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Dienstag. Nr. 9. 30. Januar 1872. Weißerih-Aettmrg. Amts-Matt siir die Kerichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 1v Ngr. Inserate, welche bei der bedeutmden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. Bei der Ergänzungs-Wahl oer Handels- und Gewerbekammer zu Dresden hatten sich am Donnerstage, den 25. Januar, von den 75 Wahl männern der 22 Wahlbezirke des Kammerbezirks 64 in Dresden versammelt und erhielten gleich im ersten Wahlgange, bei welchem absolute Majorität erlangt werden werden muß, sämmtliche Gewählte die erforderliche Stimmenzahl. Es wurden gewählt: 1. Herr Gypswaarenfabrikant Christofani in Dresden mit 37 Stimmen. 2. Herr Kaufmann Waller daselbst mit 39 Stimmen. 3. Herr Photograph Schütze daselbst mit 39 Stimmen. 4. Herr Mühlenbesitzer Forker in Oberhelmsdorf bei «Stolpen, mit 41 Stimmen. 5. Herr Buchhändler Mißbach in Neustadt bei Stolpen, mit 54 Stimmen. 6. Herr Tuchhändler Hofmann in Meißen mit 55 Stimmen. 7. Herr Agent Schuricht in Pirna mit 53 Stimmen. 8. Herr Uhrenfabrikant Schneider in Glashütte mit 57 Stimmen. 9. Herr Korbmachermstr. Richter in Freiberg mit 54 Stimmen. 10. Herr Zimmermeister Förster in Riesa mit 57 Stimmen. Die Herren unter 1, 2, 3, 4, 8 und 10 gehörten der Kammer bereits an, waren auögeschieden, sind aber nun wiedergewählt worden. Pretzschendorf. Auch bei uns hat sich ein Militär verein zu Anfang dieses Jahres gebildet, der bereits über 50 Mitglieder zählt. Dresden. Bei der 2. Kammer ging ein Bericht der Finanzdeputation ein, welcher die Bewilligung von 7000Thlrn. zum Ausbau des Seminars in Borna empfiehlt. Weiter empfiehlt die Deputation die Bewilligung von je 60,000 Thlrn. zur Errichtung zweier Seminare in Oschatz und im Kreisdirectionsbezirk Zwickau, und 70,000 Thlr. für den Neubau eines Seminars in Grimma. Frohburg. In den benachbarten Ortschaften Benndorf, Greifenhain, Roda, Ossa, Syhra und auch hier herrscht große Aufregung. Ein der Tollwuth dringend verdächtiger Hund hat nicht weniger als sieben Menschep (einem Kinde hat er das Gesicht ganz zerfleischt) und eine ganze Menge von Hunden, Katzen und Federvieh gebissen. Die verletzten Menschen sind sofort in ärztliche Behandlung genommen worden. Berlin. Der neue Cultusminister ist nun vollständig in Function getreten, hat die Räthe seines Departements empfangen und eine Ansprache an dieselben gehalten, welche durch ihre Klarheit und Bestimmtheit und durch die persönliche Milde, welche sie charakterisirte, den Antritt des Ministers in günstiger Weise eröffnete. Man wird bald von der Wirk samkeit desselben hören; doch möchten auch nicht gar zu sanguinische Erwartungen gehegt werden, welche auf radikale und sofortige Veränderung der bisherigen Verwaltung des Kirchen- und Schulwesens hinausgehen. Immerhin wird der neue Minister manche wichtige Fragen zu andern Zielen führen, als es unter Mühler's Leitung der Fall war. Stuttgart. Der Setzerstrike ist noch nicht zur Ruhe gekommen. Ein Theil der feiernden Setzer will eine große genossenschaftliche Druckerei gründen. Das Verfahren der Regierung, eine Anzahl Setzer, die gerade beim Militär stehen, abzucommandiren, hat große Aufregung unter den Strikenden hervorgerufen, und sie bereiten eine Beschwerde schrift an die Regierung vor. Kiel. Die Absicht, hier eine Marine-Hochschule zu errichten, tritt jetzt wieder in den Vordergrund, und sind bereits Unterhandlungen mit der Universität angeknüpft worden um Ueberlassung der Säle für den Unterricht, bis das neue Gebäude hergestellt sein wird. Straßburg. Mit der Anlegung der detachirten Forts um Straßburg wird nunmehr Ernst gemacht. Am 12. Februar werden 5 größere Forts (Nr. 2—6) an die mindestfordernden Baugeseüschaften vergeben; in 2—3 Jahren sollen sie vollendet sein. — Jetzt ist man auch beschäftigt, die zeitherigen Straßen schilder in französischer Sprache zu entfernen und durch neue mit deutscher Benennung zu ersetzen. Metz. Das hiesige Theater, das von der Belagerung sehr gelitten, ist wieder hergestellt und am 23. Januar eröffnet worden. Trotzdem, daß eine deutsche Truppe spielte, waren unter den Zuschauern viele Franzosen. Frankreich. Hr. Thiers hat sein Amt al« Präsident der Republik zwar wieder übernommen; aber das Vertrauen der Nationalversammlung und deS Landes zu ihm ist erschüttert. Alle Parteien sehen sich nach einem Mann um, den sie Hrn. Thiers als Vicepräsidenten zur Seite stellen können, um auch für dessen Rücktritt oder Ableben einen Nachfolger bei der Hand zu haben. Die Orleanisten sind inmittelst sehr rührig, aber auch die Legitimisten. Letztere haben kürzlich eine Berathung gehabt, in der namentlich über die Aussichten einer Restauration der legitimen Monarchie verhandelt wurde. Man kam darin allseitig überein, daß wenn der Graf von Chambord nicht binnen einem Jahr zum König von Frankreich ausgerufen wäre, die Legitimisten sich lieber der Republik anschließen, als mit den Orleanisten gemeinschastliche Sache machen sollten.