. droht da- gegen im Zeichen vermehrter Daives-Lasten eine Erhöhung der Etsenbahntarife. An eine Verdrängung englischer Kohle aus den deutschen Hafengebieten ist unter diesen Umständen überhaupt nicht zu denken. Die Folge der englischen Staats unterstützung wird eine vermehrte Arbeitslosigkeit unter der deutschen Bergarbeiterschaft sein. Zugleich ist ein weiteres An- schwcllen der Passivität der deutschen Handelsbilanz zu er. warten. Weiler steigende Einfuhr im Juni. Berlin, 21. Juli. Der deutsche Außenhandel zeigt im Juni 1828 im reinen Warenverkehr eine« Einfuhr überschuß von 214 Millionen Mark gegen 1S1 Millionen Mark im Bormonat. Der Rückgang der Einfuhr, der seit Januar von Monat z« Monat zu verzeichnen war, ist in diesem Monat erstmalig wieder «uterbroche«. Die Einfuhr hat gegenüber dem Vormonat etwas, wenn auch nur um 22,2 Mill. Mk., zugcnommen. Die Ausfuhr ohne Nepara- tionssachliescrungcn ist gegenüber dem Vormonat fast unver ändert. Die Zunahme der Einfuhr entfällt in der Hauptsache aus die Lebensmittel, in geringerem Umfange auch aus die Rohstoffe. Die Einfuhr von Fertigwaren hat dagegen ab genommen; die Ausfuhr von Fertigwaren und von Roh stoffen ist gestiegen. Da die Ausfuhr von Lebensmitteln aber in starkem Maße gesunken ist, so ergibt sich für die Gesamt- ausfnhr eine geringe Abnahme sum 0,6 Mill. Mk.s. Mahmud Pascha als „wohltätiger Diktator". Der neue ägyptische Minislerpräsident zurj Lage. Was wird die Wasd-Partei tun? ID ratzt Meldung unserer Berliner Schristleltung.j Der überraschende Staatsstreich des Königs Fnad von Aegypten ist geeignet, in dem Lande am Nil, das an sich schon nicht mit ruhigen Zuständen gesegnet ist, erneut schwere Kon flikte heraufzubernfcn. Nicht als ob wir das parlamentarische System, das König Fuad kurzerhand auf drei Jahre ausgesctzt hat. als das alleinseligmachende bezeichnen möchten; die Haupt sache bei diesem Staatsstreich ist. daß das Parlament den ägyptischen Frcthettsgebanken vertritt, wäh rend König Fuad als ein gekrönter Angestellter des britischen Weltreichs bezeichnet werden muß. König Fuad hat offenbar, «m seinen Dhron z« retten, sich nun auch offen anf die eng lische Seite geschlagen und damit zweifellos dazu beigetrage«, daß sein« Popularität im ägyptischen Volk noch geringer wird. König Fnad hat znm Ministerpräsidenten des Kabinetts, das ihm bei der Ausübung der Diktatur Helsen soll. Mohammed Mahmud Pascha berufen, der der Führer der zweit- Srößteu ägyptischen Partei ist. Den Uebergang zur Diktatur in Aegypten kann man nur an» der außen, und innenpolitischen Entwicklung, die Aegypten in allerjüngster Zeit durchgemacht hat, verstehen. Maßgebend für die Konflikte, die den Aufschwung und eine Stabilität der ägyptischen Rcgieruiigsverhältntsse immer wieder unmöglich machen, war zunächst einmal das ägyptisch-englische Verhältnis. England nimmt, obgleich cs seit Jahren Aegypten zum unabhängigen Staat erklärt hat, nach wie vor eine Aufsichtsstellung ein. Gegen diese englischen Sonder rechte anzukämpfen, war bisher das Hauptziel der nationa- listischen Regierungen, die aus der Wafd-Partei des kürzlich verstorbenen Zaglul-Pascha hervorgingen. Die Wafd-Partei beherrschte auch das jetzt nach Hause geschickte Parlament. Das Kabinett Nahas-Pascha trat vor wenigen Wochen angeb- lich wegen einer Bestechungsaffäre zurück. Der eigentliche Grund aber war die Spannung, die zwischen dem anglophilen ägyptischen König und dem national eingestellten Ministerium zu suchen ist. Aegypten trat den Rückzug an, und die innere Lage verschärfte sich. Heute ist die Situation nun die, daß eS dem König zwar gelungen ist, das Parlament auSzuschalten, und baß er bet dieser Ausschaltung immer eine wohlwollende Haltung seitens der englischen Behörden finden wirb, ob aber die Wafd-Partei, die stärkste Partei AegypterrS, auf diese Unterdrückung nicht ihrerseits nun auch durch einen Staatsstreich antworten wird, kann niemand übersehen. Aber bet der Heißblütigkeit und politischen Entschlossenheit der betreffenden ägyptischen Kreise wird man neue Kämpf« sür sehr wahrscheinlich halten müssen. Nobile als Karikatur -es Faschismus. Ein Sprichwort sagt, daß jeder große Mann seinen Affe« hat, d. h. eine Persönlichkeit, die ihrem großen Urbilds wohl abzuguckcn versteht, wie es sich räuspert und wie es spuckt, die aber sonst von den überragenden Eigenschaften des tn Aeußerlichkeiten nachgcahmlcn Originals nichts in sich hat. In diesem Sinne Et General Nobile der Affe Mussolinis. Der italienische Napoleon liebt nicht bloß stolze Reden und Imponierende Gesten, sondern er weiß auch sein Handeln entsprechend einzurichten, und wenn er durch seine flammenden Worte ungezählte Tausende zu himmelhoch lohender Begeiste rung anfeucrt, so beruht die faszinierende Wirkung seiner Worte wesentlich mit auf dem alle durchdringenden Bewußt sein, daß der Diktator aus Stahl gegossen ist, daß sein Wille sich nicht biegen läßt, daß er genau den Kurs kennt, den er cinschlagen muß. und daß es bei ihm keine hohlen Phrasen gibt, hinter denen nicht die Energie der Tat steht. Das hat man längst auch dort im Auslande erkannt, wo man zuerst geneigt war, seine feurige südliche Rhetorik als Ueber- schwang zu bewerten. Diese Eigenart des Meister» bringt aber die Gefahr mit sich, baß manche keiner Schüler den Kern mit der äußeren Schale verwechseln und ihrem Vorbilde schon dann ähnlich zu sein glauben, wen» sip sich gehörig in Positur werfen und in klangvollen Worten schwelgen. Zu dieser Kategorie gehört General Nobile. Pose war es, als er den Entschluß faßte, just am 24. Mai, dem Tage der Italienischen Kriegserklärung gegen die Mittel mächte, über dem Eise des Nordpols die rot-weiß-grüne Trikolore abzuwerfcn. Von einem schweren Mangel an Ge wissenhaftigkeit und Verantwortungsbewußtsein zeugte eS, als er zur Verwirklichung seiner Pose sich Hals über Kopf in ein so gefährliches Abenteuer stürzte, ohne durch sorg fältige Abwägung aller Chancen und durch Ergreifen aller nur denkbaren Sicherheitsmaßnahmen das Leben seiner ihn begleitenden Gefährten mit jeder möglichen Schutzgarantie z« umgeben. Und als er dann selbst unter Umständen, die für seinen Ruf als Führer und Kamerad peinlich genannt werden müssen, vor dem weißen Tode gerettet worden war, als sein leichtfertiges Vorgehen Opfer an wertvolle« Menschenleben, die den im Eise Verlorenen Hilfe brin gen wollten, gefordert hatte, da tat er nicht daS einzige, was ihm seine Lage normalerweise gebot, näm lich sich in taktvolles Schweigen zu hüllen, sondern er gebärdete sich auch jetzt noch als Herr der Situation, faß auf dem hohen Pferde, gewährte Pressevertretern Unterredun gen, schickte Telegramme ab und versicherte schwülstig aller Welt, daß er täglich zu Gott um die Rettung AmundsenS bete. Das ganze Verhalten Nobiles mar so, daß man ihm beim besten Willen keine gute Seite abgewinnen konnte. Di« Karikatur drängte sich aus Schritt und Tritt in den Vorder grund, so sehr, daß schließlich auch Mussolini des grausame» Spiels müde wurde, jede weitere Belästigung der Oeffent- lichkcit durch Berichterstattung, einerlei in welcher Form, untersagte und Nobile -en kategorischen Befehl zur Rückkehr erteilte. Auf Grund der mit General Nobile gemachten Er fahrungen kann Mussolini mit Recht auörufen: „Gott schütze mich vor meinen Freunden! Mit meinen Feinden werde ich selber fertig." Die Gefahr des Auftretens NobileS für den Faschismus liegt darin, daß übelwollende Beurteiler sein persönliches Gebaren nicht als eine vereinzelte Er scheinung bewerten, sondern baß sie daraus einen verall gemeinernden Schluß auf Mussolini selbst und sein ganze» System ziehen. Zu einer solchen verfehlten Stellungnahme ist ganz besonders unsere Linkspresse und in erster Linie die sozialdemokratische geneigt. Die Ursache liegt auf partei politischem Gebiet. Die deutsche Sozialdemokratie ist erbittert darüber, daß es Mussolini gelungen ist, die sozialistische Ge werkschaftsbewegung in Italien mit einem Federstrich zu be seitigen und die absolute Vorherrschaft der faschistischen Ge werkschaften gesetzlich zu stabilisieren. Die Sozialdemokratie ist tn Italien jedweder Machtfülle entkleidet worden und findet für klaffenkämpferische Ideen keinerlei Boden mehr. Das können die deutschen Sozialisten nicht verwinden, und deshalb verpaffen sic keine Gelegenheit, um dem Duce und dem Faschismus etwas anzuhängcn. So haben sie auch den Fall Nobile begierig aufgegrtfsen, um ihn dem faschistischen System aufs Kerbholz zu schreiben und den Fluch der Löcher, lichkcit, des Bramarbastums, der einer einzelnen Person an- haftet, auf den Faschismus als solchen zu übertragen durch die Behauptung, das System sei es, daS mit innerer Not. Wendigkeit Charaktere vom Schlage des renommistische» GaöcognerS Tartarin von Tarascon züchte, den Alphonse Daudet so drastisch gezeichnet hat. DaS ist vergebliche LiebeS- mühe. Die staatsmännischc Größe Mussolinis kann heute nicht ernstlich mehr bestritten werden, und soweit die innere Politik In Frage kommt, ist er augenscheinlich Triumphator auf der ganzen Linie. Die staatliche Autorität hat er wie einen Felsen von Erz stabilisiert, Ordnung herrscht im Lande überall, da» Räuberunwesen ist durch die Vernichtung de» berüchtigten Ge-