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WtMwfferAMM Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmaunschast Meitze«, des Amtsgerichts «ud Stadtrat» zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nofleu. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft,' D« ,WN«»r>yfrr Tageblatt» erscheint tSglich nachm. 8 Uhr für den folgenden Tag. Bezugrprei«: Bei Abholung in »« »eschSftostell« und den Ausgabestellen ü MH. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,SV MH., bet Postbeftrllun, Wochenblatt für Wilsdruff». Umgegend träger»ndGeschäftsstellen -- . — nehmen -u jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen.^ Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung «ingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. T sür Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. -Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile LV Doldpfennig, die 2gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Go!d- Pfennig, die S gespalteneAeklamezeNe im textlichen Teile lvv Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Vor- -V Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 s annahmedisvorm.10Uhr > -- - - — Fkr die Richtigkeit der * durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Rr. 168 — 83. Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2840, Sonntag den 20 Juli 1924 Himer «len stlllmen. Einer der berühmtesten „Punkte" am politischen Sternenhimmel Wilsons ist auch die „Abschaffung der Geheimdiplomatie" gewesen. Wir Deutsche nahmen das, wie überhaupt diese 14 Punkte, furchtbar, allzu sehr ernst, und zwar so sehr, daß wir gleich begannen, alle diploma tischen Akten der Vorkriegs- und der Kriegszeit zu ver öffentlichen. Drüben bei der Entente nahm man diesen „Punkt" ebenso wenig ernst wie die anderen 13.. Wie wenig, zeigt sich auch jetzt wieder auf der Londoner Konferenz, dem Dorado der Geheimdiplo matie. Natürlich will man 'der Welt verbergen, daß es mit der gepriesenen englisch-französischen Einigkeit, dem berühmten „paet moral" von Chequers, gar nicht so weit her ist. Und man verlegt den Schauplatz der Austragung dieser Gegensätze in die drei Kommissionen. Dabei besteht eine große Gefahr: einigt man sich dort auf irgend welche Kompromisse, so wird man sie in der Plenarsitzung ebenso mit Löwenmut verteidigen wie etwa später Deutsch land gegenüber; man wird nicht daran denken, die müh sam hergestellte Einigung wieder zu gefährden oder ge fährden zu lassen, und erzwingt von Deutschland die Zu stimmung in beliebter ultimativer Form, ohne es vorher gehört zu haben; Deutschland sieht sich dann der festge schlossenen und zu allem entschlossenen Masse der Alliierten gegenüber. Vorläufig ist bei den Kommissionsverhandlungen hinter den verschlossenen Türen nicht viel herausge- kommen, jedenfalls hat man sich im ersten Ausschuß noch nicht darüber geeinigt, wann die Deutschen zur Hauptkonferenz zugezogen werden sollen. Ebenso rast der Kampf in der zweiten Kommission, wo die Fran zosen und Belgier die unkeuschestsn Forderungen stellen, die das ganze Gutachten auf den Kopf stellen. Natürlich handelt es sich dabei um die Frage, ob und wann das Ruhrgebiet geräumt werden soll. Der Drehpunkt dabei ist die 800-Millionen-Mark-Au le ihr. Soll sie erst voll gezeichnet und dann gerämnt werden? Die City ebenso wie die amerikanische Finanz erklären das für hirnverbrannt; kein Mensch würde vor der Räumung Anleihe zeichnen. Man wird wohl ein Kompromiß austüfteln. Noch schlimmer steht es mit der Eisenbahnfrage. Hier wollen die Franko-Belgier gern — trotz Macdonalds Warnung — ihre (politischen) „Sicherungen" einschmuggeln, also nicht bloß die rheini schen Bahnen in irgendeiner Form im Besitz behalten, son dern auch Teile der Nrchrbahnen. Was sich freilich beim besten Willen mit dem Gutachten auch nicht im geringsten verträgt. Entscheidend ist aber eins: im ersten Ausschuß hat der amerikanische Vertreter Oberst Logan erklärt, daß die amerikanische Regierung keinen Einspruch gegen den Ein tritt eines Amerikaners in die Reparations- kommission erheben werde, wenn diese über die Frage der etwaigen deutschen Verfehlungen gegen das Gutachten zu entscheiden habe, und Das Amt des Generalagen ten für die Reparationen, das im Gutachten vor gesehen ist, einem Amerikaner übertragen wird. Logan hat aber hinzugefügt, daß diese beiden Amerikaner nicht etwa im Auftrag der amerikanischen Regierung ihre Ämter übernehmen, sondern als Privatpersonen zu gelten haben. Jenes soll übrigens Owen Young oder Dawes, dieses Oberst Logan selbst erhalten. Die amerikanische Regierung will sich damit ausdrücklich nicht etwa auf die Annahme des Versailler Vertrages festlegen lassen. Vor allem aber bedeutet dieses Entgegenkommen einen die ganze fernere Zukunft ent scheidenden Sieg der französische» Absichten. Herriot hat Macdonald überwunden; denn dieser sträubte sich ja aufs hartnäckigste dagegen, der Reparationskom mission auch hinsichtlich des Gutachtens und seiner Durch führung die Entscheidung in die Hand zu legen. Sie war bisher zusammengesetzt aus je einem fran zösischen, belgischen, englischen und italienischen Vertreter; dazu kam der bestimmungsgemäß französische Vorsitzende — jetzt Barthou —, der bei Stimmengleichheit den Aus schlag gab. Damit war, da Belgien immer mit Frankreich zusammenging, die Kommission ein Werkzeug französischer Politik. Nicht ganz so leicht wird es ja werden, wenn jetzt der Amerikaner — als Privatperson! — hinzutritt, und es wird darauf ankommen, für welchen Preis Frankreich Italien gewinnt. Dieser Sieg Herriots ist aber sympto matisch; denn das Drängen auf eine Lösung der Streit fragen liegt auf der englischen Seite, die damit ohne weiteres zur schwächeren wird. Herriot kann warten. Wenn das der Anfang ist, dann brauchen wir auf das Ende gar nicht neugierig zu sein. Eine neue Niederlage der englischen Regierung. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 19. Juli. Die Regierung Macdonald hat gestern im Unterhause wiederum eine Niederlage erlitten. Von liberaler Seite wurde ein gegen den Regierungscntwurf gerichteter Aende- rungsanlrag für das neue Arbeitslosenversicherungsgefetz einge bracht, der trotz des Widerspruches der Regierung vom Hause mit 171 gegen 149 Stimmen angenommen wurde. Der Kampf um die Sanktionen. ver »ritte Lag »er Uonterenr (Eigener Fernsprcchdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") London, 19. Juli. Die Konferenz ist in ihr entscheiden des Stadium getreten. Nicht nur das Problem der Wiederher stellung der deutschen Einheit scheint Schwierigkeiten zu machen. Vor allem ist eine Entscheidung über die Sicherstellung der Re- parationsanleihe, von der alles abhängt, noch nicht gefallen, und doch muß gerade diese Sicherheit die Geldgeber befriedigen. Es handelt sich augenblicklich darum, die durch Deutschland aufzu nehmende Anleihe vor Angriffen von außen her zu schützen. Aber es kommt auch sehr wesentlich darauf an, das uneingeschränkte deutsche Einverständnis zu der vvrgeschlagenen Lösung zu erzielen, weil jeder auf Deutschland ausgeübte Zwang die Unterbringungs möglichkeit der Anleihe ebenso sehr beeinträchtigt, wie die Mög lichkeit einer Bedrohung des Bestandes des Deutschen Reiches durch Frankreich und seine militärischen Vasallen. Man sieht: Der Weg zur Verständigung ist noch recht gefährlich. Zwar rechnet man, wie es heißt, mit einer Einladung des Deutschen Reiches zu Beginn der nächsten Woche, aber es fragt sich, ob diese Nachrichten nicht etwa ein Mittel sind, um die Stimmung zu bester». Der amerikanische Kompromitzvorschlag (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Lon - on, 19. Juli. In der Sanktionsfrage ist durch einen Eingriff der Amerikaner eine wichtige Wendung eingetreten. Kurz nach 2 Uhr nachmittags erschienen Young und Logan im Hotel der französischen Delegation und legten Herriot einen Ent wurf vor, der einen Ausgleich zwischen dem französischen und dem englischen Text darsteltt, über den gestern in der ersten Kommis sion verhandelt wurde. Der Gesamtinhalt des amerikanischen Vorschlages wird erst nach der heutigen Kommifsionssitzung mit geteilt werden, doch wurden über seine Grundzüge in den ersten Nachmittagsstunden Einzelheiten bekannt. Danach verlangen die Amerikaner, falls Sanktionen eintreten, für die Beträge, die wäh rend der Sanktionszeit von Deutschland gezahlt werden oder die sich aus den Sanktionen selbst ergeben, ein Prioritätsrecht für den Zinsendienst. Aus allen diesen Beträgen müßten also zunächst die Zinsen gedeckt werden. Erst dann könnten französische Pläne erörtert werden. Die Arbeiten des Organisations ausschusses beendet. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 19. Juli. Die von dem Organisationsausschuß für die Goldnotenbank, Eisenbahngesellschaft und Industrie-Obli gationen vorbereiteten Gesetzentwürfe sind dem „Temps" zufolge fertiggestellt. Das Projekt, das sich auf die Ausgabe der In dustrie-Obligationen bezieht, ist bereits der Reparationskommis sion zugegangen. Loungs Kokknungen. Paris, 19. Juli. In seiner Unterrredung mit dem Son derberichterstatter des „Malin" in London erklärte Owen Young nachfolgendes: Was wir mit unserem Sachverständigenplane wollten, war, den Weg der Realisierungen zu beschreiten. Wir haben niemals auch nur die geringste Absicht gehabt, Frankreich der Mittel zu berauben, sein Recht und seine Sicherheit zu wah ren. Das wäre eine lächerliche Auffassung gewesen. Das Re parationsproblem kann technisch gelöst werden, ohne die Inter essen Frankreichs zu schädigen. Wenn es aber jetzt nicht in Lon don gelöst werde, dann wird Europa sofort vor der Katastrophe stehen. Die Mark und der Frank und nachher auch die anderen europäischen Währungen, in gewissem Maße sogar das Pfund würden ernstlich entwertet werden. Aus diesem Grunde muß man in London zu einem Erfolg gelangen. Ich bin jedoch opti mistisch, da alle Teilnehmer schon Beweise der aufrichtigen Ab sicht gaben, die strittigen Probleme zu lösen. Ich kann nicht an nehmen, daß der wunderbare Geisteszustand und die aufrichtigen Absichten der Menschen, die hier zusammengekommen sind, im Laufe einer Konferenz von solcher Bedeutung durch Konfusionen und Mißverständnisse zunichte gemacht werden können. Aas Amerikas kankwek verlangt. Voung für Deutschland. London, 17. Juli. Ter amerikanische Delegierte in London, der Finanz mann Aoung, hat einem französischen Zeitungskorrespon- denten eine Unterredung gewährt, in deren Verlauf er die Bedingungen erklärte, unter denen Amerika sich an der Anleihe für Deutschland beteiligen würde. Er sagte: Erste Bedingung istdieEinigungmitDeutsch- land. Man leiht kein Geld, wenn nur die Macht dieses Darlehen garantiert. Damit ein Land wie Deutschland seine Verpfüchtlmgen gegenüber denDarlehnsgebern hält, muß es den Kontrakt angenommen haben. In zweiter Linie ist die Sicherheit notwendig, daß die allgemeine Wirtschaft des Landes, welches die Anleihe aufnimmt, durch keine äußere oder ungerecht fertigte Intervention gestört werden kann. Eine Garantie für die Ruhr ist notwendig. Endlich ist es nötig, daß in keinem Falle die sür die Zinsen an Tilgungszahlungen der Anleihe bestimm ten Einkünfte ihrem Zweck entzogen werden und von einer fremden Macht beschlagnahmt werden können. Das Reparationsproblem — schloß Young — kann technisch gelöst werden, ohne die Interessen Frankreichs zu schädigen. Wenn es aber hier nicht gelöst wird, wenn diese Konferenz sich hinter Formeln und Mißverständnissen so wie Einzelfragen vergräbt, dann steht Europa einer großen Katastrophe gegenüber. Mark und Frank, einschließlich bis zu einem gewissen Grabe sogar das Pfund, werden ernst- baft entwertet werben. Deshalb muß man zu einem Er folge kommen, und zwar hier in London. * Sie Räumung des Ruhrgebietes. Vom Kriegszustand zum Frieden. Was die Franzosen ursprünglich durchaus verhüten wollten, müssen sie jetzt doch zulassen, nämlich die offene Diskuss^on über die Liquidierung des Ruhr unternehmens. Die Blätter der Entente haben sich des Gegenstandes schon eifrig bemächtigt. So schreibt der diplomatische Berichterstatter des Londoner „Daily Tele graph": Der wichtigste Streitpunkt ist, daß die Engländer ein Datum — womöglich den 15. August — für die In kraftsetzung des Dawes-Berichtes sestsetzen, während die Franzosen in Etappen vorgehen und sich nicht an bestimmte Zeiten, sondern an bestimmte Ereiawffe binden wollen. Im übrigen ist aber das Verlangen nach „Liquidierung- des Ruhrunternehmens jetzt offen zur Erörterung zuge lassen worden. Man tritt dafür ein, daß es Zeit sei, von einem Kriegszustand, wie ihn die Nuhrüesetzung tatsächlich bedeute, zu dem Frivdenszustand, wie er im Dawes-Bericht gefordert werde, zu gelangen. Die Alliierten geben auch zu, daß Lie voraussichtlichen Darlehnsgeber das Recht hätten, Garantien zu fordern, damit das Haus, iu dem sie ihr Geld anlegcn, nicht zerstört werde. Die „Times" wiederum wissen zu melden, daß der Bericht Seydoux' über die wirtschaftliche Räumung des Ruhrgebietes, der der zweiten Kommission vorgelegt wer den soll, in sehr entgegenkommender Form gehalten, besagt aber, daß es für Frankreich ein Höchstmaß der Zugeständ nisse gebe. Das französisch-belgische Eisen bahnpersonal könne aus dem besetzten Gebiet nicht ganz zurückgezogen werdeitz 600 bis 1000 Beamte müßten Zurückbleiben, um für den Fall eines deutschen Eisenbahnerstreiks die völlige Isolierung der französischen Streitkräfte zu verhindern oder im Falle einer Erneuerung der Besetzung als Stammiruppen zu gelten. * Md dos licke Rheimifer? Asquith über die Räumungsfrist eck. In der Aussprache des englischen Unterhauses über dis Außenpolitik hat sich der Führer der liberalen Opposition Asquith in sehr bemerkenswerter Weise über die Räu mungsfristen für das altbesetzte Gebiet geäußert. Er sagte: „Der Hauptpunkt ist für mich — das ist eine Lebens frage für die Zukunft der englisch-französischen Beziehun gen — die Räumung des besetzten Gebietes auf dem west lichen Nheinufer. Die im Vertrage vorgesehenen fünf Jahre sind im Januar 1925 abgelaufcn. Gemäß den Bestimmungen des Artikels 429 haben unsere Truppen dann keinen Rechtsgrund mehr, die Besetzung aufrechtzu- erhalten. Ich glaube, es ist unsere volle Pflicht, eine klare Vertragsverpslichtung, unser Wort in dieser Frage zu halten." Man darf Wohl annehmen, daß dies die allgemeine englische Auffassung ist, und zu ihr steht die französische, wie in so manchen anderen Dingen, in schroffem Wider spruch. Die Franzosen behaupten einfach, die Fristen hätten im Januar 1920 noch nicht zu laufen begonnen. Für diese edle Nation, wie sie sich gern selbst nennt, enthält der Vertrag von Versailles nur klare Verpflichtungen, die ihr angenehm sind. Die, die sie nicht erfüllen will, legt sie künstlich und fälschlich so aus. wie es sür ihre Zwecke paßt.