Volltext Seite (XML)
Noigtländifekev Anzeiger. 5^o. 23. Plauen, Sonnabend den 4, Juny 4836. Warum werden die Gewerbschulen nicht besser benutzt? Es ist eine auffallende Erscheinung, daß die voN derReglerung gestifteten Mittlern Ge- werbschulen nicht mehr Anklang bei denjeni gen finden, Vie daselbst sich für ihr Gewerbe wissenschaftlich vorbcreiten können. Sind diese Anstalten etwa nicht gut und zweckmäßig? — Niemand kann Vieß bezweifeln! Oder sind sie zu theuer? — Aber das gesetzte Schulgeld kann ja erlassen werden, da diese Schulen aus Staatsmitteln erhalten werden! Oder kommt den Leuten die Sache zu großartig, zu vor nehm vor, da sie von der Regierung ausgebt, und man sich immer noch nicht daran gewöh nen kann, daß die Regierung die Bedürfnisse des Volkes berücksichtigt, und zu befriedigen sucht, nicht um ihret- sondern umdesVolkes- willen? — Ohne auf diese Fragen, die aller dings der Beachtung wcrth sind, näher ein zugehen, wollen, wir blos auf 2 Ursachen, aus welcher sich diese Erscheinung erklären läßt, aufmerksam machen, und sie der Be herzigung empfehlen. Die erste Ursache geringerer Theilnahme an den Gewerbschulen liegt wohl in der U n- künde so vieler Gcwerbtreibenden, die noch nicht begreifen können, was die Sch ule beim Handwerk thun solle, bei deqz sie Alles von der mechanischen und jahrelangen Uebung und von den sogenannten Handwerksvortheilcn erwarten. Sie scheinen nicht zu wissen, daß Vieles was sonst blos Handwerk war, jetzt gar nicht mehr ohne Kopf, also ohne Wissen schaft, mit Glück betrieben werden kann. Eine zweite Ursache liegt in denVerhäl t- nissen, welche noch zwischen Lehrmeistern und Lehrburschen bestehen. Aber auch für die Lehrmeister ist nun die Zeit der Bequem lichkeit vorbei, und die Zeit der Anstrengung gekommen. Wenn wir die Zeit, welche jetzt so mancher Lehrbursche an seiner Lehrzeit ver liert durch Wasserholen, Kinderwarten, Holzhacken und andere häusliche Geschäfte, wegrcchnen und annehmen, daß sich derLchr- meister mit seinem Lehrling die Mühe giebt, die ihm zur Pflicht gemacht werden kann, so kann entweder die Lehrzeit im Ganzen kür zer scyn, so daß es dem Lehrling möglich wird zuvor die Gewerbschule zu benutzen, ehe er förmlich in dicLchre tritt, oder er kann in den Stunden, welche ihm die Gewerbschule frei läßt, in der Werkstatt beinahe eben so viel arbeiten. Freilich müssen zu diesem Zwecke die Lehreontracte anders eingerichtet werden, als zeithcr, und die Innungen müssen solche Handwerks-Artikel einer gcnauernPrüfung und Abänderung unterwerfen, welche den Zwecken dcrGcwerbschulen hinderlich sind und also für unsereJeitdurchaus nicht mehrpassen. — Diese beiden Hemmschuhe eines höher» Gewcrbbetriebes wird jedoch die Schule und die Erfahrung schon nach und nach losketten von dem Wagen der Industrie. Dann wer den die Gewerbschulen fleißiger besucht seyn und allgemeiner Wohlstand wird aus einem dadurch beförderten höher» Gewerbbetrieb nach und nach hervorgehen. Oder sollen wir glauben, daß von unserm Volke nur Gutes zu erwarten sey, wenn es ihm befohlen wer de, und nicht vieln^hr, daß cs von freien Stücken zu der bessern Einsicht und zu dem Entschlusse kommen werde, der cs einzig und