Volltext Seite (XML)
Mittwoch. — Rr. 214 — 13- September 1854. Die Zeit«»« erscheint mit Nusoahme de« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Nhr <m«- gegeben. Prei« für da« Biertel, jahr 1'/, Thlr.i jede ein. zeln« Stummer 4 Rgr. Deutsche Mgeuieiue Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Erprduion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Hnfertisnsgebütr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Frankfurt a. M., 7. Sept. Ein hiesiger Correspondcnt der Schle sischen Zeitung schreibt: „Ick bin im Stande, den Wortlaut der Propo sitionen mitzutheilen, welche der österreichische Bundestagsgesandte den Mitgliedern des für die orientalische Frage niedergesehten Ausschusses vorgelegt hat. Es ist folgender: Im Geist und nach dem Wortlaut der gemeinschaftlichen Vorlage vom 20. Juli d. Z. haben die Gesandten von Oesterreich und Preußen in der Sitzung vom >7. Aug. der Bundesversammlung eine Reihe von Actenstücken vorgclegt, welche die vereinigten Ausschüsse ihrer Erwägung zu unterziehen angewiesen sind. Ich hielt cS, daher für pflichtschuldige Rücksicht, für heute die Ausschüsse zu berufen, um, nachdem die Aktenstücke seit einigen Lagen gedruckt sich in den Händen sämmtlicher Mitglieder befinden, zu dem vertrauensvollen Einvernehmen die Gelegenheit zu geben, welches alle Theile zu fodern berechtigt sind. Es scheint mir aus dem Bei tritt des Bundes zum Vertrage selbst zu folgen, daß sich der Bund das Verhält- niß dieses Vertrags zur heutigen Sachlage, wie sie aus den mitgetheiltcn Akten stücken hervorgeht, klarmache, daß also die vereinigten Ausschüsse die Frage erör tern: Hebt der zeitweise Wegfall des Punkts 3 des Zusatzartikels den defensiven Theil des Bündnisses auf, oder mit andern Worten: I) Schützt dieses Bündniß unter allen Umständen die erstere Monarchie, solange diese Niemanden angreift? 2) Betrachtet der Bund das im Art. H des Vertrags bedungene Einverständniß nicht als ein verpflichtetes, solange die Wahrung der deutschen Interessen die Hal tung Oesterreichs bedingt? 3) Liegt die Besetzung der Fürstenthümer durch Oester reich nicht im deutschen Interesse und sind die vier Punkte, zu denen sich Oester reich verpflichtete, nicht von der Art, daß gerade Deutschland am meisten Ursache hat, in denselben Garantien für die Zukunft zu erblicken? ->) Vorausgesetzt, daß sie es sind, würde der Bund nicht seine Stellung am richtigsten wahrnehmen, wenn er sich diese vier Punkte vollkommen aneignete? 5) Tritt, im Fall Oesterreich, das die Fürstenthümer infolge des Vertrags vom >4. Juni besetzt, von Rußland auf österreichischem Gebiet angegriffen würde, die Vcrtragsverpflichtung Deutschlands zum gemeinsamen Schutze, kraft der Art. 1 und II des Bündnisses, ein? 6) Liegt es nicht im Interesse des Bundes, dieser Lage der Dinge unzweideutigste Anerken nung zu geben, also auszusprcchen, daß, wenn auch die im Zusatzartikel des Vertrags vom 20. April speciell bezeichneten Fälle in die Ferne getreten sind, nichtsdestoweniger jede Gefahr, die den österreichischen Kaiserstaat in seiner jetzigen Haltung bedroht, den Bund zu gemeinsamer Abwehr verpflichte? An diese Frage reiht sich schließlich die folgende: 7 a) Liegt eS im Interesse der europäischen Bedeutung des Bundes, seine Stimme, solange sie noch in voller Unabhängigkeit von den Ereignissen sich ver nehmen lasse und solange sie eben dadurch ein großes Gewicht in die Wagschale des Friedens lege und andererseits sich die Betheiligung bei künftigen Fricdcnsver- handlungen sichern könne, zurückzuhalten? 7d) und wenn nicht, ist der Ausschuß nicht verbunden, der Bundesversammlung ohne Verzug angemessene Anträge vor zulegen?". *AuS Süddeutschland, 10. Sept. Aus ganz Süddeutschland, aus Baden, Württemberg und Baiern ertönt die Siegestrompete der Ultra montanen, weil sie den Widerstand der Staatsgesetzgebung gegen ihre ka nonische Gesetzgebung gebrochen hätten. Der Freund religiöser Aufklärung und Duldung könnte einen solchen Sieg freilich nur beklagen; aber einen dauernden Sieg der Intoleranz und des Fanatismus über die Aufklärung des 10. Jahrhunderts darf die Menschheit nicht fürchten. Mögen die Ne gierungen der römischen Partei Concessionen machen: der gesunde urtheils- fähige Theil der katholischen Gemeinden wird es nicht dulden, daß er unter das mittelalterliche Joch der Pricsterherrschaft gebeugt werde. Die nicht aufzuhaltcnde, weil von zu vielen Mitteln unterstützte Aufklärung wird nach und nach auch die untern Schichten der katholischen Bevölkerung im mer mehr durchdringen, und wenn die Regierungen endlich das wahre Ziel des Ultramontanismus werden erkannt haben, welches kein anderes ist als die Wiederherstellung des Heiligen römischen Reichs auf den Statusquo von 1792, folglich die Beraubung aller katholischen und protestantischen Negie rungen, welche säcularisirte Kirchengüter besitzen, so werden sie nicht anste hen, den Römischen die jetzt gemachten Zugeständnisse wieder zu entziehen und sie ebenso zu beschränken, wie sie dieselben vorher eingeschränkt hatten. Indessen bleibt es für den deutschen Patrioten immer schmerzlich, bemerken zu müssen, daß den Ultramontanen im „guten Deutschland" Dasjenige ge lingt, was ihnen anderwärts nicht gelingen will. Preußen. ^Berlin, 11. Sept. Zwischen Oesterreich und Preußen ist ein kleiner Krieg ausgcbrochen — erschrecken Sie nicht — na türlich nur in Depeschen, und nicht einmal in solchen, die von Berlin nach Wien und umgekehrt gesandt werden, — ein solches directcs Bombardement würde sich zu dem bekannten herzlichen Einvernehmen nicht reimen — son dern nur in solchen, die an die deutschen Höfe gerichtet werden. Die leh- tern sind die Burgen, deren Eroberung die preußische Politik der österrei chischen, und umgekehrt, streitig zu machen sucht. Bekannt ist die öster reichische Cirrulardepesche, welche die Mobilmachungsfrage bei den deutschen Regierungen in Anregung brachte; bekannt ist die preußische Contredepeschc, welche das Befremden des berliner Cabinets über das einseitige Vorgehen der österreichischen Regierung ausdrückte. Damit war die Angelegenheit in dessen nicht beendigt. Es folgte, wie ich höre, eine neue wiener Circular depesche: Das frühere Rundschreiben Oesterreichs habe Misvcrständnisse er regt, die auch durch die preußische Depesche nicht gehoben seien; Oesterreich habe die Ausführung eines Theils seiner mit Preußen getroffenen Verab redungen anbahncn wollen; zugleich mit dem Vertrage vom 20. April sei, wie bekannt, eine militärische Convention zwischen beiden Staaten abgc- schloffen worden, und Preußen kabe sich bei den damaligen Verhandlungen bcreiterklärt, auch diese Convention den deutschen Regierungen mitzuthci- lcn; jetzt handle es sich eben um die Vorlegung und Ausführung der be treffenden Stipulationen. Dies ungefähr soll der Inhalt des Rundschrei bens sein, welches Preußen zu einer neuen Replik veranlaßt hat: Es habe sich allerdings bcreiterklärt, die militärischen Stipulationen seinerzeit den deutschen Regierungen vorzulcgcn, aber diese Zeit sei noch nicht gekommen. Ob nun Oesterreich den Depeschenkrieg durch die Dcduction, daß diese Zeit wirklich gekommen sei, fortzuführen gedenkt oder fortgeführt hat, ist mir nicht bekannt; es scheint aber, daß die Regierungen der kleinen deutschen Staaten sich weder von der österreichischen noch von der preußischen Politik erobern lassen wollen, und ich muß es, aufrichtig gesprochen, dahingestellt sein lassen, ob zur Zeil eine Entscheidung zu Gunsten eines der Belagerer oder der Belagerten zu wünschen ist. Noch immer ist die Frage unent schieden, wer den energischen Willen hat, die orientalische Verwickelung in einer dem gesammten deutschen Interesse entsprechenden Weise zu lösen. Die vier von den Westmächten ausgestellten und von Oesterreich gebilligten Punkte zielen nur auf eine Lösung der Localfrage, und ihre Verwirklichung ist zwar für Oesterreich, doch nicht für das gejammte Deutschland von durchgreifendem Interesse. Die Machtstellung Rußlands zu Deutschland, für uns die Hauptfrage, wird dadurch nicht wesentlich tangirt: je fester der Niegel ist, der den russischen Planen auf die Türkei vorgeschoben wird, desto nachdrücklicher und gefährlicher wird die um sich greifende Politik Ruß lands nach andern Richtungen hin für die Befestigung ihres Einflusses ar beiten. Es kann wol keinem Zweifel unterliegen, daß Stockholm, Kopen- Hagen und einige andere Residenzen in Beziehung auf russischen Einfluß für uns ungleich wichtigere Punkte sind als Konstantinopel. Wir halten demnach die Durchsetzung der vier Bedingungen für ein sehr nützliches Un ternehmen, wenn dasselbe ein entsprechendes Correlat im Norden findet; wenn ebenso wie im Süden die Stellung der Türkei mehr gesichert, die Oesterreichs einflußreicher gemacht wird, so auch im Norden Preußen und Schweden so gestellt werden, daß sie sowol durch eine gehobene Machtstel lung wie im Vertrauen auf verläßliche Allianzen den russischen Anmaßun gen mit Entschlossenheit und Erfolg auch im Norden entgegentreten können. Leider können wir in der Politik hüben und drüben auch nicht eine Spur solcher Bestrebungen entdecken, obgleich doch nie eine Zeit so günstig wie die jetzige war, um dem russischen Uebergewicht durch gleichzeitige Stärkung Skandinaviens, Preußens und Oesterreichs einen festen Damm entgegen- zustcllen. Berlin, 11. Sept- Die Stunde der Entscheidung rückt nun auch für Preußen in der orientalischen Angelegenheit heran. Der Zar- erklärt, die bekannten vier, auch von Preußen zur Annahme empfohlenen Präpositionen nicht annehmen zu wollen, weil sie seinen politischen und materiellen Interessen widerstreiten. Da Preußen sie für übereinstimmend mit seinen und Deutschlands Interessen erklärt hat, so ist der Widerstreit zwischen beiden Reichen constatirt. Diese Streitfrage, da sie einmal so ver wickelt ist, kann nur durch die Waffen entschieden werden, wenn, was sich nicht denken läßt, Preußen nicht seine Interessen den russischen nachstellen will. Denn dadurch hat doch der Zar dem Wohle Oesterreichs und Preußens nicht Rechnung getragen, daß er die Donaufürstenthümer räumen will? Sobald er darauf besteht, das Protectorat über letztere zu behalten, an den Donaumündungen den Statusquo beizubehalten und sie faclisch zu schließen, sind wir mit dem deutschen Handel auf der alten Stelle, und Europa bleibt fortwährend mit Störungen seines Friedens bedroht. Nach dieser russischen Erklärung bleibt Preußen nur die Wahl zwischen zwei Entschlüssen. Ent weder es muß sich die Wiederherstellung des bisherigen, seine Interessen eingeständlich gefährdenden Verhältnisses zwischen Rußland und der Türkei gefallen lassen, oder es muß, da Rußland auf andere Weise nicht zum Aufgebcn seiner Ansprüche zu bewegen ist, am Kriege gegen dasselbe theil- nehmen. Letzteres ist auch seiner politischen Stellung wegen nothwcndig. Schon steht cs so gut als isolirt in Europa da. Wie 1805 bei dem all gemeinen Weltbrande beleidigt es durch seine neutrale Stellung beide Par teien. Bei Conflicten, welche in solchen entscheidenden Weltlagen nickt zu vermeiden sind, wird es auch keinen Freund haben, weil es sich keinen zu erwerben wußte. Der Krieg, an welchem Oesterreich bald thcilnehmen wird, entbrennt an Preußens Grenze. Schon wird Krakau befestigt und große Armeen ziehen sich in jener Gegend zusammen. Die polnische Krisis wird bei dieser Gelegenheit zur Entscheidung kommen. Soll Preußen dem Allen Gewehr im Arm ruhig zusehen, seine Finanzen und sein Heer durch eine