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Dresdner Journal : 08.09.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188709085
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870908
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870908
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-09
- Tag 1887-09-08
-
Monat
1887-09
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 08.09.1887
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N»r»»»».I»«r r LüoiAl 8ip«tit>0ll U« i)r«all« lomnutt», t-rooUvn, LH-iagorotr. >0. ksrn.prsck - nootilu«: Ur. 1895. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Bahnmeister Johann Gottlieb Marschner in Ebersbach das Ver dienstkreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Nichtamtlicher Teil. Kelegraphische Wcrchrichten. Königsberg i. Pr., 7. September, abends. (W. T. B.) DaS heutige Corpkmanöver hat einen glänzenden Verlauf gehabt. Die Südarmee be setzte na» einem sehr gut auSgeführten Kavallerie- angriff KnöppelSdovf und rückte darauf mit seiner ersten Division auf Wange und mit der zweiten gegen Görken vor Nach einem hartnäckigen Kampfe wurde die Wanger Höhe genommen und sodann um k2 Uhr das Manöver abgebrochen. Se. König!. Hoheit Prinz Albrecht hatte nördlich von Knöppelsdorf Stellung genommen. Nach Be endigung des Manövers hielt der Prinz eine kurze Kritik ab und sprach später den wieder zusammen- gezogenen Truppen seine volle Anerkennug auS, indem er die MannSzucht und Strammheit deS l. ArmeecorpS hervorhob, welche er schon bei der gestrigen Parade konstatiert habe. Danach kehrte Se. König!. Hoheit nach Königsberg zurück. Bei dem großen Diner am heutigen Nachmittage toastete Se. König!. Hoheit auf die Provinz; der Oberpräfident brachte darauf einen Trinkspruch auf Se. Majestät den Kaiser und sodann auf Se. uönigl. Hoheit den Prinzen Albrecht auS. Nach dem Diner hielt der Prinz im KrönungS- gange Cercle ab. AbendS findet ein Fackelzug der Studenten statt. Rom, 7. September, abentS. (W.T. B.) Die Session der Kammer ist durch König!. Dekret für geschlossen erklärt. Der „Osservatore Romano" ist ermächtigt, die Nachrichten einiger Blätter über die von dem Vatikan in Bulgarien angeblich verfolgten Ab sichten für gänzlich unbegründet zu erklären. Dergleichen Insinuationen könnten nur der BöS Willigkeit gegen den Vatikan oder nicht schwer zu begreifenden politischen Absichten zugeschrieben werden. Kopenhagen, 7. September, Abend». (W. T. B.) Anläßlich deS 7V. GeburtStageS der Königin ist die Stadt festlich geschmückt. Im Schlosse KredenSborg fand vormittags eine mufika- lischt Feier statt, bei welcher ein neues Werk von NielS Gade zur Aufführung kam; die Studenten schaft trug eine Kantate vor. Eine sehr zahl reiche Abordnung von Damen, sowie viele andere Abordnungen brachten ihre Glückwünsche dar. Nachmittags war Familiendiner, an dem die hier anwesenden hohen Gäste teilnahmen. Bei an- brechender Dunkelheit setzte sich ein glänzender Fackelzug nach dem Schlosse in Bewegung. AbendS findet eine Soiree mit Ball statt, wozu auch die englischen und russischen Offiziere Einladungen er halten haben. Sophia, 8. September. (Tel d.DreSdn.Journ.) Nach einer Meldung von „Reuters Office" ging der Regierung eine Mitteilung zu, nach welcher die Pforte den türkischen Botschafter in St. Peters burg, Schakir Pascha, telegraphisch beauftragt habe, die russische Regierung um eine Äußerung über deren weitere Anschauungen zu ersuchen, nachdem die Entsendung deS Generals Ernroth nicht zu stände gekommen sei, und nach welcher die Pforte heute rin neues Rundschreiben an die Mächte gerichtet habe. Feuilleton. Geheilt. Novelle von L. Greiner. (Fortsetzung.) Freilich ganz ohne Kampf war eS für die treue Seele nicht abgegangc n; zu froh war sie gewesen, mit Hilse eine« glücklichen Zufalls den gewissenlosen Dok tor so bald schon hinausgebissen zu haben, allein um den Preis der sicheren Existenz ihres treuen Ver ehrers mochte sie sich diesen Triumph doch nicht er kaufen. Und da saß nun der Doktor wieder auf seinem alten Platz am Bette der Frau Patin, den die Nacht hindurch eine schlanke Frauengestalt beobachtend inne gehabt, und prüfte spöttisch lächelnd ein Pulver, wel cher jene verordnet hatte. „Gänzlich beiseite stellen -, bestimmte er mit ent sprechender Handbewegung; „ich werde etwas andere verschreiben." „Aber eS hat mir sofort ganz außerordentlich gut aethan", protestierte die Patientin und wollte eben aus führlich die Wirkung des streitigen Medikaments schil dern, als die Thür sich öffnete und die, welche jenes verordnet, auf die Schwelle Kat. Frau Ihlefeld schaute sehr verlegen drein, doch die Fremde, den anwesenden Mann mit einem prüfenden Blick messend, fchritt jetzt mit leichter Verbeugung an diesem vorüber, um die Hand zu ergreifen, die sich von dem Bett her ihr entgegenstreckte. Dresden, 8. September. Die Regierung und die Tschechen in Österreich. Auch dem flüchtigen Beobachter wird eS nicht entgangen sein, daß in dem unS engbesreundeten Nach barlande in diesem Jahre eine Wandlung sich vorbereitet hat. Der Sommer 1887 wird in der Geschichte der Versöhnungsära einen hervorragenden Platz einnehmen und vorläufig ist noch nicht abzusehen, ob dieser Som mer nicht auch den Höhepunkt bedeutet, von dem auS der Weg abwärts führt. Die Vorgänge der letzten Monate, insbesondere, wie sie sich im Mittelpunkte der nationalen Bewegung, nämlich in Böhmen, ereigneten, sind so ziemlich bekannt, ebenso wie eS Keinem ver borgen geblieben, daß die Tschechen der kampflustige und angreisende Teil sind, während die Deutschen Böhmens lediglich um Erhaltung ihrer deutschen Eigen art einen ihnen aufgezwungenen Kampf führen. Um eine Bewegung recht zu verstehen, muß man ihre Ziele kennen. Die Tschechen wollen die Wiederher stellung des alten Königreiches Böhmen, nicht wie eS jetzt besteht, als gleichberechtigte Provinz im Staate, sondern als selbständiges Gebilde im Rahmen der Monarchie. Sie wären vielleicht zufrieden, wenn Böh men dieselbe Ausnahmestellung genösse, wie Kroatien sie in Ungarn genießt, d. h. Unabhängigkeit in allen inneren Fragen; Gemeinsamkeit in Sachen des Reichs. Es ist klar, daß diese Tendenz eine Zersplitterung der Einheitlichkeit der Monarchie bedeutet und ebenso natürlich ist eS, daß die zwei Fünftel der Bevölkerung Böhmens ausmachenden Deutschen, ganz abgesehen von ihren eigenen deutschnationalen Tendenzen, den An schluß an die übrigen Deutschen Österreich» und deshalb einen möglichst ausgebreiteten Zentralis mus suchen. Die Deutschen Böhmen- sind da- nahe liegende Hindernis, daß die separatistischen Träume der Tschechen nicht in Erfüllung gehen konnten, daher ist man tschechischerseitS bemüht, indem man hinfällig gewordene geschichtliche Überlieferungen aufwärmt, Böh men für die Tschechen zu verlangen. Die Tschechen ignorieren das Vorhandensein der Deutschen vollstän dig; für sie giebt es ein Böhmen, eine böhmische Sprache und eine böhmische Natton. Der geographische Begriff soll sich da mit dem politischen decken, wa» ebenso unsinnig ist, wie wenn jemand von einer öster reichischen Nation und von österreichischer Sprache sprechen wollte. Daß die Deutschen in Böhmen ge rade den zivilisierten Teil ausmachen, daß Wohlstand, Intelligenz und Industrie bei ihnen relativ besser ver treten ist, als bei den Tschechen, erfüllt letztere nur mit Neid und bildet für sie den Vorwand, die Deutschen als Vampyre am Werke deS tschechischen Volkes dar zustellen. Kurz die Tschechen wollen einerseits ihrem Lande, dem „selbständigen Königreiche Böhmen", die schon im Namen liegende Stellung verschaffen und andernteils die Deutschen in ihrem Lande zur Rolle der geduldeten Eindringlinge herabdrücken. Der Verlauf der Ara Taaffe bietet einen Bew.iS dafür, daß fast das gesamte politische Leben Österreichs während der letzten Jahre sich um Böhmen und die tschechischen Sonderwünsche bewegte. Die Uneinigkeit der Deutschen hatte zunächst das Ministerium des Grafen Taaffe geboren, dessen rechter Arm eben diese Tschechen sind. Als die erste Stütze der Regierung haben sie Vorteile errungen, welche jeder Nation zur Ehre gereichen würden; man denke nur an die zu ihren Gunsten abgeänderte Wahlordnung, an die tschechische Universität, an die ungeheure Verbreitung der tschechi schen Sprache in Amt und Gericht. Für jede Ab stimmung in einer ihr Interesse nicht berührenden Frage forderten sie em Zugeständnis; die Geschichte unsers jüngsten Parlamentarismus bietet nicht- als eine Reihe von Kompromissen zwischen der Regierung und ihren Anhängern oder zwischen diesen untereinander. „Sie schliefen heut morgen fo prächtig, daß ich Sie ohne Besorgnis auf ein paar Stunden verlassen konnte", sagte die junge Dame mit ungemein wohlklingender Stimme, „und wie ich aus Ihrem Aussehen mit Ver gnügen schließe, müssen Sie sich recht erfreulich ge kräftigt fühlen." Sofort nahmen die Züge der Kranken einen fehr leidenden Ausdruck an. „Ach, wo denken Sie hinl Ich bin grenzenlos erschöpft und werde voraussichtlich sehr lange Zeit brauchen, um mich einigermaßen von dem gestrigen Zufall zu erholen. Eine kleine Ohnmacht, fagt Ba bette, sei er gewesen?" fuhr sie fort und richtete dabei den Blick mit dem Ausdruck ängstlicher Frage auf die vor ihr Stehende. „Lieber Himmel, eS wird doch nichts Schlimmeres gewesen sein? Vielleicht gar ein Schlaganfall? Ich habe fo eine merkwürdige Schwäche in dem rechten Arm —" „Sie werden darauf gelegen haben," beruhigte jene. „So, glauben Sie dies in der Thal?" frag die Patientin mißtrauisch. „Gott gebe, daß Sie recht haben. Rudolf — Doktor Wild meint es freilich auch; aber die Herrschaften kennen sich voraussichtlich?" wandte sie den Kopf nach dem Letztgenannten, der mit verfchränkten Armen an einem Nachttischchen lehnte und mit dem ihm eigenen spöttischen GesichtSauSdruck der Unterredung beider Damen gefolgt war ,Hatte bis jetzt nicht die Ehre," entgegnete dieser mit einer nachlässigen Verbeugung; „vermutlich da» Fräulein Doktor, welches sich um die Armen unserer Stadt verdient macht?" Dem feinen Ohr der junge« Dame war der Dieses System mag seine Vorteile haben, so lange die Regierung noch viel zu vergeben hat; unläugbar wird aber dessen Durchführung mit jedem Tage schwieriger nach Maßgabe der wachsenden Ansprüche. So war e- auch bei den Tschechen der Fall, und immer ge spannter gestaltete sich ihr Verhältnis zur Regierung. Wiederholt hatte eS sich in der letzten Zeit erwiesen, daß der vielgerühmte eiserne Ring der Majorität nur mühsam zusammengehalten werde, und besonders waren e» tschechische Elemente, denen der alte hussitische Kampfmut im Blut steckt und die oft nicht übel Lust zeigten, die Streitaxt gegen das Ministerium zu schwingen. Überredung und Zugeständnisse haben immer noch vor dem Äußersten bewahrt. Aber während einer seits die Regierung durch den Eintritt der Minister vr. v. Gautsch und Marquis Bacquehem unzwei- deutia zu verstehen gab, daß das Maß national slawischer Forderungen geradezu schon erfüllt fei, ge wannen beim tschechischen Volke die extremnationalen Elemente unter GregrS und Kaunitz' Führung immer mehr Boden. Unter solchen Auspicien war der öster reichische ReichSrat in diesem Frühjahre auf Ferien gegangen. Binnen wenigen Wochen tritt die Reichs- vertretuvg wieder zusammen und eS mag wohl der Mühe verlohnen, nachzusehen, inwieweit die Kämpfe des d«Hwischenliegenden Sommers die parlamentarische und allgemeine Lage zu beeinflussen geeignet sind. Die Kämpfe in Böhmen bewegten sich in dreifacher Richtung. Einmal war es der nie ruhende Kampf gegen den deutschen „Erbfeind", und dazu kamen die erbitterten Zwistigkeiten im eigenen Lager zwischen den Jungtschechen und der gemäßigteren alttschechischen Richtung. Daß die Tschechen wiederholt gegen die jetzige Regierung Front gemacht haben, ist wohl be kannt; nie hätte man aber erwarten dürfen, daß es bi- zu solch offenem leidenschaftlichen, geradezu auf rührerischem Widerstande kommen könnte, wie ihn die „regierungsfreundlichen" Tschechen eben dem Unter- richt-minister bereiten. Beide Erscheinungen, nämlich der tschechische häusliche Zwist und die .Opposition «gen l)r. Gautsch hängen aufs Innigste zusammen. Die extremen Elemente unter den Tschechen empfinden e- al» eine Demütigung für da- tschechische Volk, daß sie einer ihrer Ansicht nach „geschlechtlosen" Regierung Gesellschaft leisten müssen. Gras Taaffe soll sich für oder gegen die Tschechen erklären: in jedem Falle aber ganz und unbeschränkt. Rieger, der Vater der Nation, hüt e» wohl zuwege gebracht, diese Extremen aus dem tschechischen Klub auszuschließen, aber dadurch das Übel nur schlimmer gemacht, denn nunmehr tragen diese Abgeordneten ihre Weisheit in die Volksver sammlungen, wo ihre Schlagworte auf fruchtbaren Boden fallen. Einige wenige solche Agitatoren üben faktisch einen Terrorismus aus, dem auch die gemäßig teren Elemente sich anschließen müssen, um nicht allen Kredit beim Volke zu verlieren. So hat sich die nationaltschechische Richtung in Böhmen von Tag zu Tag und von Woche zu Woche schärfer zugespiyt, während auf Seite der Regierung selbstverständlich die Nachgiebigkeit gegen tschechischen Größenwahn nicht in gleichem Maße zunahm. Dazu kam noch, daß die von politischem Aberwitz erfaßten Patrioten an der Moldau in übelberatener schlechter Stimmung ein förmliches panslawistisches Bekenntnis ablegten und Streifzüge auf das Gebiet der auswärtigen Politik unternahmen, wodurch sie nicht nur in Ungarn an sehr empfind lichen Stellen anstießen, sondern auch nach oben hin Un willen erregten. Die bekannten Verfügungen des Unterrichtsministers vr. v. Gautsch, der, wie schon längst angekündigt, einige schwindsüchtige, lebensunfähige Mittelschulen eingehen läßt, brachten den Paroxismus zum Ausbruch. ES verschlug nichts, daß deutsche, italienische, ruthenische Schulen das gleiche LoS traf; der Umstand, daß Minister v. Gautsch an dem tschechischen ironische Ton dieser Worte nicht entgangen. Ein höheres Rot überflog ihre ohnehin frisch gefärbten Wangen und ein paar von langen schwarzen Wimpern umsäumte dunkle Augen ruhten für einen Moment wie erschrocken auf dem Sprecher. Was bedeutete diese seltsame Bemerkung? „Clemence Noir", sagte sie mit einem kurzen aus drucksvollen Neigen des feingeformten Kopfes. „Doktor Wild," stellte sich dagegen dieser ohne alle Zeremonie vor und griff dabei nach der Pulvcr- schachtel. „Dürste ich mir wohl die Frage erlauben, was Sie zu dieser seltsamen Verordnung veranlaßte?" „Seltsame Verordnung?" wiederholte die Gefragte, bettoffen einen Schritt zurückweichend. „Wenn Sie, mein Herr, wie ich wohl richtig vermute, hier Haus arzt sind —" „Ich genieße in der That die Ehre und gedenke diese auch ferner zu behaupten", unterbrach er mit sarkastischem Lächeln die Sprecherin. Wieder traf ihn der befremdete Blick der dunkeln Augen. „So darf ich wohl voraussetzen", fuhr Clemence nach einer momentlichen Pause der Sammlung fort, „daß Sie mit der Konstitution der Patientin voll ständig vertraut und sich bezüglich deS vorhandenen Leiden« Nar sind; dann aber müssen Sie auch meine Verordnung verstehen —" „Bitte um Entschuldigung, dies ist aber durchaus nicht der Fall", erNärte Wild brüsk. Die Kammer- rättn seufzte laut. „Aber könntest Du Dich mit dem Fräulein nicht verständigen, Rudolf?" Nagte sie, „eS ist ja entsetzlich, von zweierlei Gesichtspunkten auS be- handelt zu werden." „Aber hiervon ist ja gar keine Rede", bejchwich- Schulwesen zu rühren wagte, war schon eine tödliche Beleidigung für die tschechische Nation. Es folgten die bekannten Widersetzlichkeiten tschechischer Gemeinden gegen diese Ministerialbeschlüsse und stürmische Berfamm- lungcn wurden veranstaltet, bei welchen die treuen Freunde der Regierung durch Gendarmen auseinander gesprengt werden mußten. Selbst die polnischen Bun desgenossen wandten sich von den T chechen ab und gaben nicht undeutlich zu verstehen, daß sie sich lieber nach anderen Verbündeten umsehen wollten, als länger mit den Tschechen Hand in Hand zu gehen, welche einesteils nach Rußland hinüber Verbeugungen machen, während sie der heimischen Regierung unausgesetzt die Faust zeigen. Mit einem Wort, der Augenblick schien gekommen, zu fragen: Bricht jetzt eine neue parlamen tarische Ära an? Soweit die bisherigen Erfahrungen Schlüsse zu lassen, ist eine andere Zusammensetzung der parlamen tarischen Mehrheit für die nächste Zeit nicht zu ge wärtigen. Einesteils darf man sicher sein, daß oie Tschechen die Suppe lange nicht so heiß auslöffeln werden, als sie sie sich eingebrockt haben. In einigen Sachen werden sie nachgeben, dafür andere Zugeständ nisse erschnappen und wenn nicht versöhnt, so doch vorläufig beruhigt, weiter an dem gemeinschaftlichen Strange ziehen. Daß ein solches Regierungssystem auf die Dauer unhaltbar ist, kann niemand bezweifeln: es bildet eben einen Übergang oder wird sich lediglich als mißglückter Versuch erweisen. Der Hauptgrund aber, warum ein Systemwechsel nicht eintreten kann, liegt darin, weil die Deutschen, welche doch einzig an die Stelle der Tschechen vorrücken könnten, unter den jetzigen Umständen die Regierung zu übernehmen nicht bereit sind. Es klingt sehr traurig, bestätigen zu hören, daß das alte deutsche Erbübel der Uneinigkeit auch hier seine Blüten treibt Die nationale Richtung unter den Deutschen, welche immer mehr Anhänger gewinnt, will absolut nicht ans Ruder kommen; sie er blickt in dem nationalen Kampf ihre ganze Existenz berechtigung und hat es *ffen ausgesprochen, daß der Deutsche in Österreich seine Eigenart als Kämpfender besser denn als Regierender zu wahren vermag. Dieser hauptsächlich in Steiermark und teilweise auch in Niederösterreich vertretenen Richtung gehören viele deutsch-böhmische Abgeordnete an; ihr steht die deutsch österreichische Richtung gegenüber, welche zur Über nahme der Regierung und Führung des StaatSruder» in gemäßigter Richtung bereit wäre. Nun ist eS Nar, daß die Deutschen nur dann am Ruder sich behaupten und dem slawischen Anstürme widerstehen könnten, wenn sie als fest geschlossene Partei aufträten. Auch ist nicht daran zu zweifeln, daß die durch Herbst, Schmeykal, Plener vertretenen gemäßigteren Elemente durch Erfahrung gewitzigt, besonders den Tschechen gegenüber viel Entgegenkommen walten lassen möchten, während die nur Kampfeslust atmenden Männer von der Farbe Knotz „Auge um Auge und Zahn um Zahn" auf ihre Fahne geschrieben haben Unter sol chen Umständen ist für den Augenblick an eine deut- fche Regierung nicht zu denken. Fehlerhaft wäre eS aber, zu glauben, daß die Vorgänge des letzten Som mers spurlos vorübergehen werden. Sie haben in greller Beleuchtung die Zukunft gezeigt, zu welcher slawische Begehrlichkeit hinsteuert; sie haben die schließ liche Krise zwar noch nicht herbeigeführt, aber doch in absehbare Nähe gerückt. Tagesgeschichte. DreSden, 8. September. Der kommandierende General Prinz Georg Königl. Hoheit wohnte gestern vormittag den Detachementsübungen der 4 Infanterie- brigade Nr. 48 in dem Gelände nördlich Döbeln bei. Der Divisionskommandeur Generallieutenant v. Tschirschky und Bögendorff Excellenz war zugegen. tigte dieser die beunruhigte Kranke, „indem ich al» Ihr Hausarzt selbst in einem ungleich schwierigeren Fall nie jemand zu Rate ziehen würde, von dem ich nicht weiß, an welcher Universität und unter welchen Verhältnissen er sich den „Doktor" geholt." In Clemence wallte es heiß auf. „Wenn Sie, mein Herr, unter diefem „jemand" mich verstehen soll ten", sagte sie mit allen Zeichen innerer Empörung, ,so habe ich Ihnen zu bemerken: mit Zeugnis I an der Züricher Universität, und daß diese Ihnen bekannt, darf ich wohl voraussetzen." Wild verneigte sich ironisch. „Ich mache Ihnen mein Kompliment, Fräulein Doktor; indes hege ich nun einmal ein unbesiegbares Mißtrauen gegen die gesamte weibliche Wissenschaft." „Dessen Begründung Sie doch erst abwarten soll ten", fiel ihm Clemence in das Wort. „Dieses „Abwarten" dürfte nicht im Interesse mei ner Patientin sein", gab er achselzuckend zurück. Clemences Lippen öffneten sich zu einer raschen Entgegnung, doch kein Wort kam über dieselben. „Gestatten Sie, daß ich mich entferne", bat sie, sich über die Daliegende neigend, um die verräterischen Tropfen nicht sehen zu lassen, die sich ihr heiß in die Augen drängten. Jene ergriff ihre Hände. „Sie sind verletzt", sagte sie mit einem mißfälligen Blick nach dem jungen Mann, „wie leid mir das thutl Wäre ich nicht so entsetzlich schwach und hinfällig, würde ich versuchen, Sie mit Wild zu verständigen. Leider vermag ich dies jetzt nicht, aber —" Sie hielt plötzlich inne, da» Mädchen, welches eben den Kopf wieder erhoben, ver wundert fixierend. (Fortsetzung folgt.)
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