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Wiümign Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. ««d Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 1«. Freitag, den 20. Januar 1882. "Waldenburg, 19. Januar 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Gegenüber den günstigen Nachrichten, welche über das Befinden des Fürsten Bismarck in einigen Regierungsblättern verbreitet waren, verlautete am 18. d. im Reichstage, daß der Fürst an einer Ge sichtsrose erkrankt sei. Es ist dies eine an sich be kanntlich nicht Besorgniß erregende, aber immerhin zeitraubende und belästigende Krankheit. An einem Festdiner, das in Berlin im großen Saale des „Hotel de Nome" zu Ehren des seinen 70. Geburtstag feiernden Abg. Or. Windthorst stattfand, nahmen gegen 200 Personen Theil. Die Mehrzahl derselben bestand aus Mitgliedern der Cenlrumspartei im Reichs- und Landtage. Den ersten Toast brachte Freiherr zu Frankenstein aus. Der Gefeierte dankte in bewegten Worten für die Glückwünsche. Sein Trinkfpruch galt der Devise des Centrums: für Wahrheit, Freiheit und Recht. Die „Prov.-Corresp." bespricht die Berathung des Windthorst'schen Antrags im Reichstag und die dabei zu Tage getretene Friedensstimmung, wo bei Seitens der Bundesregierungen zum Theil wegen der schwebenden Verhandlungen zwischen der preußischen Regierung und der Kurie jede Meinungs äußerung vermieden worden sei, welche Rücksicht nahme voraussichtlich auch bei der Stellungnahme des Bundesralhs zu dem Anträge maßgebend bleibe, und schließt: Diejenigen, denen es mit der Frie- densstimmung wirklich ernst ist, werden am besten thun, wenn sie die Regierung auf dem Wege unter stützen, welchen dieselbe nach reiflichster Ueberlegung s in Anbetracht der gejammten Verhältnisse eingeschla- t gen. Dieser Weg vereinigt in sich die Würde des Staates und das Interesse für die katholischen Unterlhanen, wie auch das aufrichtige Bestreben, zu der Kirche solche Beziehungen herzustellen, welche beide» Gewalten unbeschadet ihrer Grundsätze und Ansprüche die Erfüllung der gemeinsamen hohen Aufgaben ermögliche. Der Centralverband deutscher Jndustieller hat folgende Petition an den Reichstag gerichtet: „Der von den Abgeordneten Or. Buhl und Genossen ein gereichte Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung bei Unfällen und die Unfallversicherung der Arbeiter, ist für die deutsche Industrie unan nehmbar. Derselbe erklärt den Unternehmer für jeden beim Betriebe sich ereignenden Unfall als haftbar, selbst wenn dieser Unfall durch grobes Ver schulden des Arbeiters herbeigeführt ist; er beseitigt die nach der Erfahrung unbedingt erforderliche Carenzzeit, er verstößt gegen das Prinzip der cor- poraüven Selbsthilfe, weil derselbe von jeder Heran ziehung des Arbeiters zu den Beiträgen und zu der Verwaltung der Unfallskasse absieht, während gerade die Mitbeiheiligung des Arbeiters an der Verwaltung ähnlicher Kassen sich in ethischer und finanzieller Beziehung als segensreich erwiesen hat. Durch die neuen, in ihrer Tragweite gar nicht absehbaren Lasten, welche dieser Entwurf der deutschen Indu strie aufbürdet, wird dieselbe nicht nur in ihrer Concurrenzfühigkeit gegen das Ausland empfindlich beeinträchtigt, sondern es wird vor Allem der Unter nehmungsgeist völlig gelähmt und gerade dadurch der Arbeiter am meisten geschädigt werden. Der Centralverband deutscher Industrieller hat wiederholt die volle Bereitwilligkeit der deutschen Industrie aus gesprochen, die Frage der Unfallversicherung auf einer breiteren Basis zu lösen und erhebliche Opfer dafür zu übernehmen; in dem gegenwärtig einge- schlagenen Wege kann derselbe indeß eine gedeihliche oder auch nur erträgliche Lösung derselben nicht erkennen. Für heute auf diese wenigen und prin zipiellen Bemerkungen uns beschränkend, bitten wir den Hohen Reichstag, den Gesetzentwurf abzulehnen. Richter, Gcneraldirector der vereinigten Königs- und Laurahütte. Th. Haßle, königlich baierischer Com- merzienrath. E. Russel, Bürgermeister a. D. Schück, Regierungsrath a. D. Der Geschäftsführer: Beut ner, Regierungsrath a. D." Oesterreich. Die jungtschechischen Blätter begrüßen natür lich die südslavische Bewegung mit lebhafter Zu stimmung. Der „Kolliner Anzeiger" verflieg sich sogar so weit, den Crivoscianern Sieg zu wünschen. Die Folge war, daß die betreffende Nummer poli zeilich mit Beschlag belegt wurde. Franrrerch- Die jetzt abgeschlossenen Rechnungen der Pariser Weltausstellung vom Jahre 1878 ergeben 55 Millionen Ausgaben, 24 Millionen Einnahmen, daher 31'/2 Millionen Deficit. Bei dem Voranschläge, der im Jahre 1876 gemacht wurde, hatte man nur ein Deficit von 10 Millionen gerechnet. Fast alle Ausgaben haben sich höher, fast alle Einnahmen geringer gestellt, als man angenommen. In der im Elysee Montmartre abgehaltenen Volksversammlung der Radicalen, die ziemlich stark besucht war, wurde nach wüthendem Hin- und Herreden eine Resolution angenommen, des Inhalts, daß die Polizei als eine durchaus überflüssige Ein richtung, da die Bürger selbst am besten die öffent liche Ordnung aufrecht erhielten, gänzlich abzuschaf fen sei. (Natürlich!) Die äußerste Linke und die radicale Linke haben sich für die vollständige Revision der Verfassung ausgesprochen Die Blätter rücken Herrn Gambetta, um ihn eines neuen und grellen Widerspruchs mit fich selbst zu überführen, folgende Stells aus einer Rede vor, die er am 4. Septbr. v. I. in Neubourg gehalten hat. „Ich spreche es, um auf gewisse Träumereien und Unterstellungen zu antworten, laut aus: es wäre nicht politisch, es wäre nicht klug, die nationale Gesetzgebung gleich bei dem Erscheinen der Kammer wieder in Frage zu stellen. Nein, meine Herren, man soll auf das Listenskrutinium nicht verzichten, aber man muß es bis zum Ablauf der Vollmachten dieser Kammer oder bis zu einer Neuerung der Verfassung, wenn eine solche stattfindet, vertagen. Das Eine ist gewiß, daß es ganz unklug und, ge statten Sie mir das Wort, geradezu kindisch wäre, einer Kammer, die erst gestern aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangen ist, zuzumuthen, daß sie ihre Wahlgesetzgebung ändern und eine neue Con- sultation des Landes verlange. Was mich betrifft, der ich nur praktische Politik mache, so würde ich dieses Vorgehen im allerhöchsten Grade lächerlich finden." Die „Frz. Corr." bemerkt hierzu: „Ein Mann, der in seinem Leben so viel gesprochen hat wie Herr Gambetta, ist eigentli' schon aus diesem Grunde regierungsunfähig; man gebe ihn doch so bald als möglich seinen Handlungs-Reisenden zurück, in deren Mitte er noch die schönsten Triumphe feiern kann." Bei den Betrachtungen französischer Blätter über die deutsche Armee ist es auffallend, daß sie im allgemeinen an unserer Cavallerie wenig gutes ent decken können und die französische Cavallerie für mindestens ebenbürdig halten. Im Gegensätze hier zu wird unsere Infanterie aufs höchste gelobt und ein Artikel der „Mpublique Fran^rise" schließt heute mit den Worten: „Es giebl keine einzige europäische Armee, welche mit dieser Waffe in materieller Be ziehung so ausgezeichnet ausgestattet ist, als die deutsche." Schweiz. Man telegraphirt aus Genf der „Time§," daß seit Eröffnung des St. Gotthard-Tunnels der Verkehr zwischen der Schweiz und Italien über alle Erwartungen gestiegen sei. Italien. In diesen Tagen hat ein in Paris ansässiges ultramontanes Finanz-Institut eine Anzahl hervor ragendster italienischer Zeitungen verschiedenster Parteischattirungen angekaust. In Italien macht dieses Vorkommniß erklärlicher Weise einen großen Lärm und wird als wichtiges politisches Ereigniß behandelt. Keine einzige der betreffenden Redactio nen ist von den Verkauf der Zeitungen vorher un terrichtet worden. In Folge dessen erklärt „Fanfulla" — eins der verkauften Blätter — den Verkauf nicht anzuerkennen, da der betreffende Zwischenhändler Oblieght gar nicht zur Abtretung seines Antheils ohne Zustimmung der anderen Theiihaber berechtigt war. Die Redaclion erklärt daher, daß sie keine Notiz nehme von der Umwandlung des Besitzes. Die Redacsion des ebenfalls verkauften „Diritto" hält die Thatsache für Hochernst und den öffentlichen Eindruck für einen außerordentlichen. Dec Chef redacteur dieses hohen ministeriellen Blattes sagt, er werde keinenfalls capituliren, sondern abwarten, daß man ihm die Entlassung aufzwinge. Die Redaktio nen der übrigen verkauften Blätter beobachten Schweigen. Die unabhängige Presse ist in Auf regung wegen der Gefahr, welche der Besitz der verkauften Zeitungen in französisch-clericalen Hän den bietet. Portugal. Das spanische Königspaar war in Lissabon fort während Gegenstand der herzlichsten Ovation. Bei dem den Majestäten zu Ehren am 11. d. M. von der königl. portugiesischen Familie gegebenen Fest bankett brachten die beiden Könige sehr herzlich ge haltene Toaste auf das Wohl und die Unabhängig keit ihrer Völker aus. Am Abend desselben Tages war Hosball, zu welchem 1000 Einladungen ver sendet worden waren. England. Eine neue „Gesellschaft von Nord-Borneo", welche aus englischen Kaufleuten besteht, hat kürzlich die Hälfte des Gebiets der Insel Borneo angekaust. Nach vorhergängiger Ermächtigung seitens der eng lischen Regierung hat sie nun ein Panzerschiff und aus dem Arsenal von Woolwich zu sehr billigem Preise eine Menge Flinten und Kriegsmunition er worben, um ihre Autorität bei den Eingeborenen der Insel kräftig zu unterstützen. Dies ist offenbar eine der Gründung der ostindischen Gesellschaft und Begründung der Herrschaft Englands in Indien sehr ähnliche Transaction. Spanien und Holland, die auf Borneo sehr wichtige Handelsinteressen haben, wittern dies und haben denn auch bereits gegen die maskirte Annexion der Insel protestier. In verschiedenen Gegenden Jrland's sind auch in der letzten Woche wieder allerhand Ausschrei tungen vorgekommen, doch haben sich die Bauern mehr auf Verhinderung von Jagden beschränkt. In den meisten Fällen veranstaltete das Volk sAbst Treibjagden und schickte das dabei erbeutete Wild an die politischen Gefangenen. Das zur Verhin derung dieser Landligajagden ausgeschickte Militär sah dem Treiben in der Regel theilnahmlos zu und in Wexford stimmten sogar einige Hundert Trago- ier, die zur Unterdrückung einer solchen Jagd aus gesandt worden waren, irische Nationallieder an und ließen Parnell hochleben, worin sie von den anwe senden Landligisten wacker unterstützt wurden. Rußland. Die Vorbereitungen zur Krönung des Kaisers