Volltext Seite (XML)
SWsche DolksMung Erscheint täglich «ach«, mit Ausnahme der Sonn« v. Festtage. Bezugspreis r Vierteljährl. 1 Mk. SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 0888. Bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucdaruclmrl, brüskttsn ur»a LercbSlttrttller Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 18 60. Ä32. Katholiken: Hieronymus. Mittwoch, dtN 30. SepteMÜev 1903. Protestanten: Hieronymus. A. AaHrgßUlg. Die Personal-Union in Oesterreich-Ungarn. Die Alldeutschen und die Deutsche Volkspartei ver zapfen ihre Weisheit nach dem Linzer Programm. Was da drinnen steht, gilt für sie als unantastbares Dogma, es wird gläubig hingenommen, ohne es zu prüfen. Mit dem Schlagwort von der Personal-Union werden die Deutschen Oesterreichs eingeschläfert, indem man ihnen weismacht, alles wird besser, wenn Oesterreich und Ungarn nur mehr durch den gemeinsamen Herrscher, sonst durch nichts miteinander verbunden sind. Und doch ist diese Annahme vollkommen falsch. Die Personal-Union bedeutet die vollständige wirt schaftliche, politische und militärische Trennung und läßt als einziges Staatenband den gemeinsamen Monarchen bestehen. Diese Ausgestaltung der Habsburger Monarchie hätte zur Folge, das; beide Staaten in zwei Kräfte zer fallen würden, welche, da ihnen die Zentralgewalt fehlt, vor dem Ausland« nur mit verringerter Kraft auftreten könnten. Sie würden eine Einbuße ihres Ausehens erleiden und den Nimbus der Großmachtstellung nur mehr infolge der historischen Entwickelung behalten. Wenn wir Ungarn allein betrachten, so wird sich da- selbst die ganze Wucht des Magharentums gegen die übrigen Nationalitäten erheben, um den Einheitsstaat zu kräftigen und die materiellen Interessen desselben gegen das Ausland ungeschwächt verfolgen zu können. Anders steht es mit Oesterreich. Durch die Personal-Union würden die föderativen Bestrebungen der einzelnen Nationen eine nm so größere Jmpulsivkraft bekommen, um die gleichen Vorteile wie Ungarn zu erlangen. Das deutschnationale Prinzip müßte anderseits allein hinreichen, um jeden Deutschen zum Gegner der Personal union zu machen. Man bedenke, daß diese den gänzlichen Sieg des Panslavismus über das Deutschtum bedeuten würde. Die Deutschen Ungarns würden der Allmacht des Magharentums hoffnungslos hingeopfert werden. Die Alldeutschen riesen um reichsdeutsche Hilfe, als Graf Baden! die deutschen Rechte verletzte; sie inszenierten mit reichsdeutschem Gelde die Los von Rom-Bewegung, angeblich um das Deutschtum „aus der Umklammerung des slavischeu Roma nismus" zu befreien. In Ungarn sind 2^ Millionen Deutsche in Gefahr, durch die Personal-Union gewaltsam unterdrückt zu werden; da rührt sich die alldeutsche Liebe nicht, im Gegenteil, kalten Blutes wollen sie die selben hinopfern. Entweder es gibt eine Solidarität der Stammesinteressen, der von einer nationalen Partei alle anderen Gesichtspunkte unterzuordnen sind, dann ist die Personalunion Vonseiten der Alldeutschen und der Deutschnationalen zu verwerfen, weil durch die Ueberant- wortung der ungarischen Deutschen an das Magharentum diese Solidarität verletzt würde; oder es gibt keine, dann müssen eben die Alldeutschen aufhören, sich „Altdeutsch zu nennen und die Deutschnationalen verzichten, als nationale Politiker angesehen zu werden. Wer also dennoch für die Personalunion eintritt, trotz der Preisgabe der ungarischen Deutschen, trotz der dadurch vermehrten Kraft der slavischeu Völker Oesterreichs gegen die Deutschen, trotz der Gefahr, daß die Personal union die beiden Staaten nicht mehr als bündnisfähig in den Angen des Deutschen Reiches erscheinen läßt; der hegt den Hintergedanken, der dem Linzer Programm nach der Absicht deS Schönerer zugrunde liegt, die Angliederung Oesterreichs an das Deutsche Reich. Diese alldeutsche Politik des geplanten Daterlandsverrates hat durch Fürst Bismarck schon manchen Fußtritt erfahren. Jeder Deutsch-Oesterrcicher, welcher sich mit der gewissenlosen Taktik nicht einverstanden erklärt, muß die politische Ein heit Oesterreich-Ungarns verteidigen und daher entschiedener Gegner der Personalunion sein. Nachspiele zum sozialdemokratischen Dresdener Parteitage. In Dresden sind die Genossen ja wohl einig aus- einandergegangen. Sie Hütten sich, sagten sie, zwar tüchtig gezankt, aber das sei nur ein reinigendes und klärendes Gewitter gewesen; im wesentlichen seien sie nun wieder ein Herz und eine Seele. Es ist richtig, daß sowohl die „Revisionisten" wie die „Revolutionäre" auf dem Boden des Klassenkampfes stehen. Aber von Frieden und Ein tracht ist die Partei ferner als je. Man braucht nur die zahlreichen Artikel der sozialdemokratischen Presse über die Verhandlungen und Beschlüsse der Versammlungen, über den Parteitag zu lesen, um zu sehen, wieviel Aufregung und Erbitterung noch herrscht. Die Presse steht zumeist auf Seiten der „Revolutio näre"; aber auch in diesem Falle läßt sie vielfach ihren Aerger über das Auftreten Bebels durchblicken. Wo sie es aber mit den „Revisionisten" hält, da werden den Bebel und Genossen unumwunden die stärksten Wahrheiten ge sagt. Auch mehrere Versammlungen haben sich gegen den Diktator und Selbstbeweihräucherer Bebel erklärt. Dies gilt namentlich für Süddeutschland, wiewohl dort auch Gegner Vollmars und der Revisionisten nicht fehlen. Wohl am rücksichtslosesten ist mit dem Parteitage und Bebel die „Münchener Post" mngesprimgen, die Herrn v. Vollmar nahe steht. Das hat den Diktator wieder schwer geärgert. Wenn er könnte, würde er jede Kritik seiner hohen Person und jede von der seinen abweichende Meinungsäußerung unter Todesstrafe verbieten. Da der Herr Drechslermeister a. D. aber soweit noch nicht ist, muß er sich mit „Erklärungen" begnügen. Er hat seit dem Parteitage schon eine ganze Reihe losgelassen. Gegen Vollmar zieht er in Gesellschaft von Kautskh und Singer zu Felde. Die drei erklären die Angaben der „Münchener Post", Bebel und Genossen hätten in Dresden die Absicht gehabt, die „Revisionisten" ans der Partei hinauSzndrängen, für eine Kampfesweise, die eines Parteiorgans unwürdig sei. Es sei damit offenbar be zweckt, die in München rebellierenden Genossen niederzu- halten. Der Diktator glanbt natürlich, die Massen stünden einmütig zu ihm, und, wo das aber nicht sein sollte, da müssen schlechte Menschen sie verführt und getäuscht haben. Wiewohl die Genossen, wie man sieht, selbst noch aus reichend für den Streit und Hader im eigenen Lager sorgen, kommt nun auch noch der in Dresden von Bebel, Stadthagen nsw. so pöbelhaft beschimpfte Maximilian Harden und schürt das Feuer der Zwietracht. Er fällt in seiner „Zukunft" über Bebel und seinen famosen Schütz ling Mehring mit der ihm eigenen wilden Rachsucht her und nimmt sich dann die „Revisionisten" vor, die für sein Blatt geschrieben, ihn aber in Dresden nicht verteidigt, sondern verleugnet haben. Er veröffentlicht mündliche und schriftliche Acußerungen von ihnen und behauptet, sie hätten den Parteitag belogen, da sie noch in Dresden, wo sie ihn öffentlich im Stiche ließen, ihn privatim ihrer Hoch achtung versichert hätten. Das wird natürlich ein neues Donnerwetter auf die armen „Revisionisten" herabziehen und das Mißtrauen der „Zielbewußten" gegen sie verschärfen. Der „Vorwärts" druckt die Anklagen Hardens gegen sie ab, angeblich um ihnen Gelegenheit zur Verteidigung zu geben — als wenn sie die Anklagen nicht auch so kannten! — in Wirklichkeit natürlich, weil sie „Revisionisten" sind und er ihnen ein Bein stellen möchte. Die Angriffe Hardens gegen Bebel gibt der „unparteische Vorwärts" nur in vorsichtigen Aus zügen wieder, die gegen Mehring wohlweislich gar nicht. Das redet deutlich. Die angegriffenen „Revisionisten" wehren sich in anständig geschriebenen Erklärungen, worin sie Harden vorwerfen und unseres Erachtens auch Nach weisen, daß er Tatsachen und Aeußerungen entstellt und gefälscht habe. Bebel dagegen erläßt gegen Harden eine Erklärung, die nichts als einer seiner beliebten Schimpf ergüsse ist. Trotzdem wird er bei den „Zielbewußten" besser wegkommeu als die armen „Revisionisten". „Es hilft nichts," erklärt der „Vorwärts", was in Dresden eingerührt wurde, muß dnrchgegessen werden." Er denkt wohl nur an die „Revisionisten", aber es gilt für die ganze Partei. Bebel als derjenige, der in seinein Größenwahn die Suppe allein eingebrockt hat, wird noch häufig Leibschmerzen davon spüren. Politische Rundschau. Deutschland. — Die Reform des Börsengesetzcs wird von den Vertretern des BörsentmnS für die bevorstehende Neichs- tagssession gefordert. Sie berufen sich darauf, daß der früher erhobene Einwand, man dürfe mit dem Zolltar Blei in: Herzen. Erzählung von I. R. von der Lans. Ans dem Holländischen übersetzt von L. van Heem siede. (13. Fortsetzung.) (Nachdruck Verbote».) Nein, Mutter, in den ersten zwanzig Jahren brauchst Du Dich meinetwegen nicht zu bemühen. Wir haben unter uns Studenten einen Bnnd errichtet zur Pflege und Er haltung des unvergleichlichen Junggesellenlebens bis zum 40. Jahre wenigstens, mit dem Motto: joio cio vivro.^ „So?" sagte der Doktor, von dieser Mitteilung keines wegs angenehm berührt, „und diesem Bunde bist Du als Mitglied beigetreten?" „Natürlich, Papa, all die fröhlichsten Kameraden haben sich sofort anfnehmen lassen, und mich hat man sogar per Akklamation zum Präses gewählt ..." „Du hättest doch wohl bester getan, Dich von der gleichen Unsinn fernzuhalten — übrigens ist hier nicht der Ort, von solchen Dingen zu reden." unterbrach der Doktor sich selbst, einen flüchtigen Blick auf Henriette und die kleine Annette werfend, die stillschweigend dasaß, aber auf alles achtete und ihre großen verständigen Augen fortwährend von dem einen zum anderen gehen ließ. „Das nächste Mal, wenn Du wiederkommst, möchte ich unter vier Augen einige ernste Worte mit Dir reden und hoffe dann auch Näheres über Deine Studien zu erfahren. Wie steht es jetzt damit?" „O, das geht wie geschmiert, Papa!" erwiderte Konrad, dem der ernste Ton seines Vaters wenig zusagte, in der nämlichen leichten Weise, „die noriv» lovticmum geht ihren Gang mit der Regelmäßigkeit eines Regulators." „Nein, Konrad, mit dem scherzenden Ton ist mir heute nicht gedient. Ich möchte wissen, ob Du die Vorlesungen regelmäßig besuchst, Deine Diktate in Ordnung hülst und zu Hause fleißig arbeitest." „Mir däucht, solch ein richterliches Verhör ist am Frühstückstisch auch nicht recht angebracht," mischte sich die Mutter ein, sofort für ihren Liebling, den sie von der väterlichen Strenge bedroht sah, Partei ergreifend. Doktor de VrieS warf seiner Frau einen vorwurfsvollen Blick zu, da er ihr in Gegenwart der Kinder nicht sagen durfte, daß sie seine Autorität untergrub: sie nahm aber nicht die mindeste Notiz davon. „Es soll durchaus kein richterliches Verhör sein," fuhr der Doktor mit einem ungeduldigen Seufzer fort, „sondern es ist nur eine einfache, teilnehmende Frage, die Konrad leicht beantworten kann." Aber Konrad hatte gerade den Mund voll, und als er zu sprechen imstande war, gab er ausweichende Antwort, indem er von den vielen Arbeiten sprach, die ihm der Mnsen-Almauach, in dessen Redaktion man ihn gewählt habe, auferlege. Es sei dieses für ihn eine große Ehre, die er nicht ablehnen durste, nsw., nsw. „Das ist alles gut und wohl, im Grunde genommen ist es aber doch nur Zeitverschwendung, denn die Studenten- Literatur fördert in letzter Zeit gar wenig Gescheidtes zn Tage. Ich möchte Dir raten, Dich in der Folge mit der- gleichen „Ehrenposten" nicht weiter cinznlassen, Du wirst durch dergleichen Nebendinge von Deinen Studien abge halten und hast weiter nichts davon, als allerlei unnötige Ausgaben ..." „Dn hast mir aber doch selbst oft genug gesagt, Papa. Du sähest gerne, wenn ich mich bei den Studenten gehörig in Respekt setzte." „Das wünsche ich auch, aber Dn brauchst Deinen Hahn nicht gerade immer König krähen zu lassen, und daß Dn dazu wohl Anlage besitzest, das sehe ich am besten aus den Rechnungen, die Du mir znschickst." „Aber ich bitte Dich. Franz!" schalt seine Frau, „gönne dem Jungen doch die Zeit, in Ruhe zu frühstücken und beschwere ihm den Magen nicht mit Deinen ewigen Straf predigten." Der Doktor mußte sich gewaltsam beherrschen, nm seinen Lippen keine heftige Entgegnung entschlüpfen zu lassen. Bei seiner inneren Erregung wurde ihm dieses doppelt schwer, am liebsten wäre er sofort aufgestanden, um in der Stille seines Studierzimmers seine wirren Gedanken zu sammeln. „Papa ist nicht so böse, wie er anssieht", ließ sich jetzt Henriettes freundliche Stimme beschwichtigend ver nehmen, „er fühlt sich heute nur nicht ganz wohl. Darf ich Dir noch ein Bntterbrod machen, Papa?" frug sie schmeichelnd. In den Augen, womit er sie ansah, schimmerte es feucht wie von mühsam zurückgedrängten Thränen, aber er zwang sich nochmals zur Ruhe und entgegnete kühl: „Danke, liebeS Kind, es will mir heute Morgen nicht recht schmecken." „Nimm Dich mir in Acht, Papa, daß Du selbst nicht krank wirst, während Dn Anderen die Gesundheit wieder gibst", sagte Konrad so unbefangen, als wenn nichts lln- angenehmes vorhergegangen wäre, „hast Du gehört, daß cs mit Professor Schnorr stark bergab geht?" „Ja", erwiderte der Doktor zerstreut, „er soll sich schon »ach einem Assistenten Umsehen." „Ich bin neugierig, wer es sein wird, denn der kann leicht an seine Stelle kommen." „Hast Dn noch keinen Namen nennen hören?" frng seine Mutter, sich ihres gestrigen Gespräches mit ihrem Nachbarn erinnernd. „Namen noch nicht, aber es werden Liebhaber genug vorhanden sein." „Doktor van Lingen meinte, e§ wäre so recht etwas für Papa." „Ja, das wäre nicht übel", rief Konrad, der an diese Möglichkeit selbst noch nicht gedacht hatte, „dann hätte Papa ein ruhigeres Leben, während er sich jetzt mit seiner großen Praxis zn Tode gnält." „Da fährt der Wagen schon wieder vor!" sagte seine Frau mit einem tiefen Seufzer, als wenn sie unter der Last, die auf den Schultern ihres Mannes ruhte, selbst schwer gebückt ginge. „Noch immer der nämliche alte Kasten!" murmelte Konrad zwischen den Zähnen, „.lkntscher, Pferd und Wagen sollte man ins Altertumsmnsenm schicken." „Ja, ich begreife nicht, wie er sich mit dem Gerümpel noch bei seinen vielen noblen Kunde» blicken lassen darf! Es ist ein wahrer Skandal!" sagte die Mutter. (Forts, folgt.)