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71. Jahrgang, S14 Donnersrag, 7. Juli 1927 Gegrün-el 18SS vrabtmückrMi ptocketck,«»» ffemwrrcker-SaimmIiNlm««! LS 241 Rm tür Nack>i«Ivräcke, 20011 B^gs-S-bGr Anzeigen-Preise: aus >UW MK. W.«« auverkalb < Sch«lltl«tl»nq »nd La»»t««ickäft,g,ll» Marirustrakr 3-Z 42 Druck «. Verla« von Vtevlck » Rrickardt tu Dresden Postscheck-Konto 1OSS Dr««de» Nachdruck nur mit deutliche, Queltenonaade «.Dresdner Nachr.', lulälklo Unverlanate Schrtttststcke werden nicht nutbewadrt. Oake Hülkerl praxsr 81raüe, Loire 816on1en«trsüe. 8MLÄN LLSL'LS vlütkner^!. Prager Straüe 12 kernruk 16378 Sie Krönung der deutschen Wehrlosmachung. Das KriegSgerätegesetz imReichslage in 2. un- 3. Lesung angenommen. - Kommt nun -ie Räumung? Tellabslimmung über -ie Ar-eilslosen- Dersicherung. Berlin, 6. Juli. Wie bereits kur- gemeldet, wurde in der heutigen Rcichstagssitzung die zweite Lesung des Gesetz entwurfs über die Arbeitslosenversicherung fort- ^*Abg. Thiel lD. Dp.) führte aus. die Angestellten seien auch hinsichtlich der Auswirkungen des Gesetzes gegenüber den Millionen Arbeitern in hoffnungsloser Minderheit. Deshalb müßten die Mitglieder der Angcstelltcnorganisa- tioue» »on der ZwangSversichernng bei der ReichSvcrsiche- rungSanstalt befreit werden. — ES folgt dann die Besprechung über die Bestimmungen, die den Umfang der Bersichernng sestlegen. — Abg. Schmidt-Köpenick (Svz.j beantragt, die Binnen- und Küstenschtffer in die Arbeitslosen»«!, sichcrung einzubeziehen. Er wünscht ferner verstärkte Siche rungen gegen willkürliche Entlassungen. — Abg. Freiherr v. Gtanffenbcrg (Dnat.j weist darauf hin. baß in der Land wirtschaft ein Mamgel an Arbeitskräften be- steht. Darum seien die landwirtschaftlichen Arbeiter von der Berficherungspflicht ausgenommen. Der Redner fordert Bersicherungöbefrciung auch für die rein landwirtschaftlichen Gärtnereien. Geheimrat Weigert vom Ncichsarbeitsmintsterium er klärt dazu, die Begriffsbestimmung der Gärtneret sei ziemlich schwierig. Die Erwcrbslosenftirsorge rechne den seldmäßigen Gemüsebau zur Landwirtschaft, aber nicht diejenigen Gärtnereien, in denen Blumenzucht, Pflanzenver edlung usw. getrieben werden. Nach weiterer Debatte folgte dann die Abstimmung über die ersten drei Abschnitte der Vorlage. Die Bestimmungen über die Arbcitsvermit«, InngSstellen nmrdc« dahin geändert, dast nichterwerbsmätzige Einrichtungen, deren Träger eine politische Partei ober Partei, politische Organisation ist. unzulässig sind. In der Ausschuß- faffung fehlt das Wort «parteipolitisch". Der Antrag aus Zu» lasinng von Ersatzkassen wurden gegen Sozialdemokraten, Kam» ««nisten und de« größte« Teil der übrigen Parteien abgclchnt. Angenommen wurde ein Antrag der Negicrungsparteicn. »er di« bisherige« 10 Lohnklassen um eine vermehre« will. Die Klaffen beginnen danach mit einem wöchentlichen ArbeitS- «ntgelt btS lü Mark statt bisher bis 12 Mark. Auch die Sätze de» EtnhettSlohnes wurden entsprechend geändert. Die Ha«ptnntcrstiitz«ng soll nach dem Antrag der Regierungs parteien in Klaffe l 7K. Klaffe II 68. Klaffe III 8K. Klaffe IV <7. in de« Klaffen V und VI 40. in der Klaffe VII »7.8 und in den Klaffen VIII bis XI SK Prozent des SinhcitSlohneS betrage«. Im übrigen wurden die e r st e n d r e i Abschnitte der Vor lage bis »um 8 M unter Ablehnung aller Aenderungsanträge tn der Ausschußfassung angenommen. Der lehle Schelngrun- gegen -ie Räumung beseitigt! (Drahtmeldung unserer Berliner Schristlettnng.) Berlin. 6. Füll. Mit dey, heute rom Reichstag an» genommenen KriegSgerätegesetz. das am Donnerstag auch tn der namentlichen Schlußabstimmung mit Mehrheit an. genommen werden wird, da außer den Regierungsparteien auch die Sozialdemokraten und Demokraten dafür stimmen werden, hat ein Gesetz die parlamentarische Erledigung er fahren, das zu den wichtigsten und weitesttragenden gehört, die der Reichstag überhaupt je behandelt hat. I» diesem Ge» letz begibt sÄ Deutschland der Möglichkeit, industrielle Er- gengniffe hcrznsteken, die in einem weitgczogenen Umfang für Kriegszwecke Berwenbnng finden könnte«. Me dies auch der verichterstatter, der volkSparteiltche Abg. Dauch, ge- bührend hervorhob, bedeutet bas für die deutsche Industrie «wd für den deutschen Export eine Schädigung von nicht »u unterschätzender Bedeutung. Wie groß sie ist. kann man ungefähr daraus ersehen, daß selbst der sozialdemokratische Redner darauf verwies, daß auch der Flitzbogen, das in der Regel aus alten Regenschirmbestandteilen gefertigte Pfeil» sthußgerät der Jugend, unter die Bestimmungen dieses Ge- fetzeS fiele, wenn es von der deutschen Industrie hergestellt würde. Die große Wichtigkeit des KriegsgerätegesctzeS liegt aber vor allem darin, daß mit ihm die dentsche WehrloSmachnng, die Vernichtung jeder den», scheu BerteidigungSmöglichkcit gewissermaßen ihre Krö, «nng erfährt. Deutschland hat mit diesem Gesetz die Ab» riistnng, wie cs Reichsaußcnmtnister Dr. Stresemann einmal nannte, bic zur völlige« Nacktheit durchgesührt. Wenn jetzt der Botschastcrkonscrcnz die amtliche Mit teilung zugehen wird, daß der Dcntsch« Reichstag das Kriegs, seriitegesetz angenommen hat, so bedeutet das nichts anderes. Die Abschnitte über das Verfahre« «nd die Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und über die Aus bringung der Mittel wurden in der Ansschußsaffung in zweiter Lesung angenommen, desgleichen der Nest des Gesetzes, dar unter auch die vom Ausschuß beschlossene Erhöhung der Ber- sichcrungSpflichtgrenze in der Krankenversicherung anf »Svv Mark. — Es folgt bann die zweite Deralung des KriegsgerStegeseyes. Abg. Danch lD. Vp.j berichtet über die Ausschutzverhand- lnngen. Der Redner stellte fest, daß nach der Regelung der Neparationsfragc durch die Annahme des Dawes-Plans, nach Abschluß der Locarno-Verträge, nach unserem Eintritt in den Völkerbund und nach Annahme des Kriegögcräte- gesetzes auch die Frage der Abrüstung definitiv erledigt sei und damit sämtliche Bedingungen des Versailler Vertrages erfüllt sein würden. ES bestände also nnn keinerlei Vorwand mehr für eine weitere Besetzung deutschen Gebietes. Die führenden Mitglieder des Völkerbundes haben uns zum Ein tritt tn den Völkerbund aufgefordert. Mit den uns auf- crlcgtcn Bedingungen haben sie das Schema und den Um fang ihrer eigenen Abrüstungen normiert und fcstgelegt. Würden sie das leugnen, so würde der Grundgedanke des Völkerbundes verletzt sein, nämlich die Gleichberech tigung aller ihm angehörenden Mitglieder. Der Redner verwies noch auf die schweren Schädigungen der deutschen Exportindustrie durch die einschränkenden Bestimmungen des Gesetzes. Im Namen der Regierungsparteien erklärte dann der Redner, daß trotz aller Bedenken und berechtigten Ein- wände die Regierungsparteien für das Gesetz stimmen werden. Abg. Stampser (Soz.) bezetchnete das Gesetz bei der jetzigen einseitigen Beschränkung der Abrüstung aus Deutsch land als ungerecht. Die Sozialdemokraten würden es ab- lchnen, wen» nicht hinter unö die große politische Zwangslage stände. In seinen weiteren Ausführungen polemisierte der Redner dann gegen die Deutschnationalen, die unter dem Druck der rcalpolitischen Gründe heute diesem Gesetz, das sie früher mit größter Entrüstung abgelehnt hätten, zustimmten. Der Redner sprach sich dann gegen die Entsendung deutscher Militärattaches aus. — Abg. Schneller (Komm.) erklärte, daß man in Deutschland schon eifrig rüste für einen Krieg gegen Rußland. (Gelächter bei der Mehrheit.) — Abg. Freiherr v. Nichthose« (Dem.) nannte baS Gesetz ein überaus bedaucr- ltches Resultat der gepflogenen Verhandlungen, bedauerlich in nationaler und wirtschaftlicher Beziehung. Es gehe noch hinaus über die Bestimmungen des Versailler Vertrags. Auch die Möglichkeit einer deutschen Verteidigung werde unterbunden. Anderseits sei das Gesetz eine Notwendigkeit zur Fortführung der Verständigungspolitik, aus welchem Grunde die Demokraten ihm zustimmen würden. DaS Gesetz wnrde dann in zweiter «nd dritter Lesung gegen Kommunisten, Nationalsozialisten, Völkische «nd einige Dcntschnationalc angenommen. Die namentliche Schluß- absttmmung wurde auf Donnerstag vertagt. als daß Deutschland die Abrüstung «Verpflichtungen, die man auch im Ententclagcr selbst als geradezu wahnwitzig empfun den hat u»«d von denen einmal ein französischer General sagte, baß er lieber sich und die ganze Nation opfern würde, als solche Verpflichtungen anzunehmen, bis zum letzten I- Tüpfelchen durchgesührt hat. Ans der Annahme des KriegsgerätegesetzeS »«rch den Reichstag erwächst den Mächten, die anf dentschem Boden noch Truppen stehen haben, «och einmal die moraltsche Ver pflichtung, das gequälte dentsche Rheinland endlich frei»«- geben. Nach der Erledigung dieses Gesetzes werben die Ver handlungen über die Räumung des Rheingebietes wiederum in Gang gebracht werden, und sollten sie wiederum ergebnis los bleiben, so bedeutet baS das Ende von Locarno. Di« Verträge, die den Namen Locarno trage«, würden bann in sich zusammenbrechen, weil ihnen, wenn sich setzt noch die Alliierten weigern, baS Rheinland »« räumen, einfach das Fundament entzöge« wäre. Die Konsequenz könnte nur sein, baß Deutschland wieder seine Hände frei bekommt. Das KriegSgerätegesetz ist aber auch noch tn einer anderen Richtung von größter Be deutung. Auch darauf wies Abgeordneter Dauch hin. indem er sagte, baß die Alliierten «mit den un» auferlegten Be- bingungen bas Schema und den Umfang ihrer eigenen Abrüstung normiert und festgclegt haben". Würben sie das leugnen, so würde der Grundgedanke des Völkerbundes verletzt sein, nämlich die Gleichberechtigung aller ihm ange hörenden Mitglieder. «Wenn sich jetzt, nachdem Deutschland alS militärische Macht endgültig aufgehört hat zu bestehen, auf der Abrüstungskonferenz, die im Herbst wieder in Genf statt- finben wird, die Alliierten wieder um die Verpflichtung ihrer eigenen Abrüstung drücken sollten, so wäre der Völkerbund erledigt. Er müßte sich selbst ausgeben, denn sein Haupt zweck war der, eine allgemeine Abrüstung herbeizustihren, dte nicht nur Deutschland betrifft, August Winnig bei den Altsozialisleu. In den Rethen der sächsischen Altsoztaltsten vollziehen sich ganz offenbar Wandlungen, die nicht nur für die kleine säch- fische Partei bedeutsam sind. Wandlungen vielmehr, dte, wenn sie sich im Feuer inneren und äußeren Partetkampfes durch- setzen, die Partei notwendig über die Grenzen Sachsens htnausftthren und dte die sogenannte a l t sozialistische Be- wegung auch dann zu einem neuen für das ganze nationale Deutschland interessanten Experiment machen müssen, wenn die Widerstände sich schließlich als zu groß erweisen sollten. Das sichtbare äußere Zeichen dieser Entwicklung ist die überall mit größter Ueberraschung ausgenommene Tatsache, daß August Winnig der A. S. P. b e i g e t r e t e n ist. Man kennt August Winnig in der gesamten nationalen Bewegung, kennt ihn aus den Verzerrungen seiner früheren sozialistischen Parteigenossen, die ihn, den das sozialistische Parteibuch der einst auf den Posten des Oberpräsibenten in Ostpreußen ge bracht hatte, mit Haß und Hohn verfolgen, seit er sich innerlich von dem verlogenen, in Doktrinen verknöcherten Partct- sozialtsmus abgekehrt und den schärfsten Kamps gegen ihn ausgenommen hat. Noch mehr aber kennt man ihn als den ersten Vorkämpfer jenes großen Zieles der Befreiung der deutschen Arbeiterschaft von den lähmenden Fesseln des finanz kapitalistisch und westlerisch dirigierten Internationalismus und der Erweckung zu der unentrinnbaren Schicksalsverbun denheit besonders der deutschen Arbeiterschaft mit der Nation. Unermüdlich und unter dem Eindruck der Aussichtslosigkeit an fangs in starker Vereinsamung hat er den Feldzug um den Ge danken geführt, daß gerade der Daseinskampf des deutschen Arbeiters zusammenfällt mit dem Befreiungskampf des deut schen Volkes. Immer wieder hat er betont, daß weite Kreise im Parteisozialismus der Nation innerlich ebenso verbunden sind, wie etwa Westarp oder Kcubell, ja, daß diesen Kreise» des Sozialismus die Nationalisten in den Bünden innerlich näherstehen als etwa den Demokraten der Berliner Asphalt- journalisttk, und daß sie aus ihrer internationalen Hörigkeit zu lösen die größte Aufgabe nationaler Zielsetzung ist, da ohne die deutsche Arbeiterschaft die deutsche Befreiung nicht erreicht werden kann. Längst sind heute diese Gedankengänge August Winntgs Allgemeingut der nationalen Bewegung geworden. Der zu 7Ü Prozent aus Arbeitnehmern bestehende Stahlhelm vertritt sie, vielfach unter ausdrücklicher Berufung auf Winnig, ebenso wie der Jungdeutsche Orden. Auch tu den Parteien sind sie zu Hause. Der Name Winnig ist ein nationalpolitisches Programm. Und wenn er heute den Schritt zur Altsozialistischen Partei Sachsens tut, dann ist es klar, daß einmal eine so ausgespro chene Persönlichkeit nicht ohne Einfluß aus dte Zielsetzung der Partei bleiben kann, daß sich anderseits aber auch das Ziel der altsoztalistischen Bewegung bereits so weit gewandelt haben muß, daß jetzt schon starke Gemeinsamkeiten bestehen. Sonst wäre der Schritt August Winnigs einfach nicht zu ver stehen. Und das um so weniger, als er bet ihrer Gründung der neuen Sachsenpartei durchaus ablehnend gegenübergestai»- den hat. Er hat den Sachsenkrieg damals als eine „sehr in terne, kleine Sache" bezeichnet, die «den deutschen Arbeiter von seiner großen Aufgabe eher ablenke als ihn zu ihr hinsühre". Kein Zweifel, -aß Winnig mit diesem Urteil damals durchaus recht hatte. Denn was der Dresdner Gründungsparteitag der A. S. P. am 6. Jünt vorigen Jahres als Parteiztel ver kündet hatte, das konnte für Sachsen eine gewisse parteitak- tische und koaltttonspolitische Bedeutung haben, aber eS enthielt nichts, was auch nur im entferntesten auf eine neue for^ reißende Idee hindeuten konnte. Man hat damals mit hervor gehobener Absicht wortwörtlich das Heidelberger Programm de« Sozialdemokratie übernommen, bas lediglich tn dem einen Punkte der Betonung einer positiven Staatsauffassung eine geringe Abänderung erfuhr. Selbst diese TrennungSlint« gegenüber den Radikalen hatte aber noch nichts von einer grundsätzlichen Bedeutung, da sie nicht einmal das Bekenntnis zur heutigen Staatsform als Endziel darstellte, sondern wie der Abgeordnete Bethke in echt parteisozialtstischem Geiste aus drücklich betonte, dte republikanische Staatsform der Ent faltung der sozialistischen Ideen — deren Ziel der Klaffenstaat ist — den geringsten Widerstand entgegensetze. Heute hat sich darin bereits ein grundsätzlicher Wandel vollzogen. Seit dem 1. Juli hat die A. S. P. eine eigene Druckerei, und mit dem andern Gesicht, das dadurch ihr Parteiblatt. «Der Volksstaat", angenommen hat, ist unter redaktioneller Unterstreichung daS Wort «republikanisch" in den Kops der Zeitung aufgcnom- men worden. ErnstNIekischs Wort «Die Repnbltksoll uns nativ» nale Leidenschaft werden", sollte darin offenbar ihren AuS. druck finden. Auch sonst sind Wandlungen der Partei, »m«