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Fernsprecher Nr. 14. Amtsklatt für den StadLrat zu Adorf. Verantwortlicher Schriftleiter, Drucker und Verleger: Otto Meyer in Adorf. Tel.-Adr. Grenzbote. 49. N8 SsuulKgr den 29. Frdrnae ^20 Leipzig 37309 Hatzrg. KF. Die BestätigAng der Re«tenq»itt»nge« jür Monat März findet am Montag, den 1. Mürz, vormittags 8—12 Uhr im Einwohnermeldeamt (alte Schule) statt. Adorf, den 28. Februar 1920. Der Stadtrat. Abgabe von Ersatz für ansfaNende Kartoffeln. Bis auf Weiteres Werden allwöchentlich gegen Vorlegung der Wochenkartoffe!« karte, von der das für dis betreffende Woche noch anhaftende kleine Eckchen abgetrennt wird, 260 Gramm Roggenmehl für 1 Berson abgegeben. Die Entnahme kann wie bisher vsi allen hiesigen Bäckern erfolget. Adorf, den 28. Februar 1920. Städt. LebeNSMittelamt. Ser Staatsgenchlchos in Paris. Dev große Unterschied im Natronaicharakter der Deutschen und Franzosen offenbart sich auch sehr star'' Ar Rechtsauffassung und Rechtspflege. Die Rechtspre chung in Frankreich ist sehr beeinflußt durch die Vwts- Ammung, die öffentliche Meinung und durch politische < Rücksichten; viele sensationelle Freisprüche der fta izö- ! fischen Schwurgerichte, die für uns Deutsche kaum >ec- pündlich waren, sind Zeuge dafür. Ihnen stehen feh^ harte Entscheidungen gegenüber; so sind z. B. die Er- Kenntnisse in den zahlreichen Spionageprozessen der acht ziger und neunziger Jahre noch unvergessen, und diq Dreyfus-Affäre war nicht eine Sache des Rechts, sondern des chauvinistischen Hasses. Bei uns dreht sich- alles UM das Recht und nur um die Gerechtigkeit, und die aus fallenden Gerichtsurteile waren so vereinzelt, daß sie kaum in Betracht kommen. i Es ist vielleicht nicht ganz ein Zufall, daß zur glei chen Zeit, wo der Prozeß gegen die sogenannten deut schen Kriegsschuldigen vor dem Reichsgericht in Leipzig eingeleitet werden soll, vor dem Staatsgerichtshof in Paris, der vom Secrat, der ersten französischen Kammer gebildet wird, das Verfahren gegen den früheren fran zösischen Ministerpräsidenten Caillaux, das schon seit Mehreren Jahren anhängig ist, seinen Anfang genom men hat. Der Prozeß gegen die angeblichen Kriegsschul digen soll einen Triumph Frankreichs über Deutschland darstellen, das Verfahren gegen Caillaux soll den Sieg der unversöhnlichen Revanche über die mildere, frei lich sehr spärlich vertretene Richtung derjenigen franzö sischen Politiker darstellen, die unter Umständen für eine Aussöhrrung mit Deutschland sind. Nach Gerech tigkeit wird in beiden Fällen weniger gefragt, als nach einer Verherrlichung der maßgebenden Richtung in Frankreich, die Deutschland nicht freundlich gesinnt ist. Die Anklage gegen Caillaux, die besonders von Clemenceau gefördert ist, wirst ihm Verrat durch Ko In spirationen mit Deutschland und strafbare Amtshand lungen als Minister mit Bezug auf Deutschland vor. Es ist natürlich ganz ausgeschlossen, daß für die Schuld des ehemaligen französischen Staatsleuers einwandfreie deutsche Papiere erbracht werden können. Was man aus einzelnene Papieren des Beschuldigten an Beweisen her- auslcsen will, steht auf so schwachen Füßen, Laß eben Ider französische Chauvi,rismus nötig gewesen ist, di« Anklage zu erheben. Bei den Fällen von verräterische« Amtsführung und von politischen Uebergriffeu wird erst recht die subjektive Auffassung des Anklägers uns des Gerichtshofes ins Feld geführt werden müssen, um einen Freispruch zu verhindern. Ter Zweck der ganzen Aktion ist jedenfalls, den Gedanken an ein« Einigung mit Deutschland bei allen künftigen franzö sischen Politikern und Ministern überhaupt nicht mehr aufkommen zu lassen. Ob dieser Zweck erreicht werden wird, kann allein die Zukunft lehren, die für Frank- reich ebenso dunkel:st, wie für das Deutsche Reich. Es ist nicht das erstemal, daß der Staatsgerichts. Hof der französischen Republik seines Amtes waltet, Der frühere Fall, vor dreißig Jahren, galt dem Kriegs minister General Boulanger, der beschuldigt wurde! einen Staatsstreich gegen das Bestehen der französischen Republik geplant zu haben. Boulanger hatte sich seiner Verhaftung durch die Flucht nach Brüssel entzogen, wq er sich später erschoß. Der Prozeß, bei Lem von Deutsch land nicht die Rede war, enthüllte Boulanger als einen charakterlosen Schwadroneur, der sich vom Herzog von Orleans hatte Geld geben lassen, um diesem zu». Thron zu verhelfen. Der Prozeß machte Boulanger politisch h unmöglich. Die französische Republik hat später aug ' dem Innern heraus keine ernstliche Gefahr für ihr Ta- j sein mehr erlebt. Um so mehr sollte man heute nach dem Schluß des Weltkrieges Caillaux in Ruhe lassen, ! denn der Wille, den Frieden unter Umständen gewollt i zu Haben, ist sicher in den Augen der Kulturweft j kein Verbrechen. Und wenn er ein solches in den Augen der französischen Revanchepolitiker gewesen war, so kön- ! nen auch diese sich zufrieden geben, denn sie haben er- i reicht, was sie wollten. , , Großkampftag im Grzberger-Helfferich-Prozeß. Berlin, 26. 2. 20. Ter V-Boot-Barstotz Erzbergers. fick heutige Tag des Helfferich-Prozesses beginnt kamv»^- »Ehr tatsächlich zu einem politischen Groß- Pstag erster Ordnung zu entwickeln. Im weiteren Verlauf der Sitzung kommt nämlich Exzellenz Helffe rich zunächst auf die U-Boot-Aktion Erzbergers im Hauptausschutz des Reichstages im Sommer 1917 zu sprechen. Bei einer Besprechung der Fraktionsführer mit dem damaligen Vizekanzler Helfferich im Juni 17 brachte der Abg. Erzberger die U-Bootfrage zur Sprache. Auf die Bitte Helfferichs, doch nicht in dem Augen blicke, in dem wir alle Kraft zusammenfassen müßten, Zweifel über die Wirkungen des U-Bootkrieges aufkom men zu lassen, habe Erzberger versprochen, vorläufig nicht öffentlich darüber zu sprechen. Wenige Tage spä ter habe er aber trotzdem in der Budgetkvmmission jenen sensationellen Vorstoß gebracht. Erzberger erklärt, ihm sei damals Zahleuma terial von Thyssen zugegangen, Las ihm klar gemacht hätte, daß der U-Bootkrieg zwecklos wäre. Er habe dies Material dem Admiralstab zugesandt. In der er wähnten Unterredung habe er dann zu Helfferich gesagt, daß er seine weiteren Schritte von der Antwort des Admiralstabes abhängig mache. — Vors.: Hier er gibt sich ein Gegensatz. Haben Sie Herrn Helfferich ausdrücklich gesagt, daß Sie weitere Schritte in Ler U-Bootfrage Vorbehalten? Exzellenz Helfferich bestreitet das doch? — Erzberg'er: Ich habe jedenfalls an weitere Schritte gedacht. — Vorsitzender: Ja, haben Sie aber auch diese Gedanken zum Ausdruck gebracht? — Erzberger: Nach meiner Erinnerung, "ja. Ich habe damals auch mit Herrn v. Berger und Dr. Solf darüber gesprochen. Tie politische Lage war außer ordentlich bedrohlich. Die Sozialdemokraten wollten gegen die Kriegskredite stimmen. Ich sprach mit Beth mann Hollweg über die äußerst bedrohliche Situation und sagte, es sei höchste Zeit, eine feste Basis für den Frieden zu schaffen. Am Nachmittag nach meiner Rede im Ausschuß am 6. Juli ging ich zu Bethmann Hollweg, und er sagte mir: Sie haben mich ja überfallen wie Zielen aus dem Büsch. Ich antwortete: Aber ich habe Ihnen die Sache doch vorausgesagt. R.-A. Alsberg: War Ihr damaliger Vorstoß beabsichtigt? — Erzberger: Aber es war ja gar kein Vorstoß! Tr. Helfferich: Exz. Wahnschaffe sagte mir über die Sitzung, er wollte gerade nach Hause Lehen und befand sich bereits an der Tür, als der Abgeordnete Südekum zu ihm trat und ihm sagte: Bleiben Sie hier, jetzt kommt gleich die große Sache. Hierzu wird Staatsminister a. D. Exz. Spahn als Zeuge vernommen. Helfferich: Während der Rebe Erzbergers sagten Sie zu mir: Was ist deren das?. Ist denn das mit dem Reichskanzler verabredet? Und ich habe Ihnen darauf geantwortet: Ich bin genau so er schlagen wie Sie! — Zeuge: Für mich war diese Rede überraschend. — Vors.: Exzellenz waren also als Vorsitzender der Fraktion von der Rede überrascht? —- Zeug e: Jawohl! — Erzberger: Standen nicht noch mehr Zentrumsabgeordwete aus meinem Standpunkt, z. B'. der Abgeordnete Giesberts? — Zeuge: Ich eift- sinne mich nicht. — Erzberger: Gleich in der ersten Fraktionssitzung wollte ich die innerpolitischen Fragen zur Erörterung gestellt haben. Aber der Vorsitzende nahm darm die Kreditbewilligung vorweg. — Bors.: Wenn Excellenz eine Ahnung gehabt hätten, daß die Friedensaktion besprochen werden sollte, hätten Sie das vorweg genommen? — Zeuge Spahn: Jawohl! — R.-A. Alsberg: Gehört es nicht zu den Gebräuchen, daß, wenn ein Abgeordneter etwas vorbringt, er Ihnen als dem Vorsitzenden davon Kenntnis gibt? — Zeuge: Nicht mir persönlich, sondern der Fraktion. Tie Fricreusresolution und Bethmanns Sturz. Es wird dann der frühere Reichskanzler v. Bet h- mann Hollweg zur Friedensresolution vernommen. Er führt aus: Ter Abgeordnete Erzberger hat mit mir die Absicht einer Kundgebung, wie sie später in der Friedensresolution zutage, trat, weder besprochen noch mit mir vereinbart. Erzberger wußte, daß die Regierung nach wie vor auf dem Standpunkt stand, Latz wir einen Verteidigungskrieg hatten. Im Gegen- teih^Herr Erzberger hatte bei einer Besprechung am 30. Juni Helfferich gegenüber erklärt, seitens LeL-Zen- trums liege nichts vor. Die Reichst«gstagmrg werde völlig ruhig verlaufen. Umsomehr war ich nachher durch die Rede Erzbergers vollkommen überrascht. — Vors.: Minister Erzberger sagte, er hätte angekeutet. daß am 4. Juli der Vorstoß erfolgen werde, wenm er die U-Bootfrage anschneide. — v. B e th m a nn H o ll- weg: Ich wiederhole, daß ich vollkommen überrascht war. Ich hatte den Eindruck, daß Erzbergers Res« am 6. Juli einen unerwarteten Wandel in fernen takti schen Plänen darstellte. Ich bat Erzberger um ein» Unterredung, er kam äm 6. Juli, 3 Uhr nachmittags. Ich sprach Herrn Erzberger mein Erstaunen über feine« Vorstoß aus. Erzberger bestritt einen Ueberfall mit dem Hinweis, daß wir ja beide hinsichtlich des Vev« teidigungskrieges uitd des U-Bootkrieges einer Ansicht seien. Ich sagte: Das hindert nichts an der Tatsach«, daß ich völlig überrascht bin. Erzberger erwidern« mir: der Vorstoß habe nur den Zweck gehabt, für mich ein« tragsähige Neichstagsmchrheit zu schaffen. (Zu Sr»- berger, erregt): Laß Sie, Exzellenz, im Anschluß cm die Reichstagssitzung mit mir über die Möglichkeit eines Vorstoßes gesprochen haben, ist ausgeschlossen. Mir fiel es auf, daß Sie schon wochenlang vor dem Zusammen tritt des Reichstags mich nicht mehr besucht harten, wie es sonst Ihre Gepflogenheit war. Die Aktion am 6. Juli war ein außerordentlich markanter Vvrgangj. Daß Sie, Herr Erzberger, diese Wion vorhatten, hab«l Sie mir nie gesagt. Es ist nur richtig, daß Sie sagten, Sie würden gegen die alldeutsche Bewegung Front machen. Helfferich: Die Stimmung im Ausschuß war ant 6. Juli jedenfalls so, daß eine friedliche Lösung Lenkbar schien. Erst die Rede Erzbergers schlug tvie ein Blitz ein. — R.-A. Alsberg: Wenn Herr Erz berger Herrn v. Bergen etwas von feinem beabsich tigten Vorstoß mitgeteilt Hütts, so würde Herr v. Ber gen Ihne* das wohl wiedergesagr haben? — v. Be:h- mann Hollweg: Ohne Zweifel. , Als nächster Zeuge wird Staatssekretär a. D. Dr. Solf vernommen. Er teilt mit, daß er Mitte Juni mit Erzberger über einige Kolonialfragen gesprochen hätte. Dabei Hütte Erzberger auch sein Material gegen den U-Bootkrieg vorgelegt und kündigte einen Vov- stoß im Reichstage in dieser Frage an. Doch habe er — Solf — nicht geglaubt, Laß dieser Vorstoß gegen den Kanzler gehen sollte, denn sonst hätte er Bechmann informiert. Er glaubte, Erzberger wollte die Regie rung lediglich für feine Friedenspolitik gewinnen. Zeuge Unterstaatssekretär Lewald gibt e.e aus führliche Darstellung von der Besprechung, Lie damals bei Staatssekretär Helfferich vor dein Erzbergerschen Vorstoß stattgefunden hatte, um das UsberraschungS- moment anszuschalten. Helfferich fragte damals Erz berger, ob er seine Bedenken im Zauprausschuß Vor bringen wolle. Erzberger sagte: Nein, ich denke gar nicht daran-. Diese Aeußerung Erzbergers könne er beschwören. Erzberger äußert sich daun über seinen Front wechsel gegenüber Bethmann. Am 6. Juli fei er für Bethmann gewesen, am 7. Juli fei ein Wechsel in feiner Auffassung eingetreten. Einige Tage darauf sollte eine Besprechung der O. H. L. mit Abgeordneten in Berlin stattsinden, sei aber nicht zustande gekommen. Wie er gehört habe, auf Bethmanns Veranlassung. Ta sei er der Ansicht geworden, Bethmann sei ein Hindernis des Friedens. — Bors.: Haben Sie denn nun gesagt. Sie wollten Bethmaim Hollweg durch die FrieSenS- resolution stürzen? — Erzberger: Nein! Zu diesem Punkt sagt der Abg. Stresemann aus, Erzberger habe ihm am Tage nach seiirem Vorstoß in Gegenwart des Obersten Bauer von der O. H. L. gesagt, er wolle Bethmann beseitigen. — Erzber ger: Was der Abg. Stresemann von unserer Unter redung am 7. Juli sagt, ist mir absolut nicht in Er innerung. — Bors, (zum Zeugen): Können Sie es aus Ihren Eid nehmen, daß die Unterredung am Morgen des folgenden Tages stattfand? — Stresemann: Jawohl. R.-A. Alsberg (zu Erzberger): Am 6. Juli haben Sie Herrn v. Bethmann Hollweg Ihr Vertrauen ausgesprochen. Am folgenden Tage hat dann angeb lich Ihre Stimmung gewechselt. Haben Sie Herrn v. Bethmann Hollweg davon Mitteilung gemacht? — Erzberger: Ich habe mit Herrn v. Bethmann Holl weg kurz darauf gesprochen und habe ihn darauf hin gewiesen, daß die Opposition- gegen ihn stündig im Wachsen begriffen sei. — Zu diesem Punkt erklärt Herr v. Bethmann Hollweg: Herr Erzberger hat mir keinerlei Mitteilung davon gemacht, Laß er seine Stel lung mir gegenüber verändert habe. Herr Erzberger hat mit der ihm zugetragenen Behauptung operiert, ich hätte es verhindert, daß die Oberste Heeresleitung mit den Parlameittarirrn Fühlung genommen habe. (Sehr erregt): Ich lege Wert auf die Feststellung, daß diese Behauptung nicht wahr ist.