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Hpr*. a. Redaktio« Prr-b-«»A«»ft«»t I. M-chner «afie < H« Zeitung erschetmt Ticuftag, DONNerftNg uub GmmabeuZ früh. U»»u«e»e»t»« Drei»: «rteljShrl.Mk.1M eier Lresrrung in» erhebt, di« loch eine A«» von LS Pfg. Zu beziehen durch zie kaiserüchen Post, olstalten und durch unsere Boten. iilh lisch? DochnluG Infer«te werden bi- Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag augenomm« und kosten: bte1spa1t.Zeile15Pf^ Unter Eingesandt: 30 Pfg. Inseraten» Annahmeftelenr Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften de- kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Die Arnoldische , Buchhandluna, j Jnvalidendank, - Haasenstein LVoglrr, Rudolf Mosse, «. L. Daube L Ea. in Dresden, Leivzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. ' u. f. w. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerr««« Müller in Dresden. 47. Jahrgang. Dienstag, den 8. September 1885. Politische Weltschau. Deutsches Reich. DaS Unerhörte ist geschehen: man hat in Madrid am Sonnabend daS Hotel deS deut schen Gesandten mit Steinwürfen bombardirt, daS deutsche ReichSwappen vom Portale deS HauseS heruntergeriffen und mit Füßen getreten. Die aufgebotene Polizei- und Militärmacht war zu schwach, um gegen den aufge regten Pöbel erfolgreich einschreiten zu können, ja ein Officier ließ sich sogar herbei, einen verhafteten Tumul tuanten auf daS Geschrei der wüthenden Menge hin freizugeben. Das find in Kürze die Nachrichten, welche der Telegraph über die Pyrenäen blitzt, Nachrichten, die gleichsam als Antwort deS spanischen Volkes auf die «m 24. August erfolgte Aufhiffung der deutschen Flagge auf der Karolinen-Insel Pap im Stillen Oceane zu betrachten find. Infolge dieser Vorgänge in Madrid gestaltet sich die Situation zwischen Deutschland und Spanien immer ernster. Die Deutschen erkennen die Ansprüche der Spanier auf die Karolinen-Inseln nicht an, sind vielmehr zur Besetzung dieser Inselgruppe, welche sie als herrenlos betrachten, geschritten. Die Spanier, die biS dahin auf dieses Gebiet wenig oder gar kein Gewicht gelegt haben, fühlen sich nun plötzlich in ihrer Eigenliebe gekränkt, der kastilia- aische, aragonische und andalusische Stolz bäumt'sich auf und während die spanische Flotte und ihre Kommandanten vor Pap ihre Ohnmacht dokumentiren (fiehe weiter unten), macht sich der auflohende VolkS- aawille in skandalösen Demonstrationen Luft, die dem An stande, wie er im mtrrmMonalen Verkehre zwischen civi- lisirten Nationen Sitte ist, auf daS Schmählichste inS Gesicht schlagen. Der König, wie die Regierung in Spanien scheinen dem Pöbel gegenüber völlig macht los zu sein, ja man darf wohl annehmen, daß die lärmenden Kundgebungen vor dem deutschen Gesandt- schaftShotel nicht weniger gegen den eigenen Monarchen und daS Ministerium Canovas, als gegen den Repräsen tanten der deutschen Nation gerichtet gewesen sind. Dies ist der springende Punkt der ganzen Bewegung. Die Unzufriedenheit in dem durch Aufstände, Seuchen und Erdbeben seit Jahren schwer heimgesuchten Lande ist ebenso allgemein als groß. Die Feinde der Regie rung, die sich in Spanien auS Gegnern der Monarchie überhaupt und auS Gegnern des Ministeriums CanovaS speciell zusammensetzen, verzweifelten daran, eine Aende- rung deS bestehenden Zustandes aus friedlichem Wege herbeisühren zu können. Der deutsche Zwischenfall wurde daher von ihnen schlau benutzt, um den Funken unter di« Massen zu werfen und den lang gehegten Groll deS Volkes einer Rakete gleich aufsprühen zu lassen. So mit dürfte man nicht fehlgehen, wenn man in den Madrider Vorgängen die Vorboten eines politischen Erdbebens erblickt, welches leicht daS HauS Bourbon auch von dem letzten Throne, den eS noch einnimmt, vertreiben könnte. An und für sich kann unS daS Schicksal AlfonS' XU. und seines HauseS durchaus kalt lassen, aber ein Blick auf die Stimmung in Frankreich zeigt uns zur Genüge, daß die Wiederaufrichtung der Republik auf der iberischen Halbinsel von den Pariser Chauvinisten in deutschfeindlichem Sinne auSgebeutet werden würde. Frankreich als königSloser Staat ist seit 15 Jahren isolirt gewesen; die dortige Patrivten- liga erging sich in mehr lächerlichen als verächtlichen WuthauSbrüchen und daS ganze, ob der Schmach deS Frankfurter Friedens knirschende Volk sah sich ge zwungen, die Faust nur in der Tasche zu ballen. Eine Republik in Spanien gäbe der ohnmächtigen Wuth der französischen „Patrioten" zum ersten Male die Hoffnung auf eine Allianz mit einem ihnen in vieler Hinsicht verwandten Volke. Der Bann der europäischen Jsolirung, der auf Frankreich lastete, wäre damit endgiltia gebrochen und wer weiß, welche geheimnißvolle HoA nungen die im Stillen verbündeten Revolutionäre Frank reichs und Spanien- auf ein derartiges Ereigniß setzen. Wie die Dinge zur Zeit liegen, ist keinen Augenblick daran zu zweifeln, daß die spanische Regierung, so lange sie selbst noch die Gewalt in Händen hat, sich sofort bereit finden wird, dem beschimpften deutschen Reiche die verlangte Genugthuung zu Theil werden zu lassen. Anders aber steht die Sache, wenn die wachsende Hoch- fluth der Revolution den König und sein Haus rück sichtslos hinwegspült, wenn die Republik in Spanien triumphirend ihr Haupt erhebt und die Freunde der französischen Revanche-Helden mit starker Hand die Gewalt an sich reißen; dann erst werden wir vor der ernsten Frage stehen, wie sich in Zukunft unser Verhältniß zu einem Lande gestalten soll, dessen koloniales Besitzthum eS unS allerdings leicht macht, kostbare Pfänder für jede verweigerte Genugthuung mit Beschlag zu belegen. Daß daS deutsche Volk nicht geneigt sein wird, einer Nation, die sich offen als unser^erbitterter Gegner.bekennt, die dem deutschen Namen und Wappen angethane Schmach ohne Weiteres zu vergeben, liegt auf der Hand. — Neuere Nachrichten von den Karolineninseln besagen: AlS am 24. August nach dreitägigem Zögern der spanische KriegSdampfer „Manila" Besitz von der Insel Pap er greifen wollte, langte ein deutsches Kriegsschiff daselbst an, landete Truppen, hißte die deutsche Fahne auf und besetzte daS genannte Eiland im Namen Deutschlands. DaS spanische Schiff zog sich unter Protest zurück. Der Marineminister in Madrid hat telegraphisch den Gou verneur von Pap, CaprileS, sowie den Kommandanten der „Manila" abgesetzt und die Anstrengung eines Pro- cesseS gegen dieselben angeordnet. — Bezüglich der oben erwähnten Vorgänge in Madrid wird noch gemeldet, daß der Officier, welcher aus Verlangen der Menge -inm Gegangenen wieder freigab, auS der Armee verstoßen wurde" Am Sonnabend kehrte der deutsche Gesandte, Graf SolmS, welcher sich di« letzte Zeit in La Granja aufhielt, von dort nach Madrid zurück; derselbe wurde bi- zum GesandtschaftShotel von Mitgliedern der Civil- behörden, sowie von einer starken militärischen Eskorte begleitet. Sein Pal-iS befindet sich in der Straße Isa bella la Catolica, welche sehr eng und winklig ist. Um zu dem nunmehr heruntergeriffenen Wappen über der nur mäßig hohen HauSthüre zu gelangen, bedarf es kemer besonderen Anstrengung. Die Entwicklung von Militär macht in der engen Straße mit selbst für Madrid mangelhaften Zugängen ist allerdings nicht ohne Schwierigkeit und eS erscheint wohl glaubhaft, daß «in auS der Nachbarschaft zusammengeströmter Mob für eine Zeitlang in dieser Straße dominiren konnte. Da zu den Volksvergnügungen der Madrider neben den Stiergefechten von Zeit zu Zeit ein Straßenauflauf oder eine Revo lution gehören, die seit einer für spanische Begriffe außer ordentlich langen Zeit fistirt waren, so ist der Eifer, welchen der Madrider Pöbel bei dieser Gelegenheit ent wickelte, ganz verständlich. Dagegen darf man alS sicher annehmen, daß innerhalb der demonstrirenden Mass« über die Lage und Bedeutung der Karolinen-Inseln gar keine oder höchst verwirrte Begriffe eristiren. Der zwischen Spanien und den Eingeborenen auf den Karolinen-Inseln abgeschlossene Vertrag, vermöge dessen man in Mavnd gianoi, berechtigte Ansprüche auf die genannte Inselgruppe zu haben, datirt vom 19. März 1885 und hat folgenden Wortlaut: „Im Namen d,S Allmächtigen GotteS und im Namen Don Alfonso XII., Königs von Spanien: Die Unterzeich neten, Aba Thule, König von Korror und Ereklse, Bruder und Bevollmächtigter deS Arra Klaye, K-nigS von Artingol, versammelt in der Kajüte deS Kommandanten deS spanischen Kreuzers „VelaSco", erkennen feierlich den Schutz deS Königs Don Alfonso'S und die unzweifelhafte Souveränetät desselben über die Karo linen- und Palau-Inseln an; besagte Könige schließen ferner in brüderlicher und dauerhafter Freundschaft Frieden mit einander. CS soll derjenige, welcher, den Schwur vergessend, den unterzeichneten Friedensvertrag bricht, den Zorn Er. Majestät deS Königs Alfonso auf sich laden. Nachdem gegenwärtiges Aktenstück feierlich vor den vertragschließenden Parteien verlesen war, leisteten die Kontrahenten den Eid, sich an den Geist und Wortlaut dieses Schriftstückes zu halten und unterzeichneten dasselbe alSdann." Kaiser Wilhelm hat sich am Freitag nach Pritzwalk begeben, woselbst er am folgenden Tage dem dort statt- „O nein, nein — er ist nicht glücklich — liebt hoffnungslos — unerreichbar — wie ich!" XVl. Jakob MertenS, der Portier deS Holm'schen HauseS' war damit beschäftigt, einen seiner Untergebenen eigen händig auS dem Hause zu werfen. Er schleuderte den kleinen Menschen, welcher seinen Zorn erregt hatte, mit einem kräftigen Rucke durch daS Thor auf die Straß« hinaus und schrie ihm nach: „Da, da- hat man davon, wenn man mich nicht respektirt, meinen Befehlen nicht gehorcht und 'ne eigene Meinung haben will! — Schert Euch zum Teufel!" Damit schlug er da- Thor in'S Schloß und gmg mit hochrothem Gesichte in'S HauS. „Aber Jakob!" rief seine Frau ihm mildem deutlichen AuSdrucke der Angst entgegen, „waS hast Du wieder für einen Skandal gemacht?" „Gar ktinen", antwortete er, in daS Zimmer tretend und die Thüre hinter sich zufchlagend, „ich habe nur dem albernen, ungehorsamen Patron, dem Wachsmuth, meine Meinung gesagt und ihn hinauSgrworfen." „Wie — hinauSgewvrfen? — Ja, weiß denn der Herr davon?" „Welcher Herr?" „Nun — unser Herr." „Holm? — Bah, waS soll der davon wissen? Ich werde ihm die Sache anzeigen und damit basta!" „Mann, ich begreif« Dich nicht! — Du sprichst ja grade so, alS ob eS keinen anderen Menschen außer Dir aus der Welt gäbe." „Alberne Schwätzerei!" „AlS ob Du der Herr dieses HauseS wärest!" „Warum sollt' ich'S nicht sein, he?" „Nun, ich wäre gewiß damit einverstanden — aber — lch muß Dich immer wieder daran erinnern, daß Du, nimm mir'S nicht übel, in Diensten deS Herrn Holm stehst und dessen — Portier bist." „Hausverwalter — nicht Portier! — Und von „in Diensten stehen" kann gar keine Rede sein! — Haus knechte stehen „in Diensten", nicht ich!" „Du bist unverbesserlich!" seufzte Frau MertenS, „ich ahne, daß Deine Ueberhebuvg unS schließlich noch bitteren Schaden zufügen wird. — Ich bewundere schon jetzt die Geduld deS Herrn! — Wir leben hier gar nicht mehr wie einfache Portierlrute! — Du führst daS große Wort, unbekümmert darum, ob Herr Holm eS hört oder nicht. — Du trinkst von seinem Weine, Du —" — hier mäßigte sie ihre Stimme — „rauchst von seinen Cigarren — " „Brauchst gar nicht zu flüstern, Alt- da- weiß er AlleS!" „DaS weiß er?!" Seine Frau betrachtete ihn mit besorgten Blicken. „Setz' Dich, Jakob, setz' Dich", sagte sie endlich, „Du bist aufgeregt." Er folgte ihrem Rathe und warf sich bequem auf- Sopha. „Komm her, Alte", rief er plötzlich, indem er eine Banknote auf den Tisch legte, „hier hast Du da- ge wünschte Geld für d«n Schaukelfiuhl." „Ab«r. Mann — Du scherzest!" „Starre mich doch nicht so verwundert an! Ich scherze durchaus nicht! Du wolltest doch so gern dem Feuilleton. Schuldbeladen. Original-Roman von Iuliu- Keller. (30. Fortsetzung.) Leise und gedämpft drangen die Laute deS Quartetts in den kleinen Raum und namentlich die so wunderbar zu Herzen gehenden, langgezogenen Töne deS Cello durch- Nangen wie melancholisch klagende Geisterstimmen daS von Blumenduft erfüllte Gemach. — ES war die schwer- müthige, bestrickende Melodie eines wundervollen Chopin- schen Nocturnos — eines gewaltigen, zauberischen LiebeS« liedeS, daS die Seele mit süßen und doch so traurigen, mit unbeschreiblichen Gefühlen erfüllt. Im Banne dieses Liede-, im Banne der tiefen, klagenden Töne befand sich Adele. — Er — Bernhard, »ar e-, welcher dem kalten Instrumente diese beseelten Klänge entlockte — er war der geniale Interpret der hinreißenden Melodie deS unglücklichen Komponisten der kiebe! „Wie schön er spielt", flüsterte Adele zitternd, .kann sein Herz frei sein, wenn er die in diesen Tönen liegenden Empfindungen so auSzudrücken versteht?! — l Muß er nicht die Liebe kennen? — Nicht den gewaltigen Echmerz, daS unendliche tiefe Weh, unglücklich zu lieb«n — unerreichbar — empfunden haben?! Hätte Chopin daS schreiben können, wenn er glücklich war ?!" Langsam sank ihr Haupt auf die Brust herab und ihr« klimme zitterte thränenschwer, alS fie fortfuhr: