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Abend AuSva-e „Graf Zeppelin über Dresden Unverhofft frühes Eintreffen - Wundervoll malerische Sicht vor wolkigem Himmel Mit Jubel besrüßt Zuerst hieß es, er werde in den frühen Nachmittags- stunden kommen, aber bald verbreitete sich die Mitteilung, daß schon zu zeitigerer Stunde sein Eintreffen erwartet werden dürfte. Gegen >»1V Uhr flogen die Hahnen ans dem NathanS. mit Sehnsucht schon von Tausenden immer wieder mit Blicken nach dem grün in dem dunkeln Himmel erglänzen» den Turm erfragt. Ter Berichterstatter schwang sich mit Hilfe beider Fahr- stllhle auf den Rathausturm. Daß Bild von den Fenstern des obersten Stockwerkes und von der Galerie war vielleicht gerade infolge des vielgestaltig bedecktest Himmels überaus eindrucksvoll. Die Spannung wuchs nach und nach bis >»12 Uhr aufs äußerste. Immer wieder suchten die Gläser die Lust- gcgcnd über der Stelle ab, wo man den Austritt der Elbe aus dem Dresdner Kessel vermutete. Dort hinüber zu schwebt die Antenne des Senders vom Rathausturm zum Krcuzturm, aus dessen Rundgang ganz besonders dicht gedrängt die Mensche» standen. Das Krcuztnrm-Stabtrapez der Antenne hängt, vom Rathausturm aus gesehen, ein wenig schräg über »cm Elbspclchcr der Bicncrt-Mühle. Dort etwa mußte er sichtbar werden. Und richtig! 11,17 Uhr erscheint über dtesem Trapez ei» kleiner grauer Punkt, so etwa, als ob ei» Kindcrballönchen sich über dieser Trapez- staugc blaß im Wolkendunst erkennen läßt. Man glaubt, das Pünktchen wachsen zu sehe» und kombiniert: Aha, er kommt gerade mit dem Bug aus uns zu. Immer größer wird der graue Fleck und fängt allmählich an. sich nach beiden Setten ansziidchncn. Das Lustschisf wendet ein wenig weiter nach Osten. In diesem Augenblicke wird er „offiziell" gesehen: denn zwei Minute» nachdem wir ihn schon beobachtet, er heben die Glocken des KrcnzturmeS, allmählich wuchtiger werdend, ihre jubelnd dröhnende Stimme. Jetzt wissen sie es alle in der Stadt, daß der »Gras Zeppelin" da ist! Nach seiner Wcstwendung näherte sich das Schiff ein wenig ansteigend den zwei langen Wvlkenstrcisen, die in Höhe von etwa 4M bis 500 Meter über den Lößnitzbcrgen lagen, und flog dann ein ganzes Stück an der unteren Grenze dieser siiivcrsionöschicht dahin. Er verschwand wieder in diesem dicken Gran und wurde in dem nur wenig helleren Streifen zwischen den Wolkenschtchten als graues Fingerchen sichtbar. Allmählich näherte er sich nach einem kurzen Abstieg wieder der zweiten oberen Wolkenschicht und flog hart unter ihrer Grenze so da hin, daß ihn der Blick kaum von der Wolkenschicht zu lösen vermochte. Aber schon ans diese große Entfernung vermochte das spähende Auge die Ausbuchtung am unteren Rande des Niesen zu erkennen, die Gondel. Gerade als das Schiff einige Sekunden später wieder Lurch die untere Wolkcnschicht herunterstieß, traf ein Sonnenstrahl seine Spitze, so daß diese in blinkendem silbernen Glanze aufleuchtcte. Das Schiff wendete wieder mehr nach Süden, so daß eS geradlinig auf das Rathaus zuzu- kommen schien. Jetzt hörte man auch tief brummend, aber noch leise das Motvrcngcräusch, eine wundervolle, glcichblei- bcnde, ruhige und doch gewiß in diesem Augenblick die Herzen von Hundcrttausendcn im Innersten erschütternde Musik. Aber jetzt! Jetzt wurde eS aus den Dächer« lebendig! Seine ganze Front zeigte uns „Gras Zeppelin", als er etwa über de» Albrechtsschlössern dahinzog. Hier war vor allem das Spiel der Flieger «m de» Niesen besonders anschaulich und mit Staunen legte man sich Rechen» schaft darüber ab. was für ein Koloß das Lustschiss gegen diese winzigen Mückchen war. lieber der Albertstadt wendete er wiederum und kam noch einmal fast senkrecht über den Rathausturm, um dann bald nach Süden und Westen abzu biegen. Fast schien es. als wolle er über dem Planerischen Grund entlang fliegen, aber er wendete »och ein wenig mehr, um über die Richtung Rvßthal, Kcsselsdors zu gelangen. Feiner, durchsichtiger Wolkcnzadder flatterte um sein Heck, als er ein wenig zu drücken schien. Vielleicht war aber dieses Senken des Schiffs auch nur eine optische Täuschung, denn eS ist sehr schwer zu beurteilen, ob ein abzichender Gegenstand wirklich tiefer fliegt oder ob sich seine Höhe nur perspektivisch so rasch vermindert. Jedenfalls waren, als er hart südlich von WilSdruss dahin zog. sehr dunkle Wolken dicht über ihm und bald gewann man — es mochte etwa 1l,21 Uhr sein — den Eindruck: Jetzt kann er schon von Freiberg aus gesehen werden. So spielte sich der gewaltige Eindruck in kurzer Zeit hin- reißend und erhebend ab. und noch geraume Zeit stockte aus den Straßen das sonst eilige Dshinhasten, und das Publikum tauschte mit begeistertem Einmut die großen Eindrücke aus. die ihm diese halbe Stund« gebracht hatte. Kon -er Vrühlfchen Terrasse aus Zeh» Minuten vor zehn Uhr wehten die beiden schwarz, gelben Flaggen vom Dresdner Rathausturm, die ankünbigen sollten, daß der Luftricse die sächsische Landeshauptstadt mit seinem Besuche beglücke. Kurzes Raten, welches der beste Auslug im Stadtinnern sei. Es gab nur eine Antwort: die Brühlsche Terrasse, jener alte „Balkon Europas", mit seinem herrlichen Rundblick auf die Hügel der Löbnitz, die Dresdner Neustadt, die fernen grauen Heidcbcrge. In schnellen Schritten ging es dorthin. Aus den Lüften war aber da schon die Ouvertüre zu dem Dresdner Zeppelin- Erlebnis ertönt. Die deutschen Rundfunksender hatten schon In den Nachtstunden sich mit dem Luftschiff ver ständigt und die kurze Unterhaltung ihrem Hörerkreis ver mittelt. Die „Mirag" folgte in der achten Stunde des Mitt wochmorgens. Man hörte Major Schices Stimme vom „Graf Zeppelin" aus dem Lautsprecher, ja die Bordmusik, den Leip ziger Anruf, und die Erwartungen spannten sich immer höher. Wenige Minuten nach zehn Uhr hatten sich auf der Terrasse schon die ersten Himmelsguckcr eingefunden: am Horizonte hingen schwere graue Wolken, von der unsichtbaren Sonne nur an den Rändern schmutzig braun gefärbt: nur aus den Lößnitzbergen lag ein Heller, goldener Sonnenfleck. Flaggen tauchten auf, am Hotel Bellevue, drüben an einigen Häusern der Neustadt, der erste Photograph erschien und packte gemächlich aus. Aber noch immer herrschte Un- gewißheit. Aus dem Dache des Finanzministeriums stellten sich Menschenmauern auf. Man sicht es. Das belebt. „Die vom Ministerium müssen's doch ganz genau wissen!" Jawohl, sie haben eS ganz genau gewußt. 10,40 Uhr. Ei»-.l»e blaue Flecke am Himmel, und dann bricht die Sonne durch, hell und strahlend. 11,04 taucht ganz weit nach Pieschen zu ein Flugzeug aus und eilt nordwest- wärts: die Mcnschenmauern sind dicker geworden, sie stehen jetzt auf der Marienbrücke, ans der Augustusbrücke, säumen breit das lange Geländer der Terrasse: Zuschauer tauchen aus den Dächern des Landtages, des Opernhauses, der Kunst, akademie auf: hell schimmern dort einige weiße Malermäntel. 1l,14 Uhr kehrt daS Flugzeug ganz weit hinten zurück. Wird es in den Flughafen cinsalleu?! Nein, cs fliegt in weitem Bogen aus die Innenstadt zu, die Sirene ertönt. „Der wecß eö, der hat geguckt, ob er kommt," ruft ein Dreikäsehoch mit Heller Freude. Und der kleine Bruder hatte recht gut ausgekuudschastct. Nun dauert es gar nicht mehr lange, die Hälse recken sich und da auf einmal taucht zwischen dem Gitterwerk des Bauturmes au der Elbe und dem Massiv des Packhofcs an der Marienbrücke ein kreisrunder grauer Schemen auf. „Das ist er, das ist er!" tönt es, Augengläser sind vor den Gesichtern. Jetzt ist der graue Kreis über der Elbe, eine Wendung, der Kreis wird zur Zigarre. Doch alles ist nicht beisammen. Aus dem Schornstein des Fernheizwerkes und dem eines Frachtbampsers steige» ungastlich schwarze dicht« Rauchwolken auf. Doch sieghaft bricht die metallglänzende Spitze des Luftschiffes durch diesen häßlichen Trauerschleier, dem Lause der Elbe folgend kommt das Luftschiff näher un näher, wächst und wächst. Zwei Flugzeuge geleiten es. „Donnerwetter, ist das ein Kerl!" tönt es. Taschentücher fliegen heraus, man winkt! Jetzt ist er über dem Opern haus. Der Dreikäsehoch von vorhin bekommt es mit der Hellen Angst. „Mutti, der rennt den Kirchturm um." „Der" rannte ihn nicht um. Hell silberglänzend, ganz tief schwebt der Zeppelin über die Köpfe, Passagiergondel, die Maschinen gondeln, die Anslugössnungen. die roten Buchstaben „Graf Zeppelin" un- die schwarzen „v ß. 2 127" sind deutlich zu er kennen. die Propeller brausen ihr tiefes kraftvolles Baßlied. Wieder Tücherschwenkcn, wieder Rufe. Helle Begeisterung auf den Gesichtern. „Graf Zeppelin" wendet zum Neustädter Ufer. Tausende von Kameras sind in Tätigkeit. Er kehrt tn weiter Kurve zurück. Ein frecher kleiner Flieger huscht knapp unter der großen Gondel hindurch. „Da werdet ihr einen Aufsatz darüber schreiben," sagt die Lehrerin zu der Mädchenklasse, die sie aus die Terrasse führte. Und aus den Hellen freudigen „AH8" über den „Graf Zeppelin" werden aus einmal „Oohs" und Oochs" und viel zu schnell ist das fliegende Wundcrhaus über den Dächern der Innenstadt verschwunden, gen Chemnitz . . . Auf dem Theaterplatz ein Nicsenmenschenschwarm, der sich lockert und tn einzelne Grüppchen zerfällt, vollgestopft die Bürgersteige der Schloßstraße, aber aus jedem Gesicht ein nachdenkliches, frohes Leuchten. Ties das Erlebnis, langsam noch der Schritt der Hcimkchrenden, che er zum gewohnt, schnellen AlltagStrott wird . . . Vor vier Jahren den 7l U 3 begrüßte man mit wehen Ab- schicdsempsindungen. Den Riesenburschen hier aber dürfe« wir ja behalten, er ist unser und bleibt unser, wie eS stets das Werk des greisen Grasen gewesen ist. Zukunftssymbol für eine kommende Zeit! » Dresdens Aunkgruh Beim Uebersliegcn der Stadt ist folgender Begrüßung»» spruch dem „Gras Zeppelin" durch den Dresdner Sender zugefunkt worden: „Die sächsische Landeshauptstadt begrüßt Führer un- Besatzung des „Graf Zeppelin" mit den herzlichsten Glück wünschen zu der erfolgreiciien Deutschlandfahrt und einem hoffnungsvollen Glück ab für alle wetteren Fahrten. Ober, bürgermeistcr Dr. B l ü h e r." * An Bord befand sich von Dresden auch Stadtrat Emil Ahlhclm, der sich um die Sammlung für die Nationalspende besonder- verdient gemacht hat. fUeber den bisherigen Fahrtverlans flehe Seite L.) Der «aNkimivrd in de« Men Tauern sin Scharen stürzten die Angestellten Renners auf den groben Dacherholungsplatz, über Kreutzkamm sah man eine Schar hochbemütztc Konditoren und Bäcker erscheinen, und überall, wo nur ein Borsprung auf dem Dache Ausblick und Halt bot, klebte einer, dem man seine vorsichtige Aengstlichkett und die über sie triumphierende Ereignissreude ansah. Nach seiner Wendung aus den Rathausturm zu sah man den Zeppelin nur ei» wenig von seiner Backbordseite, doch genügte dieser schräge Blick, um die großen StabilisterungSslächen, die das Ricseuschifs auSzcichncn, deutlich zu erkennen. Bald wurden auch die Motorengondcln eine nach der anderen sichtbar. Die Höhe dcö Schiffes mag etwa 300 Meter ge wesen sein. Als cs scheinbar etwa bet Uebigau über der Elbe stand, wendete es sich wieder genau auf den Rathausturm zu. und schien, von da aus gesehen, genau senkrecht über dem Kreuzturm z» liegen. Freilich blieb es etwa tn der Ent fernung der Marienstraßc und wendete zu einer großen Schleife um das Zentrum der Stadt. Wundervolle silberne Lichter strahlten auf. als eS einmal unter einem blauen Wolkenloch vorbcislog. Halt, beinahe wäre» die Flugzeuge vergessen worden. Der Bulgaria-Doppeldecker und ein I u n k c r S - F l u g z e u g kamen zuerst hinter ihm drein, holten ihn etwa über dem Rathause ein, so daß man, als daS Schiss etwa über dem Sachsenplatz sein mochte, den Bulgaria- Doppeldecker einmal wenig höbcr als das Schiss darüber hin wcgkrcuzcu sah. Der Prozeß Treiber Dresden, den 3. Oktober 1923. Auf Gattenmord lautet die Anklage in dem heule vor dem Schwurgericht beginnenden, aus drei Tage berech neten Prozeß gegen den Kaufmann Frie-rich LoutS Treiber in Dresden,- Gattenmord, der als eins der furchtbarsten Ver brechen tn der Geschichte der Menschheit gilt und in dem vor liegenden Falle noch dadurch an Scheußlichkeit gewinnt, daß er nach der Anklage verübt worden ist auf einer Reise tn die Bcrgrcgionen der Alpenwelt, einer Reise, die gerade, wenn ie von einem Ehepaar unternommen wir-, Schönheit, Freude, Erholung und den Erwerb eines köstlichen Er- tnncrungSschatzcs fürs spätere Leben bedeutet. Nur zwei, tn den Alpen eigentlich nur einen Vorgang hat das Drama. Der Berichterstatter hat vor nicht zu langer Zeit mit seiner Frau vor der ErinnerungStasel am Stilsser Joch gestanden, wo vor einem halben Jahrhundert das gleiche Verbrechen von einem Engländer verübt worden ist. und er rt nicht geahnt, daß er in Dresden einmal einem ähnlichen rozcß beiwohnen würde. Tatsächlich hat es wohl kaum eine Gerichtsverhandlung k« Dresden gegeben, die eine solche Sensation erregt hätte, wie der Prozeß Treiber. Das kommt auch in dem starken Be such der Tribüne zum Ausdruck. Schon lange vor Beginn der Verhandlung ist sie bis aus den letzten Platz besetzt. Gegen )410 Uhr wird der Angeklagte in den Saal geführt. Treiber, ein schlanker, bartloser Mann im Alter von 32 Jahren» nimmt aus einem Stuhle vor seinen Verteidigern, den Rechts anwälten Dr. Alsberg, Berlin, und Dr. Fleischhauer Platz. N10 Uhr eröffnet der BerhandlungSleiter LandgerichtS- birektor Dr. Knoth die 4. Tagung der Schwurgerichtsperiode. Zunächst wird die Vereidigung der Geschworenen vorgenommen. Die Anklage Rach der Anklageschrift ist der Kaufmann Treiber hin» reichend verdächtig, am IS. September 1»2S am Goldzechhor» in den Hohen Tauern seine Frau getötet z« haben, indem er sie in die Tiese gestürzt hat. Ans Antrag der Staats» anwaltschast wird daher das Hauptvcrsahren wegen Gatten- mvrdes gegen Treiber crössnet.