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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit LuSnahme e r Lage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bi« mittags 12 Uhr. Der Aoonnementsprcis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 2« Pf. Einzelne Nrn. 5 Ps. Inserate pro Zeile 10 Pf., Linges. 20 Ps. Expedition: Waldenburg, Obergafse 391K. und Wal-enbnrzer Anzeiger. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herm Kaufmann Otto Förster; in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs dorf bei Herm H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herm Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Emst Rösche; in Ziegelheim bei Herm Eduard Kirsten Amtsblatt für den Htadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein Callnbrrg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdarf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. 265. Mittwoch, den 13. November 1895. Witterungsbericht, ausgenommen am 12. November, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 752 MM. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand M 13" 0. (Morgens 8 Uhr M 12") Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 70"/». Thaupunkt M 8 Grad. Windrichtung: Südwest. Daher Witterungsaussichten für den 13. November: Wechselnde Bewölkung mit Neigung zu Niederschlägen. Freitag, den 15. November 1895, nachm. 2 Uhr sollen im Gasthof zum Löwen hier anderwärts gepfändete Gegenstände, als: 1 Ladentafel, 1 Comtoirtisch, 1 Kleiderschrank, I Waschtoilette und 1 So-Ha meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. Waldenburg, am 12. November 1895. Der Gerichtsvollzieher des Kgl. Amtsgerichts das. Kerstan. Im Konkurse über das Vermögen des verstorbenen Gutsbesitzers Ernst Theodor Fischer in Niederwinkel soll mit Genehmigung des König!. Amtsgerichts die Schlußvertheilung erfolgen. Es sind hierzu 1800 Mark 95 Psg. vorhanden, wovon aber noch die Kosten des Verfahrens zu kürzen sind. Nach dem auf der Gerichtsschreiberei des König!. Amtsgerichts niedergelegten Verzeichnisse betragen die bevorrechtigten Forderungen 112 Mark 52 Pffl., während die nichtbevorrechtigten Forderungen 9370 Mark 49 Pfg. betragen. Waldenburg, den 12. November 1895. C. Oscar Schütze, Konkursverwalter. Herzlicher Dank. Der hiesigen Armenkasse sind von dem Heimgegangenen Herrn Heinrich Christoph Härtel 88N, Kaufmann und Fabrikant in Waldenburg, 1000 Mk., deren Zinsen alljährlich in der Weihnachtswoche an hiesige Arme zur Vertheilung ge langen sollen, sowie der hiesigen Schulkasfe 200 Mk., ferner der freiwilligen Feuerwehr 300 Mk. und dem Militärverein 200 Mk. letztwillig vermacht worden, weshalb sich die Unterzeichneten veranlaßt fühlen, für diesen Act der Wohl- thätigkeit hierdurch den aufrichtigsten besten Dank auszusprechen. Altstadtwaldenburg, am 12. November 1895. Moritz Sieber, Otto Förster, Gustav Helbig, G.-V. Hauptmann der freiw. Feuerwehr. Vorsteher des Militärvereins. "Waldenburg, 12. November 1895. In den letzten Tagen haben die europäischen Börsen- speculanten wieder einmal Millionen über Millionen verloren. Dem Mittelstand kann das gleich sein, der sagt einfach, wer die Finger ins Feuer hält, der darf sich nicht wundern, wenn sie verbrennen. Aber interes sant ist der Fall insofern, als er zur Warnung allen Denen gereicht, die nicht so und so viel Tausend Mark ohne Weiteres entbehren können, sich nicht auf die Weis heit der Börsenkreise zu verlassen und sich angeblich ge winnbringenden Speculationen hinzugeben. Vom Gipfel der Erfolge bis zum Abgrund des grauen Krachs ist der Weg nimmer weit. Allein dieser Börsensturz verdient noch aus einem an deren Grunde die vollste Beachtung, nämlich wegen seiner Ursache. Und diese Ursache bestand darin, daß man plötzlich Helle Angst bekam, die ganze berühmte Freundschaft der europäischen Großmächte, von welcher die Staatsmänner und die, welche dies sein wollen, träumen, könne sich angesichts der Wirren der Türkei, der Katzbalgereien zwischen Muhamedanern und christlichen Armeniern in eitel Wohlgefallen auflösen, und Rußland könnte das Ende der Türkei mit einem Einmarsch in ottomanisches Gebiet einleiten, natürlich nur zu dem herrlichen Kulturzweck, die Ordnung in Armenien wieder herzustellen. Aus den gleichen Gründen gingen bekannt lich die Engländer nach Egypten und die Franzosen nach Tunis und richteten sich gleich so häuslich ein, daß der eigentliche Landesherr überhaupt nichts mehr zu sagen hatte. Auf gut deutsch ist das widerrechtliche Besitz ergreifung eines Landes, in der Sprache der Diplomatie heißt das Kulturmission. Dem unsauberen Kram muß doch ein sauberes Mäntelchen umgehängt werden. Diese Furcht vor einer Uneinigkeit der Großmächte, aus der alles Mögliche folgen könnte, hat also den Börsianern einen solchen Heidenschreck eingejagt; die Angst war natürlich dummes Zeug, aber darin liegt viel Wahres, wenn angenommen wird, mit der berühmten europäisch-großmächtlichen Freundschaft sei es nicht weit her; sie würde auch schon längstauseinandergefallen sein, wenn die Herren Diplomaten wüßten, was sie dann an fangen sollten, ohne gerade einen Krieg zu beginnen. Denn der Krieg gilt heute als Lotterie, in der Niemand ein großes Loos ziehen kann. Deutschland, Italien, Oesterreich-Ungarn, die halten in ihren Dingen zusammen, Frankreich und Rußland werden auch nicht auf einander losschlagen, aber kommen die orientalischen Angelegen heiten ins Spiel, dann schauen England, Frankreich, Rußland, Oesterreich-Ungarn, Italien sich alle mehr oder minder mißtrauisch an, und Jeder sieht den Anderen hinter der Thür, hinter welcher er selbst schon gestanden. Ehrlich denkt Keiner. Der alte schwedische Reichskanzler Oxenstierna ermu- thigte seinen Sohn, einen jungen Diplomaten, für eine schwierig scheinende Mission mit den Worten: „Geh nur in Gottes Namen, Du glaubst nicht, mit wie wenig Klugheit Politik getrieben wird." Und daran muß man denken, wenn die europäischen Großmächte scheinbar mit tiefster Weisheit sich bemühen, die orientalischen Schwie rigkeiten zu lösen. In Wahrheit thun sie nicht nur nicht etwas Gescheidtes, ihre ganze Weisheit besteht darin, gar nichts zu thun. Einer ist neidisch auf den Anderen, und so werden ein paar Bogen Papier mit Buchstaben bedeckt, die Niemandem weh thun, die Bogen werden dem türkischen Minister vorgelesen, der sie am nächsten Tage zu Fidebussen verwendet, die Herren trinken eine Tasse echt türkischen Kaffee und rauchen echttürkische Cigarretten dazu, und — Europa ist wieder einmal von ihnen gerettet. Diese diplomatische Wichtigthuerei wird nachgerade lächerlich, aber, wie es in der Regel zu gehen pflegt, diejenigen, welche sich lächerlich machen, merken dies am wenigsten. Das große Einvernehmen der europäischen Großmächte bedeutet gar nichts und ist in nichts An derem vorhanden, als im Nichtsthun. Weder haben die Herren Diplomaten die Schwindelbankerotteure von Griechen und Portugiesen zur Zahlung bewegen können, noch werden sie in der Türkei Ordnung schaffen, bevor nicht das gegenwärtige Mißtrauen und der heutige Neid schwindet. So, wie die Dinge stehen, kann man in Konstantinopel gar nichts ausrichten, und wenn letzthin der britische Premierminister von der Diplomatie der Großmächte bedeutende Worte gemacht hat, so mag er damit wohl wieder die Börsianer beruhigen, dem ge sunden Menschenverstände erscheinen diese Worte als Phrasen, mit welchen man keinen Hund Hinterm Ofen hervorlockt. Der ganze türkische Lärm wäre längst abgethan, wenn ein halbes Dutzend Panzerschiffe aller Mächte ihre Ge schütze auf das Sultanspalais gerichtet hätten. Aber das gönnt von den interessirten Mächten keine der an deren; eine jede will wohl aus der großen Suppen schüssel in Stambul essen, aber daß sonst noch Jemand mitißt — Gott bewahre, das duldet die europäische Freundschaft nicht. Und dann macht man sich mit den diplomatischen Heldenthaten, die nichts kosten und nichts werth sind, einen Namen! Was Oxenstierna wohl sagen würde, wenn er heute noch lebte? Die europäische Diplomatie gleitet völlig wieder in den alten Dusel hinein, der sie früher auszeichnete und der von Bismarck, dem Manne der That, durchbrochen wurde. Der hatte feste Ziele im Auge, er fand auch die rechten Mittel, diese Ziele zu erreichen. Bismarck war kein zunstgemäßer Diplomat; wäre er blos das ge wesen, wir hätten vielleicht heute noch den alten deut schen Bund. Heute aber geht's nach dem alten Recept wieder, man hat keine großen Ziele, aber um so mehr kleinlichen Neid und kleinliche Eifersucht. Das arme Europa hat gerade keinen Anlaß, mit Stolz auf die Staatsmänner zum Ausgang des neunzehnten Jahrhun derts zu blicken. PsLMsche Nuno schau. Deutsches Reich. Die kaiserlichen Majestäten, welche am Sonntag dem Gottesdienst in der Friedenskirche zu Potsdam beige wohnt, machten Montag früh einen gemeinsamen Spazier ritt. Hierauf hörte der Kaiser im Neuen Palais ver schiedene Vorträge und empfing den Kapitänlieutenant a. D. Wislicenus und den Verleger Brockhaus, welche das Prachtwerk „Unsere Kriegsflotte" überreichten. Prinz Heinrich von Preußen trifft am Donnerstag in Potsdam ein und wird sich nachmittags mit dem Kaiser zur Jagd nach Letzlingen begeben, ebenso Großfürst Wladimir von Rußland. Ueber die Errichtung von Getreideabsatz-Genossen schaften und Lagerhäusern hat der in Liegnitz tagende Verband der Raiffeisen'schen Darlehnsvereine folgende Resolution angenommen: Der Verbandstag erblickt in der Errichtung von Getreideabsatzgenossenschaften eines der Mittel, welche geeignet sind, der Noth der Land- wirthschaft abzuhelfen. Die von der Regierung projectirten größeren Kornhäuser können allein diesen Zweck nicht erreichen; vielmehr dürfte im Interesse der Landwirth- schaft die Errichtung von kleinen, ihr leicht zugänglichen Lagerhäusern liegen, welche ohne nennenswerthe Kosten an die Güterschuppen der Eisenbahnen angebaut werden können. Die Generalanwaltschast ländlicher Genoffen schaften für Deutschland wird gebeten, diese Resolution der Regierung zur Kenntniß zu bringen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß der für Dortmund bei der Stichwahl in den Reichstag gewählte Socialdemokrat Oi. Lütgenau wahrscheinlich nur durch einen Zufall der sofortigen Wiederaberkennung seines Mandats entgangen ist. Am Dienstag wurde er ge wählt, am Freitag wegen Majestätsbeleidigung zu 5 Monaten Gefängniß verurtheilt. Hätte vor der gericht lichen Verhandlung bereits die amtliche Feststellung des Wahlergebnisses vorgelegen, wäre also Lütgenau bereits in aller Form Reichstagsabgeordneter gewesen, so würde