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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22j Siwcrgr. (j THIr.) vierteljährlich, 3 Tdlr. sür da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Brit n, Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königs. Post Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. .M 83. Berlin, Donnerstag den 17. Juli 1843 Süd-Amerika. Die Freistaaten vom Nio de la Plata. Die argentinische Consödcralion. — Die Republik Uruguay. — Buenos-Ayres. — Schluß. Zu den Mittheilungen über die Freistaaten vom Rio de la Plata, welche wir unseren Lesern vor einem Jahre darboten °), erhalten wir jetzt einen be- merkenSwerthen Nachtrag durch Adolf Delacour, der, als ehemaliger Redactcur des katriote I'ranysiz zu Montevideo, von den Thatsachen, die er erzählt, hin länglich genau unterrichtet sepn konnte. Einige unbedeutende Wiederholungen werden unsere Leser uns wohl vergeben, da wir nicht durch Auslassungen den Zusammenhang unterbrechen wollten und selbst das bereits Bekannte durch Dela- cour's beredte und ins Detail gehende Schilderung ein neues Interesse erhält. Der Rio de la Plata (Silberstrom) wirb durch die Verbindung zweier mächtiger Flüsse, des Uruguay und des Parana, gebildet. Der Parana ent springt in der brasilianischen Provinz MinaS-GeraeS, deren südöstlichen Theil er durchläuft, nimmt auf der rechten Seite den Paraguay auf, in welchen sich wiederum der Pilcomayo und der Rio Bermejo ergießen, auf der linken den Rio Salado, durchströmt weite Ebenen, vereint sich mit dem Uruguay unter- halb der Insel Martin.Garcia, nimmt darauf den Ramen Rio de la Plata an und ergießt sich in den atlantischen Ocean zwischen den Vorgebirgen San Antonio und Santa Maria mit einer 24 deutsche Meilen breiten Mündung. Im Jahre 1515 entdeckte Juan Diaz de SoliS den Rio de la Plata und die Ebenen, in welchen heute Buenos-AyrcS und Montevideo liegen, und Spanien vereinte das Land mit dem bereits unter seiner Herrschaft stehenden Peru. Von 1530 — 1552 führte Spanien, um die neuen Weiden dieser Kolonie zu benutzen, Pferde und Ochsen ein, die sich so rasch vermehrten, daß im Jahre I7»4 bereits eine Million Häute auögeführt werden konnte. Die zahlreichen Jndianerstämme, welche damals diese Gegenden bewohn- ten, sind fast alle verschwunden oder haben wenigstens ihre unterscheidenden Eigenschaften aufgegeben; jedoch erkennt man in den Indianern, welche das Chaco und die Pampas bewohnen, so wie in den Gauchos, noch deutlich die Reste der charakteristischen Züge jener Familien. Das gewaltige Stromgebiet des Rio de la Plata wird beglänzt von den Anden oder Cordilleren, den brasilianischen Gebirgen, dem atlantischen Ocean und der Magelhaenöstraßc. Es umfaßt gegenwärtig den südwestlichen Theil Brasiliens, Paraguay, das Chiquitvland, das Chaco, die argentinische Con föderation, Uruguay und Patagonien. Wir beschränken uns hier auf die argentinische Conföderation und Uruguay und schicken nur einige Worte über ihre früheren Schicksale voraus. Im Jahre I6Z5 wurde von den Spaniern auf der Küste des Rio de la Plata, 42 deutsche Meilen oberhalb seiner Mündung, eine Stadt gegründet, weiche den Namen Buenos-Ayres erhielt. Ungefähr um dieselbe Zeit nahmen 15 Meilen oberhalb der Mündung einige um eine runde Bucht gelegene Gruppen von Hütten den Namen von San Felipe oder Montevideo an. Im Jahre 1778 wurde zu Buenos-AyreS auf dem westlichen Ufer des Rio de la Plata ein von Peru abhängendes Vicekönigrcich eingerichtet, während auf dem entgegengesetzten Ufer in der Lauü» oriental ein unternehmender und ehrgeiziger Parteihäuptling, Namens Artigas, die spanische Herrschaft kühn bc- kämpfte, Buenos-Ayres angriff, Entre-RioS eroberte, Santa-Fe zum Auf. stände bewegte, die Indianer deS großen Chaco bewaffnete und Paraguay verheerte. Im Jahre I80K brach zu BuenoS-Apres ei» Aufstand aus, und am 25. Mai I8W erklärte die Provinz sich von Spanien unabhängig. Im Jahre 1816 verbanden sich die Lancia oriental, Obcr-Peru, Paraguay und die Provinz Argentina unter dem Namen der vereinigten Provinzen des Rio de la Plata. Später wurde die Lancia oriental von den Portugiesen erobert und unter dem Namen krovmria eispiatina mit Brasilien vereinigt. Am 27. August 1828 endlich wurde in Folge eines ernstlichen Kampfes zwischen der argentinischen Conföderation und Brasilien und der Schlacht von Jtuzaingo zwischen den beiden kriegführenden Mächten ein Vertrag abgeschlossen, der die Unabhängigkeit der Lancia oriental unter dem Namen östliche Republik von Uruguay anerkannte. Die Bevölkerung der Hauptstädte in Uruguay und der argentinischen Con föderation besteht zum größten Theile aus Nachkommen der Spanier, die der übrigen Städte und des Landes aus Gauchos und einigen nicht sehr zahlreichen Jndianerstämmcn. Der Gaucho zeigt in seinem Charakter die unabhängige ') S. Magazin 184t Nr. «r. 86. und wilde Entschlossenheit des indianischen Stammes der Guarani und den Stolz, den Anstand, die edle Freimüthigkeit und das gewandte und vornehme Betragen des spanischen Caballero. Seine Neigungen ziehen ihn unwider stehlich zu abenteuerlichen Fahrten und zum Nomadenleben. Ein Feind jedes Joches, ein Verächter des Eigcnthums, welches er als eine unbequeme Last betrachtet, ein Freund glänzender Kleinigkeiten, die er sich mit Eifer verschafft und ohne Bedauern verliert, ein kühner Beschützer seiner Familie, die er eben so hart behandelt als sich selbst, mißtrauisch, weil er oft betrogen worden ist, schlau aus Instinkt und Vorsicht, achtet er den Fremden, ohne ihn zu lieben, dient er dem Städter, ohne ihn zu achten, und hat niemals begreifen gelernt, wie man in seine Heimat kommen konnte, um Heerden auszubeuten, welche die seinigen geworden waren und von denen er nichts verlangte, als den täg lichen Lebensunterhalt, ohne sich um den folgenden oder vorhergehenden Tag zu kümmern. Seit sich in Buenos-Ayres und Montevideo eine besitzende Klasse gebildet hat, ruht der Gaucho, der sich für die Befreiung seines Landes vom spanischen Joche tapfer geschlagen hat, vom Siege aus, hat niemals Belohnungen ver langt und sich mit der bescheidenen Rolle begnügt, das Eigenthum des Anderen zu schützen, vorausgesetzt, daß man nicht vergißt, daß er frei ist und seine Dienste freiwillig. Groß, schlank und kräftig, das Gesicht von der Sonne gebräunt, mit frei herumflatternden, langen, schwarzen Haaren, mit ungehindert wachsendem Barte, dessen bläulichen Schimmer der Flügel des Raben beneiden würde, mit einem kräftigen Kopfe, einer hohen und breiten Stirn, schwarzen und durchdringenden Augen, bedeckt der Gaucho sein Haupt mit einem spitzigen Strohhut, um welchen bunte Bänder flattern, befestigt seine scharlachfarbene Weste mit einem Gürtel, in dem ein Messer steckt, bekleidet seine muskulösen Beine mit weiten, gefranzten Beinkleidern aus weißer Wolle und schützt seine Füße mit weichen und feinen Stiefeln aus Füllenlcder, welche die Zehen un bedeckt lassen, und über die Schultern wirft er nachlässig einen weiten, bunten poncko, welcher die Brust vor der Abendkälte schützt und bis über den Rücken des Pferdes herabhängt. Also bekleidet und überdies mit großen Rädersporcn versehen, lebt er auf dem Pferde und steigt nur herab, um zu essen, zu spielen und zu schlafen. Die Bewaffnung des Gaucho bildet der laro, ein langer lederner Riemen mit einer Schlinge, die bvlss, drei bleierne Kugeln an ledernen Riemen, deren Anwendung wir bereits in der oben angedeuteten Beschreibung gezeigt haben, ein Messer, und außerdem in Kricgszeiten eine Lanze. Mit ihnen erlegt er die wilden Stiere und Rosse, den Nandu (magelhanischen Strauß), den Jaguar und den Kuguar. Seine Hauptleidenschaft ist das Spiel; die Karten gehen ihm über Alles. Auf seinen Fersen hockend, sein Messer neben sich in die Erde gesteckt, um einen unehrlichen Gegner sogleich zu bestrafen, wirft er das Kost barste, was er besitzt, kaltblütig auf'S Gras, wagt eS und verliert es mit Ruhe. Sein Pferd, seinen poncko, seine schönsten Sporen sieht er verschwinden, ohne sich über den Verlust zu betrüben, und trägt nach beendetem Spiele das Zeug seines verlorenen Pferdes unbekümmert heim- Einige Tage Arbeit genügen, um seiner augenblicklichen Armuth wieder abzuhelfen. Wenn ein Fremder an seine Thür klopst, so empfängt ihn der gastfreie Gaucho mit herzlicher Einfachheit und schickt seine älteste Tochter, um ihm mit dem freundlichen Willkommen den mat« cimarron °) darzubieten, ladet seinen Gast ein, auf einem getrockneten Ochsenkopfe Platz zu nehmen, welches sein ein ziger Stuhl ist, bietet ihm ein Stück blutigen Braten an, läßt ihm die Freiheit, sein Mahl zu verzehren wo es ihm am besten gefällt, begleitet ihn am folgen den Morgen ein gutes Stück und schüttelt ihm beim Abschiede die Hand, ohne um seinen Rainen zu fragen. Gleichviel, ob der Fremde einige Stunden oder einen Monat in seinem Hause Verweilt, so würde er doch nie bemerken, daß man sich durch seine Gegenwart belästigt fühle oder seine Abreise wünsche. Will er ihm die Bewirthung bezahlen, so wird ihn eine verächtliche Weigerung belehren, daß sein Anerbieten eine Beschimpfung ist. In der «8tsn«ia (Meierei) arbeitet der Gaucho nur, wenn es ihm gefällig ist, giebt seinem Dienstverhältnisse ein Gepräge von Unabhängigkeit und würde cs niemals dulden, daß der Herr so unhöflich wäre, in ihm die Eigenschaft eines Caballero nicht anzuerkennen, deren er sich durch seine Bescheidenheit, sein anständiges, aber nicht stolzes Betragen und seine stets ruhige und höfliche Haltung würdig macht. Wenn es ihm gerade nicht gefällig ist die vom Herrn verlangte Ar- ") Di- Verb» mat« ist da« Blatt einer Ari von Stcchelche in Paraguay, welches zu Pulver zerrieben, mit kochenden, Master übergossen und mit Zucker versüßt wird. Man genießt da« Getränk au« einer Art von Kalebasse mit Hülse eine« Rohre«, welche« dow- kllla genannt wird. — Der wat« «imarron ist wat« ohne Zucker.