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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrSnumlraston«- Prei« 22j Sgr. (; Idir.) vleneljShrstch, 3 THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er di düng, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prSnumerlrt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Ällg. Pr. StaatS-Zeitung (Fnedrichistr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Autlande bei den Wohllibl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 96. Berlin, Mittwoch den H. August 184t. Spanien. Ein Handstreich Empecinado's. Kurz nach dem Ausbruche des Krieges auf der Halbinsel, an einem heiteren Nachmittage, saß ein Mann auf einem Felsen, der die Heerstraße in einiger Entfernung von Bahabon in Alt-Castilicn be herrschte. Sein Kostüm unterschied sich nicht von demjenigen, das die Bauern des nördlichen Spaniens zu jener Zeit gewöhnlich trugen. Ein breiter Filzhut (-iombrera) beschattete die Gesichtszüge, die zwar gemein und selbst etwas roh waren, jedoch durch eine gewisse Regel mäßigkeit und ihren Ausdruck von Kühnheit und Energie sich aus- zeichneten. Neben ihm auf der Erde lag eine lange Flinte, und sein mit Patronen «„gefüllter Gurt war außerdem noch mit einem großen Messer-Dolch versehen. Die Straße von Burgos bildet hier, von einer doppelten Felsen- rcihe eingeschlossen, einen Engpaß, der von steilen Abgründen rings umgeben ist. Von dem hohen Gipfel dieses seines Observatoriums aus streifte das Auge des Mannes weit umher und konnte Alles in der Ferne leicht unterscheiden, während er selbst, unbeweglich auf dem Felsen liegend, dessen dunkclröthliche Farbe von der seiner Kleidung kaum zu unterscheiden war, gewissermaßen völlig unsichtbar blieb und es fast unmöglich gewesen wäre, ihn hier zu entdecken. Drei Stunden verflossen, ohne daß irgend etwas auf der Straße von Castilien seine Aufmerksamkeit zu fesseln vermochte. Ein Landmann, der seine trägen Ochsen antricd, die vor einen jener elenden altfrän kischen Wagen gespannt waren und deren klägliches Aussehen laut genug verkündete, daß ihr Besitzer sich eben nicht sehr darum be- kümmerre, sie zu füttern: ferner ein Dorfgeistlicher, dessen Füße in den Steigbügeln oder vielmehr in den zu beiden Seiten seiner Maul- eselin.herabhängenden Schachteln fast eingeschloffen waren; Bauern und Bäuerinnen, Mauleseltreiber — alles dies war nicht das, was er ohne Zweifel erwartete; denn schon begann er, nach der am Hori zonte herab sich neigenden Sonne hinblickenv, mehrere deutliche Zeichen der Ungeduld von sich zu geben und mitunter energische Verwün schungen auSzustoßen. Plötzlich richtete er sich auf, und mit der Hand eine Art Visir bildend, warf er einen scharfen Blick auf die Einbiegung der Land straße. In diesem Augenblicke rückte ein Trupp von Reitern heran, denen ein Zug von dreißig Gabel- und bedeckten Wagen, ähnlich denjenigen, deren sich die Franzosen zu bedienen pflegten, um ihre Kaffen und Kriegsbedürfniffe zu transportircn, unmittelbar folgte. Ein zweites Piquet Kavallerie hinter dem Convoi schloß den Zug und bildete mit dem Vortrab eine Eskorte von ungefähr sechzig Mann. Nachdem das Detaschement den Winkel der Straße passirt hatte, der beinahe eine Meile von dem Felsen-Posten entfernt war, ergriff der Spanier seine Flinte, sprang gleich einer Gemse von Fels zu Fels in eine tiefe Schlucht hinab, die ungefähr hundert Schritt davon lag. Hier, unter einem dichten Gebüsche, hielten sich dreißig bis vierzig Manu verborgen, die zum großen Theil auü Bauern bestanden, obgleich Einige unter ihnen, durch ihr beinahe militairischeS Kostüm und das feine Tuch, in das sie gekleidet waren, einer höheren Klaffe anzugehören schienen. Sie waren Alle bewaffnet, der Eine mit einer Muskete, der Andere mit einer Jagdflinte und ein Dritter mit der Nationalwaffe, der Stutzbüchse. Einige hatten sich den Reizen der Siesta hingegeden; Andere dampften ihre unvergänglichen oißariwn; wieder Andere hatten sich um zwei Spieler her gruppirt, die, mit schmutzigen Karten spielend, darauf erpicht warem einige zu gewinnen oder zu Vernern: aber kaum vernahmen sie die Stimme ihres Waffenbruders, als sic allesammt sich erhoben, und Spieler so wohl als Raucher versammelten sich um ihn her. ,,.L las armp!,! »molmoln^!" (Zu den Waffen, Bursche!) ries Jener, „die Belohnung nahet heran; in einer halben Stunde werden die gavaolw!, (so wurden die Franzosen von den Spaniern spott weise bezeichnet) in dem Engpaß sepn; es ist Zett, Eure Angriffs- Posten zu besetzen." „Vivu lünrlin Dier! viva el l'-mpeeinuüu!"-) xrwiedertcn Alle, > Juan Martin Diäz war Winzer acwescn. Sein Geburtsort, ein kleines Dor, >n -Ur Castilien, lag in einer niedrigen, funwstgen, von Gebirgen ein- aeswlonenen und häutigen Ueberschwenunungen ausgeicluen Gegend, deren Bewohner von denen der benachbarten Ortschaften mit dem Beinamen ciu-sto» iSumvfbcwohneri belegt wurde». -Als Diöj svatcrhin Guerilla-Chef geworden war, fuhren seine Anhänger fort, ihn den Lmpooiaasta zu nennen, 10 daß die>er Name berühmter als fein Familienname geworden und indem sic ihre Waffen ergriffen, folgten sie dem kühnen Aben teurer, der, seine Laufbahn damals erst beginnend, später einen so ausgezeichneten Rang unter den Guerilla-Chefs einnchmen sollte. DaS Französische Convoi, das sich dem Engpässe näherte, hatte noch drei Meilen, bis nach Aranda, zurückzulegen, wo sich 3OVV Mann Kavallerie unter den Befehlen Murai'S befanden; ein Theil des - Transports war für dieses Corps bestimmt, während das Uebrige unter die Divisionen weiter im Inneren verthcilt werden sollte. Die Eskorte, unter den Befehlen eines Lieutenants, bestand aus einem Detaschement jenes berühmten Dragoner-Corps, das damals unter dem Namen der Leimü'urmerio üe l'armi'e bekannt war. Als der Vortrab der kleinen Kolonne den Mittelpunkt des Eng passes erreicht hatte, bemerkte der Gendarmc-Offizier gegen seine Waffengefährlcn, wie leicht hier eine Handvoll entschlossener Krieger eine ganze Armee aufzuhalten im Stande wäre. „Dieser Ort", fügte er hinzu, „wäre für einen Hinterhalt gar nicht übel gewählt; auch würde ich mich kcineSwcges so ruhig auf meinem Sattel befin den, wenn ich wüßte, daß Guerilla-Haufen herumstrcifen; aber, Gott sep Dank, die ganze Provinz ist gegenwärtig von diesen Banditen gesäubert...." Er war nicht im Stande, seine Phrase zu Ende zu bringen; ein ungeheures Felsenstück, von unsichtbarer Hand aus der Höhe herab- gefchleuvcrt, fiel auf den unglücklichen Offizier und zerschmetterte ihn mit seinem Pferde. Zu derselben Zeit ließ ein Musketenfeuer sich vernehmen, und ein Dutzend Dragoner wurden auf der Stelle tödt- lich verwundet, während die Ucbrigen, durch den überraschenden Angriff in Verwirrung gebracht, vergeblich bemüht waren, den ver borgenen Feiud aufzusuchen, der ihnen ein solches Verderben bereitete. Von allen Seiten erblickte man schroffe Felsen, aber kein menschliches Wesen ließ sich sehen. Nur durch eine enge Oeffnung, hinter den Gebüschen von Rosmarin, die hier und da die Abgründe begränzten, gewahrte mau ein kupferfarbiges Gesicht, das bald wieder verschwand. Kaum war der Dampf des ersten Feuerü vorüber, als schon ein zweites nachfolgtc, und zwar diesmal begleitet von einem Stein hagel und vielen isolirten Schüssen von allen Felscnspitzen herab. Die meisten Kugeln trafen; sic rifscn entweder die Menschen oder die Pferde hinweg; denn obgleich unsere Spanier zum großen Theil aus noch jungen Leuten bestanden, so waren es doch entweder ge lernte Jäger oder oonrrakamlwrs^ das heißt so viel, als vortreffliche Schützen. UebrigcnS wußte, durch die Krümmungen des Engpasses und durch die lange Reihe der Wagen getrennt, der Nachtrab deS Französischen Trupps nichts von dem, was vorn vorgefallen war, und als ein Sergeant, das Feuern vernehmend, herbcieilte, um sich darüber zu belehren, fiel eben der Letzte von jenen Dragonern und die Äaffenwächler unter den mörderischen Kugeln der Guerillcrvs. Man durfte nicht daran dcnkcn, etwa mit dem Convoi wieder umzukchrcn; denn die Straße war zu eng, und überdies, wenn der Gedanke auch ausführbar, was wäre das Resultat davon gewesen? Der bereits zurückgelcgte Weg war eben so lang, als der, welcher noch zu machen übrig blieb. Der Unteroffizier, dem nunmehr das Kommando zugcfallen, beschloß daher, sich an der Spitze der Ko lonne zur Wehr zu setzen; er ließ seine Leute absetzen und rückte ent schlossen gegen den Feind los. Doch welcher vergebliche Muth! Er beschleunigte nur seinen Untergang, so wie den der tapferen Krieger, die ihm folgten. Kaum hatten sie fünfzig Schritt zurückgelcgt, als aus einer Schlucht am Fuße des Gebirges ein mörderisches Feuer drang. Zugleich fielen die Spanier, den ersten Augenblick der Ver wirrung benutzend, mit dem Empecinado an der Spitze, wüthend über die noch Lebenden unter dem feindlichen Haufen her. Der Kamps dauerte nicht lange. Die schon durch dcn langen Marsch ermüdeten Franzosen, durch Vas um sie her liegende Gepäck, durch ihre todtcn oder verwundeten Kameraden und noch mehr durch das Gewicht ihrer Kleidung und der langen Säbel behindert, waren nicht tm Stande, sich gegen die beweglichen, ausgeruhten und leicht equi- pirtcn Gcbirgsleute zu hallen; auch hatten das Bajonett und der Dolck bald dem ungleichen Kampfe ein Ende gemacht. Der Abend nahetc heran; auf hundert Franzosen waren in die sem Treffen gegen sünfunddrcißig, durch die Beschaffenheit des Ter rains geschützte Bergleute geblieben. Die Spanier gewannen bald die Uebcrzcugung, daß sie keinen Feind lebendig auf dem Schlacht- selde zurückgclasscn; hierauf banden sie die Pferde der Gendarmen hinter Vie Wagen, trieben die Maulesel durch Zuruf und Peitsche an, und daS Convoi, dem der Empecinado und seine Gefährten auf -n so eben erbeuteten Pferden voraneilten, verließ den Engpaß.